Urteil des OLG Köln vom 21.03.1997

OLG Köln (kläger, stationäre behandlung, ausbildung, firma, höhe, bestätigung, schmerzensgeld, behandlung, 1995, zpo)

Oberlandesgericht Köln, 19 U 158/96
Datum:
21.03.1997
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 U 158/96
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 21 O 473/94
Schlagworte:
Schadensberechnung; erzwungener Wechsel des Ausbildungsberufs
Normen:
BGB §§ 823, 249 ff., 843
Leitsätze:
Der Verdienstausfallschaden eines Arbeitnehmers, der nach
Absolvierung der geplanten Ausbildung als Schreiner tätig werden will,
die Ausbildung infolge des erlittenen Unfalls jedoch nicht aufnehmen
kann, bemißt sich nach der Differenz zwischen dem fiktiven Verdienst im
angestrebten Beruf und dem tatsächlich erzielten (geringeren) Verdienst
im tatsächlich aufgenommenen Beruf. Bei der Ermittlung des fiktiven
Verdienstes ist auch zu berücksichtigen, daß der Geschädigte nach
Beendigung der (fiktiven) Ausbildung zum Wehrdienst eingezogen
worden wäre; für diesen Zeitraum sind der Wehrsold und der Wert der
bei der Bundeswehr gewährten Verpflegung als fiktiver Verdienst
anzusetzen.
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 20.06.1996 verkündete Urteil
des Landgerichts Köln - 21 O 473/94 - unter Zurückweisung des
Rechtsmit-tels im übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verur-teilt, an den Kläger
7.000,00 DM zu zahlen. Es wird festgestellt, daß die Beklagten als
Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle materiellen und
immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 24.05.1991 in L., K.
Straße, sofern sie ab dem 14.03.1997 entstanden sind oder noch
entstehen wer-den, zu ersetzen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 1/3 und
die Beklagten als Gesamt-schuldner zu 2/3. Die Kosten des
Berufungsverfah-rens tragen der Kläger zu 77 % und die Beklagten als
Gesamtschuldner zu 23 %. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. (ohne
Tatbestand gemäß § 543 Abs. 1 ZPO)
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung des Klägers unterliegt keinen formellen Bedenken.
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Ziel der Berufung ist die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiteren
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Schmerzensgeldes von mindestens 10.000,00 DM und zur Zahlung von
Verdienstausfall in Höhe von 20.800,73 DM für den Zeitraum September 1994 bis
August 1996.
In der Sache hat die Berufung nur teilweise Erfolg. Im einzelnen:
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1.
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Verdienstausfall für den mit der Berufung geltend gemachten Zeitraum September 1994
bis August 1996 kann der Kläger von den Beklagten nicht erstattet verlangen. Es fehlt
an einem nach § 843 BGB zu ersetzenden konkreten Schaden in Gestalt eines fiktiven
Minder-Verdienstes des Klägers im genannten Zeitraum.
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Zwar ist im Rahmen der Feststellung des fiktiven Verdienstes des Klägers davon
auszugehen, daß der Kläger bei der Schreinerei R. nach Absolvierung der
Ausbildungszeit eine Anstellung als Geselle gefunden hätte zu einem monatlichen
Bruttolohn von 3.168,00 DM, was unter Berücksichtigung des Personenstandes des
Klägers einem Nettolohn von monatlich 2.200,00 DM entsprochen hätte. Bedenken an
der inhaltlichen Richtigkeit der von der Firma R. erteilten Bestätigung vom 28.07.1994
und vom 20.10.1995 hat der Senat nicht. Es fehlen hinreichende Anhaltspunkte dafür,
daß es sich bei diesen Bestätigungen um bloße Gefälligkeitsbescheinigungen der
Firma R. gehandelt hätte. Tatsächlich hatte der Kläger mit den Inhabern der Firma R. am
17.09.1991 einen Berufsausbildungsvertrag (Bl. 11 d.A.) abgeschlossen. Die
Bescheinigung vom 20.10.1995 (Bl. 35 d.A.) läßt erkennen, daß sich die Firma R. der
Bedeutung ihrer Bestätigung bewußt war. Die Bestätigung geht nicht nur dahin, den
Monatsverdienst als Geselle im ersten Gesellenjahr mit 3.168,00 DM brutto mitzuteilen;
festgehalten ist weiter, daß dem Kläger "nach seiner Ausbildung ein Arbeitsplatz zur
Verfügung gestanden" hätte. Die in der Bescheinigung angegebene Verdiensthöhe
entspricht nach den Erkenntnissen des Senats dem tariflichen Monatslohn eines
Schreinergeselle im ersten Gesellenjahr, wie im Beschluß vom 19.02.1997 ausgeführt
wurde. An der Bestätigung der Richtigkeit der Übernahme des Klägers in ein
Arbeitsverhältnis nach Abschluß der Ausbildung bestehen keine Zweifel.
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Bei der Ermittlung des "fiktiven Verdienstes" sind nicht nur die vom Kläger im ersten
Gesellenjahr als Schreiner erzielten monatlichen Nettoeinkünfte für die Zeit vom
01.09.1995 bis 31.08.1996 in Höhe von monatlich 2.200,00 DM zugrundezulegen. Zu
berücksichtigen ist weiterhin, daß der Kläger nach Beendigung seiner Ausbildung bei
der Firma R. zum Wehrdienst eingezogen worden wäre. Der während dieses Zeitraums
von einem Jahr bezogene Wehrsold (13,50 DM je Tag in den ersten drei Monaten und
15,00 DM je Tag in den neun Folgemonaten) sowie der Wert der bei der Bundeswehr
erhaltenen Verpflegung (monatlich 336,00 DM) sind als fiktiver Verdienst anzusetzen.
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Den tatsächlich im Zeitraum September 1994 bis August 1996 erzielten Verdienst hat
der Kläger durch Vorlage entsprechender Gehaltsbescheinigungen der Firma O. belegt.
Hinzuzurechnen sind allerdings noch die in diesem Zeitraum gezahlten
Verletztenrenten der Berufsgenossenschaft; die Höhe dieser monatlichen Renten betrug
ab 01.07.1994 298,15 DM, ab 01.07.1995 298,95 DM und ab 01.07.1996 300,36 DM,
wie der Kläger durch Vorlage entsprechender Bescheide der Großhandels- und
Lagerei-Berufsgenossenschaft in M. (Anlagen Z 7 bis Z 12) nachgewiesen hat.
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Danach ergäbe sich für den mit der Berufung geltend gemachten Zeitraum September
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1994 bis August 1996 ein fiktiver Verdienst des Klägers von insgesamt 35.870,50 DM;
dem steht jedoch ein tatsächlicher Verdienst des Klägers von insgesamt 38.876,99 DM
gegenüber. Wegen der Berechnung im einzelnen wird auf Seiten 2 und 3 des
Senatsbeschlusses vom 19.02.1997 Bezug genommen.
Verdienstausfall ist dem Kläger in dem mit der Berufung geltend gemachten Zeitraum
mithin nicht entstanden, so daß die Berufung insoweit zurückzuweisen ist.
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2.
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Dagegen kann der Kläger von den Beklagten gemäß §§ 847 BGB; 3
Pflichtversicherungsgesetz die Zahlung weiteren Schmerzensgeldes in Höhe von
7.000,00 DM verlangen; das weitergehende Schmerzensgeldbegehren des Klägers ist
unbegründet.
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Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Unfall vom 24.05.1991 auf das
Alleinverschulden des Beklagten zu 1. zurückzuführen ist. Der im Unfallzeitpunkt 17
Jahre alte Kläger trug bei dem Verkehrsunfall unstreitig folgende Verletzungen davon:
Nasenbeinbruch, Oberschenkelbruch rechts, Riß des vorderen Kreuzbands am rechten
Knie, Schürfwünde am rechten Knie sowie primäre Peronäusparese rechts. Der Kläger
befand sich in folgenden Zeiträumen in stationärer Behandlung: vom 24.05. bis
18.06.991, vom 11.07. bis 13.07.1991 und vom 11.05. bis 16.05.1992. Der Kläger leidet
noch an den Folgen der Knieverletzung. Seit der Operation verspürt er verstärkt
Schmerzen in der Hüfte und in der Gelenkwanne. Es besteht eine Knieinstabilität mit
belastungsabhängigen Schmerzen und einem möglichen Knorpelschaden. Die
Oberschenkelmuskulatur rechts ist im Seitenvergleich deutlich verschmächtigt. Da ein
Muskelaufbautraining erfolglos verlief, muß sich der Kläger einer weiteren
Knieoperation unterziehen.
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Unter Berücksichtigung des Grades des Verschuldens des Beklagten zu 1. und des
Umfangs der vom Kläger erlittenen Verletzungen erscheint dem Senat Schmerzensgeld
von insgesamt 25.000,00 DM angemessen und erforderlich, um den immateriellen
Schaden des Klägers auszugleichen. Hierbei hat sich der Senat auch an den von den
Beklagten in der Berufungserwiderung zitierten gerichtlichen Entscheidungen und den
dort erkannten Schmerzensgeldern orientiert. Am ehesten vergleichbar ist der
vorliegende Sachverhalt mit dem Sachverhalt, der in der Schmerzensgeldtabelle von
Hacks/Ring/ Böhm, 17. Auflage, unter lfd. Nr. 1118 wiedergegebenen Entscheidung des
Landgerichts Braunschweig vom 20.07.1988 (5 O 198/88). Dort hatte ein Maurer einen
Beckenringbruch, einen knöchernen Bandausriß am rechten Tibiakopf, einen Bänderriß
am rechten Handgelenk, diverse Prellungen und Schürfungen am rechten Fuß sowie
am linken Knie erlitten. Er war fünf Wochen stationär und 3 1/2 Monate ambulant in
Behandlung und insgesamt 4 3/4 Monate arbeitsunfähig. Nach einem Jahr erfolgte
erneut eine stationäre Behandlung von zwei Monaten mit Einsetzen einer
Trevirakreuzbandplastik im rechten Knie und anschließender etwa vier Monate
dauernder ambulanter Behandlung. Als Dauerfolge trug der Verletzte eine
Muskelminderung im rechten Bein mit Restinstabilität im rechten Kniegelenk davon; die
Erwerbsfähigkeit war dauernd um 20 % gemindert. Außerdem war der Verletzte in der
Sportausübung beeinträchtigt. Das Landgericht Braunschweig hatte - bei
anzunehmender 100 %iger Haftung der Schädiger - ein Schmerzensgeld von 20.000,00
DM bei Vorbehalt des Ersatzes künftiger immateriellen Schäden zuerkannt. Im
vorliegenden Falle hat das Landgericht die Ersatzpflicht der Beklagten bezüglich der
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künftigen immateriellen Schäden bereits rechtskräftig festgestellt. Nach
zusammenfassender Würdigung der vom Kläger tatsächlich erlittenen Verletzungen und
der verbliebenen Unfallfolgen erscheint dem Senat ein Schmerzensgeld von insgesamt
25.000,00 DM unter Berücksichtigung des bereits rechtskräftig zuerkannten
immateriellen Vorbehalts als angemessen, um die immateriellen Schäden des Klägers
aus dem Unfallereignis vom 24.05.1991 auszugleichen.
Auf den Schmerzensgeldbetrag von 25.000,00 DM hatte die Beklagte zu 2.
vorprozessual bereits einen Betrag von 18.000,00 DM geleistet, wie nunmehr unstreitig
ist, so daß dem Kläger noch ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 7.000,00 DM
zuzuerkennen war.
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3.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 30.800,73 DM
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Wert der Beschwer der Parteien: jeweils unter 60.000,00 DM
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