Urteil des OLG Köln vom 28.04.1998

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Oberlandesgericht Köln, 9 U 197/97
Datum:
28.04.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 197/97
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 24 O 425/96
Schlagworte:
Versicherung Kaskoversicherung Schaden Beweislast
Beweiserleichterung Vandalismusschaden
Normen:
VVG § 61; AKB § 12 I
Leitsätze:
Ist eine Beschädigung eines Kraftfahrzeuges durch mutwillige
Handlungen gegeben, muß der Kaskoversicherer de vollen Beweis
führen, daß diese Schäden nicht auf Handlungen betriebsfremder
Personen beruhen, also mit Wissen und Wollen des
Versicherungsnehmers herbeigeführt sind. Beweiserleichterungen
werden dem Versicherer - unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung
des Senats - nicht mehr zugebilligt.
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 09.10.1997 verkündete Urteil
der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 425/96 - wird
zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung hat in der Sache selbst keinen Erfolg.
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Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen.
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Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten kein Entschädigungsanspruch aus der für
sein Fahrzeug Mercedes-Benz 212 D, amtliches Kennzeichen ......., abgeschlossenen
Vollkaskoversicherung wegen des Schadensereignisses vom 15./16.09.1996 zu, und
zwar weder unter dem Gesichtspunkt einer mut- oder böswilligen Handlung
betriebsfremder Personen im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. II. f) AKB noch unter dem
Gesichtspunkt eines "Unfalls" im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. II. e) AKB. Der Senat ist
davon überzeugt, daß die in der Nacht vom 15. auf den 16.09.1996 von der Polizei am
Fahrzeug des Klägers festgestellten Schäden in Form von zahlreichen kleinen
Einstichen in die Karosserie an beiden Seiten, am Heck und an der vorderen Haube des
Fahrzeugs nicht durch betriebsfremde Personen, sondern mit Wissen und Wollen des
Klägers herbeigeführt worden sind. Soweit das Landgericht hierfür bereits eine
erhebliche Wahrscheinlichkeit hat ausreichen lassen, um einen
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Entschädigungsanspruch wegen mut- oder böswilliger Handlungen betriebsfremder
Personen zu verneinen und die Klage abzuweisen, kann dem nach neuerer
höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht gefolgt werden. Danach besteht in Fällen der
mut- oder böswilligen Handlungen betriebsfremder Personen kein Grund,
Beweiserleichterungen zuzubilligen wie in Diebstahlsfällen; vielmehr muß, wenn eine
Beschädigung des Fahrzeugs durch solche Handlungen bewiesen ist, was anhand des
Schadensbildes festgestellt werden kann, der Versicherer beweisen, daß die Schäden
nicht auf Handlungen betriebsfremder Personen beruhen (vgl. Urteil des BGH vom
25.06.1997, VersR 1997, 1095 f. = r+s 1997, 446; so auch schon OLG Köln, 5.
Zivilsenat, r+s 1996, 93 f.). Dem schließt sich der Senat unter Aufgabe seiner früheren
Rechtsprechung an (vgl. die Senatsurteile 9 U 70/96 und 9 U 36/94; ebenso bisher OLG
Hamm VersR 1996, 881; OLG Düsseldorf VersR 1996, 880). Im Hinblick auf den
Gesichtspunkt einer vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalles "Unfall" im
Sinne von § 61 VVG, den das Landgericht nicht erörtert hat (vgl. dazu BGH VersR 1981,
450), muß ohnehin der Versicherer nach allgemeiner Meinung den vollen Beweis
erbringen (vgl. Prölss/Martin, VVG, 25. Auflage, Anm. 6 zu § 61).
Die den Versicherer somit für die Tatsache, daß die Schäden nicht durch betriebsfremde
Personen verursacht worden sind, sowie für die vorsätzliche Herbeiführung des
Versicherungsfalles durch den Versicherungsnehmer treffende Beweislast ändert im
vorliegenden Fall aber nichts daran, daß die Klage vom Landgericht im Ergebnis zu
Recht abgewiesen worden ist, da der Beweis insoweit erbracht ist.
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Die Art der Einstiche in die Karosserie des Fahrzeugs des Klägers, die sich wesentlich
von den in der betreffenden Nacht an vier weiteren Fahrzeugen festgestellten
Karosserieschäden unterscheiden, läßt unter den hier gegebenen Umständen nur den
einzigen Schluß zu, daß der Kläger die an den anderen vier Fahrzeugen festgestellten
Vandalismusschäden zum Anlaß genommen hat, einen gleichartigen Schaden am
eigenen Fahrzeug vorzutäuschen. Die Schäden an den anderen vier Fahrzeugen sind,
wie das Landgericht schon ausgeführt hat und aus den bei der Akte befindlichen
Fotografien zweifelsfrei hervorgeht, in großer Eile mit erheblichem Kraftaufwand unter
Verwendung eines Schlagwerkzeuges herbeigeführt worden, was sich an den
Eindellungen in der Karosserie und den schlitzförmigen Einstichen erkennen läßt. Dies
folgt auch aus der polizeilichen Aussage der Zeugin Sch.. Sie ist in der Tatnacht
aufgrund lauter Geräusche, die wie lautes Trommeln klangen, ans Fenster gelaufen und
hat auf der Straße zwei Jugendliche beobachtet, die an den geparkten Fahrzeugen
vorbeiliefen und mit einem Gegenstand auf die Fahrzeuge einschlugen und sich sodann
rasch entfernten (vgl. Bl. 11 und 16 der Beiakte). Auch einer der Geschädigten, der
Zeuge D., war durch laute Geräusche aufmerksam geworden und hatte sich auf den
Balkon seiner Wohnung begeben. Dort sah er noch, wie drei Jugendliche über den
Gehweg liefen, einer von ihnen mit einem Gegenstand auf die Motorhaube seines Pkw
schlug und dann alle flüchteten (Bl. 18 der Beiakte). Bei den anderen vier Fahrzeugen
sind auch überwiegend an der dem Bürgersteig zugewandten Fahrzeugseite und zum
Teil noch auf der Motorhaube Schäden entstanden. Dagegen weist der Wagen des
Klägers rundherum kleine, saubere Löcher auf, die ersichtlich mit Bedacht, großer
Sorgfalt und in völliger Ruhe in die Karosseriebleche mit einem Werkzeug
hineingebohrt oder geschlagen worden sind (vgl. die Fotografien Bl. 58 bis 62 d.A.). Sie
sind zudem in einer Weise auf der Karosserie verteilt, daß bei einer fachgerechten
Reparatur die Ausbesserung und Neulackierung nahezu sämtlicher Karosserieteile wie
Seitentüren, Motorhaube und Hecktüre erforderlich ist (vgl. das Gutachten des
Sachverständigen B. vom 19.09.1996, Bl. 50 ff.), daß andererseits, wenn man den
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Schaden auf Gutachtenbasis abrechnet und von einer solchen fachgerechten Reparatur
absieht, die Schäden in Form der kleinen Löcher sich durchaus auch in der Weise
ausbessern lassen, daß man diese Löcher verschließt und die Stellen beilackiert. Der
finanzielle Vorteil, der sich aus einem solchen Schadensbild ergibt, liegt daher auf der
Hand.
Es kommt sodann hinzu, daß nach dem eigenen Vorbringen des Klägers im Schriftsatz
vom 12.05.1997 sein Fahrzeug etwa 60 bis 80 m von den anderen in jener Nacht
beschädigten vier Fahrzeugen abgestellt war, was im übrigen auch aus den Lichtbildern
über die Örtlichkeit und den Standort der betreffenden Fahrzeuge auf Bl. 63 bis 65 d.A.
hervorgeht. Angesichts des von den Zeugen Sch. und D. beobachteten Verhaltens der
Täter, die sich an den vier anderen abgestellten Fahrzeugen zu schaffen gemacht
haben, und das belegt, daß sie in großer Eile vorgingen und bestrebt waren, möglichst
schnell wieder zu verschwinden, erscheint es völlig unwahrscheinlich, daß sie zunächst
das Fahrzeug des Klägers rundherum fein säuberlich mit kleinen Löchern versehen
haben, dann 60 bis 80 m weitergelaufen sind und sich dann an den vier anderen
Fahrzeugen zu schaffen gemacht haben.
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Schließlich kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß ein zuletzt auf den Kläger
zugelassener Wohnwagenanhänger bereits in mehrere Fälle von Vandalismusschäden
verwickelt war und dieserhalb Versicherungsleistungen bezogen worden sind. Insoweit
wird auf die Ausführungen der Beklagten in der Klageerwiderung auf Seite 10 ff. (Bl. 41
ff. d.A.) Bezug genommen.
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Alles in allem besteht daher für den Senat kein vernünftiger Zweifel daran, daß die am
Fahrzeug des Klägers befindlichen Einstiche nicht durch betriebsfremde Personen
verursacht worden sind, und auch, daß der Kläger den Versicherungsfall "Unfall"
vorsätzlich im Sinne von § 61 VVG herbeigeführt hat, so daß die Beklagte nicht
verpflichtet ist, Leistungen aus der Vollkaskoversicherung zu erbringen.
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Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10,
713 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren und Wert der Beschwer für den Kläger: 15.075,45
DM.
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