Urteil des OLG Köln vom 10.07.1995

OLG Köln (tätigkeit, handelsvertreter, gestaltung, bag, selbständigkeit, geschäftstätigkeit, beschwerde, 1995, gvg, zpo)

Oberlandesgericht Köln, 18 W 11/95
Datum:
10.07.1995
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
18. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 W 11/95
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 14 O 391/94
Tenor:
Die Beschwerde wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
G r ü n d e
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Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG, 577 ZPO zulässig. Sie ist
aber nicht begründet. Mit Recht hat das Landgericht hier den ordentlichen Rechtsweg (§
13 GVG) für zulässig gehalten. Die Klägerin war nach ihrem eigenen Vorbringen
Handelsvertreterin, nicht Arbeitnehmerin der Beklagten, so daß eine Zuständigkeit der
Arbeitsgerichte für das Streitverhältnis nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. ArbGG
ausscheidet.
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Im Unterschied zu Angestellten (Handlungsgehilfen, § 59 HGB) ist der Handelsvertreter
selbständiger Gewerbetreibender (§ 84 Abs. 1 und 2 HGB). Selbständig ist gemäß § 84
Abs. 1 Satz 2 HGB, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine
Arbeitszeit bestimmen kann. Dabei kommt es entscheidend auf das Gesamtbild der
vertraglichen Gestaltung und der tatsächlichen Handhabung an (BGH BB 1982, 1876,
1877; NJW 1982, 1758; BAG BB 1990, 1064; vgl. auch BAG NJW 1993, 2458, 2459).
Für rechtliche Selbständigkeit sprechen insbesondere nur eingeschränkte
Weisungsgebundenheit des Vertreters, Übernahme der Kosten und Risiken der
Geschäftstätigkeit sowie überwiegende Freiheit in Arbeitsumfang und -gestaltung,
dagegen vor allem Einbeziehung in die betriebliche Organisation des Unternehmers mit
festen Arbeitszeiten, Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen (vgl.
hierzu etwa Baumbach/Hopt, HGB, 29. Auflage 1995, § 84 Rn. 36 m.w.N.).
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Nach diesen Maßstäben ist die Klägerin im Ergebnis als selbständige
Handelsvertreterin anzusehen; dabei ist zu beachten, daß der Handelsvertreter bei der
Gestaltung seiner Tätigkeit nur "im wesentlichen" frei zu sein braucht.
Weisungsgebundenheit bei der ihr übertragenen Vermittlung von Verträgen nach Art
und Inhalt oder einschränkende Kontrollmaßnahmen der Beklagten hat die Klägerin
selbst nicht behauptet. Zur Kostenverteilung zwischen den Parteien ist im wesentlichen
nur vorgetragen, daß die Vertreter jeweils Anteile ihrer Provisionen für Gemeinkosten
sowie für die Vor- und Nachbearbeitung ihrer Verträge durch andere - sogenannte "B.-
O.-Tätigkeit" - abgeben müssen. Das Risiko ihrer Geschäftstätigkeit schließlich lag im
Hinblick darauf, daß selbst das vertraglich vereinbarte Provisionsfixum von monatlich
6.000,00 DM nur als Vorauszahlung gewährt war, eindeutig bei der Klägerin.
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6.000,00 DM nur als Vorauszahlung gewährt war, eindeutig bei der Klägerin.
Die Klägerin beruft sich demgegenüber darauf, sie habe in den letzten Jahren
überwiegend Innendiensttätigkeiten ausgeübt und dabei auch feste Arbeitszeiten (von
9.00 bis 16.30 Uhr) einhalten müssen. Diese Umstände - ihre Richtigkeit unterstellt -
fallen gegenüber den vorstehend genannten Kriterien jedoch nicht entscheidend ins
Gewicht. Soweit die Innendiensttätigkeit der Klägerin - vom Zeitaufwand her jedenfalls
nicht nur unwesentlich - auf sogenannte "B.-O.-Tätigkeit" zugunsten der ebenfalls bei
der Beklagten tätigen Handelsvertreter M. und S. entfiel, kam sie ohnehin nicht
unmittelbar der Beklagten zugute und begründete daher zu dieser keine persönliche
Abhängigkeit, wie sie für Arbeitnehmer charakteristisch und für die Begründung eines
Arbeitsverhältnisses erforderlich ist. Der Umfang dieser Aufgaben zur sonstigen
Innendiensttätigkeit der Klägerin (Kundenkorrespondenz, Bearbeitung von Stornofällen,
Policenversand, Einarbeitung von Mitarbeitern) läßt sich nach dem Parteivortrag nicht
hinreichend abgrenzen, insbesondere ist insofern ein Übergewicht von Arbeiten
unmittelbar im Auftrag der Beklagten nicht feststellbar. Schon aus diesem Grunde
kommt eine Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin im Verhältnis zur Beklagten nicht in
Betracht. Es kommt hinzu, daß die Parteien übereinstimmend noch zu Beginn des
vorliegenden Rechtsstreits und bis nach der Verweisung der Sache an das Landgericht
von einer selbständigen Stellung der Klägerin als Handelsvertreterin ausgegangen sind
und sich auf diese Rechtslage beiderseits eingerichtet haben, nicht zuletzt in der steuer-
und sozialversicherungsrechtlichen Behandlung ihres Vertragsverhältnisses. Bei dieser
Sachlage bedürfte es überwiegender Gründe für eine nachträgliche anderweitige
Bewertung. Daran fehlt es. Auch dafür, daß die Klägerin trotz Selbständigkeit nach § 5
Abs. 3 ArbGG als Arbeitnehmerin gelten könnte, ist nichts ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Beschwerdewert (entsprechend dem Wert der Hauptsache, vgl. OLG Köln NJW-RR
1993, 639, 640; a.A. OLG Karlsruhe Justiz 1994, 243): 42.871,81 DM
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