Urteil des OLG Köln vom 25.06.2007
OLG Köln: wiedereinsetzung in den vorigen stand, neue tatsächliche vorbringen, zwangsverwaltung, vermietung, grundstück, verschulden, mieter, erhaltung, auflage, eigentümer
Oberlandesgericht Köln, 2 U 39/07
Datum:
25.06.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 U 39/07
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 1 O 326/06
Tenor:
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten vom 7. März 2007
gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aachen – 1 O
326/06 – vom 8. Februar 2007 durch einstimmigen Beschluss gemäß §
522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Der Beklagte erhält Gelegenheit, hierzu bis zum 17. Juli 2007
abschließend Stellung zu nehmen. Vorsorglich wird darauf hingewiesen,
dass mit einer Verlängerung der Stellungnahmefrist nicht gerechnet
werden kann.
Gründe
1
1.
2
Es bedarf derzeit noch keiner abschließenden Beurteilung durch den Senat, ob dem
Beklagten entsprechend dem Antrag vom 23. April 2007 wegen der Versäumung der
Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
Geht man zugunsten des Beklagten davon aus, er bzw. sein Prozessbevollmächtigter,
dessen Verschulden sich der Beklagte zurechnen lassen muss (§ 85 Abs. 2 ZPO), habe
ohne Verschulden die Frist zur Begründung der Berufung versäumt, so liegen die
Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen Beschluss
vor. Die Berufung des Beklagten bietet auf der Grundlage der Berufungsbegründung
keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
3
a)
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Das Landgericht hat zutreffend die Voraussetzungen eines Anspruchs der Klägerin
gegen den Beklagten nach §§ 154 Satz 1, 152 Abs. 1 ZVG bejaht. Unstreitig hat der
Zwangsverwalter die Mietzinsen für die ab dem Monat Mai 2003 vermietete Wohnung
Nr. 1 nicht eingezogen, sondern zugelassen, dass ein Unbefugter, nämlich der frühere
Eigentümer und Vollstreckungsschuldner diese in Höhe eines Betrages von 11.440,00 €
(Mieten für Mai 2003 bis zur Ablösung des Beklagten im April 2005) an sich gebracht
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hat. Damit hat der Beklagte seine ihm als Zwangsverwalter obliegenden Pflichten in
schuldhafter Weise verletzt.
Gemäß § 152 Abs. 1 ZVG ist der Zwangsverwalter u.a. dazu verpflichtet, alle
Handlungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um das Grundstück in seinem
wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und ordnungsgemäß zu nutzen. Unzutreffend ist
die mit der Berufung vertretene Auffassung, der Zwangsverwalter habe die Wohnung
nicht vermieten dürfen bzw. bei Kenntnis des bereits bestehenden Mietvertrages das
Nutzungsverhältnis sofort beenden müssen, um so die Verwertbarkeit der
Eigentumswohnung im Zwangsversteigerungsverfahren nicht zu beeinträchtigen. Den
Beklagten als Zwangsverwalter traf keine Verpflichtung, durch einen "bewussten
Leerstand" für eine wirtschaftlich möglichst sinnvolle Verwertung des Objektes im
Rahmen der Zwangsversteigerung zu sorgen.
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Vielmehr obliegt nach der gesetzgeberischen Vorstellung dem Zwangsverwalter
originär die Pflicht, aus dem verwalteten Objekt die erzielbaren Nutzungen zu ziehen.
So sah § 5 Abs. 2 Satz 1 ZwVwV in der bis zum 31. Dezember 2003 gültigen Fassung
die Pflicht vor, das Grundstück durch Vermietung nutzbar zu machen. Die
Zwangsverwaltung ist neben der Zwangsversteigerung und der Zwangshypothek die
dritte selbständige Art der Immobiliarvollstreckung. Der Gläubiger soll aus den
Erträgnissen des Grundstücks befriedigt werden. Ihr Zweck ist es, durch einen
Zwangsverwalter an Stelle des unfähigen oder unwilligen Schuldners aus laufenden
Einnahmen die Lasten und die Vollstreckungsforderung des Gläubigers zu decken
(Zeller/Stöber, ZVG, 16. Auflage 1999, § 146 Anm. 2.2). Damit gehört es zu den
vorrangigen Aufgaben des Zwangsverwalters, die sich aus der Verwaltung des
Grundstücks ergebenden und die mit der Anordnung der Zwangsverwaltung
beschlagnahmten Ansprüche, also im Wesentlichen die Miet- und Pachtzinsforderungen
geltend zu machen (§§ 148 Abs. 1 S. 1, 20, 21 Abs. 2 ZVG, 1123 BGB). Zudem trifft ihn
die Pflicht, die aus dem Objekt möglichen Nutzungen herauszuholen (Zeller/Stöber,
aaO, § 152 Anm. 3.10). Um das der Zwangsverwaltung unterliegende Objekt
ordnungsgemäß zu nutzen, muss der Verwalter vermietbare Grundstücke oder
Wohnung vermieten (Zeller/Stöber, aaO, § 152 Anm. 3.7, 9.4).
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Damit ist dem Beklagten möglicherweise bereits deshalb eine schuldhafte
Pflichtverletzung vorzuwerfen, da er sich nicht um die Vermietung und damit
wirtschaftlichen Nutzung der leerstehenden Wohnung gekümmert hat. Dies bedarf indes
keiner abschließenden Entscheidung durch den Senat. Denn das Landgericht hat mit
zutreffenden Erwägungen eine schuldhafte Pflichtverletzung des Zwangsverwalters
darin gesehen, dass dieser den Vermietungsstand der Wohnung vor Ort nicht überprüft
und die Mietzinsen für die Wohnung Nr. 1 für die Zwangsverwaltungsmasse eingezogen
hat.
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Die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Verwaltung umfasst auch eine regelmäßige
Überprüfung des Mietobjektes. Dem Beklagten als Zwangsverwalter oblag auch die
Erhaltung des zwangsverwalteten Objekts in seinem wirtschaftlichen Bestand (vgl.
Zeller/Stöber, aaO, Rn. 3.7). Dazu gehörte die gelegentliche Begehung des – so die
Vorstellung des Beklagten - leerstehenden Objektes, um möglichen Erhaltungsbedarf
festzustellen. Da der Zwangsverwalter den Eigentümer nach den § 150 Abs. 2, 148 Abs.
2 ZVG aus der Verwaltung und dem mittelbaren Besitz der Wohnung verdrängt, muss er
sich mit der verkehrüblichen Sorgfalt eines Verwalters fremden Vermögens um die
Erhaltung einer Wohnung einsetzen (BGH, WuM 2005, 597).
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Wäre der Beklagte seiner Überprüfungs- und Besichtigungspflicht in dem gebotenen
Umfange nachgekommen, wäre ihm sicherlich die Vermietung der Wohnung Nr. 1
aufgefallen. Zwar war die Verfügung des Vollstreckungsschuldners über sein nach §§
146 ff. ZVG beschlagnahmtes Grundstück, hier der Abschluss eines Mietvertrages über
die Wohnung und der anschließende Einzug der Mieten, nach § 148 ZVG unwirksam.
Die Verwaltung und Benutzung des Grundstücks war dem Vollstreckungsschuldner in
der Zwangsverwaltung entzogen (§ 148 Abs. 2 ZVG). Insbesondere durfte er nicht
vermieten und die Mietzinsen einziehen (Zeller/Stöber, ZVG, 16. Auflage 1999, § 148
Anm. 3.1). Der Beklagte hätte jedoch in seiner Eigenschaft als Zwangsverwalter (§ 182
Abs. 1 BGB) den abgeschlossenen Mietvertrag genehmigen (§ 185 Abs. 2 BGB) können
und müssen, um so die Mietzinsen einziehen zu können.
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Den Beklagte trifft auch ein Verschulden. Dazu heißt es bereits in einem Vermerk des
Rechtspflegers vom 8. Februar 2006 (Bl. 17 d.GA.; Bl. 202 d. Akten 4 L 3/03 Amtsgericht
Monschau): "Wie es dem Zwangsverwalter verborgen blieb, dass die nach seinen
Bekunden vom August 2003 leerstehende Wohnung zu dieser Zeit in Wirklichkeit
vermietet war, ist hier nicht nachvollziehbar. Dies hätte dem Zwangsverwalter bekannt
werden müssen." Eine Erklärung für das Fehlverhalten kann letztlich in der eigenen
Einschätzung des Beklagten gesehen werden. So hat er mit Schreiben an das
Amtsgericht Monschau vom 9. Februar 2006 (Bl. 204 d. Akten 4 L 3/03 Amtsgericht
Monschau) ausgeführt: "Ergänzend möchte ich anmerken, dass die Sache M erst das
dritte (und gleichzeitig auch das letzte!) Verfahren für mich als Zwangsverwalter war.
Eine gute Portion Unerfahrenheit mag man mir seitens der Sparkasse E und auch
seitens des Vollstreckungsgerichts also zugestehen."
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b)
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Für den durch die schuldhafte Pflichtverletzung eingetretenen Schaden hat sich der
Beklagte gemäß § 154 Satz 1 ZVG gegenüber den Beteiligten zu verantworten.
Beteiligte sind die in § 9 ZVG Genannten, also insbesondere die das
Zwangsverwaltungsverfahren betreibende Gläubigerin. Da das
Zwangsverwaltungsverfahren bereits beendet ist, kann die an dem Verfahren beteiligte
Gläubigerin den ihr durch die Pflichtverletzung entstandenen Schaden im Wege der
Klage verfolgen. In Höhe der nicht gezogenen Mieten ist den Beteiligten im Sinne des §
9 ZVG und damit auch der Gläubigerin ein nach § 154 S. 1 ZVG, 251 Abs. 1 BGB vom
Beklagten zu ersetzender Schaden erwachsen.
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c)
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Auf das umfangreiche neue tatsächliche Vorbringen der Berufungsbegründung zu den
wirtschaftlichen Verhältnissen der Mieter und den vorgetragenen massiven Probleme
des neuen Zwangsverwalters mit den Mietern und das erstmalige Bestreiten der
Mietzinszahlungen an den Zeugen M kann die Berufung nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO
nicht gestützt werden, weil die Voraussetzung, unter denen nach § 531 Abs. 2 ZPO die
Berücksichtigung dieses neuen Vorbringen allein zulässig wäre, nicht vorliegen.
Insbesondere ist das Verfahren des Landgerichts nicht zu beanstanden. Der nach dem
Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug zur Akte gereichte
Schriftsatz des Beklagten ist zu Recht gemäß § 296a Satz 1 ZPO unberücksichtigt
geblieben. Ein Schriftsatznachlass war dem Beklagten nicht gewährt und von ihm auch
nicht beantragt worden. Die Voraussetzungen für eine Wiedereröffnung der mündlichen
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Verhandlung (§ 156 Abs. 1 ZPO) waren nicht gegeben. Insbesondere hatte der Beklagte
bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz ausreichend Gelegenheit
zu den nunmehr vorgetragenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Mieter bzw. Nutzer
der Wohnung vorzutragen. Zumal der mit der Klage erhobene Vorwurf bereits
Gegenstand des Zwangsverwaltungsverfahrens sowie des vorprozessualen
Schriftverkehrs der Parteien war.
2.
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Die Annahme der Berufung des Beklagten ist trotz fehlender Erfolgsaussicht ebenso
wenig aus einem der Gründe des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 ZPO gegeben.
Der vorliegende Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine
Entscheidung des Senats ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind
durch die vorstehend von dem Senat herangezogenen obergerichtlichen
Entscheidungen hinreichend geklärt. Im übrigen basiert die Beurteilung des Streitfalls
auf einer Würdigung der Besonderheiten des konkreten Einzelfalls.
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Gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO gibt der Senat dem Beklagten Gelegenheit, zu der
beabsichtigten Zurückweisung des Rechtsmittels innerhalb der in der Beschlussformel
bezeichneten Frist Stellung zu nehmen.
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