Urteil des OLG Köln vom 26.03.1999

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Oberlandesgericht Köln, 6 U 119/98
Datum:
26.03.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 119/98
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 31 0 248/98
Schlagworte:
Naturjoghurt
Normen:
MilcherzeugnisVO § 3; UWG § 1
Leitsätze:
1. Die Bezeichnung "Frischer Naturjoghurt mild" für ein Joghurtprodukt,
für das nach den maßgeblichen Bestimmungen der
Milcherzeugnisverordnung (nur) die Verkehrsbezeichnung "Joghurt
mild" vorgesehen ist, verstößt gegen § 1 UWG. 2. Eine
Produktbezeichnung, die vom Verbraucher als Verkehrsbezeichnung
aufgefaßt wird, darf auch nicht zusätzlich auf einer Ware angebracht
werden, wenn sie die vorgeschriebene Verkehrsbezeichnung verdrängt
oder über den Charakter des Angebotes in die Irre führt.
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 06.08.1998 verkündete Urteil
der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 0 248/98 - wird
zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die
Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht
die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Sicherheitsleitung beträgt hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs
500.000,-- DM und hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs 50.000,-
- DM. Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheits-eistung auch durch
unwiderrufliche, unbefristete und unbedingte Bürgschaft eines in der
Bundesrepublik Deutschland als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen
Kreditinstituts zu erbringen.
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu
verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft oder der
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, einen Joghurt unter der Bezeichnung "Frischer
Naturjoghurt mild" anzubieten und/oder zu bewerben und/oder in den Verkehr zu bringen, wie
nachstehend wiedergegeben: pp.
T a t b e s t a n d :
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Die Parteien sind Wettbewerber. Sie vertreiben Joghurtprodukte. Die Klägerin ist
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marktstärkster Anbieter von Joghurt in 500 Gramm-Gläsern. Zu ihren Hauptprodukten
zählt ein unter der Bezeichnung "Almighurt" vertriebener Joghurt. Weißen Joghurt, also
solchen, dem sie keine Fruchtzubereitungen zusetzt, nennt die Klägerin "pur".
Die Beklagte stellt ebenfalls Milcherzeugnisse her; sie steht mit der Klägerin in
unmittelbarem Wettbewerb. Seit einiger Zeit bewirbt und vertreibt die Beklagte unter der
Bezeichnung "Frischer Naturjoghurt mild" einen ungesüßten (weißen) Joghurt mild in
500 Gramm-Bechern. Die Grundfarbe des Bechers ist dunkelblau. Auf der Schauseite ist
unter einem dem Landeswappen des Freistaates Bayern nachempfunden Wappen die
in weißer Schrift ausgestaltete Firmenbezeichnung "W." abgebildet. Links darüber ist
auf der Vor- und Rückseite neben dem Wappen jeweils das Wort "NEU" in roter Schrift
auf weißem Untergrund dargestellt. Unter dem Wort "W." findet sich in optischer
hervorgehobener Weise, und zwar ebenfalls in weißer Schrift auf blauem Grund, die
Angabe
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"Frischer
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Naturjoghurt
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mild"
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Wegen der Einzelheiten der Produktgestaltung wird auf den als Anlage zu den Akten
gereichten Originalbecher und auf die nachstehend beim erstinstanzlichen Klageantrag
wiedergegebene Farbabbildung (seitliche Ausstattung des Joghurtbechers) verwiesen.
Die Klägerin hält die Bezeichnung "Naturjoghurt" in der konkreten Verletzungsform für
irreführend im Sinne des § 3 UWG und wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG. Sie
hat geltend gemacht, diese Bezeichnung erwecke den unzutreffenden Eindruck, bei
diesem so bezeichneten Produkt handele es sich um eine neue Joghurt-Standardsorte,
die im Vergleich zum "normalen" Joghurt höherwertig sei. Im gesamten Markt weise,
was unstreitig ist, kein anderes Produkt die Bezeichnung "Naturjoghurt" oder den
Bezeichnungszusatz "Natur" auf. Mit dem Vertrieb eines weißen Joghurts als "Frischer
Naturjoghurt mild" verstoße die Beklagte deshalb gegen § 1 UWG in Verbindung mit § 3
Abs. 1 der MilcherzeugnisVO und auch gegen § 3 UWG.
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Die Klägerin hat beantragt,
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat geltend gemacht, die Bezeichnung "Naturjoghurt" werde vom
Verbraucher nur dahin verstanden, bei dem Produkt handele es sich nicht um einen
Frucht-Joghurt, sondern um einen weißen Joghurt. Der Eindruck einer neuen
Standardsorte könne nicht entstehen. Ein Verstoß gegen die Bezeichnungsvorschriften
der MilcherzeugnisVO liege nicht vor. Bei der angegriffenen Bezeichnung handele es
sich um eine zusätzliche Produktbezeichnung, die von den Bestimmungen der
MilcherzeugnisVO nicht erfaßt werde. Aus der amtlichen Begründung zur
MilcherzeugnisVO folge, daß der Katalog der darin enthaltenen Standardsorten keinen
abschließenden Charakter habe. Die Verkehrsbezeichnungen der
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Milcherzeugnisverordnung seien dem durchschnittlichen Verbraucher ohnehin nicht
geläufig. Dieser glaube allenfalls, ein als "Naturjoghurt" angebotenes Produkt werde
aus natürlichen Zutaten, ohne Zusatz und Zuschlagstoffe und/oder Geliermittel
hergestellt. Diesen Vorstellungen werde ihr "Frischer Naturjoghurt mild" gerecht.
Das Landgericht hat das vorgelegte Produktumfeld in Augenschein genommen und die
Beklagte durch das angefochtene Urteil, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird
(Blatt 121 ff. d.A.), alsdann antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es im
wesentlichen ausgeführt, in der konkreten Aufmachung verstoße das Inverkehrbringen
des Produkts "Frischer Naturjoghurt mild" gegen § 1 UWG in Verbindung mit § 3 Abs. 1
MilcherzeugnisVO sowie auch gegen § 3 UWG und sei deshalb zu unterlassen.
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Gegen das ihr am 24.08.1998 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.09.1998
Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis
zum 10.11.1998 mit einem am 09.11.1998 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz
begründet.
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Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und rügt, das
Landgericht habe bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen, daß die
Verpackung an anderer Stelle die nach der MilcherzeugnisVO vorgeschriebene
Verkehrsbezeichnung "Joghurt mild" trage. § 3 Abs. 3 der Lebensmittel-
KennzeichungsVO schreibe nicht vor, an welcher Stelle die Verkehrsbezeichnung
anzubringen sei. Letztlich verböten weder die MilcherzeugnisVO noch die Lebensmittel-
KennzeichnungsVO weitere Angaben. Wegen der weiteren Einzelheiten des
diesbezüglichen Sachvortrags der Beklagten wird auf den Inhalt ihrer
Berufungsbegründung vom 09.11.1998 (Blatt 153 ff. d.A.) und ihres Schriftsatzes vom
11.01.1999 (Blatt 175 ff. d.A.) Bezug genommen.
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Die Beklagte beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Auch sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt das
angefochtene Urteil.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den in der
mündlichen Verhandlung vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst sämtlichen Anlagen ergänzend Bezug genommen. Die
Akte 31 0 105/98 Landgericht Köln lag vor und war Gegenstand der mündlichen
Verhandlung.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht
hat der Klage vielmehr zu Recht unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch
Rechtsbruch (§ 1 UWG) stattgegeben. Auch der Begründung der angefochtenen
Entscheidung schließt sich der Senat an. Er nimmt sie zur Vermeidung von
Wiederholungen in Bezug und sieht insoweit von der erneuten Darstellung der
Entscheidungsgründe ab (§ 543 Abs. 1 ZPO).
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Die mit der Berufung gegen das angefochtene Urteil vorgetragenen Einwände greifen
nicht durch. Der Senat teilt die Aufassung des Landgerichts, daß die Beklagte durch das
Inverkehrbringen ihres Joghurts in der konkreten Produktausgestaltung gegen die
Kennzeichnungsvorschriften der MilcherzeugnisVO und letztlich auch gegen § 1 UWG
verstößt.
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Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. die Nachweise bei Baumbach/Hefermehl, UWG,
20. Auflage 1998, § 1 UWG Rnr. 608 ff.) handelt unter dem Gesichtspunkt des
Vorsprungs durch Rechtsbruch wettbewerbswidrig, wer dadurch einen Vorsprung vor
seinen Mitbewerbern erlangt, daß er die durch Gesetz festgelegten Bindungen
mißachtet, an die sich seine Mitbewerber halten. Zwar ist nicht jeder zu
Wettbewerbszwecken begangene Rechtsbruch zwangsläufig zugleich eine Handlung,
die das Unwerturteil des § 1 UWG nach sich zieht. Das ist aber dann der Fall, wenn ein
Wettbewerber die Gesetzestreue seiner Konkurrenten ausnutzt und die aus der
Gesetzesverletzung gezogenen Vorteile im Wettbewerb zur Förderung des eigenen
Unternehmens einsetzt.
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Im Streitfall setzt sich die Beklagte durch die konkrete Art der Ausgestaltung ihres
Joghurtprodukts über die Kennzeichnungsvorschriften der MilcherzeugnisVO hinweg.
Denn nach § 3 Abs. 1 der MilcherzeugnisVO dürfen Milcherzeugnisse nur in den
Verkehr gebracht werden, wenn sie nach den Vorschriften der MilcherzeugnisVO
gekennzeichnet sind. Gemäß § 3 Abs. 2 MilcherzeugnisVO ist auf dem Erzeugnis u.a.
die Verkehrsbezeichnung nach Maßgabe des § 3 Abs. 3 MilcherzeugnisVO anzugeben.
§ 3 Abs. 3 MilcherzeugnisVO verweist wiederum auf eine Anlage 1, die unter II. für
Joghurterzeugnisse die Standardsorten
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Joghurt
fettarmer Joghurt
Joghurt aus entrahmter Milch (Magermilchjoghurt)
Sahnejoghurt (Rahmjoghurt)
Joghurt mild
fettarmer Joghurt mild
Joghurt mild aus entrahmter Milch (Joghurt mild aus Magermilch)
Sahnejoghurt mild (Rahmjoghurt mild)
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bestimmt. Diese Aufzählung ist, was die Verkehrsbezeichnungen für
Joghurterzeugnisse angeht, abschließend, weil der Verordnungsgeber, wie das
Landgericht zutreffend hervorgehoben hat, bislang von der Möglichkeit der Erweiterung
des 1970 beschlossenen Katalogs um weitere Standardsorten keinen Gebrauch
gemacht hat. Die zutreffende Verkehrsbezeichnung für das streitgegenständliche
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Produkt, die nach § 3 Abs. 3 der Lebensmittel-KennzeichnungsVO an gut sichtbarer
Stelle in deutscher Sprache, leicht verständlich, deutlich lesbar und unverwischbar
angebracht werden muß, lautet demnach, was die Beklagte (vgl. Berufungsbegründung
vom 05.11.1998, dort Seite 3, Blatt 155 d.A.) auch ausdrücklich zugesteht, "Joghurt
mild". Eine Verkehrsbezeichnung "Naturjoghurt mild" kennt die MilcherzeugnisVO und
deren Anlagen dagegen nicht.
Aus der maßgeblichen Sicht des angesprochenen Verkehrs gibt die Beklagte ihrem
Produkt in seiner konkreten Ausgestaltung demgegenüber eine neue, nach dem
Vorgesagten unzulässige Verkehrsbezeichnung, nämlich die Verkehrsbezeichnung
"Naturjoghurt mild". Der Verbraucher versteht diese in Alleinstellung stehende, wegen
ihrer optischen Hervorhebung und Plazierung an zentraler Stelle sehr augenfällige
Angabe nicht als Produktname, sondern als Verkehrsbezeichnung, im Streitfall also
dahin, daß von der Firma W. ein neues Produkt vertrieben wird, das frischen, also nicht
wärmebehandelten "Naturjoghurt mild" beinhaltet. Das können die Mitglieder des
Senats ebenso wie die Mitglieder der Kammer als Teil der angesprochenen
Verkehrskreise aus eigener Anschauung und Erfahrung selbst beurteilen. Dieses
Verkehrsverständnis wird im übrigen noch dadurch bestärkt, daß die Beklagte unstreitig
bei anderen von ihr im Markt angebotenen Milch- und Joghurterzeugnissen die - richtige
- Verkehrsbezeichnung genau an der Stelle angibt, an der sich auf dem
streitbefangenen Joghurtbecher die Bezeichnung "Frischer Naturjoghurt mild" findet.
Das hat die Klägerin durch die Vorlage von Bechern der Sorten "Schlagrahm",
Sauerrahm", "Fruchtjoghurt" und "Rahmjoghurt mild" nachgewiesen. Um so mehr wird
der angesprochene Verkehr auch und gerade dann, wenn er den Regelungsgehalt der
MilcherzeugnisVO im einzelnen nicht kennt, glauben, nunmehr biete die Beklagte eine
neue Joghurtsorte "Frischer Naturjoghurt mild" an, zumal das Produkt ausdrücklich und
in auffälliger Weise als "neu" beworben wird.
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Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten hat, die hier
einschlägigen Kennzeichnungsvorschriften verlangten nur die Angabe der
Verkehrsbezeichnung, hier "Joghurt mild", diesem Kennzeichnungsgebot habe sie
genüge getan, indem sie die Verkehrsbezeichnung - insoweit unstreitig - an anderer
Stelle im Zusammenhang mit weiteren produktspezifischen Angaben zutreffend mit
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"Joghurt mild mit 3,5% Fett
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mit Lactobacillus acidophilus
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und Bifidobakterium lactis"
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angegeben habe, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Zwar muß eine den
Kennzeichnungsvorschriften entsprechende Verkehrsbezeichnung eines
Joghurterzeugnisses nicht unbedingt optisch hervorgehoben werden. Auch ist gegen
die Verwendung von Produktnamen neben den Verkehrsbezeichnungen nichts
einzuwenden. Das hat das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt, z.B. hinsichtlich
der Produktnamen "Feinjoghurt" und "Schlemmerjoghurt". Darum geht es hier aber
nicht. Entscheidend ist, daß nach Auffassung des Senats eine andere Bezeichnung, die
- wie hier - vom Verkehr als Verkehrsbezeichnung aufgefaßt wird, nicht zusätzlich
angegeben werden darf, wenn sie die Verkehrsbezeichnung verdrängt oder über den
Charakter des Erzeugnisses irreführt. Zumindest ersteres ist hier der Fall. Die
Bezeichnung "Frischer Naturjoghurt mild" überlagert die an versteckter Stelle stehende
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und kaum wahrnehmbare Verkehrsbezeichnung "Joghurt mild" derart, daß der
Verbraucher die richtige Verkehrsbezeichnung nicht wahrnimmt. Für den Verbraucher
ist die Angabe "Frischer Naturjoghurt mild" die Verkehrsbezeichnung; die richtige,
wegen der konkreten Ausgestaltung des Joghurterzeugnisses für den Verbraucher an
versteckter Stelle stehende Verkehrsbezeichnung wird von ihm nicht wahrgenommen.
Der Streitfall ist deshalb nicht anders zu beurteilen, als hätte die Beklagte von der
Angabe jedweder Kennzeichnung abgesehen.
Versteht der Verbraucher demgemäß die Angabe "Frischer Naturjoghurt mild" als
Verkehrsbezeichnung, und sucht er wegen der optischen Hervorhebung dieser
Bezeichnung in der Tat nicht mehr im "Kleingedruckten", ob dort möglicherweise eine
andere (zutreffende) Verkehrsbezeichnung angegeben ist, führt der vorliegende Verstoß
gegen § 3 Abs. 1 der MilcherzeugnisVO zugleich zur Unterlassungspflicht der Beklagten
aus § 1 UWG. Dabei kann offenbleiben, ob es sich bei den Kennzeichnungsvorschriften
der MilcherzeugnisVO lediglich um sog. wertneutrale Ordnungsvorschriften handelt oder
ob diese Wertbezug aufweisen, ein Verstoß hiergegen also auch ohne Hinzutreten
weiterer Unlauterkeitskriterien wettbewerbswidrig wäre (zu den wertbezogenen
Vorschriften und den wettbewerbsrechtlichen Folgen eines Verstoßes hiergegen vgl.
Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rdnr. 621). Die Frage bedarf keiner Entscheidung, weil
die der Vorschrift des § 3 Abs. 1 der MilcherzeugnisVO zuwiderlaufende
Kennzeichnungspraxis der Beklagten, die allein schon wegen der Nachahmungsgefahr
geeignet ist, den Wettbewerb auf dem hier einschlägigen Markt im Sinne des § 13 Abs.
2 Nr. 1 UWG wesentlich zu beeinträchtigen (vgl. zum Nachahmungsaspekt BGH GRUR
1995, 760 - "Frischkäsezubereitung" -), selbst dann unlauter im Sinne des § 1 UWG und
folglich zu unterlassen ist, wenn es sich hierbei um eine wertneutrale Ordnungsvorschrift
zum Schutze der Verbraucher handeln sollte, die nicht Ausdruck einer sittlichen
Wertung ist und deren Verletzung deshalb nicht ohne weiteres als wettbewerbswidrig
beurteilt werden kann. Die Verletzung wertneutraler Vorschriften rechtfertigt nämlich
dann den Vorwurf wettbewerbswidrigen Verhaltens, wenn sich ein Wettbewerber
bewußt und planmäßig über sie hinwegsetzt, obwohl für ihn erkennbar ist, daß er
dadurch einen Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern erlangen kann (vgl. hierzu:
BGH WRP 1979, 460, 461 - "Luxus-Ferienhäuser" -; BGH GRUR 1981, 140, 142 -
"Flughafengebühr" -; BGH GRUR 1989, 762, 764 - "Stundungs- angebote" -; BGH
GRUR 1992, 696, 697 - "Teilzahlungspreis I" -; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 UWG
Rdnr. 658 sowie Köhler/Piper, UWG, § 1 Rdnr. 344, jeweils m.w.N.). Im Streitfall sind
diese Voraussetzungen erfüllt. Die Beklagte kennt, was sie selbst nicht in Abrede stellt,
alle Tatumstände, die den Gesetzesverstoß ergeben; gleichwohl will sie an ihrer
Kennzeichnungspraxis festhalten. Der damit im Sinne der vorbezeichneten
Rechtsprechung vorliegende bewußte und planmäßige Gesetzesverstoß ist auch
geeignet, die Wettbewerbslage zugunsten der Beklagten zu beeinflussen. Das folgt
schon daraus, daß nach dem unbestrittenen Sachvortrag der Klägerin kein einziges
Konkurrenzprodukt die Bezeichnung "Naturjoghurt" trägt oder den Bezeichnungszusatz
"Natur" aufweist. Damit versetzt der Gesetzesverstoß die Beklagte in die Lage, sich von
ihren Mitbewerbern abzuheben und dem Verkehr ein Joghurterzeugnis anzubieten, über
das die Mitbewerber in dieser Form nicht verfügen.
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Ist der Unterlassungsbegehren folglich aus § 1 UWG begründet, kann im übrigen
offenbleiben, ob - wie das Landgericht angenommen hat - die Kennzeichnungspraxis
der Beklagten den Verkehr zudem in relevanter Weise in die Irre führt und sich der
Unterlassungsanspruch der Klägerin deshalb auch aus § 3 UWG ergibt, oder ob der
Verkehr, was der Senat allerdings in Übereinstimmung mit dem Landgericht
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ausschließt, den Begriff "Naturjoghurt" lediglich als Synonym für "weißer Joghurt ohne
Fruchtzusatz" begreift.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
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Die gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer der Beklagten beträgt
750.000,00 DM.
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