Urteil des OLG Köln vom 10.03.2004

OLG Köln: bezirk, gerichtsstandsvereinbarung, vertragsinhalt, bindungswirkung, abrede, datum

Oberlandesgericht Köln, 5 W 8/04
Datum:
10.03.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 W 8/04
Vorinstanz:
Amtsgericht Bonn, 7 C 13/04
Tenor:
Der Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 15. Dezember 2003 - 7 C
104/03 - wird aufgehoben.
Die Sache wird an das Amtsgericht Bonn zurückgegeben.
Gründe
1
Eine Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO kann der Senat
nicht vornehmen. Zwar haben sich sowohl das Amtsgericht Bonn mit Beschluss vom 15.
Dezember 2003 als auch das Amtsgericht Leipzig mit Beschluss vom 7. Januar 2004 für
örtlich unzuständig erklärt. Gleichwohl liegen die Voraussetzungen einer
Zuständigkeitsbestimmung durch den Senat nicht vor, weil es bislang an hinreichenden
tatsächlichen Feststellungen dazu fehlt, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig
ist.
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Das von der Klägerin angerufene Amtsgericht Bonn hat sich auf den Standpunkt
gestellt, für die Klage sei entweder das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Beklagte ihren
Sitz hat (§ 17 ZPO), oder - sofern die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin
wirksam einbezogen worden seien - aufgrund der darin getroffenen
Gerichtsstandsvereinbarung das Amtsgericht Leipzig als das Gericht, in dessen Bezirk
die Klägerin ihren Sitz hat, für den Rechtsstreit zuständig. Das Amtsgericht Bonn, das
zuvor Zweifel an der wirksamen Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
geäußert hatte, hat die Sache mit Beschluss vom 15. Dezember 2003 auf
entsprechenden Antrag der Klägerin an das Amtsgericht Leipzig verwiesen. Dies war
rechtfehlerhaft. Nach § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann eine Verweisung nur "an das
zuständige Gericht" erfolgen. Das von einer klagenden Partei zunächst angegangene
Gericht darf, auch wenn es sich selbst für unzuständig hält, eine Verweisung an ein
anderes Gericht erst dann aussprechen, wenn es zuvor dessen Zuständigkeit
pflichtgemäß geprüft und bejaht hat (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO,
62. Aufl., § 281, Rdn. 17). Das hat das Amtsgericht Bonn nicht beachtet, denn es hat den
Rechtsstreit an das Amtsgericht Leipzig verwiesen, obwohl seine Prüfung gerade
ergeben hatte, dass nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht von einer
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wirksamen Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin und
damit nicht von einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung ausgegangen werden
könne; dies lag auch auf der Hand, denn die Beklagte hatte eine Einbeziehung der
Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin in Abrede gestellt und eine Kenntnis
von jenen Bedingungen mangels Übermittlung oder mangels eines sonstigen
Hinweises der Klägerin bestritten. Bei dieser Sachlage durfte das Amtsgericht Bonn den
Rechtsstreit ungeachtet des von der Klägerin gestellten Antrags jedenfalls nicht ohne
eine weitere Sachaufklärung an das Amtsgericht Leipzig verweisen.
Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Bonn entfaltet auch keine
Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 Satz 3 ZPO. Eine Verweisung bindet
ausnahmsweise dann nicht, wenn der Verweisungsbeschluss schlechterdings nicht als
im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann, weil er entweder auf
einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht - dies ist hier nicht anzunehmen - oder weil
er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als objektiv willkürlich betrachtet
werden muss (BGH, NJW 2002, 3634, 3635). Das ist auch dann der Fall, wenn der
Verweisungsbeschluss nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist
(BGH, MDR 2002, 1450, 1451). Vorliegend ist nicht nachvollziehbar, aus welchen
Gründen das Amtsgericht Bonn den Rechtsstreit, obwohl es das Amtsgericht Leipzig für
unzuständig gehalten hat, entgegen der klaren und eindeutigen Bestimmung des § 281
Abs. 1 Satz 1 ZPO gleichwohl an dieses Gericht verwiesen hat. Das Amtsgericht Bonn
hat sich - wie der Vorlageverfügung an den Senat zu entnehmen ist - augenscheinlich
mit Rücksicht auf seine eigene Unzuständigkeit für berechtigt gehalten, den Rechtsstreit
ohne weitere Prüfung an das Gericht, das ihm die Klägerin benennt, zu verweisen. Dafür
fehlt jede gesetzliche Grundlage. Es ist Sache des angerufenen Gerichts, das für die
Entscheidung zuständige Gericht zu ermitteln. Eine Verweisung zur Klärung der
Zuständigkeit durch das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen wird, ist unzulässig
(so bereits OLG Celle, MDR 1953, 111, 112). Darauf aber läuft die Vorgehensweise des
Amtsgerichts Bonn hinaus.
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Der Senat kann eine abschließende Zuständigkeitsbestimmung nicht vornehmen, weil -
solange die Klägerin ihren Antrag auf Verweisung an das Amtsgericht Leipzig aufrecht
erhält - aufgeklärt werden muss, ob die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der
Klägerin Vertragsinhalt geworden sind. Die insoweit notwendige Sachaufklärung hat
nicht durch den Senat zu erfolgen. Die Sache ist deshalb unter Aufhebung des
Verweisungsbeschlusses vom 15. Dezember 2003 an das Amtsgericht Bonn
zurückzugeben.
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