Urteil des OLG Köln vom 05.02.2010
OLG Köln (kläger, anlage, antrag, erledigung des prozesses, versicherungsnehmer, zpo, vvg, auskunft, verbindung, rückkaufswert)
Oberlandesgericht Köln, 20 U 80/08
Datum:
05.02.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
20. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 U 80/08
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 26 O 522/06
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 2. April 2008 verkündete
Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln -26 O 522/06- teilweise
abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger
a) hinsichtlich der in der im Tatbestand dieses Urteils wiedergegebenen
Anlage K 1 unter den Nummern 2a, 2b, 3, 4a, 5a, 6 und 7 aufgeführten
kapitalbildenden Versicherungsverträge Auskunft zu erteilen durch
Benennung folgender Beträge:
aa) der Hälfte des mit den Rechnungsgrundlagen der
Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten Deckungskapitals;
bb) des Rückkaufswerts, der sich für den Zeitpunkt der Beendigung des
Versicherungsvertrages bei Zugrundelegung der Bestimmungen des
jeweiligen Versicherungsvertrages, so wie er geschlossen ist
(einschließlich der intransparenten Klauseln), ergibt (versprochene
Leistung);
cc) eines vorgenommenen Abzugs gemäß § 176 Abs. 4 VVG a.F.
(Stornoabzug).
b) hinsichtlich der in der im Tatbestand dieses Urteils wiedergegebenen
Anlage K 1 unter den Nummern 4b und 5b aufgeführten kapitalbildenden
Versicherungsverträge Auskunft zu erteilen durch Benennung folgender
Beträge:
aa) der Hälfte des ungezillmerten Fondsguthabens;
bb) des Rückkaufswerts, der sich für den Zeitpunkt der Beendigung des
Versicherungsvertrages bei Zugrundelegung der Bestimmungen des
jeweiligen Versicherungsvertrages, so wie er geschlossen ist
(einschließlich der intransparenten Klauseln), ergibt (versprochene
Leistung);
cc) eines vorgenommenen Abzugs gemäß § 176 Abs. 4 VVG a.F.
(Stornoabzug).
Die Auskunft ist in geordneter Form zu erteilen.
Im Übrigen werden die Klageanträge zu 1. und 2. abgewiesen.
Hinsichtlich der in der im Tatbestand dieses Urteils wiedergegebenen
Anlage K 1 unter den Nummern 1 und 8 aufgeführten kapitalbildenden
Versicherungsverträge wird die Klage insgesamt ab-gewiesen.
Die weitergehende Berufung wird, soweit sie sich nicht gegen die
Abweisung des Klageantrags zu 3. bezogen auf die in der im Tatbestand
dieses Urteils wiedergegebenen Anlage K 1 unter den Nummern 2a, 2b,
3, 4a, 4b, 5a, 5b, 6 und 7 aufgeführten kapitalbildenden
Versicherungsverträge wendet und über sie erst im Schlussurteil zu
befinden ist, zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe 9.000,00 € abwenden,
wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leis-tet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
1
I.
2
Der Kläger nimmt die Beklagte im Wege der Stufenklage aus abgetretenem Recht von
insgesamt acht Versicherungsnehmern auf Auskunft und Zahlung im Zusammenhang
mit insgesamt elf kapitalbildenden Versicherungen (Lebens- oder
Rentenversicherungen, teilweise fondsgebunden) in Anspruch, die die Zedenten jeweils
zwischen Juli 1995 und März 2001 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern
abgeschlossen und vor Ablauf der vorgesehenen Vertragslaufzeit gekündigt haben und
aus denen sie von der Beklagten Auszahlungsbeträge erhalten haben, die aus Sicht
des Klägers deutlich unter den unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen
Rechtsprechung zu erwartenden Beträgen gelegen haben.
3
Wegen der Einzelheiten der zugrunde liegenden Vertragsverhältnisse nimmt der Kläger
Bezug auf die folgende, der Klageschrift als Anlage K 1 beigefügte und zuletzt mit
Schriftsatz vom 25. Februar 2008 aktualisierte Übersicht (Bl. 422 ff. d.A.):
4
…
5
Bei den in dieser Übersicht aufgeführten Vertragsverhältnissen der
Versicherungsnehmer 1 und 7 handelt es sich um private Rentenversicherungen, bei
den Vertragsverhältnissen der Versicherungsnehmer 4 b und 5 b um fondsgebundene
6
Kapitallebensversicherungen. Alle übrigen Vertragsverhältnisse sind klassische
Kapitallebensversicherungen.
Die Zedenten haben dem Kläger mit Abtretungserklärungen aus Dezember 2006
(Anlage K 10, Bl. 306 ff. d.A.) ihre Nachzahlungsforderungen gegen die Beklagte aus
den jeweiligen Versicherungen zu Einziehungszwecken abgetreten.
7
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Klauseln zur Abschlusskostenverrechnung
und zum Stornoabzug in den den jeweiligen Versicherungsverträgen zugrunde
liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen seien nach den Urteilen des
Bundesgerichtshofs vom 9. Mai 2001 (BGHZ 147, 354 ff. und BGHZ 147, 373 ff.)
unwirksam. Die Versicherungsnehmer hätten deshalb Anspruch auf Auszahlung des
vollen Rückkaufswertes, also eines Rückkaufswertes, der weder um verrechnete
Abschlusskosten noch um einen Stornoabzug verkürzt sei. Der Kläger hat vorgetragen,
er bedürfe der begehrten Auskünfte, um die Ansprüche beziffern zu können.
8
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
9
1. ihm hinsichtlich der in der Anlage K 1 aufgeführten (insgesamt 11)
kapitalbildenden Versicherungsverträge, die vor Ablauf der jeweils vorgesehenen
Vertragslaufzeit gekündigt wurden,
10
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in nachvollziehbarer und nachprüfbarer Weise Auskunft darüber zu erteilen,
12
a. welche Rückkaufswerte (gemäß § 176 Abs. 1 und 3 VVG) die Verträge im
Zeitpunkt ihrer Beendigung hatten,
13
14
dies jeweils ohne Durchführung eines "Abzugs" gemäß § 176 Abs. 4
bzw. § 174 Abs. 4 VVG,
15
b. wie hoch das mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechnete
ungezillmerte (also nicht um verrechnete Abschlusskosten verringerte)
Deckungskapital der Verträge im Zeitpunkt ihrer Beendigung war,
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auch dies jeweils ohne Durchführung eines "Abzugs" gemäß § 176
18
Abs. 4 bzw. § 174 Abs. 4 VVG,
c. welche Überschussbeteiligung den Verträgen im Zeitpunkt ihrer Beendigung
bereits zugewiesen worden war und welche Kapitalertragssteuern und
Solidaritätszuschläge hierauf an die Finanzverwaltung abgeführt wurden,
19
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2. ihm zur vollständigen Erfüllung der an ihn abgetretenen Ansprüche aus den
beendeten Versicherungen jeweils einen weiteren Betrag zu zahlen, wobei er, der
Kläger, die geforderten Nachzahlungsbeträge (zuzüglich der darauf entfallenden
Verzugszinsen) nach Erteilung der Auskünfte gemäß Nr. 1 beziffern werde.
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22
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
24
Sie hat die Klage bereits für unzulässig, jedenfalls mangels ausreichenden
Sachvortrags für unschlüssig gehalten, hat die fehlende Aktivlegitimation des
Klägers beanstandet und gemeint, die geltend gemachten Ansprüche bestünden
auch in der Sache nicht. Sie hat sich darauf berufen, die Ansprüche der
Versicherungsnehmer seien sämtlich erfüllt, und hat in Bezug auf die Ansprüche
der Versicherungsnehmer Nr. 1 und 8 die Einrede der Verjährung erhoben. Sie hat
schließlich gemeint, die begehrte Auskunft sei ihr nicht zuzumuten.
25
Das Landgericht hat die Klage, gestützt auf die Entscheidung des XI. Zivilsenats des
Bundesgerichtshofs vom 14. November 2006 (BGHZ 170, 18 ff.), mangels
Aktivlegitimation des Klägers abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen
ausgeführt: Die Abtretungserklärungen der Versicherungsnehmer seien gemäß § 134
BGB in Verbindung mit Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG nichtig. Die Voraussetzungen des
Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG lägen nicht vor. Die Einziehung der Forderungen durch den
Verbraucherverband müsse nach dieser Vorschrift im Interesse des
Verbraucherschutzes erforderlich sein, was nur dann der Fall sei, wenn die gerichtliche
Einziehung nicht nur der Durchsetzung wirtschaftlicher Individualinteressen eines oder
mehrerer Verbraucher, sondern auch einem kollektiven Verbraucherinteresse diene und
die Einschaltung des Verbandes eine effektivere Durchsetzung dieses kollektiven
Verbraucherinteresses ermögliche. Letzteres sei hier nicht anzunehmen. Umstände, die
geeignet wären, den einzelnen Verbraucher von einer Klärung der jeweiligen
Verbraucherfragen im Wege einer Individualklage abzuhalten, seien nicht ersichtlich.
Eine geringe Anspruchshöhe sei mit Rücksicht darauf, dass der Kläger den vollen
Rückkaufswert mit etwa 85 % der Prämienzahlungen ansetze, nicht gegeben. Auf der
Grundlage der vom Kläger erstellten Anlage K 1 ergäben sich danach restliche
Ansprüche zwischen 400 € und 10.500 € im Einzelfall, insgesamt 35.000 €. Gegenüber
26
der Anspruchshöhe seien die zu erwartenden Prozesskosten, die der einzelne
Versicherungsnehmer bei einer gerichtlichen Durchsetzung voraussichtlich aufwenden
müsste, nicht unverhältnismäßig hoch. Insbesondere sei keine kostenintensive
Beweisaufnahme durchzuführen. Es seien vielmehr im Wesentlichen Rechtsfragen zu
klären, die auch nicht außergewöhnlich komplex oder unsicher seien. Das
Bundesverfassungsgericht, der Bundesgerichtshof und die nachgeordneten Gerichte
hätten sich bereits zu vielen der vom Kläger aufgeworfenen Fragen geäußert.
Tatsächlich ließen sich – wie sich seit Jahren in der Praxis der Kammer zeige –
Verbraucher in einer erheblichen Anzahl nicht davon abhalten, eine Individualklage zu
erheben.
Dagegen richtet sich die Berufung, mit der der Kläger geltend macht: Die vom
Landgericht zitierte Entscheidung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 14.
November 2006 (BGHZ 170, 18 ff.) begründe im Gegenteil gerade seine
Aktivlegitimation. Die Anspruchshöhe sei – entgegen der Auffassung des Landgerichts
– gering. Die vom Landgericht angesetzten Werte seien nicht nachvollziehbar. Der im
Einzelfall geschuldete Nachzahlungsbetrag hänge von vielen Faktoren ab, nicht zuletzt
auch von der Frage, ob das zur Entscheidung berufene Gericht der ergänzenden
Vertragsauslegung des Bundesgerichtshofs folge. Er, der Kläger, habe angegeben,
dass erfahrungsgemäß Nachzahlungsansprüche in Höhe von durchschnittlich 500 €
bestünden. Das Kostenrisiko sei mit 1.080 € bis 7.100 € selbst gegenüber den vom
Landgericht angenommenen Anspruchshöhen unverhältnismäßig. Im Falle einer auf der
ersten Stufe erzwungenen Auskunft müssten die Zedenten sachverständige Hilfe
hinzuziehen, um die Auskunft auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Die im vorliegenden
Fall interessierenden Rechtsfragen seien im Übrigen mit einer Ausnahme, der
zwischenzeitlich mit Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. September 2007 (VersR
2007, 1547 f.) entschiedenen Frage der Anwendbarkeit der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs auf fondsgebundene Lebensversicherungen, nicht höchstrichterlich
entschieden.
27
Der Kläger hat in der Berufungsinstanz zunächst seine erstinstanzlich gestellten
Anträge wiederholt.
28
Mit Beschluss vom 15. August 2008 hat der Senat die Parteien darauf hingewiesen,
dass er beabsichtige, die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO
zurückzuweisen. Das Landgericht habe zu Recht die Aktivlegitimation des Klägers
verneint. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss vom 15.
August 2008 (Bl. 590 ff. d.A.) Bezug genommen.
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Der Kläger hat sich daraufhin unter dem 27. und 28. August 2008 – nach
Außerkrafttreten des Rechtsberatungsgesetzes und Inkrafttreten des
Rechtsdienstleistungsgesetzes am 1. Juli 2008 – die Nachzahlungsforderungen aus
den fraglichen Versicherungen erneut zu Einziehungszwecken von den Zedenten
abtreten lassen (Anlage K 20, Bl. 605 ff. d.A.) und schriftsätzlich vorgetragen, diese
Abtretungen würden – bei Aufrechterhaltung der Rechtsauffassung, dass die
Aktivlegitimation bereits aufgrund der früheren Abtretungen bestanden habe - hilfsweise
als neue Tatsachen geltend gemacht.
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Nachdem der Senat in dem auf die daraufhin anberaumte mündliche Verhandlung
ergangenen Hinweisbeschluss vom 8. Mai 2009 (Bl. 768 ff. d.A.) auf Bedenken
hinsichtlich der ausreichenden Bestimmtheit des Auskunftsantrags hingewiesen hat, hat
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der Kläger seine Anträge sprachlich neu gefasst und ergänzt.
Der Kläger beantragt nunmehr,
32
I. das Urteil des Landgerichts Köln vom 2. April 2008 – 26 O 522/06 – abzuändern.
II. die Beklagte zu verurteilen,
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1. [Gegenstände der Auskunft]
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ihm hinsichtlich der in der Anlage K 1 aufgeführten (insgesamt 11)
kapitalbildenden Versicherungsverträge, die vor Ablauf der jeweils
vorgesehenen Vertragslaufzeit gekündigt wurden,
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Auskunft darüber zu erteilen,
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a. welche Rückkaufswerte bzw. Zeitwerte (gemäß § 176 Abs. 1 u. 3 VVG a.F.) die
Verträge im Zeitpunkt ihrer Beendigung hatten,
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wobei ein "Abzug" gemäß § 176 Abs. 4 VVG a.F. nicht
vorgenommen werden darf, dies weder bei der Ermittlung der
Rückkaufswerte/Zeitwerte noch von den
Rückkaufswerten/Zeitwerten;
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b. wie hoch das mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechnete
"ungezillmerte" (also nicht um verrechnete Abschlusskosten verringerte)
Deckungskapital der Verträge im Zeitpunkt ihrer Beendigung war,
42
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wobei ein "Abzug" gemäß § 176 Abs. 4 VVG a.F. nicht
vorgenommen werden darf, dies weder bei der Ermittlung des
Deckungskapitals noch von dem Deckungskapital;
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c. welche laufende Überschussbeteiligung den Verträgen während der
Vertragslaufzeit zugewiesen worden ist und im Rahmen der jährlichen
Überschussdeklarationen Eingang in das jeweilige Deckungskapital gefunden
hat,
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welcher Schlussüberschussanteil den Verträgen aus Anlass ihrer
Beendigung zugewiesen wurde und
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welche Kapitalertragssteuern und Solidariätszuschläge auf die
vorerwähnte Überschussbeteiligung insgesamt (laufende
Überschussbeteiligung + Schlussüberschussanteil) an die
Finanzverwaltung abgeführt wurden.
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2. [Anforderungen an die Auskunft]
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a. [Hauptantrag (inhaltlich wie bisher)]
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51
52
Die Auskünfte gem. Nr. 1 sind in geordneter Form und so zu
erteilen, dass der Kläger sie rechnerisch nachvollziehen kann. Die
Auskünfte gem. Nr. 1 lit. a) und b) sind überdies so zu erteilen,
dass der Kläger sie zumindest mit Hilfe eines
Versicherungsmathematikers auf ihre Richtigkeit hin überprüfen
kann.
53
b. [1. Hilfsantrag]
54
55
Die Auskünfte gem. Nr. 1 sind in geordneter Form und so zu
erteilen, dass der Kläger sie rechnerisch nachvollziehen kann. Die
Auskünfte gem. Nr. 1 lit. a) und b) sind überdies in belegter und
prüfbarer Form zu erteilen.
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c. [2. Hilfsantrag]
57
58
Die Auskünfte gem. Nr. 1 sind in geordneter Form und so zu
erteilen, dass der Kläger sie rechnerisch nachvollziehen kann. Die
Auskünfte gem. Nr. 1 lit. a) und b) sind überdies unter
Bekanntgabe
59
aa) der angewendeten Regeln der Versicherungs-
mathematik (§§ 174 Abs. 2, 176 Abs. 3 VVG a.F.),
60
bb) der Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation
(vgl. BGH VersR 2005, 1565/1570 Rdn. 51) und
61
cc) der zur Anwendung der vorgenannten Regeln der
Versicherungsmathematik und der Rechnungsgrundlagen
benötigten Einsatzwerte
62
zu erteilen.
63
d. [3. Hilfsantrag]
64
65
Die Auskünfte gem. Nr. 1 sind in geordneter Form und so zu
erteilen, dass der Kläger sie rechnerisch nachvollziehen kann. Sie
sind überdies wie folgt zu erläutern:
66
aa) Falls das Deckungskapital im Falle der Beklagten nicht
dem Zeitwert entspricht: Welche Abweichungen wurden im
Falle der Versicherungsverträge gem. Anlage K 1
berücksichtigt? Wie werden diese Abweichungen – dem
Grunde und der Höhe nach – aktuariell begründet? Wie
lauten die Bezugsgrößen für die mathematischen
Herleitungen?
67
bb) Welche Sterbetafeln wurden auf die
Versicherungsnehmer/innen gem. Anlage K 1 angewendet?
Falls diese Sterbetafeln nicht öffentlich zugänglich sind,
sind die für die Versicherungsnehmer/innen und ihre
Verträge gültigen Sterbewahrscheinlichkeiten für jedes
Vertragsjahr anzugeben.
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cc) Welcher Garantiezins wurde auf die
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cc) Welcher Garantiezins wurde auf die
Versicherungsverträge gem. Anlage K 1 angewendet?
69
ad. Welche Höhe und Bezugsgröße hat der auf die Versicherungsverträge gem.
Anlage K 1 jeweils angewendete Zillmersatz? Falls (auch) die Prämiensumme
Bestandteil der Bezugsgröße ist, sind überdies die Prämienbestandteile zu
benennen, die nicht der Zillmerung unterliegen.
ae. Sofern es um Rentenversicherungen geht (also bei den Verträgen gem. Nrn. 1 und
7 der Anlage K 1): Welche Höhe haben die für die Dauer des Rentenbezuges
einkalkulierten Kosten?
70
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ff) Sofern es sich bei den Versicherungen gem. Anlage K 1
um solche mit abgekürzter Prämienzahlung handelt: Welche
Kosten wurden für die prämienfreie Zeit kalkuliert?
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gg) Welche Höhe haben in den Fällen der
Versicherungsverträge gem. Anlage K 1 die laufenden
Überschusszuweisungen (jeweils je Vertragsjahr), wobei
zwischen den unterschiedlichen Überschussarten
(Risikoüberschuss, Zinsüberschuss, Kostenüberschuss und
etwaigen weiteren Überschussquellen) zu unterscheiden
ist?
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ah. Welche Höhe haben in den Fällen der Versicherungsverträge gem. Anlage K 1 die
Schlussüberschuss-Zuweisungen und wie setzen sich diese zusammen?
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3. ihm zur vollständigen Erfüllung der an ihn abgetretenen Ansprüche aus den
beendeten Versicherungen jeweils einen weiteren Betrag zu zahlen, wobei er, der
Kläger, die geforderten Nachzahlungsbeträge (zuzüglich der darauf entfallenden
Verzugszinsen) nach Erteilung der Auskünfte gemäß Nrn. 1 und 2 beziffern werde.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
79
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere der von
den Parteien vertretenen Rechtsauffassungen, wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.
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II.
81
Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.
82
Die Klage ist mit dem Antrag zu 1 in Verbindung mit den Anträgen zu 2 a) und 2 b)
mangels ausreichender Bestimmtheit der Klageanträge unzulässig. Der Antrag zu
1 in Verbindung mit dem Antrag zu 2 c) ist zulässig und in dem zuerkannten
Umfang begründet.
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1. Die Klage ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht schon deshalb unzulässig,
weil die Klageschrift etwa keine bestimmte Angabe des Gegenstandes und des
Grundes des erhobenen Anspruchs enthielte, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Ohne Erfolg
beanstandet die Beklagte, es fehle an dieser Voraussetzung, weil der Klageanspruch
anhand der Klageschrift nicht eindeutig individualisiert werden könne. Richtig ist, dass
die Klageschrift nicht für jeden mit der Klage geltend gemachten, abgetretenen
Anspruch ausdrücklich aufführt, worauf sich dieser stützt und welche Tatsachen
zugrunde liegen. Die Klageschrift beschränkt sich im Wesentlichen darauf, den
tatsächlichen und rechtlichen Rahmen insgesamt zu erläutern und dazu exemplarisch
auf einzelne Rechtsverhältnisse zurückzugreifen. Der Klageschrift ist aber als Anlage K
1 die im Tatbestand wiedergegebene Übersicht beigefügt, der in Bezug auf jede
einzelne geltend gemachten Forderung zu entnehmen ist, um wessen Forderung aus
welchem Vertragsverhältnis es sich handelt, und aus der sich weitere Tatsachen
betreffend das jeweilige Vertragsverhältnis ergeben. Auch wenn eine Bezugnahme auf
Schriftstücke nur in Grenzen zulässig ist (Zöller/Greger, ZPO 28. Aufl. § 253 Rdn. 12 a),
ist die Bezugnahme auf diese Übersicht unbedenklich. Es handelt sich um eine eigens
für den Rechtsstreit erstellte, den schriftsätzlichen Vortrag ergänzende Übersicht, die die
jeweiligen Vertragsdaten zusammenstellt. Dass diese nicht in den Schriftsatz selbst
integriert, sondern diesem als Anlage beigefügt worden ist, macht für die Frage, ob die
Forderungen ausreichend individualisiert sind, keinen Unterschied. Dass die
Forderungen mittels der Angaben in der Anlage K 1 individualisierbar sind, ergibt sich
nicht zuletzt aus dem Vortrag der Beklagten zu den einzelnen Vertragsverhältnissen,
dem zu entnehmen ist, dass die Beklagte weiß, um welche Vertragsverhältnisse es
geht. Ob die Übersicht alle Angaben enthält, die für einen schlüssigen Vortrag
erforderlich sind, ist keine Frage der Zulässigkeit der Klage.
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2. Die Klage ist mit dem Antrag zu 1 in Verbindung mit den Anträgen zu 2 a) und 2 b)
unzulässig, weil die Klageschrift insoweit keinen bestimmten Antrag enthält, § 253 Abs.
2 Nr. 2 ZPO.
85
Der Senat hat mit Beschluss vom 8. Mai 2009 (Bl. 768 ff. d.A.) unter 2. a) aa) dargelegt,
dass und warum der ursprüngliche Klageantrag, der dahin ging, "in nachvollziehbarer
und nachprüfbarer Weise" Auskunft zu erteilen über die Rückkaufswerte gemäß § 176
Abs. 1 und 3 VVG, das nicht um Abschlusskosten verringerte Deckungskapital, jeweils
ohne Stornoabzug, und die Überschussbeteiligung, Kapitalertragssteuern und
Solidaritätszuschläge, dem Bestimmtheitsgebot nicht genügte. Dieser Antrag ließ für
den Schuldner nicht eindeutig erkennen, welche genauen Auskünfte er schuldet. Eine
Mitteilung allein der Beträge der Rückkaufswerte, des nicht um Abschlusskosten
verringerten Deckungskapitals und der Überschussbeteiligung, Kapitalertragssteuern
und Solidaritätszuschläge genügte nach dem Wortlaut nicht; "nachvollziehbar und
nachprüfbar" verlangt in irgendeiner Weise eine Erläuterung dieser Werte. Inwieweit
86
eine Erläuterung erforderlich ist, war aber nicht zu erkennen. Eine eindeutige
Erkennbarkeit des Gegenstandes des Auskunftsbegehrens war indes auch deshalb
unverzichtbar, weil erst diese die für die Prüfung der Schlüssigkeit des
Auskunftsanspruchs erforderliche konkrete Überprüfung ermöglicht, ob die begehrten
Auskünfte der Beklagten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage
zumutbar sind. Eine Auskunftspflicht ist desto eher zu bejahen, je weiter die begehrten
Auskünfte von Informationen entfernt sind, an denen die Beklagte berechtigte
Geheimhaltungsinteressen hat. Abgesehen davon sind nach der Rechtsprechung
Belege, die ein Auskunftspflichtiger vorlegen soll, im Klageantrag konkret zu
bezeichnen (so BGH MDR 1983, 650; OLG Köln MDR 1993, 83; Zöller/Greger, ZPO 28.
Aufl. § 253 Rdn. 13 c).
Nichts Anderes gilt im Ergebnis für den nunmehr formulierten Antrag zu 1 in Verbindung
mit den Anträgen zu 2 a) und 2 b). Der Kläger hat allerdings in dem Antrag zu 2 a) die
bisherige Formulierung "in nachvollziehbarer und nachprüfbarer Weise" in der Weise
konkretisiert, dass die Auskünfte gem. Nr. 1 so zu erteilen sind, dass "der Kläger sie
rechnerisch nachvollziehen kann", und die Auskünfte gem. Nr. 1 a) und b) überdies so,
dass der Kläger sie "zumindest mit Hilfe eines Versicherungsmathematikers auf ihre
Richtigkeit hin überprüfen kann". Mit dem Verweis auf den Versicherungsmathematiker
ist für die Überprüfbarkeit immerhin ein Maßstab eingeführt, der der Beklagten
ermöglichen mag zu erkennen, welche Auskünfte zu erteilen sind. Die für die Prüfung
der Schlüssigkeit des Auskunftsanspruchs erforderliche konkrete Überprüfung, ob die
begehrten Auskünfte der Beklagten unter Berücksichtigung der beiderseitigen
Interessenlage zumutbar sind, ist indes auch aufgrund dieses Antrags – ohne nähere
Erläuterung dessen, was begehrt wird – nicht möglich. Dass der Kläger letztlich eine
Offenlegung der Berechnungsgrundlagen begehrt, wird erst im Antrag zu 1 in
Verbindung mit dem Antrag zu 2 c) deutlich.
87
Zu einer anderen Beurteilung veranlasst auch nicht der Vortrag des Klägers, er könne
die begehrten Auskünfte nicht präziser bezeichnen, weil er zunächst wissen müsse,
welche "Regeln der Versicherungsmathematik" die Beklagte anwendet. Erst wenn er
diese kenne, könne er die zur Überprüfung im einzelnen erforderlichen Daten
benennen. Andernfalls könnte er seinen Auskunftsantrag nur am "aktuariellen
Mainstream" orientieren. Dann liefe er aber Gefahr, zu viel oder zu wenig zu beantragen.
Diese Argumentation rechtfertigt nicht die Formulierung eines unbestimmten Antrags.
Man mag sich schon fragen, ob es dem Kläger nicht zumutbar wäre, seinen Antrag am
"aktuariellen Mainstream" zu orientieren, der zumindest eine anerkannte Möglichkeit zur
Berechnung des Rückkaufswertes darstellen dürfte und dessen Ergebnisse damit wohl
allenfalls geringfügig von den sich nach der Berechnungsmethode der Beklagten
ergebenden Beträge abweichen. Jedenfalls kann er aber, wenn er meint, für sein
Klagebegehren zunächst auf die Kenntnis der von der Beklagten angewandten "Regeln
der Versicherungsmathematik" angewiesen zu sein, gezielt nach diesen fragen, wie er
es dann im Antrag zu 1 in Verbindung mit dem Antrag zu 2 c) tut.
88
Ausreichend bestimmt sind dagegen sowohl der Antrag zu 1 in Verbindung mit dem
Antrag zu 2 c) als auch der Antrag zu 1 in Verbindung mit dem Antrag zu 2 d). Im Antrag
zu 2 c) wird klar und deutlich gesagt, dass der Kläger über die Mitteilung der Beträge der
Rückkaufswerte, des nicht um Abschlusskosten verringerten Deckungskapitals und der
Überschussbeteiligung, Kapitalertragssteuern und Solidaritätszuschläge hinaus die
Bekanntgabe der angewendeten Regeln der Versicherungsmathematik, der
Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation und der zur Anwendung dieser Regeln
89
der Versicherungsmathematik und der Rechnungsgrundlagen benötigten Einsatzwerte
begehrt.
3. Die Klage ist, nachdem der Kläger sich die Nachzahlungsforderungen der Zedenten
unter dem 27. und 28. August 2008 erneut hat abtreten lassen und diese Abtretungen
hilfsweise als neue Tatsachen geltend gemacht hat, nicht mangels Aktivlegitimation des
Klägers unbegründet.
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a) Die Aktivlegitimation des Klägers folgt allerdings nicht schon aus den in erster Instanz
vorgelegten Abtretungen aus Dezember 2006.
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Dass und warum das Landgericht diese Abtretungen zu Recht als wegen Verstoßes
gegen Artikel 1 § 1 Satz 1 RBerG nichtig angesehen hat, hat der Senat im
Hinweisbeschluss vom 15. August 2008 (Bl. 590 ff. d.A.), auf dessen Inhalt wegen der
Einzelheiten Bezug genommen wird, ausgeführt.
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Es mag dahinstehen, ob die gerichtliche Einziehung der ihm abgetretenen
Nachzahlungsforderungen durch den Kläger aufgrund der sich stellenden Rechtsfragen
bei der Prüfung der Verjährung oder wegen anderer, infolge weiterer Konkretisierung
der Rechtsauffassungen der Parteien im Laufe des Rechtsstreits aufgeworfener
Rechtsfragen einem kollektiven Verbraucherinteresse dient. Das Landgericht hat
jedenfalls zu Recht angenommen, dass es an der für die Annahme der Aktivlegitimation
des Klägers weiteren Voraussetzung fehlt, dass die Einschaltung des Klägers eine
effektivere Durchsetzung dieses kollektiven Verbraucherinteresses ermöglicht, dass
insbesondere Umstände, die geeignet wären, den einzelnen Verbraucher von einer
Klärung der jeweiligen Verbraucherfragen im Wege einer Individualklage abzuhalten,
nicht ersichtlich sind.
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Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht die Höhe der einzelnen
Ansprüche wie auf Seite 11 des Urteils aufgeführt ermittelt. Diese Beträge entsprechen
jeweils der Differenz zwischen 85 % der Gesamtbeiträge, nämlich dem Mittel derjenigen
Beträge (ca. 80 – 90 % des Gesamtbeitrags), die nach der vom Kläger selbst in der
Klageschrift vorgetragenen Auffassung als Rückkaufswert hätten zur Verfügung stehen
müssen, und dem tatsächlich ausgezahlten Rückkaufswert. Sie entsprechen mithin
dem, was der Kläger ausgehend von seiner Rechtsauffassung beansprucht.
Unerheblich ist demgegenüber, welche Beträge andere Versicherungsnehmer nach den
Erfahrungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers und der Verbraucherverbände
realisiert haben oder die Zuerkennung welcher Beträge im konkreten Verfahren unter
Berücksichtigung der Prozessrisiken realistisch erscheint.
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Das Landgericht hat auch zu Recht die bei Individualklagen zu erwartenden
Prozesskosten gegenüber den Anspruchshöhen nicht als unverhältnismäßig
angesehen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass hier – anders als in dem vom
Bundesgerichtshof mit Urteil vom 14. November 2006 (BGHZ 170, 18 ff.) entschiedenen
Fall – die Klärung derjenigen Fragen, die allenfalls ein kollektives Verbraucherinteresse
begründen könnten, keine besonderen Kosten verursachen würde. Anders als in dem
vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall, in dem das kollektive Verbraucherinteresse
an der Klärung einer komplexen, wahrscheinlich durch Sachverständigengutachten zu
klärenden Tatsachenfrage bestand, nämlich der Sicherheit eines von der Beklagten
verwendeten Verschlüsselungssystems, stünden hier in einem Individualprozess
allenfalls Rechtsfragen von fallübergreifender Bedeutung in Rede, die zudem auch
95
mangels besonderer Komplexität oder Unsicherheit kein besonderes Prozessrisiko
begründen. Soweit der Kläger darauf hinweist, dass im Falle einer in der ersten Stufe
der Klage erzwungenen Auskunft sachverständige Hilfe hinzugezogen werden müsse,
um die Auskunft auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, würde diese sachverständige Hilfe
ausschließlich die Berechnung des jeweiligen Anspruchs im Einzelfall betreffen, an der
jedenfalls kein kollektives Verbraucherinteresse besteht.
Schließlich bestehen im vorliegenden Fall, in dem es im Kern um die Anwendung von
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf konkrete Versicherungsverhältnisse geht,
für den einzelnen Versicherungsnehmer keine erheblichen praktischen
Durchsetzungsschwierigkeiten.
96
Die Abtretungen sind auch nicht dadurch wirksam geworden, dass mit Wirkung zum 1.
Juli 2008 das Rechtsberatungsgesetz außer Kraft getreten und das
Rechtsdienstleistungsgesetz an seine Stelle getreten ist. Ein wegen Verstoßes gegen
ein gesetzliches Verbot nichtiges Rechtsgeschäft wird nicht dadurch "geheilt", dass das
gesetzliche Verbot später wegfällt (BGH WM 1994, 1940; so inzident auch BGH NJW
2008, 3069 ff., wo es heißt, das Rechtsberatungsgesetz sei zwar am 1. Juli 2008 außer
Kraft getreten, es sei aber auf den zu entscheidenden Fall noch anwendbar).
97
Die alten Abtretungen sind schließlich nicht dadurch wirksam geworden, dass die
Zedenten ihre Forderungen im Hinblick auf eine mögliche Unwirksamkeit der
Abtretungen nach dem Rechtsberatungsgesetz unter dem 27./28. August 2008
erneut abgetreten haben. Selbst wenn die erneuten Abtretungen als Bestätigung im
Sinne des § 141 BGB auszulegen wären, hätten sie keine rückwirkende Kraft. Die
Bestätigung entfaltet keine Rückwirkung (Palandt/Heinrichs, BGB, 69. Aufl. § 141
Rdn. 8; Bamberger/Roth/Wendtland, BGB 2. Aufl. § 141 Rdn. 12;
MünchKomm/Busche, BGB, 5. Aufl. § 141 Rdn. 16 f.). Daran ändert auch § 141
Abs. 2 BGB nichts. Dass die Parteien eines Vertrages danach im Zweifel
verpflichtet sind, einander zu gewähren, was sie haben würden, wenn der Vertrag
von Anfang an gültig gewesen wäre, begründet lediglich eine schuldrechtliche
Verpflichtung im (Innen-)Verhältnis der Parteien, hier des Zedenten und des
Zessionars zueinander. Um dieses Verhältnis geht es vorliegend nicht; hier geht es
um die Frage der Begründung der Aktivlegitimation des Zessionars für
Forderungen der Zedenten gegen einen Dritten.
98
b) Aktivlegitimiert ist der Kläger jedoch aufgrund der Abtretungen vom 27./28.
August 2008.
99
aa) Prozessuale Gründe stehen einer Berücksichtigung dieser erstmals im
Berufungsverfahren vorgetragenen neuen Abtretungen nicht entgegen.
100
Die neuen Abtretungen sind als neue Angriffsmittel gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO
zulassungsfähig. Sie sind im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden,
ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit des Klägers beruht. Die Abtretungen vom
27./28. August 2008 sind erst nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils
erfolgt. Dass der Kläger sie nicht bereits im ersten Rechtszug veranlasst hat, kann
ihm nicht vorgeworfen werden, weil die Abtretungen einer Gesetzesänderung
Rechnung trugen, die erst nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils
eingetreten ist. Erst nach Inkrafttreten des Rechtsdienstleistungsgesetzes am 1. Juli
2008 ergab es für den Kläger einen Sinn, neue Abtretungen zu veranlassen.
101
Der auf die neuen Abtretungen gestützte Antrag des Klägers ist allerdings als
Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO anzusehen, die in der Berufungsinstanz
nur unter den Voraussetzungen des § 533 ZPO zulässig ist. Ein auf neue
Abtretungen gestützter Antrag stellt gegenüber dem auf frühere Abtretungen
gestützten Antrag einen neuen Streitgegenstand dar. Die neue Zession ist als
neuer Erwerbsakt (vgl. dazu OLG Hamm NJW-RR 2002, 72) ein neuer Klagegrund
(MünchKomm/Becker-Eberhard, ZPO, 3. Aufl., § 263 Rn. 16). Die Einführung eines
neuen Streitgegenstandes ist auch dann, wenn der Kläger ihn nicht anstelle des
zunächst gestellten Antrags, sondern – wie hier – hilfsweise neben diesem stellt,
als Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO zu behandeln. In diesem Fall der
nachträglichen Klagehäufung ist § 263 ZPO entsprechend anzuwenden
(Zöller/Greger, ZPO 28. Aufl. § 260 Rdn. 3).
102
Diese Klageänderung ist jedoch gemäß § 533 ZPO zulässig.
103
Sie kann gemäß § 533 Nr. 2 in Verbindung mit § 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 Abs. 2 Nr.
3 ZPO auf Tatsachen gestützt werden, die der Senat seiner Verhandlung und
Entscheidung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.
104
Die Beklagte hat in die Klageänderung zwar ausdrücklich nicht eingewilligt; diese
ist aber gemäß § 533 Nr. 1 ZPO sachdienlich.
105
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Sachdienlichkeit einer
Klageänderung objektiv zu beurteilen. Maßgebend sind nicht die subjektiven Interessen
einer Partei, sondern Gesichtspunkte der Prozesswirtschaftlichkeit. Es kommt darauf an,
ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung den Streitstoff im Rahmen des
anhängigen Rechtsstreits ausräumt und sich ein weiterer Rechtsstreit vermeiden lässt.
Danach ist eine Klageänderung nicht sachdienlich, wenn ein völlig neuer Prozessstoff
zur Beurteilung und Entscheidung gestellt wird, ohne dass dafür das Ergebnis der
bisherigen Prozessführung verwertet werden könnte. Dagegen ist Sachdienlichkeit zu
bejahen, wenn die Klage zwar bereits in erster Instanz hätte geändert werden können,
durch Zulassung der Klageänderung in der Berufungsinstanz aber ein neuer Prozess
vermieden wird. Der Sachdienlichkeit steht auch nicht entgegen, dass aufgrund der
Klageänderung neue Parteierklärungen und Beweiserhebungen notwendig werden und
die Erledigung des Prozesses verzögert wird. Ebenso ist nicht entscheidend, dass eine
Tatsacheninstanz verloren geht (BGH WM 1983, 1162 f., juris Rdn. 9, m.w.Nachw.).
106
Nach diesen Grundsätzen ist die Sachdienlichkeit im vorliegenden Fall zu bejahen.
Anders zu beurteilen ist aufgrund der Klageänderung lediglich die Frage der
Aktivlegitimation des Klägers. Der gesamte übrige, die abgetretene Forderung
betreffende Streitstoff bleibt derselbe. Würde die Klageänderung nicht zugelassen,
wäre damit zu rechnen, dass die Parteien einen neuen Prozess über die geltend
gemachten Forderungen, gestützt auf die neuen Abtretungen, führen.
107
Etwas Anderes folgt auch nicht aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 19.
Juni 2001 (NJW-RR 2002, 72). Das Oberlandesgericht Hamm hat allerdings in einem
Fall, in dem der Kläger die Klage in erster Instanz auf eine – unwirksame – Pfändung
und Überweisung und in zweiter Instanz auf eine Abtretung der Forderung gestützt
hatte, eine Klageänderung in der Berufungsinstanz mit der Begründung als nicht
sachdienlich angesehen, dass die Sache noch nicht im Einzelnen ausgeschrieben, eine
108
umfangreiche Beweisaufnahme aber schon abzusehen sei, der Prozess also erst am
Anfang stehe. Ungeachtet der Frage, ob diese Entscheidung mit den oben zitierten
Grundsätzen des Bundesgerichtshofs in Einklang steht, wonach die Notwendigkeit
neuer Parteierklärungen und Beweiserhebungen und die Verzögerung der Erledigung
des Prozesses der Sachdienlichkeit nicht entgegenstehen, lässt sich jedenfalls im
vorliegenden Fall, auch wenn das Landgericht sich nur mit der Frage der
Aktivlegitimation befassen musste, angesichts des umfangreichen Vortrags der Parteien
auch zu weiteren, sich im Rechtsstreit stellenden Rechtsfragen, nicht sagen, dass der
Prozess in diesem Sinne "erst am Anfang" stand. Entscheidend dafür kann nicht sein,
ob und inwieweit Prozessstoff schon vom erstinstanzlichen Gericht beurteilt bzw.
darüber entschieden worden ist. Entscheidend muss vielmehr sein, ob und inwieweit
der jetzt zu beurteilende Prozessstoff auch von vor der Klageänderung zur Beurteilung
und Entscheidung gestellt, mithin Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits war. Das
ist hier so weitgehend der Fall, dass es der vom Bundesgerichtshof betonte
Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit gebietet, die Klageänderung als
sachdienlich anzusehen.
bb) Die Abtretungen vom 27./28. August 2008 sind wirksam. Sie stellen sich als
selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen im Sinne des § 3
RDG dar, die gemäß § 3 RDG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Nr. 4, § 8 Abs. 2, § 7 Abs. 2
RDG erlaubt ist.
109
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Geltendmachung der
Klageforderungen durch den Kläger nicht schon deshalb als unzulässig
anzusehen, weil es sich dabei um gerichtliche Forderungseinziehung handelt.
Richtig ist allerdings, dass in Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG die gerichtliche
Forderungseinziehung neben der außergerichtlichen Besorgung von
Rechtsangelegenheiten ausdrücklich erwähnt wurde und für die gerichtliche
Forderungseinziehung die einschränkende Voraussetzung der Erforderlichkeit im
Interesse des Verbraucherschutzes galt. Diese Regelung stand jedoch vor dem
Hintergrund, dass das in Art. 1 § 1 Satz 1 RBerG geregelte Verbot für gerichtliche
wie außergerichtliche Rechtsberatung und –besorgung galt. Das
Rechtsdienstleistungsgesetz regelt demgegenüber gemäß § 1 Abs. 1 RDG von
vornherein nur die Berfugnis, außergerichtliche Rechtsdienstleistungen zu
erbringen. Dementsprechend bezieht sich auch das gesetzliche Verbot des § 3
RDG von vornherein nur auf außergerichtliche Rechtsdienstleistungen.
110
Das heißt nicht umgekehrt, dass die Abtretungen nicht dem gesetzlichen Verbot
des § 3 RDG unterfallen. Bei der Tätigkeit des Klägers für die Zedenten handelt es
sich nämlich um außergerichtliche Rechtsdienstleistungen im Sinne des
Rechtsdienstleistungsgesetzes. Der Begriff der außergerichtlichen
Rechtsdienstleistungen gemäß § 1 Abs. 1 RDG ist ausweislich der
Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/3655 S. 45) weit auszulegen. Darunter fallen
auch Rechtsdienstleistungen, die im Zusammenhang mit einem gerichtlichen
Verfahren stehen. So stellen etwa die fortlaufende Beratung einer Prozesspartei
und die Vorbereitung von Schriftsatzentwürfen an das Gericht außergerichtliche
Tätigkeiten dar. Entscheidend für die Abgrenzung zu gerichtlicher
Rechtsdienstleistung ist, ob das Gericht Adressat einer Handlung ist. Nur die
gegenüber dem Gericht vorzunehmende Rechtsdienstleistung ist gerichtliche
Rechtsdienstleistung. Alle anderen rechtsdienstleistenden Tätigkeiten sind
"außergerichtlich". Die gerichtlichen Rechtsdienstleistungen erbringen demnach im
111
vorliegenden Fall die Prozessbevollmächtigten des Klägers. Die
Rechtsdienstleistungen, die der Kläger selbst durch die Einziehung erbringt,
richten sich an die Zedenten und sind damit im Sinne des § 1 Abs. 1 RDG
außergerichtlicher Natur.
Diese Rechtsdienstleistungen des Klägers sind gemäß § 3 RDG in Verbindung mit
§ 8 Abs. 1 Nr. 4, § 8 Abs. 2, § 7 Abs. 2 RDG erlaubt.
112
Der Kläger erbringt diese Tätigkeiten gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4 RDG im Rahmen
seines Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs. Der Aufgaben- und
Zuständigkeitsbereich des Klägers ergibt sich aus seiner Satzung. In dieser wird
die Forderungseinziehung als Vereinsaufgabe zwar nicht ausdrücklich erwähnt.
Sie wird aber von der in § 2 Abs. 1 c der Satzung formulierten Aufgabe, die
Verbraucherinnern und Verbraucher in objektiver Weise über ihre gesetzlichen
Rechte zu informieren und zu vertreten, erfasst. Das reicht aus.
113
Dafür spricht nicht zuletzt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum
Rechtsberatungsgesetz. Auch Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG verlangte neben den weiteren
Erfordernissen, dass die Tätigkeit der Verbraucherzentralen "im Rahmen ihres
Aufgabenbereichs" lag. Diese Voraussetzung hat der Bundesgerichtshof in dem
seinem Urteil vom 14. November 2006 (BGHZ 170, 18 ff.) zugrunde liegenden Fall,
in dem ausweislich des Tatbestandes zu den satzungsmäßigen Aufgaben der
Verbraucherorganisation die "Wahrnehmung, und der Schutz von
Verbraucherinteressen" zählte, nicht problematisiert. Hier ist es – ähnlich wie dort –
Aufgabe des Klägers, als Interessenvertretung der Verbraucherinnen und
Verbraucher zu wirken. Er darf die Verbraucher auch vertreten.
114
Entgegen der Auffassung der Beklagten kann an dieser Stelle auch nicht eine
Abgrenzung zulässiger Dienstleistung im Interesse satzungsgemäßen
Verbraucherschutzes von nicht satzungsgemäßer Inkassotätigkeit einer
Verbraucherzentrale durch Heranziehung der vom Bundesgerichtshof zur
Erforderlichkeit im Interesse des Verbraucherschutzes in Art. 1 § 3 Nr. 8 RBerG
entwickelten Grundsätze erfolgen. Die Auffassung der Beklagten, die in der
Literatur von H.F. Müller (in: Grunewald/Römermann, Rechtsdienstleistungsgesetz
2008 § 8 Rdn. 26) vertreten wird und vom Landgericht Aachen in dem von der
Beklagten zitierten Urteil vom 5. Juni 2009 – 9 O 107/08 - (Anlage BE 10, Bl. 872 ff.
d.A.) aufgegriffen worden ist, vermag nicht zu überzeugen. Ihr ist zwar zuzugeben,
dass den Materialien zum Rechtsdienstleistungsgesetz an keiner Stelle zu
entnehmen ist, dass die Rechtsdienstleistungsbefugnis der Verbraucherzentralen
erweitert werden sollte, und dafür auch keine Gründe erkennbar sind. Gegen sie
spricht aber entscheidend, dass das Rechtsberatungsgesetz, das in Art. 1 § 3 Nr. 8
RBerG die Einschränkung "in ihrem Aufgabenbereich" auch schon enthielt,
zusätzlich – und nur für den Fall der gerichtlichen Forderungseinziehung – die
Voraussetzung "im Interesse des Verbraucherschutzes erforderlich" statuiert hat.
115
Die in § 8 Abs. 2 in Verbindung mit § 7 Abs. 2 RDG genannten
Mindestanforderungen an Ausstattung und Organisation der Verbraucherzentrale
sind im Falle des Klägers erfüllt. Die fraglichen Abtretungen wurden nach dem
unwidersprochenen Vortrag des Klägers auf seiner Seite von zwei Personen
abgewickelt, die beide die Befähigung zum Richteramt haben.
116
4. Die Klage ist, soweit damit Ansprüche betreffend die in der Anlage K 1 unter den
Nummern 1 und 8 aufgeführten Versicherungsverträge geltend gemacht werden,
insgesamt unbegründet, weil etwaige Nachzahlungsansprüche der
Versicherungsnehmer nicht mehr durchsetzbar sind. Die Beklagte hat sich in Bezug auf
Ansprüche aus diesen Versicherungsverträgen zu Recht auf Verjährung berufen.
117
Bei den Ansprüchen auf den Rückkaufswert handelt es sich um Ansprüche aus dem
Versicherungsvertrag im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. mit der Folge, dass die
Verjährung sich nach § 12 Abs. 1 VVG a.F. richtet (so auch AG Nürnberg VersR 2006,
1392 f.; AG Hagen VersR 2007, 526; LG Hagen, Beschluss vom 15.09.2006 – 1 S
120/06, juris; AG Kenzingen VersR 2007, 526; Winkens/Abel VersR 2007, 527 f.;
Schwartze VersR 2006, 1331, 1332 ff.). Gemäß § 12 Abs. 1 VVG a.F. verjähren
Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag bei der Lebensversicherung in fünf Jahren,
beginnend mit dem Schluss des Jahres, in welchem die Leistung verlangt werden kann.
Wann die Leistung "verlangt werden kann", richtet sich nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs nicht nach der Entstehung des Anspruchs, sondern nach der in § 11
VVG a.F. oder Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Fälligkeit.
Entscheidend ist grundsätzlich der Zeitpunkt, in dem die Erhebungen beendet sind oder
bei korrektem Vorgehen beendet gewesen wären (Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 12
Rdn. 11). Es kommt danach auf rein objektive Elemente an, nicht auf die Kenntnis des
Versicherungsnehmers (so auch LG Hagen aaO; Winkens/Abel VersR 2007, 527, 528;
Schwartze VersR 2006, 1331, 1333). Maßgeblich ist, wann die von den Zedenten
begehrten Zahlungsansprüche objektiv fällig geworden sind.
118
Der Kläger stellt dafür auf einen Zeitpunkt nach Verkündung der Urteile des
Bundesgerichtshofs vom 12. Oktober 2005 (BGHZ 164, 297 ff. und BGHReport 2006,
24) mit der Begründung ab, erst durch die vom Bundesgerichtshof vorgenommene
ergänzende Vertragsauslegung seien die mit der Klage verfolgten Ansprüche
entstanden. Diese Auffassung wird auch von Schwintowski (DStR 2006, 429, 433) und
vom BdV (vgl. Winkens/Abel, aaO Fn. 9) vertreten. Die Beklagte meint demgegenüber,
die Ansprüche seien mit Abrechnung der Verträge nach Kündigung, das wäre im Fall 1
vor dem 31. Dezember 1999, und im Fall 8 vor dem 31. Dezember 2000, fällig
geworden. Diese Auffassung wird in der Literatur von Winkens/Abel (VersR 2007, 526,
528) und von Schwartze (VersR 2006, 1331, 1333) sowie – soweit ersichtlich - einhellig
von der zu dieser Frage bisher ergangenen veröffentlichten Instanzrechtsprechung (AG
Nürnberg VersR 2006, 1392 f.; AG Hagen VersR 2007, 526; LG Hagen, Beschluss vom
15.09.2006 – 1 S 120/06, juris; AG Kenzingen VersR 2007, 526) vertreten.
119
Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung: Bei den von den Zedenten geltend
gemachten Nachzahlungsansprüchen geht es nach wie vor um den Anspruch auf
Rückkaufswertzahlung nach Kündigung. Dieser ist schon bei Versicherungsbeginn
vereinbart und durch die Kündigung fällig geworden. Selbst an der Berechnung des
Rückkaufswertes unter Berücksichtigung des Zillmerverfahrens hat der
Bundesgerichtshof nichts geändert. Schon unter dem 9. Mai 2001 (BGHZ 147, 354 ff.
und BGHZ 147, 373 ff.) hat er ausdrücklich die Zulässigkeit der Zillmerung festgestellt.
Er hat in seinen Urteilen vom 12. Oktober 2005 (BGHZ 164, 297 ff. und BGHReport
2006, 24) lediglich eine Mindesthöhe des Rückkaufswertes festgelegt. Ein neu
entstandener Anspruch ist das nicht. Etwaige Nachzahlungsansprüche aus dem
Versicherungsvertrag mit der Nummer 1 sind danach mit Ablauf des Jahres 2004,
etwaige Nachzahlungsansprüche aus dem Versicherungsvertrag mit der Nummer 8 mit
Ablauf des Jahres 2005 verjährt.
120
Soweit der Kläger sich auf Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen der
Vereinbarung intransparenter Bedingungen beruft, sind solche Ansprüche – ungeachtet
der Frage ihres Bestehens – als "culpa-in-contrahendo-Ansprüche" ebenfalls nach § 12
Abs. 1 VVG a.F. in derselben Frist verjährt (vgl. BGH VersR 2004, 361; Winkens/Abel,
VersR 2007, 527, 528).
121
Mangels durchsetzbarer Nachzahlungsansprüche bestehen insoweit auch keine
Auskunftsansprüche.
122
5. Im Übrigen ist die Klage mit dem Antrag zu 1 in Verbindung mit dem Antrag zu 2
c) in dem zuerkannten Umfang begründet. In diesem Umfang stehen dem Kläger
aus abgetretenem Recht die geltend gemachten Auskunftsansprüche unter dem
Gesichtspunkt von Treu und Glauben, § 242 BGB, zu, weil die zwischen den
Zedenten und der Beklagten bestehenden Rechtsverbindungen es mit sich
bringen, dass die Zedenten in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang
ihrer Rechte im Ungewissen sind und die Beklagte die zur Beseitigung der
Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann (vgl. dazu
Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 260 Rdn. 4 m.w.Nachw.).
123
Voraussetzung dafür ist, dass sich ausreichende Anhaltspunkte dafür ergeben,
dass die Nachzahlungsansprüche, die mit Hilfe der Auskunft geltend gemacht
werden, bestehen (vgl. dazu BGH NJW 2002, 3771; BAG DB 1996, 2182; OLG
Stuttgart ZIP 2007, 275, 276; Palandt/Grüneberg, aaO Rdn. 6) und die begehrte
Auskunft der Beklagten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen
zumutbar ist.
124
a) Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass den Versicherungsnehmern der in der
Anlage K 1 unter den Nummern 2a, 2b, 3, 4a, 4b, 5a, 5b, 6 und 7 aufgeführten
kapitalbildenden Versicherungsverträge Nachzahlungsansprüche gegen die
Beklagte zustehen, ergeben sich insoweit, als die Beklagte sich nach wie vor - zu
Unrecht - zum Stornoabzug berechtigt sieht und nach Auffassung des Senats eine
unzutreffende Vorstellung davon hat, was "ungezillmert" bedeutet. Darauf kommt
es an, weil die Versicherungsnehmer nach vorzeitiger Beendigung ihrer
Versicherungsverträge einen Anspruch auf Auszahlung desjenigen Betrages
haben, der sich bei einer Berechnung des Rückkaufswertes durch die Beklagte auf
der Grundlage der jeweiligen vertraglichen Bestimmungen ergibt, mindestens aber
auf Auszahlung eines Betrages in Höhe der "Hälfte des ungezillmerten
Deckungskapitals", jeweils zuzüglich der Rückerstattung eines etwa
vorgenommenen Stornoabzugs.
125
aa) Ungeachtet der Frage, ob und inwieweit die Intransparenz der den
Versicherungsverträgen jeweils zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen
betreffend den Rückkaufswert Voraussetzung der Zahlungsansprüche ist, zu deren
Durchsetzung der Kläger die Auskünfte begehrt, ist die vom Bundesgerichtshof in
seinen Urteilen vom 9. Mai 2001 (BGHZ 147, 354 ff. und BGHZ 147, 373 ff.) und vom 12.
Oktober 2005 (BGHZ 164, 297 ff. und BGHReport 2006, 24) niedergelegte
Rechtsprechung auf die in Rede stehenden Versicherungsverträge anwendbar.
126
(1) Das gilt zunächst für die klassischen Kapitallebensversicherungen (Fälle 2a, 2b, 3,
4a, 5a und 6) und privaten Rentenversicherungen (Fall 7). Die diesen zugrunde
127
liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen unterscheiden sich entgegen der
von der Beklagten vertretenen und am Beispiel des Versicherungsvertrages zu 2 b)
erläuterten Auffassung nicht derart von den den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 9.
Mai 2001 zugrunde liegenden Vertragsunterlagen, dass hier eine Intransparenz nicht
angenommen werden könnte.
Zu beurteilen sind die vom Kläger in den Anlagen K 3 a (Bl. 76 ff. und Bl. 274 ff. d.A.)
vorgelegten Musterbedingungen für die klassischen Kapitallebensversicherungen und
die in der Anlage K 3 c (Bl. 85 ff. d.A.) vorgelegten Musterbedingungen für die
Rentenversicherung, die nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers den den
jeweiligen Vertragsverhältnissen zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen
entsprechen. Diese sind, was die Bestimmungen über die Anrechnung der
Abschlusskosten angeht, intransparent.
128
Der Bundesgerichtshof hat in den genannten Urteilen für eine ausreichende
Transparenz betreffend die Anrechnung der Abschlusskosten unter Anderem verlangt,
dass auf eine – im Versicherungsschein enthaltene - Tabelle der Rückkaufswerte in den
Allgemeinen Versicherungsbedingungen an der Stelle verwiesen wird, an der ein
Versicherungsnehmer Informationen über den Rückkaufswert und die beitragsfreie
Versicherungssumme erwartet, nämlich innerhalb der Bestimmung über die
Beitragsfreistellung und Kündigung (BGHZ 147, 373, juris Rdn. 31). Er hat ferner
verlangt, dass schon an dieser Stelle der Allgemeinen Versicherungsbedingungen in
den Grundsätzen auf die wirtschaftlichen Nachteile des Versicherungsnehmers
hingewiesen wird, die ihm dadurch entstehen, dass die Versicherung seinem Konto
sämtliche Abschlusskosten einschließlich der erheblichen Vermittlungsprovision schon
bei Beginn der Vertragslaufzeit belastet (BGHZ 147, 373; BGHZ 147, 354). An beidem
fehlt es in den hier vorgelegten Bedingungen betreffend die klassische
Kapitallebensversicherung; zumindest an letzterem fehlt es in den Bedingungen
betreffend die Rentenversicherung.
129
Was den Stornoabzug angeht, unterscheidet sich die Regelung in den hier vorgelegten
Bedingungen allerdings von derjenigen in den Bedingungen, die den Urteilen des
Bundesgerichtshofs zugrunde lagen. Das ändert jedoch nichts daran, dass die
Regelungen hier wie dort nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als
unwirksam anzusehen sind. Der Bundesgerichtshof hat die Unwirksamkeit der
Regelung über den Stornoabzug nämlich nicht mit deren Inhalt selbst begründet,
sondern die Regelung über den Stornoabzug als von der Unwirksamkeit der Regelung
des Rückkaufswertes erfasst angesehen (BGHZ 147, 373).
130
(2) Anwendbar ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch auf die hier in
Rede stehenden fondsgebundenen Kapitallebensversicherungen (Fälle 4b und 5b).
131
Fest steht nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. September 2007 (VersR
2007, 1547 f.), dass die Grundsätze der Urteile vom 9. Mai 2001 und vom 12. Oktober
2005 über die Klauselersetzung und den Mindestrückkaufswert auch auf
fondsgebundene Lebensversicherungen anzuwenden sind.
132
Die Beklagte irrt, wenn sie meint, der Bundesgerichtshof habe in seinem Urteil vom 26.
September 2007 nur entschieden, dass seine Rechtsprechung über die ergänzende
Vertragsauslegung auch auf fondsgebundene Kapitallebensversicherungen
Anwendung findet, wenn auch dort die Regelungen über die Rückkaufswerte
133
intransparent sind, er habe aber nicht über die Frage der Intransparenz selbst
entschieden. Der Bundesgerichtshof hat vielmehr ausdrücklich die Bestimmungen über
den Rückkaufswert und die Verrechnung der Abschlusskosten in den dem dortigen Fall
zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen als wegen Verstoßes gegen das
Transparenzgebot unwirksam erachtet (BGH aaO). Begründet hat er seine
Entscheidung damit, dass die Bestimmung, die den Rückkaufswert bei Kündigung
regelte, § 12 Abs. 3 der dort zugrunde liegenden Allgemeinen
Versicherungsbedingungen, keinen Hinweis auf die für den Versicherungsnehmer mit
der Kündigung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile enthielt. Hierüber müsse der
Versicherungsnehmer aber bei Vertragsschluss an derjenigen Stelle der Allgemeinen
Versicherungsbedingungen in den Grundzügen unterrichtet werden, an der die
Regelung der Kündigung angesprochen sei. Daran fehlt es auch in den hier zu
beurteilenden beiden Fällen (vgl. Anl. K 3a, Bl. 76 d.A. unter § 6 und Anl. K 3d, Bl. 285
d.A. unter § 7). Der von der Beklagten zitierte Hinweis darauf, dass nach Abzug von
Kosten für Abschluss- und Verwaltungsaufwendungen in den ersten Jahren ein Betrag
von mindestens 56 % des Beitrages in Fondsanteilen angelegt wird, findet sich in den
Tariflichen Grundlagen unter der Überschrift "Anlage der Beiträge". Im Hinblick darauf
genügt er schon wegen seiner Platzierung den vom Bundesgerichtshof gestellten
Anforderungen an die Transparenz nicht.
Ohne Erfolg beruft die Beklagte sich auch darauf, im vorliegenden Fall seien schon die
Voraussetzungen für die Klauselersetzung nicht erfüllt, weil die konkret in Rede
stehenden fondsgebundenen Lebensversicherungen in ihren Vertragsunterlagen (Anl. K
2 d, Bl. 72 ff. d.A.; Anl. K 3 d, Bl. 284 ff. d.A.) keine Zillmerung, d.h. eine vollständige
Verrechnung der Abschlusskosten in den ersten Jahren, vorsähen, sondern nach den
tariflichen Grundlagen (Bl. 75 d.A.) nach Abzug von Kosten für Abschluss- und
Verwaltungsaufwendungen in den ersten Jahren ein Betrag von mindestens 56 % des
Beitrages in Fondsanteilen angelegt werde. Auch in der hier vorgenommenen
Abschlusskostenverrechnung von maximal 44 % der Beiträge sei natürlich ein
wirtschaftlicher Nachteil zu sehen. Dieser werde aber durch die Hinweise zu Art und
Weise der Abschlusskostenverrechnung, insbesondere den Hinweis, dass bis zu 44 %
der Beiträge in den ersten Vertragsjahren nicht zur Kapitalanlage zur Verfügung
stünden, hinreichend transparent gemacht. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist
auch die hier vorgenommene Abschlusskostenverrechnung eine "Zillmerung", nämlich
eine – gesehen auf die Vertragszeit ungleichmäßige - Verrechnung der
Abschlusskosten, bei der diese zunächst - vollständig - auf die ersten Vertragsjahre
verrechnet werden. Dass ein Anteil von 56 % insgesamt von der Verrechnung der
Abschlusskosten ausgenommen wird, ändert nichts an der Art der Verrechnung und den
damit verbundenen – wenn auch geringeren - Nachteilen für Frühkündiger. Man könnte
sich allenfalls fragen, ob wegen der geringeren Nachteile auch geringere
Anforderungen an die Transparenz gestellt werden müssen. Das könnte aber lediglich
die inhaltlichen Anforderungen betreffen, auf die es, da ein Hinweis an der gebotenen
Stelle – wie ausgeführt - ganz fehlt, nicht ankommt.
134
bb) Die Beklagte schuldet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von
der abzuweichen der Senat keinen Anlass sieht, die versprochene Leistung, wobei
aber der vereinbarte Betrag des Rückkaufswerts einen Mindestbetrag nicht
unterschreiten darf. Dieser wird bei den klassischen Kapitallebensversicherungen
und den privaten Rentenversicherungen bestimmt durch die Hälfte des mit den
Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten
Deckungskapitals (BGHZ 164, 297 ff.), bei den fondsgebundenen
135
Kapitallebensversicherungen durch die Hälfte des ungezillmerten Fondsguthabens
(BGH VersR 2007, 1547 f.).
Anhaltspunkte dafür, dass die von der Beklagten bei Beendigung der
Versicherungsverträge an die Versicherungsnehmer ausgezahlten Beträge dem danach
geschuldeten Betrag nicht entsprechen könnten, bestehen deshalb, weil die Beklagte
nach Auffassung des Senats eine unzutreffende Vorstellung davon hat, was
"ungezillmert" bedeutet. Die Beklagte meint, "ungezillmert" bedeute "ohne
Abschlusskostenverrechnung im Wege der Zillmerung", das heißt durchaus unter
Berücksichtigung von Abschlusskosten, diese aber auf die gesamte Vertragslaufzeit
gleichmäßig verteilt. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Sein Verständnis von dem
Begriff "ungezillmert" entspricht vielmehr dem des Klägers, der diesen Begriff im Sinne
von "um Abschlusskosten bereinigt" dergestalt versteht, dass dieses Deckungskapital
ohne Berücksichtigung jeglicher Abschlusskosten zu ermitteln ist.
136
Für die letztgenannte Auffassung sprechen die Ausführungen sowohl des
Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 12. Oktober 2005 (BGHZ 164, 297 ff.) als auch
des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 15. Februar 2006 (VersR 2006, 489
ff., Rdnr. 80).
137
Der Bundesgerichtshof hat – worauf der Senat bereits in seinem Beschluss vom 8. Mai
2009 (Bl. 768 ff. d.A.) hingewiesen hat - ausweislich der entsprechenden Ausführungen
in seinem Urteil vom 12. Oktober 2005 (BGHZ 164, 297 ff.) seine Lösung zur Höhe der
Mindestleistung bei Einstellung der Beitragszahlung und damit auch den Begriff der
"Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals" dem Vorschlag der vom
Bundesministerium der Justiz eingesetzten Kommission zur Reform des
Versicherungsvertragsrechts entnommen. Er hat diesbezüglich auf deren
Abschlussbericht vom 19. April 2004, Ziff. 1.3.2.1.4 und Begründung zu §§ 158, 161 des
Entwurfs Bezug genommen. In diesem Abschlussbericht heißt es unter Ziff. 1.3.2.1.4
(Seite 113 f.) zu der gewählten Größe der "Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals":
"Damit wird einerseits in den Fällen, in denen der Versicherer das Zillmerungsverfahren
anwendet, dessen negative Auswirkung auf den Rückkaufswert begrenzt, indem ein
ungezillmertes Deckungskapital gegenüber gestellt wird. Andererseits erhält der
Versicherungsnehmer aber auch nur die Hälfte dieses fiktiven Deckungskapitals; die
andere Hälfte bleibt dem Versicherer zur Deckung derjenigen Abschlusskosten, für die
er in der Prämienkalkulation die Zillmerung vorgesehen hat." Aus diesem
Gesamtkonzept, nach dem die Abschlusskosten aus der dem Versicherer verbleibenden
Hälfte des ungezillmerten Deckungskapital gedeckt werden sollen, folgt ohne Weiteres,
dass Abschlusskosten nicht schon in die Ermittlung des ungezillmerten
Deckungskapitals einfließen, dieses mithin im Sinne eines um Abschlusskosten
bereinigten Deckungskapitals zu verstehen ist.
138
Ohne Erfolg hält die Beklagte dem entgegen, der Versicherer solle nach dem Vorschlag
der Reformkommission die verbleibende Hälfte des Deckungskapitals verwenden
können, um die "verbleibenden" Abschlusskosten tilgen zu können, für die er in der
Prämienkalkulation die Zillmerung vorgesehen hat. Abgesehen davon, dass in dem
Vorschlag der Reformkommission nicht von "verbleibenden" Abschlusskosten, sondern
von der Deckung "derjenigen" Abschlusskosten, für die er in der Prämienkalkulation die
Zillmerung vorgesehen hat, die Rede ist, dürfte es "verbleibende Abschlusskosten"
nach dem eigenen Vortrag der Beklagten nicht geben, nach dem Zillmerung "stets die
vollständige Verrechnung der Abschlusskosten" mit den ersten Beiträgen meint.
139
Im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts heißt es, "wegen des Abzugs von
Risikoanteilen und laufenden Verwaltungskosten" sei die Summe der Hälfte des
ungezillmerten Deckungskapitals geringer als die Hälfte der Summe der gezahlten
Prämien. Ein Abzug von Abschlusskosten ist nicht erwähnt, was dafür spricht, dass
ein solcher nicht stattfindet.
140
cc) Die Beklagte schuldet ferner die Rückerstattung vorgenommener
Stornoabzüge. Die Beklagte ist, worauf der Senat bereits im Beschluss vom 8. Mai
2009 (Bl. 768 ff. d.A.) hingewiesen hat, – entgegen ihrer Auffassung – zu einem
Stornoabzug nicht berechtigt (so auch OLG München VersR 2009, 770 f.). Aus dem
Urteil vom 12. Oktober 2005 (BGHZ 164, 297 ff.), in dem der Bundesgerichtshof
unter III. 1. ausführt, dass es für den unwirksamen Stornoabzug eine Regelung im
Gesetz gibt, und sich im Folgenden damit befasst, was mangels einer solchen
gesetzlichen Regelung an Stelle der unwirksamen Bestimmungen über die
Umwandlung in eine beitragsfreie Versicherung, die Kündigung und Auszahlung
des Rückkaufswertes und die Verrechnung der Abschlusskosten gilt, ergibt sich,
dass der vom Bundesgerichtshof gewährte Mindestbetrag neben den Anspruch auf
Rückerstattung eines eventuellen Stornoabzugs tritt. Dementsprechend heißt es im
Leitsatz dieses Urteils: "Der Stornoabzug entfällt. Die beitragsfreie
Versicherungssumme und der Rückkaufswert bei Kündigung dürfen einen
Mindestbetrag nicht unterschreiten."
141
Ohne Erfolg hält die Beklagte dem entgegen, der Kläger könne auf der Grundlage der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der er die "versprochene Leistung"
beanspruchen könne, keine "Rosinenpickerei" betreiben und nur die Teile der
versprochenen Leistung beanspruchen, die für ihn bzw. die Versicherungsnehmer
vorteilhaft sind. Diese Argumentation übersieht, dass der Stornoabzug nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in keinem Fall zulässig ist, unabhängig von
der Frage der vertragsergänzenden Auslegung im Übrigen.
142
dd) Dem Kläger steht dagegen – entgegen seiner unter Berufung auf Schünemann
(VersR 2009, 442) vertretenen Auffassung - neben dem Anspruch auf die
versprochene Leistung bzw. dem von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
geprägten vertraglichen Mindestbetrag kein gesetzlicher Anspruch auf den
Rückkaufswert bzw. "Zeitwert" gemäß § 176 Abs. 3 VVG a.F. dergestalt zu, dass
der höhere der sich jeweils ergebenden Beträge für das Nachzahlungsbegehren
maßgeblich wäre. Einen derartigen gesetzlichen neben dem vertraglichen
Anspruch gibt es – worauf der Senat bereits mit Beschluss vom 8. Mai 2009 (Bl.
768 ff. d.A.) hingewiesen hat – nicht (so auch OLG München VersR 2009, 770 f.).
Vielmehr handelt es sich bei dem Anspruch auf den Rückkaufswert um einen
einheitlichen, vertraglichen Anspruch, einen Anspruch nämlich, der seine
Rechtsgrundlage in dem Versicherungsvertrag hat, der aber – wie auch andere
vertragliche Ansprüche in anderen Vorschriften – eine gesetzliche Regelung in §
176 Abs. 3 VVG a.F. erfahren hat. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof bei
der Prüfung der Folgen der Intransparenz der versicherungsvertraglichen
Bestimmungen über den Rückkaufswert eine Ausfüllung der Lücke durch die
Regelung in § 176 Abs. 3 VVG a.F. geprüft, hat ausgeführt, dass diese nur einen
Rahmen darstellt, innerhalb dessen sich die Berechnung halten muss, und die
gesetzliche Regelung deshalb der Ergänzung und Ausfüllung bedarf (BGHZ 164,
297 ff.), und hat diese Ausfüllung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung
143
vorgenommen.
b) Um eventuelle Nachzahlungsansprüche wegen einer unzutreffenden Ermittlung des
Mindestbetrages durch die Beklagte prüfen zu können, bedarf der Kläger der Mitteilung
der Beträge der jeweils zutreffend ermittelten Hälfte des mit den Rechnungsgrundlagen
der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten Deckungskapitals bzw. des
ungezillmerten Fondsguthabens sowie der Beträge der "versprochenen Leistung". Die
Mitteilung auch letzterer ist erforderlich, damit der Kläger prüfen kann, ob diese im
Einzelfall über dem Mindestbetrag liegt und deshalb für seinen Anspruch maßgeblich
ist. Unter der "versprochenen Leistung" ist dabei nach dem Verständnis des Senats
diejenige Leistung zu verstehen, die sich bei Zugrundelegung der Bestimmungen des
Vertrages, so wie er geschlossen ist (einschließlich der intransparenten Klauseln),
ergeben würde. Dies entspricht der Auffassung der Beklagten, die sich selbst
verpflichtet sieht, den Rückkaufswert so zu berechnen (und entsprechend auszuzahlen),
wie sie das innerhalb der Regelung zu Kündigung und Beitragsfreistellung (z.B. § 6 in
Anl. K 3a, Bl. 76 f. d.A.) dem Grunde nach ausgeführt hat, und sich durch den Ausweis
der Rückkaufswerte auf Basis der zugrunde liegenden, bei Vertragsschluss
feststehenden Vertragsdaten rechnerisch dahingehend gebunden sieht, wie sie die
Rückkaufswerte berechnet. Der Senat wählt damit für die "versprochene Leistung" eine
andere Formulierung als das Oberlandesgericht München, das unter der
"versprochenen Leistung" den "vertraglich vereinbarten garantierten Rückkaufswert
zuzüglich der Überschussbeteiligung" versteht (OLG München VersR 2009, 770 f.); er
sieht darin aber keine wesentliche inhaltliche Abweichung. Er sieht insbesondere nicht,
dass – wie der Kläger meint - die Formulierung des Oberlandesgerichts München
Dynamisierungen und Überschussbeteiligungen nicht erfasst, deren Umfang erst
während der Vertragslaufzeit bekannt würde. Die Dynamisierung bleibt zwar bei der
Angabe der Garantiewerte im ursprünglichen Versicherungsschein unberücksichtigt. Es
ist aber davon auszugehen, dass mit jeder Dynamisierung auch neue Zahlen mitgeteilt
werden, die dann maßgeblich sind. So heißt es etwa in den Versicherungsunterlagen
Anl. K 2b (Bl. 59 ff.) unter "Garantiewerte" (Bl. 68 d.A.): "Nach jeder Erhöhung von
Leistung und Beitrag ergeben sich neue Werte, die wir Ihnen jeweils mitteilen werden.
Die Tabellenwerte gelten nur, wenn der Versicherungsvertrag seit Beginn unverändert
in Kraft ist …". Die Überschussbeteiligungen sind (selbstverständlich) zusätzlich zu dem
Garantiewert zu berücksichtigen. Wieso das mit der vom Oberlandesgericht München
verwendeten Formulierung "zuzüglich der Überschussbeteiligung" nicht gemeint sein
soll, erschließt sich nicht.
144
Über die Angabe der genannten Beträge hinaus schuldet die Beklagte demgegenüber
nicht die Offenlegung ihrer Berechnungsgrundlagen (so auch OLG München VersR
2009, 770 f.). Die Offenlegung der Berechnungsgrundlagen ist der Beklagten nicht
zumutbar; insoweit gebührt bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen dem
Geheimhaltungsinteresse der Beklagten der Vorrang. Das Oberlandesgericht München
hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf verwiesen, dass das
Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 15. Februar 2006 (BVerfG NJW
2006, 1783), in der es die vom Bundesgerichtshof entwickelte Lösung eines
Mindestbetrages bestätigt hat, unter B I 2 c (= Rz. 66/70) ausdrücklich auch die
beschränkte Auskunftspflicht der Versicherer berücksichtigt hat. Daraus ergebe sich,
dass es zur Wahrung der Interessen der Versicherungsnehmer angemessen sei, dass
ihnen hinsichtlich der Berechnung der Rückkaufswerte kein Anspruch auf Auskunft
eingeräumt, sondern im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine Mindestsumme
garantiert werde. Die Offenlegung der Berechnungsgrundlagen und damit insbesondere
145
auch der Kostenstruktur könne von der Versicherung angesichts dieses
Gesamtkonzepts grundsätzlich nicht verlangt werden. Der Versicherungsnehmer sei
mithilfe der von der Versicherung geschuldeten Auskünfte in der Lage, seine Ansprüche
geltend zu machen.
Der Bundesgerichtshof hat im Übrigen schon in seinem Urteil vom 9. Mai 2001
(BGHZ 147, 373 ff.) – wenn auch dort bezogen auf die Angaben bei
Vertragsschluss und mit einer Argumentation, die auf die vorliegende Situation
nicht unmittelbar zu übertragen ist – den Versicherer nicht als verpflichtet
angesehen, dem potentiellen Versicherungsnehmer im einzelnen mitzuteilen,
welche Methode er zur Ermittlung des Zeitwertes anwendet, wenn er das Ergebnis
der Berechnung in Form einer Tabelle der Rückkaufswerte darstellt.
146
Dass der Versicherer ein Geheimhaltungsinteresse an den
Berechnungsgrundlagen hat, liegt auf der Hand und ist von der Beklagten
inzwischen auch ausdrücklich vorgetragen. Dem steht auch nicht entgegen, dass –
wie der Kläger geltend macht und zwischen den Parteien unstreitig ist – die für die
fraglichen Versicherungsverträge geltenden Tarife inzwischen nicht mehr
bestehen. Auch wenn konkrete Tarife nicht mehr bestehen, bedeutet das nicht
ohne Weiteres, dass die zugrunde liegenden Berechnungsformeln und
Kostenstrukturen ihre Aktualität verlieren. Im vorliegenden Fall ist im Übrigen
davon auszugehen, dass tatsächlich Teile der Prämienkalkulation der hier
streitigen Tarife von der Beklagten auch weiterhin verwendet werden, nachdem der
Kläger sich zu dieser dazu konkret aufgestellten und unter Beweis gestellten
Behauptung der Beklagten nicht mehr geäußert hat.
147
Zur Prüfung eventueller Nachzahlungsansprüche wegen unberechtigt einbehaltener
Stornoabzüge bedarf der Kläger der Mitteilung der Beträge vorgenommener
Stornoabzüge.
148
Diese von der Beklagten geschuldeten Auskünfte sind als Minus in dem mit dem
Klageantrag zu 1 in Verbindung mit dem Antrag zu 2 c) formulierten
Auskunftsbegehren enthalten. Weitere Auskunftsansprüche bestehen nicht.
149
III.
150
Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten, weil das Urteil,
soweit die geltend gemachten Auskunftsansprüche nicht mit der Begründung
zurückgewiesen worden sind, dass die Zahlungsansprüche, deren Durchsetzung
sie dienen sollen, nicht bestehen, als Teilurteil ergeht. Insoweit wird die weitere
Verhandlung vor dem erkennenden Gericht zu erfolgen haben; eine
Zurückverweisung an das Landgericht entsprechend § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO
kommt mangels entsprechenden Antrags nicht in Betracht.
151
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, §
711 ZPO.
152
IV.
153
Die Zulassung der Revision insgesamt erscheint gemäß § 543 Abs. 2 ZPO geboten. Es
stellen sich insbesondere mit den Fragen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 4
154
RDG und der Verjährung höchstrichterlich bislang nicht geklärte Rechtsfragen von über
den Einzelfall hinausgehender Bedeutung.
V.
155
Der Streitwert für die Berufung wird auf 35.000,00 € festgesetzt.
156