Urteil des OLG Köln vom 04.12.1998

OLG Köln (zerrüttung der ehe, verhältnis zu, schutzwürdiges interesse, einspruch, eheliche gemeinschaft, antragsteller, scheidung, zgb, ehescheidung, verhalten)

Oberlandesgericht Köln, 4 UF 103/98
Datum:
04.12.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 UF 103/98
Vorinstanz:
Amtsgericht Siegburg, 32 F 177/96
Tenor:
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Amtsgerichts -
Familiengericht - Siegburg vom 21. April 1998 - 32 F 177/96 -
aufgehoben und der Antrag auf Ehescheidung abgewiesen. Die Kosten
des Rechtsstreits trägt der Antragsteller.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
1
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin ist begründet.
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Dem Ehescheidungsantrag des Antragstellers kann - jeden-falls zur Zeit - nicht statt
gegeben werden.
3
Für die Ehescheidung sind die deutschen Gerichte zuständig, weil beide Partner ihren
gewöhnlichen Aufenthaltsort im Inland haben, § 606a Abs. 1 Nr. 2 ZPO.
4
Da beide Eheleute türkischer Staatsangehörigkeit sind, richten sich die materiellen
Voraussetzungen der Scheidung nach türkischem Recht, Art. 17 Abs. 1 Satz 1 i. V. m.
Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB, das eine Rück- oder Weiterverweisung nicht enthält.
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Hier kommt allein eine Ehescheidung nach Art. 134 Abs. 1 des türkischen
Zivilgesetzbuches (türk. ZGB) in Betracht.
6
Danach kann jeder Ehegatte auf Scheidung klagen, wenn die eheliche Gemeinschaft in
ihrem Fundament so zerrüttet ist, daß den Ehegatten die Fortsetzung des gemeinsamen
Lebens nicht zugemutet werden kann.
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Davon kann hier in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht zu Gunsten des
Antragstellers ausgegangen werden.
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Die Ehescheidung scheitert jedoch am Einspruch der Antragsgegnerin.
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Gemäß Art. 134 Abs. 2 türk. ZBG hat der andere Ehegatte ein Einspruchsrecht, wenn
die Zerrüttung der Ehe überwiegend auf dem Verschulden des Antragstellers beruht.
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Dies ist hier nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Fall.
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Beide Zeugen Y. haben übereinstimmend bekundet, daß der Antragsteller, kurz
nachdem er die Zeugin T. im Mai 1995 in seiner Boutique angestellt hatte, ein intimes
Verhältnis zu dieser Zeugin aufgenommen hat, was er dem Zeugen Y. selbst berichtet
hat. Die Aussage der Zeugin T., dieses Verhältnis habe erst mit dem Auszug des
Antragstellers aus der ehelichen Wohnung im November 1995 begonnen, ist
demgegenüber nicht glaubhaft. Schließlich ist der Antragsteller unmittelbar nach seinem
Auszug in die Wohnung der Zeugin T. gezogen, wo er auch schon vorher regelmäßig
verkehrt hat.
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Dieser schweren Eheverfehlung des Antragstellers stehen keine erheblichen
Verfehlungen der Antragsgegnerin gegenüber. Er selbst hat ihr nur ständige Nörgeleien
und Unzufriedenheit vorgeworfen. Wenn der Zeuge Y. bekundet hat, der Antragsteller
habe ihm auch von sexuellen Problemen mit der Antragsgegnerin berichtet, so ist zu
berücksichtigen, daß dies nach seiner Aussage zeitlich zusammentrifft ("gleichzeitig")
mit den Klagen der Antragsgegnerin, der Antragsteller habe ein Verhältnis zu der
Zeugin T. aufgenommen. Unter diesen Umständen liegt das überwiegende Verschulden
an der Zerrüttung der Ehe eindeutig beim Antragsteller, indem dieser eine ehewidrige
Beziehung zu einer anderen Frau aufgenommen hat, ohne daß die beschriebenen
Eheprobleme dies rechtfertigen können (vgl. auch OLG Oldenburg FamRZ 1990, 632
und 1991, 442; OLG Hamm FamRZ 1990, 61 und 1992, 1436).
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Der Einspruch der Antragsgegnerin ist auch nicht etwa wegen Rechtsmißbräuchlichkeit
in Sinne des Art. 134 Abs. 2 Satz 2 türk. ZGB unbeachtlich.
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Nach überwiegender Meinung (vgl. OLG Hamm FamRZ 1994, 517 mit zahlreichen
Nachweisen) muß nicht der der Scheidung widersprechende Ehegatte die
Rechtsmißbräuchlichkeit seines Widerstandes gegen die Scheidung ausräumen und
schutzwürdige Interessen an der Aufrechterhaltung der Ehe darlegen. Vielmehr muß
das Gericht prüfen, ob es eventuelle Anhaltspunkte für ein rechtsmißbräuchliches
Verhalten gibt und falls es solche nicht feststellen kann, davon ausgehen, daß der
Einspruch nicht rechtsmißbräuchlich ist. Für ein solches Verständnis des
Einspruchsrechtes spricht schon die Formulierung des Art. 134 Abs. 2 türk. ZGB ("Stellt
der Einspruch jedoch einen Mißbrauch dar"). Dafür spricht auch die Vorschrift des Art.
134 Abs. 5 türk. ZGB. Danach kann die Ehe nämlich auch bei Widerstand eines
Ehegatten geschieden werden, aber nur unter zusätzlichen besonderen
Voraussetzungen, nämlich wenn die Scheidungsklage, z. B. wegen eines Einspruchs,
abgewiesen worden war und "seitdem drei Jahre vergangen sind, ohne daß das
gemeinsame Leben - egal aus welchem Grunde" - wieder hergestellt werden konnte.
Deshalb kann der erstmalige Einspruch auch nur in Ausnahmefällen als
rechtsmißbräuchlich angesehen werden (OLG Frankfurt FamRZ 1993, 329; OLG
Oldenburg FamRZ 1990, 632), weil sonst der Eheerhaltungszweck des
Einspruchsrechtes und die Möglichkeit des Versuchs, die Ehe in den nächsten drei
Jahren eventuell noch zu retten, unterlaufen würde. Allein der Umstand, daß die
Antragsgegnerin mit ihrem Einspruch die Scheidung verzögert und infolgedessen die
Legalisierung des außerehelichen Verhältnisses zunächst verhindert, kann ohnehin
kein Grund sein, ihren Einspruch als rechtsmißbräuchlich anzusehen. Andernfalls hätte
jeder Scheidungswillige, den ein Verschulden deshalb trifft, weil er eine außereheliche
Beziehung eingegangen ist und wieder heiraten will, es allein dadurch in der Hand, das
Einspruchsrecht des anderen Ehegatten auszuhebeln (OLG Hamm FamRZ 1994, 517).
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Ein jedenfalls erstmaliger Einspruch kann daher nur bei widersprüchlichem eigenen
Verhalten des widersprechenden Ehegatten als rechtsmißbräuchlich betrachtet werden.
Ein solches Verhalten liegt hier nicht vor. Die Antragsgegnerin ist nach wie vor bereit,
dem Antragsteller zu verzeihen und ihn wieder in der ehelichen Wohnung
aufzunehmen. Anders als das Amtsgericht hat sich der Senat nicht davon überzeugen
können, daß die Antragsgegnerin den Antragsteller verachtet oder gar haßt.
Selbstverständlich hat das Verhalten des Antragstellers die Antragsgegnerin verletzt
und gekränkt, was sie auch zum Ausdruck gebracht hat. Sie hat sich aber keineswegs
ablehnend und unversöhnlich gezeigt.
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Außerdem kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß in der Fortsetzung der
ehelichen Gemeinschaft hinsichtlich der Antragsgegnerin und der Kinder kein
schutzwürdiges Interesse besteht, wie zusätzlich gemäß Art. 134 Abs. 2 Satz 2 türk.
ZGB festzustellen wäre. Allein die Tatsache, daß die Parteien gemeinsam vier, z. T.
noch minderjährige Kinder haben, stellt ein schutzwürdiges Interesse an der Erhaltung
der Ehe dar (allgemeine Meinung vgl. Oldenburg a.a.O; Hamm a.a.O.; Koblenz FamRZ
1991, 206).
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Der Einspruch der Antragsgegnerin ist somit jedenfalls zur Zeit beachtlich und steht dem
Scheidungsbegehren entgegen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
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Berufungswert: 12.000,00 DM
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