Urteil des OLG Köln vom 16.05.2001

OLG Köln: ordre public, wirkungen der ehe, getrennt leben, unwiderlegbare vermutung, willenserklärung, prüfungspflicht, report, datum, rechtsnorm, scheidungsrecht

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
1
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3
Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Köln, 27 WF 104/01
16.05.2001
Oberlandesgericht Köln
27. Zivilsenat
Beschluss
27 WF 104/01
Amtsgericht Geilenkirchen, 12 F 130/00
Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 30.3.2001 wird der
Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Geilenkirchen vom
22.03.2001 - 12 F 130/00 - aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten
Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - Geilenkirchen mit
der Maßgabe zurückverwiesen, die Prozesskostenhilfe nicht aus den
Gründen des angefochtenen Beschlusses zu verweigern.
Gründe
Die zulässige Beschwerde hat vorläufig Erfolg.
Da beide Parteien allein die algerische Staatsangehörigkeit besitzen, bestimmen sich nach
Art. 14 Abs.1 Nr. 1 EGBGB die allgemeinen Wirkungen der Ehe und damit nach Art. 17
Abs. 1 Satz 1 EGBGB die Voraussetzungen der Scheidung grundsätzlich nach
algerischem Recht. Nach Art. 6 EGBGB ist eine Rechtsnorm eines anderen Staates jedoch
nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen
Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Sie ist insbesondere
nicht anzuwenden, wenn die Anwendung mit den Grundrechten unvereinbar ist. Hat nach
dem Scheidungsstatut nur der Mann ein Scheidungsrecht (Verstoßungsrecht), nicht aber
die Frau, oder werden Männer und Frauen in anderer Weise ungleich behandelt, kann die
Anwendung des ausländischen Rechts gegen den deutschen ordre public verstoßen.
Vorausgesetzt wird eine entsprechende Inlandsbeziehung, die hier gegeben ist, da die
Parteien nach dem Vortrag der Antragstellerin seit September 1989 in Deutschland
ansässig sind. Das ausländische Recht ist in diesem Fall nicht anwendbar, wenn seine
Anwendung im konkreten Einzelfall zu einem Ergebnis führen würde, das mit wesentlichen
Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar wäre. Das wäre etwa der
Fall, wenn keiner der für Frauen geltenden Scheidungsgründe vorliegt, während der Mann
ohne weiteres von seinem Verstoßungsrecht Gebrauch machen könnte
(Johannsen/Henrich, Eherecht, 3. Aufl., Art. 17 EGBGB Rdn. 29 m. w. N. ; OLG Düsseldorf
OLG-Report 1997, 65, 66 betreffend das marokkanische Scheidungsstatut). Diese
Voraussetzungen sind nach dem algerischen Scheidungsstatut gegeben. Nach Art. 48 des
Gesetzes Nr. 84-11 vom 9.6.1984 über das Familiengesetzbuch erfolgt die Scheidung
aufgrund Willenserklärung des Ehemannes, durch gegenseitiges Einvernehmen beider
Ehegatten oder auf Antrag der Ehefrau innerhalb der Schranken der in Art. 53 und 54
vorgesehenen Fälle. Gründe für die Willenserklärung des Ehemannes sieht das Gesetz
nicht vor. In Art. 53 und 54 dieses Gesetzes ist dagegen im Einzelnen geregelt, unter
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welchen - engen - Voraussetzungen die Ehefrau die Scheidung verlangen kann. Die
Antragstellerin trägt zwar Gründe vor, die ihr Scheidungsbegehren auch nach algerischem
Recht als begründet erscheinen lassen. Die Durchsetzung ihres Scheidungsverlangens
scheitert jedoch offenbar daran, dass sie ihre vom Antragsgegner bestrittenen
Behauptungen nicht zu beweisen vermag. Diese Ungleichbehandlung kann gegen den
deutschen ordre public verstoßen, wenn die Antragstellerin nach deutschem Recht die
Scheidung begehren kann. Da die Parteien noch keine drei Jahre getrennt leben und damit
die unwiderlegbare Vermutung des § 1566 Abs. 2 BGB noch nicht eingetreten ist, wird das
Amtsgericht zu prüfen haben, ob die Antragstellerin aus anderen Gründen die Scheidung
verlangen kann.
Die Sache ist auch deshalb an das Amtsgericht zurückzuverweisen, weil der
Nichtabhilfebeschluss keinen Aufschluss darüber gibt, aus welchen Gründen das
Amtsgericht die Ausführungen der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung für
unbeachtlich hält. Ein Nichtabhilfebeschluss bedarf jedenfalls dann der Begründung, wenn
der Beschwerdeführer eine Rechtsauffassung mitteilt, mit der sich das Amtsgericht in der
angefochtenen Entscheidung noch nicht auseinandergesetzt hat. Denn nur dann wird
erkennbar, dass das vorlegende Gericht die Beschwerdebegründung zur Kenntnis
genommen und für seine Entscheidung über die Abhilfe in Erwägung gezogen hat und
damit seiner Prüfungspflicht, ob die angefochtenen Entscheidung ohne Vorlage an den
Senat abzuändern ist, nachgekommen ist.