Urteil des OLG Köln vom 23.03.1995

OLG Köln (rücknahme der klage, zpo, verweisung, arbeitsgericht, gkg, aufhebung, 1995, bewilligung, partei, beschwerde)

Oberlandesgericht Köln, 1 W 10/95
Datum:
23.03.1995
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
1. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 W 10/95
Schlagworte:
PKH; VERWEISUNG; BINDUNG
Leitsätze:
Das Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist nach Verweisung des
Rechtsstreits durch das Arbeitsgericht grundsätzlich an dessen
Entscheidung gebunden, durch die einer Partei Prozeßkostenhilfe
bewilligt worden ist. Eine abweichende Entscheidung über die
Gewährung von Prozeßkostenhilfe ist in einem solchen Fall nur bei
Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Aufhebung gemäß
§ 124 ZPO zulässig.
Tenor:
Auf die Beschwerde der Klägerin werden der Beschluß der 15.
Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 6. Februar 1995 - 15 O 433/94 -,
durch den der Klägerin Prozeßkostenhilfe verweigert worden ist, und der
Nichtabhilfebeschluß vom 1. März 1995 aufgehoben.
G r ü n d e
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Die Beschwerde der Klägerin ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig. In der Sache
führt sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des
Nichtabhilfebeschlusses. Für die Ablehnung des Prozeßkostenhilfegesuchs war
nämlich kein Raum, da der Klägerin zuvor - mit bindender Wirkung für das Landgericht -
Prozeßkostenhilfe bereits gewährt worden war. Im einzelnen ist hierzu folgendes
auszuführen:
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Das Arbeitsgericht hat der Klägerin durch Beschluß vom 10. Mai 1994 für die
Klageanträge zu 2) und 3) Prozeßkostenhilfe bewilligt und ihr ihren jetzigen
Prozeßbevollmächtigten beigeordnet. Mit Beschluß vom 13. Juli 1994 hat es sodann
einen Teil des Klagebegehrens zu 2) in Höhe von 40.000,- DM zwecks gesonderter
Verhandlung und Entscheidung abgetrennt und diesen Teil durch Beschluß vom 11.
August 1994 an das Landgericht verwiesen. Der Beschluß des Arbeitsgerichts vom 10.
Mai 1994, durch den der Klägerin Prozeßkostenhilfe gewährt worden ist, ist für das
Landgericht bindend, da in ihm über das entsprechende Gesuch der Klägerin für die
gesamte Instanz abschließend befunden worden ist.
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Nach § 119 S. 1 ZPO erfolgt die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe für jeden Rechtszug
besonders. ,Rechtszug" bedeutet ,Instanz" i.S.d. § 27 GKG und ist gebührenrechtlich zu
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verstehen, da § 119 S. 1 ZPO eine Kostenvorschrift darstellt (vgl. OLG Hamm MDR
1983, 847). Eine Instanz in diesem Sinne beginnt mit dem Einreichen einer Klage, einer
Rechtsmittelschrift oder eines gebührenpflichtigen Antrags. Sie endet erst mit dem
Wirksamwerden des Schlußurteils bzw. der anderweitigen Schlußentscheidung, mit
dem Abschluß eines Prozeßvergleichs oder der wirksamen Rücknahme der Klage bzw.
des Rechtsmittels (vgl. Hartmann, KostG, 26. Aufl., Rdnr. 3, 4 zu § 27 GKG). Demzufolge
gehört das Verfahren vor und nach einer Verweisung des Rechtsstreits an ein anderes
Gericht zu derselben Instanz i.S.d. § 27 GKG und zu demselben Rechtszug i.S.d. § 119
S. 1 ZPO. Dies gilt nicht nur für Verweisungen gemäß § 281 ZPO, sondern auch nach
Rechtswegverweisungen (vgl. MK-Wax Rdnr. 25 zu § 119 ZPO). Nach bindenden
Verweisungen vom Arbeitsgericht zum Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit kann
gemäß §§ 48 ArbGG i.V.m. § 17 a Abs. 2 GVG nichts anderes gelten (vgl. Baumbach-
Lauterbach-Hartmann, 53. Aufl., Rdnr. 47 zu § 119 ZPO). Es bleibt daher grundsätzlich
bei der zuvor durch das verweisende Gericht bewilligten Prozeßkostenhilfe.
Für die Annahme, daß nach Bewilligung der Prozeßkostenhilfe durch das verweisende
Gericht grundsätzlich kein Anlaß besteht, diese Frage im Anschluß an eine Verweisung
erneut zum Gegenstand richterlicher Prüfung zu machen, spricht überdies, daß der
Prozeß nach der Verweisung in der Lage fortgesetzt wird, in der er sich bei dem
verweisenden Gericht befunden hat. Vor allem streitet für die Fortgeltung der
Prozeßkostenhilfebewilligung aber der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes der
betreffenden Prozeßpartei. Wie sich aus § 124 ZPO ergibt, kann die einmal getroffene
positive Entscheidung über ein Prozeßkostenhilfegesuch nur in gesetzlich
abgegrenzten und eng gefaßten Ausnahmefällen wieder aufgehoben werden. Hierfür
genügt es nicht, daß das Gericht die Erfolgsaussichten oder die Bedürftigkeit des
Antragstellers falsch beurteilt und deswegen zu Unrecht Prozeßkostenhilfe bewilligt hat.
Dies muß auch im Anschluß an die Verweisung eines Rechtsstreits an ein anderes
Gericht gelten. Auch in einem solchen Fall muß sich der Antragsteller grundsätzlich auf
die einmal im Sinne seines Antrags getroffene gerichtliche Entscheidung verlassen
können.
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Auch im Streitfall war daher das Landgericht an die Gewährung von Prozeßkostenhilfe
durch das verweisende Arbeitsgericht gebunden. Seine Entscheidung über die
Verweigerung der Prozeßkostenhilfe war deswegen aufzuheben. Ob einer der
Tatbestände des § 124 ZPO erfüllt und deswegen eine Aufhebung der
Prozeßkostenhilfebewilligung in Erwägung zu ziehen ist, ist nicht Gegenstand des
vorliegenden Beschwerdeverfahrens und muß der Beurteilung durch das Gericht des
ersten Rechtszuges überlassen bleiben.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt (§ 127 Abs. 4 ZPO).
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Dr. Richter Gundlach Steglich
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