Urteil des OLG Köln vom 27.10.2000
OLG Köln: anzeige, selektives vertriebssystem, verkehr, werbung, bildmarke, wortmarke, hersteller, vollstreckung, fahrzeug, auskunft
Oberlandesgericht Köln, 6 U 91/00
Datum:
27.10.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 91/00
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 33 O 9/00
Tenor:
1.) Die Berufung der Beklagten gegen das am 18.4.2000 verkündete
Urteil des Landgerichts Köln - 33 O 9/00 - wird zurückgewiesen. 2.) Die
Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen. 3.) Das
Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann jedoch die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
nachbenannter Höhe abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit jeweils in derselben Höhe leistet. Es ist
Sicherheit in folgender Höhe zu leisten bzw. sind folgende Beträge zu
hinterlegen: Bei Vollstreckung des Anspruches auf a) Unterlassung
100.000,00 DM; b) Auskunft 20.000,00 DM; c) Kostenerstattung
17.500,00 DM. Der Klägerin wird auf ihren Antrag nachgelassen, die
Sicherheiten auch durch Stellung einer selbstschuldnerischen
Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen
Sparkasse zu erbringen. 4.) Die Beschwer der Beklagten wird auf
150.000 DM festgesetzt.
Antrag auf Unterlassung
100.000 DM
Antrag auf Auskunft
20.000 DM
Antrag auf Schadensersatzfeststellung
30.000 DM
Gesamtstreitwert
150.000 DM
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin ist eine allgemein bekannte große deutsche Automobilherstellerin, die
Beklagte ist KfZ-Händlerin und handelt mit frei importierten Pkw.
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Die Klägerin vertreibt ihre Pkw in Deutschland über ein selektives Vertriebssystem, zu
dem die Beklagte nicht gehört. Sie
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ist u.a. Inhaberin der von ihr als "vier Ringe über Audi" bezeichneten Wort/Bildmarke Nr.
39.536.107, wegen deren Ausgestaltung auf die als Anlage K 1 (= Bl.9 ff) bei den Akten
befindliche Kopie der Eintragungsurkunde Bezug genommen wird. Daneben ist sie - wie
das Landgericht unwidersprochen festgestellt hat - auch Inhaberin einer Wortmarke
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"Audi".
Die Beklagte vermittelt sog. "EU-Neuwagen", also Pkw, die von dem Hersteller in ein
Mitgliedsland der europäischen Union exportiert worden sind und von ihr wieder nach
Deutschland eingeführt werden. Zu diesen Pkw gehören auch solche der Klägerin.
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Die Beklagte schaltete in der Ausgabe vom 6.9.1999 der "Rheinischen Post" die aus der
Seite 4 dieses Urteils ersichtliche Werbeanzeige, in der die Wortmarke "Audi" der
Klägerin genannt und deren oben erwähnte Wort/Bild-Marke aufgeführt ist. Unter den
acht in der Anzeige detailliert beschriebenen Fahrzeugen befindet sich keines aus dem
Hause der Klägerin.
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Die Klägerin sieht in der Verwendung der Marke durch die Zeitungsanzeige eine
Markenverletzung. Sie hat die Auffassung vertreten, der Erschöpfungsgrundsatz greife
nicht ein, weil die Beklagte durch die Markenangabe keine konkreten Fahrzeuge
bewerbe, sondern nur allgemein die Vermittlung von "EG-Neuwagen" anbiete. Auch §
23 Ziff.3 MarkenG greife nicht ein, weil die Verwendung des Zeichens zur Beschreibung
des Angebotes der Beklagten nicht erforderlich sei. Im übrigen bestehe aufgrund der
Markenbenutzung die Gefahr, dass der Verkehr annehme, auch die Beklagte sei in ihr
Vertriebssystem eingebunden.
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Sie hat in lediglich redaktionell abweichender Formulierung
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b e a n t r a g t,
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1. die Beklagte zu verurteilen,
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1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000 DM, ersatzweise
Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen, im
Rahmen der Werbung die Marke Nr. 39.536.107 "vier Ringe über Audi" wie auf der
nachstehenden Seite 4 dieses Urteils wiedergegeben zu verwenden.
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1. ihr Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie die in Ziffer 1.) genannten
Handlungen seit dem 6.9. 1999 vorgenommen hat;
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KANZLEI:
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BITTE ABLICHTUNG VON BLATT 3 FERTIGEN, ALS SEITE 4 BEZEICHNEN UND
IN DEN AUSFERTIGUNGEN ANSTELLE DIESER SEITE HIER EINFÜGEN.
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II.) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr allen Schaden zu ersetzen, der
ihr aus den in Ziff. I 1.) genannten Handlungen seit dem 6.9.1999 entstanden ist und
noch entstehen wird.
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Die Beklagte hat b e a n t r a g t,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat behauptet, ständig auch Fahrzeuge der Klägerin im Angebot zu haben, die diese
zuvor in das EU-Ausland exportiert habe. Die Beklagte hat sich auf den Grundsatz der
Erschöpfung im Sinne des § 24 MarkenG berufen und unter Bezugnahme auf die aus
Bl.23 ersichtliche Entscheidung des LG Düsseldorf - 4 O 481/99 - vom 7.12.1999 die
Auffassung vertreten, zur Verwendung der Marke berechtigt zu sein, weil das Ziel der
Aufrechterhaltung des selektiven Vertriebssystems der Klägerin nicht schützenswert sei.
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Das L a n d g e r i c h t hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
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Der Erschöpfungsgrundsatz rechtfertige die Verwendung der Marke zu einer
allgemeinen Ankündigung der Vermittlung von importierten Fahrzeugen nicht. Auch §
23 MarkenG greife nicht ein. Deren näher in Betracht kommende Ziffer 3 sei nicht erfüllt,
weil die Verwendung des Zeichens zur Ankündigung des Vertriebs nicht erforderlich sei.
Dem Informationsinteresse des Verkehrs werde auch durch die Verwendung der reinen
Wortmarke "Audi" Rechnung getragen.
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Zur Begründung ihrer B e r u f u n g gegen dieses Urteil trägt die Beklagte vor:
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Entgegen der Auffassung der Kammer stehe ihr die Erschöpfung des Markenrechts zur
Seite. Auch wenn sich diese nur auf die konkreten einzelnen Produkte beziehe, die der
Markeninhaber in Verkehr gebracht habe, dürfe sie doch in der angegriffenen Form für
die Importfahrzeuge werben, weil sie tatsächlich auch nur solche Fahrzeuge vertreibe,
bezüglich derer die Erschöpfung der Markenrechte eingetreten sei. Aus im einzelnen
dargelegten Gründen stünden der Klägerin auch keine berechtigten Gründe im Sinne
des § 24 Abs.2 MarkenG zur Seite.
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Die Beklagte b e a n t r a g t,
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unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils vom 18.4.2000 die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin b e a n t r a g t,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie bestreitet, dass die Beklagte nur solche Audi-Fahrzeuge vertreibe, die vorher von ihr
selbst innerhalb der EU in Verkehr gebracht worden seien.
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Im übrigen tritt sie der dargestellten Auffassung der Beklagten entgegen und meint,
diese laufe darauf hinaus, dass der Markeninhaber nach einer Werbung wie der
streitgegenständlichen im einzelnen recherchieren müsse, ob der Importeur tatsächlich
ausschließlich solche Fahrzeuge anbiete, die vorher in das Ausland exportiert worden
seien. Dies sei indes nicht zumutbar. Überdies stehe die Beschränkung des
Ankündigungsrechtes auf solche Fahrzeuge, die sich schon im Besitz des Importeurs
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befinden, aus im einzelnen dargestellten Gründen mit der höchstrichterlichen
Spruchpraxis im Einklang.
Schließlich lägen die Voraussetzungen des § 24 Abs.2 MarkenG vor, weil der
irreführende Eindruck entstehe, als habe die Beklagte ständig alle Audi-Modelle
vorrätig. Zudem partizipiere die Beklagte auf diese Weise unzulässig an ihrem, der
Klägerin, guten Ruf.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die gewechselten
Schriftsätze Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung
waren.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Klage ist, was den
Unterlassungsanspruch angeht, aus § 14 Abs.2 Ziff.1, Abs.5 MarkenG begründet, weil
die Beklagte die Wort/Bildmarke der Klägerin für identische Waren identisch benutzt und
weder die Voraussetzungen des § 24 MarkenG für eine Erschöpfung der Markenrechte
vorliegen, noch der Beklagten Rechte aus § 23 MarkenG zu Seite stehen. Darüber
hinaus sind aus den von dem Landgericht dargelegten und im Berufungsverfahren nicht
angegriffenen Gründen, auf die gem. § 543 Abs.1 ZPO Bezug genommen wird, gem. §
14 Abs.2 Ziff.1, Abs.6 in Verbindung mit § 19 Abs.5 MarkenG, 242 BGB auch die
Annexansprüche begründet.
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Dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 14 Abs.2 Ziff.1 MarkenG vorliegen,
die Beklagte also die identische Marke der Klägerin für identische Produkte benutzt, ist
nicht im Streit und überdies offenkundig. Hieraus resultiert indes der geltendgemachte
Unterlassungsanspruch, weil die Beklagte zu dieser Benutzung nicht berechtigt ist.
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Die Markenrechte der Klägerin an den mit der Anzeige beworbenen Pkw sind nicht,
zumindest nicht sämtlich, gem. § 24 Abs.1 MarkenG erschöpft. Nach dieser Vorschrift
könnte die Klägerin der Beklagten dann die Benutzung der Marke nicht untersagen,
wenn die Beklagte sie nur für solche Fahrzeuge verwenden würde, die die Klägerin
innerhalb des in der Vorschrift näher umschriebenen europäischen Wirtschaftsraumes
bereits in Verkehr gebracht hat. In diesem Fall wäre ihr neben der Kennzeichnung der
Ware selbst auch deren Bewerbung unter Verwendung der Marke gestattet (vgl. EUGH
GRUR Int. 98,140,143 - "Dior/Evora"; Sack, WRP 99,1088,1095 m.w.N.). Auf derartige
Fahrzeuge beschränkt sich die angegriffene Werbung indes nicht.
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Die Anzeige erweckt den Eindruck, dass dem Interessenten sämtliche Fahrzeuge aus
der aktuellen Produktionspalette der aufgeführten Hersteller, also auch der Klägerin,
vermittelt werden können. Der Interessent gewinnt mithin den Eindruck, er könne wie bei
dem Kauf von einem autorisierten Händler ein Fahrzeug "bestellen", das dann - wenn
auch nicht vom Hersteller unmittelbar, so doch über das EU-Ausland - für ihn beschafft
werde. Dieser Eindruck entsteht insbesondere durch die Vielzahl der aufgeführten
Hersteller, aber auch durch den Umstand, dass neben dieser Auflistung acht Fahrzeuge
durch ihre konkrete Beschreibung zum Kauf angeboten werden. Schon die Aufführung
mehrerer Dutzend Namen von Herstellern lässt es als ausgeschlossen erscheinen, dass
die Beklagte von all diesen Herstellern Fahrzeuge vorrätig halte. Dieser Eindruck wird
durch die erwähnte Aufzählung von acht Fahrzeugen verstärkt, weil der Verkehr
annehmen wird, dass eben diese acht Fahrzeuge vorrätig seien, während andere zwar
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geliefert werden könnten, aber nicht im Betrieb der Beklagten vorrätig seien. Bestätigt
wird dieser Eindruck schließlich durch die Formulierung "...vermittelt kurzfristig", die zum
Ausdruck bringt, dass die Beklagte nicht nur Fahrzeuge verkauft, über die sie bereits
verfügen kann. Dass dieser Eindruck, den die Anzeige hervorruft, im übrigen zutreffend
ist, hat die Beklagte im Verhandlungstermin mit dem Vortrag bestätigt, jeder
Kundenwunsch könne erfüllt werden.
Vor diesem Hintergrund ist die Anzeige nicht durch die Erschöpfungswirkung gedeckt,
die gem. § 24 MarkenG mit der Auslieferung von Fahrzeugen in den erwähnten EG-
Wirtschaftsraum verbunden ist. Denn die Werbung bezieht sich auf diese Weise
zumindest auch auf Fahrzeuge, bei denen im Zeitpunkt des Erscheinens der Anzeige
die Voraussetzungen des § 24 MarkenG noch nicht erfüllt sind, weil das betreffende
Fahrzeug von der Klägerin noch gar nicht ausgeliefert worden ist, sondern das
Werksgelände noch nicht verlassen hat. Die Bewerbung der Möglichkeit, sich ein
Fahrzeug auf die beschriebene Weise ähnlich wie bei dem Bezug über einen
autorisierten Audi-Händler zu bestellen, schließt es ein, dass ein Kunde sich - wie das
bei dem Kauf von Neuwagen allgemein üblich ist - einen Pkw nach seinen individuellen
Wünschen zusammenstellen lässt. Dass die Beklagte sich zumindest bemüht, derartige
Wünsche auch zu erfüllen, bestätigt ihre erwähnte Erklärung. Damit erfasst die Werbung
nicht nur schon ausgelieferte und im EU-Wirtschaftsraum befindliche, sondern auch
solche Fahrzeuge, die noch gar nicht produziert sind oder jedenfalls das Werksgelände
noch nicht verlassen haben, und für die mithin Erschöpfung noch nicht eingetreten ist.
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Die angegriffene Benutzung der Marke ist der Beklagten auch nicht gem. § 23 Ziff.3
MarkenG gestattet. Die Bestimmung ist zwar einschlägig, ihre Voraussetzungen liegen
aber nicht vor.
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Während § 23 Ziff.2 MarkenG zu den dort näher umschriebenen beschreibenden
Angaben berechtigt, soll Ziffer 3 der Vorschrift Bestimmungsangaben ermöglichen, die
ein geschütztes Kennzeichen gerade als solches benutzen, um diejenigen
Originalwaren des Markeninhabers zu identifizieren, für die die Ware oder
Dienstleistung des Verwenders bestimmt sein soll (vgl. Ingerl/Rohnke MarkenG § 23 RZ
49). Darum handelt es sich auch im vorliegenden Fall: die Beklagte bewirbt den Verkauf
von Original-Fahrzeugen u.a. der Klägerin. Sie benutzt damit das angegriffene Zeichen
in der alleinigen Absicht, eben diese Original-Fahrzeuge zu bezeichnen, auf die sich ihr
Angebot, nämlich die Beschaffung aus den EU-Ausland, bezieht.
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Ist damit der Regelungsbereich des § 23 Ziff.3 MarkenG betroffen, so berechtigt die
Vorschrift gleichwohl die Beklagte nicht zu der angegriffenen Verwendung der Marke.
Denn diese ist - worauf bereits das Landgericht zu Recht abgestellt hat - nicht im Sinne
der Vorschrift notwendig. § 23 Ziff.3 MarkenG rechtfertigt die Benutzung einer Marke
dann, wenn sie zur Bezeichnung im vorstehenden Sinne notwendig ist. Hieran fehlt es
indes deswegen, weil der Verbraucher auch ohne Aufführung der Wort/Bildmarke der
Anzeige ohne weiteres entnehmen kann, dass die Beklagte auch Audi-Fahrzeuge
vertreibt. Das ergibt sich aus dem Umstand, dass die die Klägerin unzweideutig
identifizierende Bezeichnung "Audi" als Wortmarke in der Auflistung auf der linken Seite
der Anzeige aufgeführt ist. Weiß der Verkehr aber bereits, dass die Beklagte auch Audi-
Modelle vermittelt, oder kann er dies der Anzeige jedenfalls auch ohne die
Wort/Bildmarke ohne weiteres entnehmen, so stellt sich deren Verwendung nicht als im
Sinne der Vorschrift notwendig dar.
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Die Beklagte kann sich schließlich auch nicht etwa auf § 23 Ziff.2 MarkenG berufen.
Ungeachtet der Frage, ob die Benutzung der Marke auch den Tatbestand dieser
Bestimmung erfüllt, kommt eine Anwendung der Norm, die nicht auf die Notwendigkeit
der Verwendung abstellt, deswegen nicht in Betracht, weil § 23 Ziff.3 MarkenG die
speziellere Vorschrift ist und für diese und ihre engeren Voraussetzungen sonst kein
Anwendungsbereich bliebe.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
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Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festgesetzte Beschwer der Beklagten entspricht dem Wert
ihres Unterliegens im Rechtsstreit.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird unter nachfolgender Differenzierung
endgültig auf 150.000 DM festgesetzt:
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Mangels näherer Angaben der Parteien schätzt der Senat das gem. §§ 12 Abs.1 GKG, 3
ZPO maßgebliche Interesse der Klägerin an den einzelnen Anträgen auf die
vorstehenden Werte.
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