Urteil des OLG Köln vom 30.04.1996

OLG Köln (abschiebungshaft, anordnung, asylverfahren, antrag, sache, ablehnung, beschwerde, 1995, prüfung, stand)

Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 94/96
Datum:
30.04.1996
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 94/96
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 4 T 782/95
Tenor:
Auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen vom 10.04.1996
wird der Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom
21.03.1996 - 4 T 782/95 - abgeändert: Der Beschluß des Amtsgerichts
Rheinbach vom 15.11.1995 - 2 XIV 397/B - wird aufgehoben. Der Antrag
auf Anordnung von Abschiebungshaft wird zurückgewiesen. Der weitere
Beteiligte zu 1. hat die notwendigen Auslagen des Betroffenen zu
erstatten.
G r ü n d e
1
Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß §§ 3, 7 FEVG, 103 Abs. 2 AuslG, 27, 29
FGG zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
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Die Anordnung der Abschiebungshaft war aufzuheben, da der Betroffene nach den
vorgelegten Unterlagen und dem Vorbringen der weiteren Beteiligten zu 1. und 2. nicht
ausreisepflichtig ist und damit die Anordnung von Abschiebungshaft gemäß § 57 AuslG
nicht zulässig war.
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Allerdings ist der erste Asylantrag, den der Betroffene unter seinem alias-Namen gestellt
hat, mit bestandskräftigem Bescheid vom 09.06.1993 abgelehnt worden. Er hat aber
unter den im vorliegenden Verfahren genannten Personalien ein weiteres Asylverfahren
betrieben. Der weitere Asylantrag ist zwar vom Bundesamt abgelehnt worden, das
Verfahren ist aber derzeit noch beim VG Aachen anhängig - 4 K 1026/94 A -. Aufgrund
dieser Tatsache hat der Betroffene noch ein Bleiberecht. Dieses ergibt sich entweder
aus § 55 Abs. 1 S. 1 AsylVfG oder aber - wollte man den weiteren Asylantrag als
Folgeantrag ansehen - aus § 71 Abs. 8 AsylVfG. Der Betroffene hat nämlich nach
unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrages erneut einen Asylantrag gestellt,
§ 71 Abs. 1 AsylVfG, der der Anordnung von Abschiebungshaft dann entgegensteht,
wenn ein weiteres Asylverfahren durchgeführt wird, § 71 Abs. 8 AsylVfG. Dies ist
vorliegend der Fall. Die Sache ist bei dem VG Aachen im ordentlichen Klageverfahren
anhängig. Die Ausländerbehörde hat, nachdem die Täuschung des Betroffenen und die
Tatsache, daß dieser bereits ein Asylverfahren betrieben hatte, offenbar wurde, nicht
reagiert. Deshalb besteht das Bleiberecht des Betroffenen als formale Rechtsposition
fort.
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Den vom Amtsgericht berücksichtigten Gesichtspunkt des Rechtsmißbrauchs, dessen
Heranziehung naheliegt, hat das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht zu prüfen.
Die über den Antrag auf Anordnung der Abschiebungshaft befindenden Gerichte haben
lediglich zu prüfen, ob die nach dem Asylverfahrensgesetz bzw. dem Ausländergesetz
verlangten Entscheidungen formal ordnungsgemäß getroffen worden sind (vgl. nur
Kloesel/Christ/Häuser, Deutsches Ausländerrecht Kommentar, Stand März 1995, § 57
Rdnr. 45). Vorliegend ist nach dieser Prüfung die Ausreisepflicht des Betroffenen aber
gerade nicht festgestellt, sondern ein Bleiberecht. Ob der Betroffene sich diese
Rechtsposition erschlichen hat oder nunmehr rechtsmißbräuchlich ausnutzt, hat der
Senat nicht zu beurteilen. Dies ist Sache des Bundesamtes und der
Verwaltungsgerichte.
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Von daher ist für die Entscheidungsfindung auch unbeachtlich, daß die zuständige 4.
Kammer des VG Aachen die Auffassung vertritt, daß ein Asylsuchender nur Anspruch
auf ein Asylverfahren habe und die Abschiebung aufgrund der im ersten Verfahren
ergangenen Abschiebungsandrohung jederzeit möglich sei. Diese Auffassung
berücksichtigt materiell-rechtliche Aspekte. Die sich nach dem Asylverfahrensgesetz
ergebende Rechtslage ist, wie dargestellt, eine andere. Dafür spricht im übrigen auch §
30 AsylVfG. Nach § 30 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG kann ein Asylantrag als offenbar
unbegründet abgelehnt werden, wenn der Ausländer im Asylverfahren über seine
Identität täuscht.
6
Eine solche Ablehnung des zweiten Antrags hat indes - bislang - nicht stattgefunden.
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Schließlich besagt die von dem weiteren Beteiligten zu 2. in Bezug genommene
Entscheidung des VG Neustadt (NVwZ 1993, 808 ff) nichts anderes. Das Gericht hatte
über einen Fall zu entscheiden, in dem das zuerst eingeleitete Verfahren noch nicht
erledigt und in dem zweiten Verfahren eine Entscheidung ergangen war. Das VG weist
ausdrücklich darauf hin, daß weitere Anträge Bedeutung erlangen, wenn ein etwaiger
erster Antrag abgelehnt ist und die weiteren Anträge sich als Folgeanträge darstellen
(NVwZ 1993, 809).
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Die notwendigen Auslagen des Betroffenen waren dem weiteren Beteiligten zu 1.
aufzuerlegen, da aus den vorgenannten Gründen ein begründeter Anlaß zur Stellung
des Antrags auf Anordnung von Abschiebungshaft nicht vorlag, § 16 FEVG.
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Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren: 5.000,00 DM.
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