Urteil des OLG Köln vom 06.10.1995

OLG Köln (eignung, 1995, gefahr, person, umstand, gespräch, erfordernis, aufgaben, stand, verwaltung)

Oberlandesgericht Köln, 16 WX 144/95
Datum:
06.10.1995
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 WX 144/95
Schlagworte:
AUSWAHLKRITERIEN FÜR EINEN BETREUER
Normen:
BGB § 1897
Leitsätze:
Der Umstand, daß der sich um das Amt des Betreuers bewerbende
Angehörige seinen Wohnsitz in großer räumlicher Entfernung vom
Wohnort des Betroffenen hat, steht seiner Eignung als Betreuer nicht
grundsätzlich entgegen. Es muß nach den konkreten Umständen des
Einzelfalles darauf abgestellt werden, ob ein häufigerer Kontakt
zwischen dem Betroffenen und dem Betreuer erforderlich ist oder nicht.
G r ü n d e
1
Die weitere Beschwerde ist gemäß §§ 27, 29, FGG statthaft und auch im übrigen
zulässig, insbesondere ist die Beteiligte zu 3.) als in gerader Linie Verwandte der
Betroffenen gemäß § 69g Abs. 1 FGG beschwerdebefugt.
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Die weitere Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, da die
Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Gesetzes beruht, §§ 27 Abs. 1
FGG, 550 ZPO.
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Bei der Frage, ob die Beteiligte zu 3.) als Betreuerin der Betroffenen, ihrer Mutter,
geeignet ist, stellt das Landgericht zu Unrecht allein darauf ab, daß diese wegen der
räumlichen Entfernung ihres Wohnortes vom Wohnort der Betroffenen sowie beruflicher
Einbindung nicht in der Lage sei, den Betreuungsbedarf der Betroffenen zu decken.
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Die dazu getroffenen Feststellungen tragen eine solche rechtliche Bewertung nicht.
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Hauptbestandteil der Eignung als Betreuer ist allerdings die Möglichkeit zur
persönlichen Betreuung. Als eines der wichtigsten Ziele des Betreuungsgesetzes sollte
die Stärkung der persönlichen Betreuung - bereits durch die Bezeichnung "Betreuung" -
hervorgehoben und die bisherige Bevormundung und anonyme Verwaltung im
Vormundschaftswesen überwunden werden (vgl. BT-Drucks 11/4528 S. 114f).
Hauptmerkmal der Betreuung soll der persönliche Kontakt, das Gespräch zwischen
Betreutem und Betreuer und die Zuwendung sein, vgl. § 1901 BGB. Dagegen gehört die
eigentliche Pflegeleistung nicht dazu (vgl. Bienwald BtPrax 1993, 80).
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Die persönliche Betreuung wird indes nur in dem erforderlichen Umfang verlangt. Nach
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§ 1901 Abs. 1 BGB ist das Wohl des Betreuten entscheidender Maßstab für das
Verhalten des Betreuers. Das erforderliche Maß an persönlicher Betreuung wird
demnach zum einen von dem Aufgabenkreis des Betreuers abhängen; je umfangreicher
der Aufgabenkreis des Betreuers, desto höhere Bedeutung kommt ihr zu (vgl.
Palandt/Diederichsen, BGB, 54. Aufl. 1995, § 1897 Rdnr. 7). Zum anderen ist die Person
des Betreuten, insbesondere dessen Gesundheitszustand zu berücksichtigen; ist etwa
ein Gespräch wegen des Grades der Behinderung nicht möglich, soll der Betreuer den
Betreuten dennoch in gewissen Abständen aufsuchen, um sich einen Eindruck von
seinem Zustand zu verschaffen (vgl. Bienwald, Betreuungsrecht, 1992, § 1897 Rdnr.
26). Allgemein wird die Eignung des Betreuers sich an den konkreten Anforderungen
der Betreuung auszurichten haben (Knittel, BetrG, Stand: 11. EL 1995, § 1897, Anm. IV.
A) Rdnr. 10)
Nach den vorstehenden Kriterien durfte das Landgericht nach den getroffenen
Feststellungen nicht davon ausgehen, daß die Beteiligte zu 3.) als Betreuerin
ungeeignet ist. Sie besucht die Betroffene regelmäßig, durchweg einmal im Monat, so
daß der persönliche Kontakt gewährleistet ist. Entgegen der Auffassung des
Landgerichtes erfordert der Umstand, daß die Betroffene völlig unzureichend orientiert
und eine sinnvolle Verständigung mit ihr nicht möglich ist, gerade keinen besonders
intensiven, d.h. häufigen persönlichen Kontakt. Es ist nicht ersichtlich, daß die von der
Beteiligten zu 3.) organisierte Besuchsregelung dem Wohle der Betreuten nicht in dem
erforderlichen Maße entspräche. Die Tatsache, daß die Beteiligte zu 3.) eine dritte
Person, Frau E., gewonnen hat, die sich um die Betroffene kümmert und diese des
öfteren besucht und ihr zur Hand geht, bedeutet entgegen der Auffassung des
Landgerichts nicht, daß diese mit einem wesentlichen Teil der Betreuung beauftragt
wäre. Eine Delegation von Aufgaben ist angesichts der Verpflichtung, die Betreuung
"persönlich" vorzunehmen, in der Tat grundsätzlich unzulässig (vgl. Bienwald,
Betreuungsrecht, 1992, § 1897 Rdnr. 33). Vorliegend übernähme die dritte Person indes
keine Betreuungsaufgaben, sondern vornehmlich Aufgaben im Rahmen der Pflege der
Betroffenen. Daß darüberhinaus ein - wünschenswerter - persönlicher Kontakt der
Dritten zur Betroffenen besteht, besagt nicht, daß der persönliche Kontakt zwischen der
Beteiligten zu 3.) und der Betroffenen nicht in dem erforderlichen Maße hergestellt
werden könnte.
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Schließlich geht die Argumentation des Landgerichts fehl, die Beteiligte zu 3.) sei
mangels jederzeitiger Erreichbarkeit als Betreuerin ungeeignet. Es ist nicht festgestellt,
welche spezifische Ausprägung des Krankheitsbildes der Betroffenen eine sofortige
Erreichbarkeit erforderlich machte. Geht man von einem solchen Erfordernis aus, ist
nicht ersichtlich, daß die Beteiligte zu 3.) daran gehindert wäre zu gewährleisten, daß zu
ihr jederzeit fernmündlicher Kontakt aufgenommen werden kann. Dafür gibt es
zahlreiche technische Möglichkeiten (Funktelefon, Anrufbeantworter etc.). Für das
Erfordernis einer jederzeitigen persönlichen Erreichbarkeit gibt es keinerlei
Anhaltspunkte.
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Bei seiner erneuten Behandlung der Sache wird das Landgericht zu beachten haben,
daß nach § 1897 Abs. 5 BGB bei der Auswahl des Betreuers einerseits auf die
verwandtschaftlichen Bindungen des zu Betreuenden, andererseits auf die Gefahr von
Interessenkonflikten Rücksicht zu nehmen ist.
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Was die Gefahr von Interessenkonflikten angeht, ist zu bedenken, daß die Eignung des
potentiellen Betreuers nur durch konkret gegebene Umstände gefährdet wird (OLG
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Hamm FamRZ 1993, 988, 990) und daß abstrakte Gefahren, wie die Erbberechtigung,
für sich allein die Bestellung zum Betreuer nicht ausschließen, wie sich schon aus der
Nennung von Eltern, Kindern und Ehegatten in § 1897 Abs. 5 BGB ergibt. Da das Wohl
des Betreuten maßgeblich ist, wird die zu sparsame Verwaltung des Vermögens zu
Lasten der Bedürfnisse des Betreuten häufig Konfliktgegenstand sein (vgl. Knittel,
BetrG, Stand: 11. EL 1995, § 1897, Anm. IV. E) Rdnr. 23).
Vorliegend fehlt es bislang an der erforderlichen Aufklärung. Es wird zu prüfen sein, ob
die Beteiligte zu 3.) rechtswirksam Alleinerbin ihrer Schwester geworden und die
Betroffene auf den Pflichtteil beschränkt ist und ob sich daraus divergierende Interessen
der Betroffenen und der Beteiligten zu 3.) ergeben.
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Sollte die Gefahr einer Interessenkollision bestehen, wird zu prüfen sein, ob im Interesse
der Betroffenen die Bestellung eines zweiten Betreuers, § 1899 Abs. 1 BGB, mit
entsprechender Aufgabenteilung geboten ist.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt, § 13a Abs. 1 FGG.
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