Urteil des OLG Köln vom 15.11.2002

OLG Köln: werbung, unterlassen, preisnachlass, inhaber, abmahnung, vertragsstrafe, fotokopie, abgabe, auflage, unterbrechung

Oberlandesgericht Köln, 6 U 120/02
Datum:
15.11.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 120/02
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 84 O 22/02
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 06. Juni 2002 verkündete
Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 O
22/02 - geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der mit diesem Urteil verbundenen Beschwer der Klägerin
beträgt 5.164,05 EUR.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Der Kläger ist ein gewerblicher Fachverband des Sportartikeleinzelhandels. Die
Beklagte ist eine Tochtergesellschaft der K. AG und betreibt in verschiedenen
Großstädten der Bundesrepublik Deutschland große Sportgeschäfte. Mit
Abmahnschreiben vom 30. Januar 2001 beanstandete der Kläger die nachfolgend in
Fotokopie wiedergegebene Werbung der Beklagten, in der diese für den 14. Dezember
2000 in der Zeit von 20.00 - 22.00 Uhr die Gewährung eines 20%igen Rabattes auf alle
Artikel in der S. K. angekündigt hatte. In dem Abmahnschreiben heißt es, die Werbung
verstoße gegen die nach wie vor gültigen Vorschriften der §§ 1 ff. Rabattgesetz,
außerdem liege ein Verstoß gegen das Ladenschlussgesetz vor, zudem werde in der
Werbung die Durchführung einer außerhalb des üblichen Geschäftsverkehrs liegenden,
auf einen sehr knappen Zeitraum beschränkten Sonderveranstaltung angekündigt.
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Mit Schreiben vom 07. Februar 2001 beantwortete die Beklagte das Abmahnschreiben,
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wies den Vorwurf eines Rabattverstoßes zurück und gab alsdann mit Rücksicht auf die
gerügten Verstöße gegen das Ladenschlussgesetz und § 7 Abs. 1 UWG die aus Blatt 18
der Akten ersichtliche strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung ab, durch die
sie sich verpflichtete, es künftig zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr des
Sportartikeleinzelhandels gegenüber dem Letztverbraucher Preisreduzierungen
außerhalb gesetzlich zugelassener Sonderveranstaltungen und/oder außerhalb der
gesetzlichen Ladenöffnungszeiten auf alle Artikel insbesondere wie folgt anzukündigen
und eine solchermaßen angekündigte Sonderveranstaltung durchzuführen:
1.
Wir laden Sie ein,
2.
am XX.XX.XX
3.
in der Zeit von 20.00 - 22.00 Uhr
4.
in unserer S.
5.
erhalten Sie auf alle Artikel zusätzlich 20%
4
In der auf der Folgeseite ebenfalls in Schwarz-/Weiß Kopie wiedergegebenen, an ihre
Payback-Mitglieder gerichteten Werbung, mit der die Beklagte für den am 14. Oktober
2001 stattfindenden verkaufsoffenen Sonntag für die Zeit von 13.00 - 18.00 Uhr die
Gewährung eines 15%igen Rabattes beworben hat, hat der Kläger die Ankündigung
einer unzulässigen, unter das Vertragsstrafeversprechen fallenden Sonderveranstaltung
gesehen. Er hat deshalb beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.164,05 EUR zuzüglich 5% Zinsen über dem
Basiszinssatz seit dem 19.Oktober 2001 zu zahlen.
6
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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In der angefochtenen Entscheidung, auf die wegen Einzelheiten verwiesen wird (Blatt
68 ff. d. A.), ist das Landgericht der Rechtsauffassung des Klägers gefolgt, hat in der
Werbung für den 14. Oktober 2001 eine der übernommenen
Unterlassungsverpflichtungserklärung zugrunde liegenden Werbung gleichartige
unzulässige Sonderveranstaltung gesehen und die Beklagte deshalb antragsgemäß zur
Zahlung verurteilt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie
beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und
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die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst sämtlichen Anlagen Bezug genommen,
die mit Ausnahme des nachgelassenen Schriftsatzes des Klägers vom 31. Oktober 2002
(Blatt 121 ff. d.A.) sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur
Abweisung der Klage, weil die neuerliche Werbung, die dem Kläger Anlass zur
Einreichung der Zahlungsklage gegeben hat, keinen Verstoß gegen die vertraglich
übernommene Unterlassungsverpflichtung darstellt. Das ergibt sich aus folgenden
Erwägungen:
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Der Inhalt einer ihrer sachlichen Reichweite nach umstrittenen vertraglichen
Unterlassungsvereinbarung und der darin für jeden Fall der Zuwiderhandlung
übernommenen Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe ist durch Auslegung zu
ermitteln. Dies richtet sich nach den allgemeinen für die Vertragsauslegung gültigen
Regelungen der §§ 133, 157 BGB. Anhaltspunkte für die Ermittlung des Inhalts und der
Reichweite einer Unterlassungsverpflichtungsvereinbarung stellen die konkrete
Handlung dar, die Anlass zur Abmahnung gegeben hat, ferner auch der Inhalt des
Abmahnschreibens. Dabei sind die Parteien bei der Gestaltung des Inhalts eines
Vertragsstrafenvertrages frei und insbesondere nicht an die konkrete Verletzungsform
gebunden. Namentlich kommt die unmittelbare Heranziehung der restriktiven
Grundsätze, wie sie für die Auslegung eines in gleicher Weise formulierten
Unterlassungstitels im Hinblick auf dessen Vollstreckungsmöglichkeiten entwickelt
worden sind, nicht in Betracht. Denn der Unterlassungserklärung fehlt gerade der
Charakter eines vollstreckbaren Titels. Ihre Auslegung kann daher - wie die jeder
anderer Willenserklärung und/oder jeden Vertrages auch - in einem besonderen
Streitverfahren erfolgen (BGH WRP 1991, 654, 656 "Preisvergleichsliste"; BGH WRP
1993, 240, 241 "Fortsetzungszusammenhang"; BGH WRP 1997, 1067, 1069
"Sekundenschnell"; BGH WRP 1998, 164, 165 "Modenschau im Salvatorkeller"; vgl.
auch Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Auflage, Kapitel 8
Randnummer 14 ff. m.w.N.). In diesem Streitverfahren der vorliegenden Art ist dann
auch zu prüfen, ob sich nach dem Parteiwillen der Umfang des zur Unterlassung
versprochenen Tuns nicht nur auf Verletzungsfälle beschränkt, die mit der
ursprünglichen, zur Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung führenden
Verletzungshandlung identisch sind, sondern sich auch auf solche Handlungen
erstreckt, die im Kern gleich sind, die also das Charakteristische derselben unberührt
lassen.
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Eine sich an diesen Maßstäben orientierende Auslegung der im Streitfall von der
Beklagten übernommenen strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung lässt es nicht zu,
die hier in Rede stehende Handlung aus Oktober 2001 als Verstoß gegen den
Unterlassungsvertrag zu werten. Der Wortlaut der von der Beklagten abgegebenen, im
Zusammenhang mit dem Inhalt des Abmahnschreibens und der von dem Kläger konkret
beanstandeten Werbung zu sehenden Verpflichtungserklärung ist eindeutig: Danach hat
die Beklagte sich gerade nicht verpflichtet, einer bestimmten oder unbestimmten Anzahl
ihrer Kunden keine Rabatte zu gewähren, sondern hat es lediglich versprochen, es
künftig zu unterlassen, an einem beliebigen Tag innerhalb einer bestimmten Zeitgrenze
den Letztverbrauchern und damit allen Kunden auf jeden Artikel 20% Preisnachlass zu
gewähren. Dem Kläger ist zwar zuzugestehen, dass die Beklagte nicht zwangsläufig
den Kern des von ihr zu unterlassen versprochenen Verhaltens bereits dann verlässt,
wenn sie alle potentiellen Kunden werblich anspricht und ihnen anbietet, sie könnten
binnen eines bestimmen, engen Zeitraumes alle Waren zu einem Preis erwerben, der
jeweils um rund 20%, etwa 19%, reduziert ist. Im Streitfall mögen gegen die
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Wettbewerbskonformität der Werbung der Beklagten aus Oktober 2001 Bedenken
bestehen. Eine vertragliche Verpflichtung, diese Werbung zu unterlassen, hat die
Beklagte indessen nicht übernommen. Dabei kann dahinstehen, ob allein die Tatsache,
dass die Beklagte den von ihrer Werbung angesprochenen Kunden nunmehr nicht mehr
20%, sondern lediglich 15% Preisnachlass angeboten hat, eine solche Abweichung von
der ursprünglichen und zur Unterlassung erklärten Werbung darstellt, dass von einer
kerngleichen Handlung der Beklagten nicht mehr gesprochen werden könnte. Das ist
deshalb nicht unzweifelhaft, weil sich die Beklagte in ihrem Begleitschreiben zur
Unterlassungserklärung ausdrücklich die Gewährung von Rabatten vorbehalten hat und
nach dem Fall des Rabattgesetzes Werbungen des Handels nicht unüblich sind, die die
Gewährung relativ hoher Rabatte auf alle oder einzelne Artikel ankündigen, ohne dass
die beworbene Verkaufsveranstaltung damit zugleich auf die angesprochenen
Verkehrskreise stets wie eine Unterbrechung des normalen, gewöhnlichen
Geschäftsbetriebs wirkt und deshalb Sonderveranstaltung im Sinne des § 7 Abs. 1 UWG
ist. Das kann offen bleiben, weil hier ein weiterer Umstand hinzukommt, der die
neuerliche Werbung der Beklagten als etwas qualitativ anderes erscheinen lässt als
diejenige Werbung, die die Parteien seinerzeit übereinstimmend als dem
Regelungsbereich des § 7 Abs. 1 UWG unterfallend angesehen haben und die der
Beklagten deshalb Anlass gegeben hat, sich auf eine entsprechende Abmahnung des
Klägers hin strafbewehrt zu unterwerfen. Unstreitig richtet sich die Werbung, die nach
Auffassung des Klägers vom Unterlassungsversprechen der Beklagten erfasst sein soll,
nämlich nicht an alle (potentiellen) Kunden der Beklagten, sondern nur an Inhaber einer
Payback-Kundenkarte, die von der Beklagten namentlich angeschrieben worden sind.
Nach dem eigenen Sachvortrag des Klägers in seinem nachgelassenen Schriftsatz vom
31. Oktober 2002 ist aber im Schnitt nur etwa jeder 4. Bundesbürger Inhaber einer
solchen Payback-Karte. Dann macht es aber einen qualitativen Unterschied aus, ob die
Beklagte allen Endverbrauchern gegenüber und damit potentiell jedermann die
Gewährung eines Preisnachlasses von 20% binnen bestimmter Zeit ankündigt, oder ob
sie lediglich einem Viertel ihrer Kunden verspricht, beim Kauf von Waren innerhalb
eines bestimmten Zeitraums 15% Preisnachlass zu gewähren.
Weicht demnach die neuerliche Werbung von der Werbung, die zu wiederholen die
Beklagte zu unterlassen versprochen hat, nicht nur unbedeutend ab, hat die Beklagte
mangels kerngleicher Verletzungshandlung die für den Wiederholungsfall versprochene
Vertragsstrafe nicht verwirkt. Auf ihre Berufung war das angefochtene Urteil deshalb zu
ändern und die Klage abzuweisen.
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Die prozessuale Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
ZPO liegen nicht vor. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu,
noch erfordert die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof.
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Der Wert der mit diesem Urteil verbundenen Beschwer des Klägers wird auf 5.164,05
EUR festgesetzt. Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision findet
demgemäß nicht statt, § 26 Nr. 8 EGZPO.
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