Urteil des OLG Köln vom 28.04.2006

OLG Köln: zustellung, internationales zivilprozessrecht, materielle rechtskraft, vollstreckbarerklärung, auflage, verfügung, kauf, bedürfnis, rechtssicherheit, benachrichtigung

Oberlandesgericht Köln, 16 W 7/06
Datum:
28.04.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 W 7/06
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 12 O 383/05
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 18.01.2006 wird der
Beschluss des Vorsitzenden der 12. Zivilkammer des Landgerichts
Aachen vom 02.01.2006 - 12 O 383/05 - aufgehoben und der Antrag des
Antragstellers vom 05.08.2005 auf Erteilung der Vollstreckungsklausel
zum Versäumnisurteil des Bezirksgericht Zielona Góra (Polen) vom
17.02.2004 - I C 324/03 - als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie des
Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.
Gründe
1
I.
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Der Antragsteller hat ein vollstreckbares Versäumnisurteil des Bezirksgericht Zielona
Góra, Republik Polen, vom 17.2.2004 erwirkt, in dem die Antragsgegnerin und der
inzwischen verstorbene Herr G H als Gesamtschuldner zur Zahlung von PLN 33.045,19
(EUR 6.912,64) nebst Zinsen verurteilt wurden. Bereits unter dem 29.11.2004 hatte der
Antragsteller die Erteilung der Vollstreckungsklausel beantragt. Der antragsgemäße
Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 10.01.2005 (12 O 613/04)
ist vom Senat durch Beschluss vom 02.03.2005 (16 W 4/05) dahingehend abgeändert
worden, dass die beantragte Vollstreckungsklausel nur zu erteilen sei, soweit sich das
Urteil gegen Herrn G H richtet. Den weitergehenden Antrag hat der Senat mit der
Begründung zurückgewiesen, dass der Antragsteller trotz Hinweises des Senats keine
Urkunde vorgelegt habe, aus der sich die Zustellung des verfahrenseinleitenden
Schriftstückes an die Antragsgegnerin ergebe.
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Mit Schriftsatz vom 2.8.2005 hat der Antragsteller erneut beantragt, die
Vollstreckungsklausel zu dem o.g. Urteil des Bezirksgerichts Zielona Góra zu erteilen.
Der Vorsitzende der 12. Zivilkammer hat nach Vorlage polnischer Urkunden, aus denen
sich auch die Zustellung der zum Versäumnisurteil führenden Klageschrift ergeben soll,
sowie von Urkunden, die eine deutsche Übersetzung enthalten sollen, durch Beschluss
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vom 2.1.2006 (12 O 383/05) antragsgemäß entschieden. Hinsichtlich des Wortlauts der
vom Antragsteller vorgelegten Zustellungsbescheinigungen wird verwiesen auf Bl. 50 -
53 d.A. Gegen diesen der Antragsgegnerin am 12.01.2006 zugestellten Beschluss hat
die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt, die bei Gericht am 18.1.2006 eingegangen
ist.
II.
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Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Dem
Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel steht schon die Rechtskraft der
Entscheidung des Senats vom 02.03.2005 (16 W 4/05) entgegen. Das Landgericht stützt
seine gegenteilige Ansicht auf eine Entscheidung des BGH (NJW 1987, 1146 ff.), die
jedoch nicht die Rechtskraft einer Vollstreckbarerklärung in Inland betrifft, sondern die
Reichweite der Rechtskraft eines ausländischen Unterhaltsurteils und deshalb den
vorliegenden Sachverhalt nicht berührt.
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Entgegen der Ansicht des Landgerichts erwächst die Entscheidung über den Antrag auf
Vollstreckbarerklärung in materielle Rechtskraft. Dies beruht nicht auf nationalem Recht
des Vollstreckungsstaates, sondern gilt aufgrund einheitlichen Konventionsrechts. Wird
die Vollstreckbarerklärung wegen Fehlens einer Vollstreckbarerklärungsvoraussetzung
verweigert, so stellt diese Entscheidung das Fehlen dieser Voraussetzung bindend fest.
Das erneut angerufene Gericht muss im Hinblick auf die erste Entscheidung den Antrag
verwerfen (vgl. Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Auflage 2004, A1
Art. 41 Rn. 48 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 4. Auflage 2001, Rn. 3164;
Wolf in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III/2, 1984, Kap. 4 Rn.
125 f.). Das ist allerdings nicht unumstritten; für den Fall, dass der Antragsteller der
Aufforderung zur Nachreichung fehlender Urkunden innerhalb der ihm gesetzten Frist
nicht nachkommt, wird teilweise vertreten, dass ein solcher Antrag lediglich als derzeit
unzulässig abzuweisen sei. Ein erneuter Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel
sei jederzeit möglich (OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.06.1988 - 20 W 147/88, IPRspr.
1988 Nr. 198 zu Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ; dagegen: Zöller/Geimer, ZPO, 25. Auflage 2004, §
722 Rn. 77). Dieser Auffassung ist jedoch nicht zu folgen. Das LugÜ stellt mit der
Beschwerde und der Rechtsbeschwerde bereits Rechtsbehelfe gegen eine
Entscheidung im Vollstreckbarerklärungsverfahren zur Verfügung; für den Antragsteller
besteht daher im Beschwerdeverfahren die Möglichkeit, bisher fehlende Urkunden
beizubringen. Im Hinblick darauf, dass die Beschwerde des Gläubigers unbefristet ist
und er damit genügend Zeit hat, die erforderlichen Urkunden vorzulegen, ist es nicht
unbillig, nach erfolgloser Fristsetzung das Fehlen der entsprechenden Urkunden
verbindlich festzustellen. Der Schuldner hat daran ein legitimes rechtliches Interesse: er
soll durch die Rechtskraft der Entscheidung davor geschützt werden, vom Gläubiger mit
immer neuen (zuvor stets abgelehnten) Anträgen auf Vollstreckbarerklärung überzogen
zu werden. Der durch die fehlende Befristung der Beschwerde vom Gesetzgeber in Kauf
genommene Schwebezustand trägt dem Bedürfnis des Schuldners nach
Rechtssicherheit schon in einem so geringen Maße Rechnung (vgl. Wieczorek/Schütze,
ZPO, 1999, Anh I § 722 Rn. 65; Geimer/Schütze, a.a.O., A1 Art. 41 Fn. 52), dass es
unbillig ist, darüber hinaus weitere Einschränkungen zuzulassen. Auch das LugÜ geht
davon aus, dass eine Entscheidung im Beschwerdeverfahren nur mit der
Rechtsbeschwerde angegriffen werden kann (Art. 41 LugÜ: "... findet nur statt: ...").
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Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des OLG Frankfurt (a.a.O.) auch
nicht für das "Nachreichen" von Urkunden im Rahmen eines erneuten Antrags.
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Andernfalls wäre nicht ersichtlich, aus welchem Grunde das Gericht gem. Art. 48 LugÜ
eine Frist zur Vorlage der Urkunden setzen sollte. Daneben stellen die vom Gläubiger
vorzulegenden Urkunden die wesentliche Voraussetzung für eine
Vollstreckbarerklärung dar. Die Möglichkeit, fehlende Urkunden in einem erneuten
Verfahren vorzulegen, würde daher die Rechtskraft der vorangegangenen Entscheidung
fast vollständig aushöhlen. Soweit sich der Beschluss des OLG Frankfurt/Main darauf
stützt, dass ein erneuter Antrag aufgrund veränderter Umstände zulässig sein muss, so
greift dies hier jedenfalls nicht durch. Anders als in dem vom OLG Frankfurt/Main
entschiedenen Sachverhalt, in dem es schon an der Zustellung des zu vollstreckenden
Urteils fehlte, ist hier die Zustellung nach dem Vortrag des Antragstellers bereits vor dem
ersten Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel erfolgt (Zustellung der
Klageschrift: 25.11.2003, erster Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel:
29.11.2004). Es liegt daher beiden Anträgen des Antragstellers der gleiche Sachverhalt
zu Grunde. Allein die Vorlage von Urkunden über die Zustellung stellt keine geänderte
Sachlage dar, die zur Zulässigkeit eines neuerlichen Antrags führt.
Der Antrag wäre im Übrigen aber - nach wie vor - nicht begründet, weil der Antragsteller
die Voraussetzungen für eine Klauselerteilung nicht schlüssig vorgetragen und die ihm
in diesem Zusammenhang durch den Senat erteilten Auflagen nicht erfüllt hat. Das
betrifft zum einen die erforderliche, aber nicht geleistete Erläuterung der auf den
vorgelegten Dokumenten beschriebenen Vorgänge. Zum anderen ergibt sich aus dem
Sachvortrag des Antragstellers auch nicht der Inhalt der für die ordnungsgemäße
Zustellung gerichtlicher Schriftstücke in Polen maßgeblichen Vorschriften der
polnischen Prozessordnung. Schon aus diesen Gründen ist eine Überprüfung der
Ordnungsgemäßheit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks und der
Endentscheidung (Art. 46 LugÜ) nicht möglich. Es kommt hinzu, dass die sich bereits
aus der Verfügung vom 22.3.2006 ergebenden Zweifel hinsichtlich der Zustellungsart
auch durch die Vorlage der am 25.3.2006 gefertigten Übersetzung nicht geringer
geworden sind, nach der eine Zustellung durch Niederlegung erfolgt ist, über die eine
Benachrichtigung hierüber "an die Tür des Empfängers hineingesteckt" worden sein
soll. Schließlich ist auch die Ermächtigung des beauftragten Dolmetschers zu derartigen
Übersetzungen durch eine deutsche Landesjustizverwaltung entgegen der dem
Antragsteller erteilten Auflage nicht dargelegt worden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 8 Abs. 2 S. 2 AVAG.
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Beschwerdewert: 6.912,64 EUR.
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