Urteil des OLG Köln vom 15.02.1995

OLG Köln (vertrag zugunsten dritter, vermieter, vertragliche haftung, reinigung, falle, mieter, vertrag, verletzung, haus, unternehmen)

Oberlandesgericht Köln, 26 U 44/94
Datum:
15.02.1995
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
26. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
26 U 44/94
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 13 O 27/94
Schlagworte:
MIETE VERKEHRSSICHERUNGSPFLICHT
Normen:
BGB §§ 536, 538, 278, 823
Leitsätze:
Hat der Vermieter eines Mehrfamilienhauses die Reinigungs- und
Verkehrssicherungspflichten turnusmäßig auf die einzelnen Mietparteien
übertragen, so kommen vertragliche Ansprüche einer Mietpartei gegen
eine andere wegen eines infolge der Verletzung dieser Verpflichtungen
eingetretenen Schadens grundsätzlich nicht in Betracht. Denkbar sind
jedoch Ansprüche aus Unerlaubter Handlung gemäß §§ 823 ff BGB.
Sachverhalt: Beide Parteien sind Mieter eines Mehrfamilienhauses.
Klägerin hat die Beklagten als turnusmäßig Reinigungsverpflichtete mit
der Behauptung auf Schadensersatz in Anspruch genommen, sie - die
Klägerin - sei auf der Zuwegung zum Haus auf nassem Laub und
Beerenmatsch ausgerutscht und gestürzt. Die Klage ist in beiden
Instanzen ohne Erfolg geblieben.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 13. Zivilkammer des
Landgerichts Bonn vom 30. Juni 1994 - 13 O 27/94 - wird
zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich
der durch die Nebenintervention verursachten Kosten hat die Klägerin
zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne
Erfolg, weil das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat. Das Vorbringen der
Klägerin im Berufungsverfahren führt nicht zu einer für sie günstigeren Beurteilung der
Sach- und Rechtslage.
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Dazu ist im einzelnen folgendes auszuführen:
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1.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Klageforderung nicht auf vertragliche
Anspruchsgrundlagen gestützt werden.
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a.
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Soweit die Klägerin Schmerzensgeld verlangt, kommt eine vertragliche Haftung der
Beklagten schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht. § 847 BGB sieht
einen Schmerzensgeldanspruch nur in den Fällen der unerlaubten Handlung vor. Die
Bestimmung ist auf die Vertragshaftung nicht anwendbar. Auch eine analoge
Anwendung scheidet wegen des Ausnahmecharakters der Vorschrift aus
(Palandt/Thomas, BGB, 54. Aufl. 1995, Rdn. 3 zu § 847).
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b.
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Auch hinsichtlich der übrigen Schadensersatzforderung ist unter den hier gegebenen
Umständen ein vertraglicher Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten schon dem
Grunde nach nicht gegeben.
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Die Klägerin meint, dadurch, daß der Vermieter die originär ihn treffenden Reinigungs-
und Verkehrssicherungspflichten auf die einzelnen Mieter des Hauses übertragen habe,
habe er zugleich einen Vertrag zugunsten Dritter (zugunsten der Mieter) geschlossen,
jedenfalls aber einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Mieter. Insoweit könne
nichts anderes gelten, als wenn der Vermieter ein gewerbliches Unternehmen mit der
Durchführung der Reinigung beauftragt hätte.
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Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.
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Die orginäre Reinigungspflicht des Vermieters ist aus § 536 BGB herzuleiten, nach
welcher Vorschrift der Vermieter die vermietete Sache während der Mietzeit in einem zu
dem vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten hat (vgl.
Palandt/Putzo, a.a.O., Rdn. 9 zu § 536). Wenn der Vermieter ein gewerbliches
Unternehmen mit der Reinigung betraut, bedient er sich zur Wahrnehmung seiner
Verpflichtungen eines Erfüllungsgehilfen im Sinne des § 278 BGB. Für Schäden, die auf
schuldhaftes Verhalten des beauftragten Unternehmers zurückzuführen sind, haftet der
Vermieter in diesem Falle unmittelbar gemäß §§ 538, 278 BGB oder aus positiver
Vertragsverletzung in Verbindung mit § 278 BGB. Des Rückgriffs auf die Figur eines
Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte bedarf es in diesem Falle nicht, weil ein
unmittelbarer Anspruch des Mieters gegen den Vermieter gegeben ist. Ein Vertrag mit
Schutzwirkung für Dritte könnte nur von Bedeutung sein, sofern andere Personen als die
Mieter zu Schaden kommen.
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Im vorliegenden Falle ist ein der vertraglichen Übertragung der Reinigungspflicht auf
gewerbliche Unternehmen vergleichbarer Sachverhalt nicht gegeben. Vielmehr hat der
Vermieter beider Parteien nicht andere Personen mit der Erfüllung seiner
Verbindlichkeiten betraut, sondern er hat - was möglich ist (vgl. grundsätzlich dazu
Palandt/Putzo, a.a.O., Rdn. 3 zu § 536) - seine Reinigungsverpflichtung abbedungen,
indem er sie auf die einzelnen Mietparteien überbürdet hat. Daß entsprechende
Vereinbarungen mit dem Vermieter bestehen, ist zwischen den Parteien unstreitig (Bl.
3/46, 47 d.A.). Danach ist der Vermieter den einzelnen Mietern und damit auch den
Parteien des vorliegenden Rechtsstreits nicht mehr vertraglich zur Reinigung der
Zuwege zum Haus verpflichtet. In der Überbürdung der Reinigungspflicht auf die
einzelnen Mieter liegt auch nicht gleichzeitig ein Vertrag zugunsten Dritter. Insoweit
fehlen für einen entsprechenden Vertragswillen konkrete Anhaltspunkte.
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Ebensowenig kann die Klägerin sich auf einen Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte
stützen (vgl. dazu allgemein Geiger, Der Haftpflichtprozeß, 21. Aufl. 1993, Kapitel 28,
Rdn. 160). Wird ein Haus von mehreren Mietern bewohnt, so sind die Mitmieter nicht in
den Schutzbereich der einzelnen Mietverträge einbezogen (Geiger, a.a.O.; ähnlich
Palandt/Heinrichs, a.a.O., Rdn. 30 zu § 328).
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2.
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Zutreffend hat das Landgericht entschieden, daß ein nach den vorstehenden
Ausführungen allein in Betracht kommender Anspruch wegen Verletzung der
Verkehrssicherungspflicht nach §§ 823 ff. BGB unter den vorliegend gegebenen
Umständen im Ergebnis nicht besteht.
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a.
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Allerdings kann der von der Beklagten in erster Instanz unter Hinweis auf OLG
Nürnberg, NZV 1994, 68 geäußerten Auffassung, eine durch nasses Laub verursachte
Rutschgefahr auf einem Gehweg könne niemals den Vorwurf einer Verletzung der
Verkehrssicherungspflicht begründen, in dieser allgemeinen Form nicht gefolgt werden.
Dem steht auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entgegen, der keinen
Zweifel daran hat aufkommen lassen, daß in derartigen Fällen
Verkehrssicherungspflichten betroffen sein können. Hierzu hat der Bundesgerichtshof
u.a. ausgeführt (NJW-RR 1989, 394 f.):
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"...Sie (gemeint ist die Verkehrssicherungspflicht) schließt, wie keiner näheren
Darlegung bedarf, die Verpflichtung ein, den Weg von Verunreinigungen freizuhalten,
die ihrer Art nach die Gefahr begründen, daß Benutzer des Weges zu Schaden
kommen. Von daher war es hier geboten, dafür Sorge zu tragen, daß sich auf dem
Wege keine unfallgefährliche Schmierschicht aus nassem und faulendem Laub
bildete,...."
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22
b.
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Danach waren auch die Beklagten während des Zeitraums, in dem ihnen nach den
mietvertraglichen Vereinbarungen die Reinigung des Gehweges vor dem Grundstück
und der Zuwegung zum Haus oblag, gehalten, dafür Sorge zu tragen, daß sich auf den
Wegen keine unfallgefährliche Schmierschicht durch herabgefallenes Laub bildete. Das
Landgericht hat jedoch zu Recht angenommen, daß den Beklagten eine Verletzung
dieser Verpflichtung nicht vorgeworfen werden kann. Grundsätzlich können
Verkehrssicherungspflichten delegiert werden mit der Folge, daß sich die
Verkehrssicherungspflicht des ursprünglich Alleinverantwortlichen auf eine Kontroll- und
Überwachungspflicht verengt ( BGH, a.a.O., S. 395). Im vorliegenden Falle war darüber
hinaus ausdrücklich in den mietvertraglichen Vereinbarungen vorgesehen, daß im Falle
der Verhinderung eines reinigungspflichtigen Mieters, zum Beispiel während des
Urlaubs, die Reinigungspflicht einer Ersatzperson übertragen werden konnte. Dies
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ergibt sich aus dem mit der Klageschrift vorgelegten Schreiben des Vermieters, des
Bundesvermögensamts K. vom 10. März 1993 (Bl. 9 d.A.). Von daher war es rechtlich
unbedenklich, wenn die Beklagten für die Zeit ihrer urlaubsbedingten Ortsabwesenheit
in dem hier fraglichen Zeitraum die Zeugin V. mit der Wahrnehmung der
Reinigungspflicht betrauten.
c.
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Eine Haftung der Beklagten könnte danach nur in Betracht kommen, wenn die Zeugin V.
der ihr übertragenen Reinigungspflicht schuldhaft nicht hinreichend genügt hätte und
dadurch die Klägerin zu Schaden gekommen wäre. Es ist aber schon zweifelhaft, ob am
Unfalltag und an der behaupteten Unfallstelle (in der Nähe des Gartentores) Laub und
Beerenmatsch in einer Weise auf dem Gehweg vorhanden waren, daß dadurch eine
Rutsch- und Sturzgefahr für Fußgänger bestand. Beweisbelastet hierfür ist die Klägerin.
Für eine Unfallgefahr im Sinne des Vorbringens der Klägerin spricht zwar die Aussage
der Zeugin K.. Dem steht aber die Darstellung der Zeugin V. entgegen, die zwar am
Unfalltage die Zuwegung gereinigt, bei dieser Gelegenheit aber nur wenig Laub und
Kiefernnadeln vorgefunden haben will, so daß eine Sturzgefahr nicht bestanden habe.
Welcher der widerstreitenden Aussagen zu folgen ist, mag zweifelhaft erscheinen. Bei
beiden Zeuginnen ist jeweils die freundschaftliche Beziehung zu einer der Parteien zu
berücksichtigen, bei der Zeugin V. kommt hinzu, daß sie Rückgriffsansprüche der
Beklagten fürchten muß. Für die Notwendigkeit einer Reinigung des Weges am
Unfalltage könnte schließlich auch sprechen, daß die Zeugin nach ihrer Darstellung
tatsächlich eine Reinigung vorgenommen hat.
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Andererseits ist aber aufgrund der durch Fotografien verdeutlichten örtlichen
Gegebenenheiten eher unwahrscheinlich, daß von der Eberesche heruntergefallene
Beeren bis an die beschriebene Unfallstelle gelangt sein sollen. Außerdem erscheint
zweifelhaft, daß schon im September so erheblicher Blätterfall vorhanden gewesen sein
soll, daß dadurch eine Rutschgefahr auf dem Gehweg verursacht werden konnte.
27
d.
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Letztlich kann dies aber dahinstehen, da das Landgericht zu Recht angenommen hat,
daß die Beklagten sich jedenfalls nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB entlastet haben. Da
Verkehrssicherungspflichten allgemein unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit
geeigneter Maßnahmen stehen (vgl. u.a. BGH MDR 1994, 673 f.), muß man es bei
Verkehrssicherungspflichten der vorliegend in Frage stehenden Art im Falle
urlaubsbedingter Abwesenheit des eigentlich Verkehrssicherungspflichtigen (hier der
Beklagten) als ausreichend ansehen, wenn er bei der Auswahl der Ersatzperson die
erforderliche Sorgfalt walten läßt. Nicht zumutbar erscheint es hingegen, darüber hinaus
zu verlangen, den Urlaub zwecks Kontrolle und Überwachung der Ersatzperson zu
unterbrechen. Daß die Beklagten bei der Auswahl der Zeugin V. sorgfältig vorgegangen
sind, hat das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen, auf die zur Vermeidung von
Wiederholungen Bezug genommen wird, festgestellt.
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5.
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Nach alledem war die Berufung mit den prozessualen Nebenentscheidungen aus §§ 97
Abs. 1, 101 (Kosten) und 708 Nr. 10, 713 ZPO zurückzuweisen.
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Streitwert für die Berufung: 14.137,-- DM.
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