Urteil des OLG Köln vom 30.07.1998

OLG Köln (hauptverhandlung, sache, einspruch, stpo, antrag, begründung, ladung, zulassung, rechtsfrage, entschuldigung)

Oberlandesgericht Köln, Ss 359/98 (Z) - 216 Z -
Datum:
30.07.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
1. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
Ss 359/98 (Z) - 216 Z -
Tenor:
I. Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird als unzulässig
verworfen. II. Die Rechtsbeschwerde gilt damit als zurückgenommen. III.
Die Kosten des Verfahrens vor dem Rechtsbeschwerdegericht trägt der
Betroffene.
G r ü n d e :
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Die Verwaltungsbehörde hat gegen den Betroffenen durch Bußgeldbescheid wegen
eines Verstoßes gegen das Personenbeförderungsgesetz eine Geldbuße von 300,00
DM festgesetzt. Auf den Einspruch des Betroffenen hin hat das Amtsgericht am
12.03.1998 Termin zur Hauptverhandlung bestimmt und die Ladung des Betroffenen
verfügt. Im Hauptverhandlungstermin hat das Amtsgericht den Einspruch des
Betroffenen nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. Gegen dieses Urteil richtet sich der
Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit der folgendes
beanstandet wird:
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1.
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Der Betroffene sei durch Niederlegung geladen worden, habe aber keine Nachricht über
die Niederlegung der Ladung erhalten;
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2.
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Der Verteidiger habe im Hauptverhandlungstermin beantragt, den Betroffenen von der
Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu entbinden, da es lediglich um eine
Rechtsfrage gehe;
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3.
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Die Überprüfung des Betroffenen habe auf dem Privatgeländer der Universitätsklinik K.
stattgefunden; die Arbeitgeberin des Betroffenen sei verpflichtet, eine gewisse Anzahl
Mietwagen dort bereitzuhalten; das Amtsgericht habe trotz des geklärten Sachverhalts
über die Rechtsfrage, ob der Betroffene unter diesen Umständen gegen das
Personenbeförderungsgesetz verstoßen habe, nicht entschieden.
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Über den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde hat nach § 80 a Abs. 2 Nr. 2
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OWiG der Bußgeldsenat in der Besetzung mit einem Richter zu entscheiden.
Der Zulassungsantrag ist als unzulässig zu verwerfen. Nach § 80 Abs. 3 OWiG sind
auch bei einem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde die Vorschriften über die
Begründung der Rechtsbeschwerde (§ 344 StPO) zu beachten (vgl. OLG Düsseldorf,
VRS 89, 136). Aus der Begründung muß also hervorgehen, ob das Urteil wegen
Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen
Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden
Tatsachen angegeben werden.
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Die Begründung des Zulassungsantrags enthält weder eine Sachrüge noch eine den
Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechende Verfahrensrüge.
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Eine Sachrüge ist nicht erhoben. Da ein Vewerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG
ausschließlich aufgrund verfahrensrechtlicher Vorschriften ergeht, und keinen materiell-
rechtlichen Inhalt hat (vgl. Senatsentscheidungen VRS 70, 458; 72, 442), insbesondere
keine Entscheidung zur Schuldfrage enthält, kann mit der Rechtsbeschwerde nicht
geltend gemacht werden, der im Bußgeldbescheid erhobene Vorwurf sei unrichtig (vgl.
OLG Jena, VRS, 94, 122; OLG Zweibrücken VRS 61, 50; Senatsentscheidung VRs 70,
458; Senatsentscheidung vom 19.11.1996 - Ss 584/96; Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 74
Rn. 48 a). Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen den Schuldvorwurf richtet, liegt
darin also keine zulässige Begründung der Rechtsbeschwerde.
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Daß das Amtsgericht unter Verstoß gegen § 74 Abs. 2 OWiG den Einspruch verworfen
habe, kann nur mit einer Verfahrensrüge beanstandet werden (Senatsentscheidungen
VRS 70, 458, 72, 442; Senatsentscheidung vom 14.03.1997 - Ss 104/97; Göhler a.a.O. §
74 Rn. 48 b; KK OWiG - Senge § 74 Rn. 64). Bei Verfahrensrügen muß der
Tatsachenvortrag so vollständig sein, daß das Rechtsbeschwerdegericht allein
aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn
das tatsächliche Vorbringen zutrifft (vgl. BGH NStZ 1996, 145; Senatsentscheidung
VRS 94, 123; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 344 Rn. 21 u. 24 m.w.N.).
Die Anforderungen an die Begründung richten sich nach der Eigenart des gerügten
Verfahrensverstoßes (KK-Pikart, StPO, 3. Aufl., § 344 Rn. 43). Die Zulässigkeit der
Einspruchsverwerfung richtete sich im vorliegenden Fall nach § 74 Abs. 2 OWiG in der
seit 01.03.1998 geltenden Fassung, da das neue Recht schon in Kraft getreten war, als
die erste Ladung des Betroffenen zur Hauptverhandlung abgesandt wurde (§ 133 Abs. 1
OWiG). Nach § 74 Abs. 2 OWiG n. F. muß das Amtsgericht den Einspruch ohne
Verhandlung zur Sache durch Urteil verwerfen, wenn der Betroffene ohne genügende
Entschuldigung ausbleibt, obwohl er von der Verpflichtung zum Erscheinen nicht
entbunden war.
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Der Rechtsbeschwerdebegründung kann nicht entnommen werden, daß das
Amtsgericht unter Verstoß gegen § 74 Abs. 2 OWiG n. F. den Einspruch verworfen hat.
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Was die Rüge der Verkennung des Begriffs der genügenden Entschuldigung angeht, so
ist zwar anerkannt, daß dann, wenn sich aus dem Verwerfungsurteil ergibt, daß der
Betroffene Entschuldigungsgründe vorgetragen hat, es ausreichen kann, wenn
ausgeführt wird, das Amtsgericht habe das Ausbleiben nicht als unentschuldigt ansehen
dürfen (Senatsentscheidungen VRS 72, 442; 92, 259; 93, 186). Im vorliegenden Fall
ergibt sich aber aus dem angefochtenen Urteil nicht, daß der Betroffene
Entschuldigungsgründe vorgetragen hat. In der Rechtsbeschwerdebegründung hätte
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deshalb dargelegt werden müssen, inwieweit eventuelle Entschuldigungsgründe dem
Amtsgericht bekannt waren oder bekannt sein mußten, insbesondere aufgrund welcher
Umstände das Amtsgericht Kenntnis davon haben mußte, daß der Betroffene ohne
Verschulden von der Ladung zum Hauptverhandlungstermin nichts wußte. Bei der
Prüfung der Frage, ob der Betroffene ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben ist,
kann der Tatrichter nur solche Umstände berücksichtigen, die ihm bekannt geworden
sind oder - eventuell bei Nachfrage auf der Geschäftsstelle - hätten bekannt sein
müssen (vgl. OLG Düsseldorf, VRS 80, 465, 466; Senatsentscheidungen VRS 93, 357;
VRS 94, 278 = NZV 1997, 494; Senatsentscheidung vom 11.04.1997 - Ss 90/97).
Auch zur Rüge, das Amtsgericht habe rechtsfehlerhaft den Betroffenen nicht von der
Verpflichtung zum Erscheinen entbunden (vgl. hierzu Göhler a.a.O. § 73 Rn. 16, § 74
Rn. 48 b, 48 c), entspricht das Rechtsbeschwerdevorbringen nicht den Anforderungen
des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO.
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Unter welchen Voraussetzungen der Betroffene von der Verpflichtung zum Erscheinen
in der Hauptverhandlung entbunden werden kann, ergibt sich aus § 73 Abs. 2 OWiG n.
F. Nach dieser Bestimmung entbindet das Gericht den Betroffenen auf seinen Antrag
von der Verpflichtung zum Erscheinen, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklärt
hat, daß er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde und seine
Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht
erforderlich ist. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob der Entbindungsantrag noch in
der Hauptverhandlung gestellt werden kann (vgl. Göhler a.a.O. § 73 Rn. 4) und unter
welchen Voraussetzungen die Ablehnung eines Entbindungsantrags unwirksam ist (vgl.
Göhler a.a.O. § 73 Rn. 16). Jedenfalls muß der Vortrag so vollständig sein, daß das
Rechtsbeschwerdegericht überprüfen kann, ob überhaupt die Voraussetzungen für eine
Entbindung nach § 73 Abs. 2 OWiG vorlagen. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Es ist
insbesondere nicht dargelegt, daß der Betroffene sich zur Sache geäußert oder erklärt
hat, er werde in der Hauptverhandlung sich nicht zur Sache äußern. Hat der Betroffene
sowohl eine Äußerung zur Sache als auch eine Erklärung, daß er sich zur Sache nicht
äußern werde, vermissen lassen, kann er vom Erscheinen in der Hauptverhandlung
nicht entbunden werden (vgl. BT-Drucksache 13/5418 S. 9). Abgesehen davon, daß
auch nicht vorgetragen ist, daß der in der Hauptverhandlung anwesende Verteidiger
Vertretungsvollmacht i. S. d. § 73 Abs. 3 OWiG hatte (vgl. Göhler a.a.O. § 73 Rn. 27),
würde allein die Anwesenheit eines vertretungsberechtigten Verteidigers noch nicht
ausreichen, um den Betroffenen nach § 73 Abs. 2 OWiG von der Verpflichtung zum
Erscheinen zu entbinden, da die Entbindung nach dem eindeutigen Wortlaut des § 73
Abs. 2 OWiG voraussetzt, daß die geforderten Erklärungen des Betroffenen bereits
vorliegen. Die in der Rechtsprechung früher vertretene Ansicht, die Anordnung des
persönlichen Erscheinens sei bei Erscheinens eines informierten Verteidigers mit
Vertretungsvollmacht zu überprüfen (vgl. Senatsentscheidung vom 26.08.1997 - Ss
255/97), ist durch die Neufassung der §§ 73, 74 OWiG überholt.
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Soweit schließlich beanstandet wird, daß Amtsgericht habe nicht zur Sache
entschieden, obwohl es nur um eine Rechtsfrage gegangen sei, reicht dieser Vortrag
allein ebenfalls nicht aus, um eine rechtliche Überprüfung der Einspruchsverwerfung zu
ermöglichen. Nach § 74 Abs. 2 OWiG n. F. hat das Amtsgericht im Gegensatz zu § 74
Abs. 2 OWiG a. F. keinen Ermessensspielraum, vielmehr muß es bei Vorliegen der
Voraussetzungen des § 74 Abs. 2 OWiG den Einspruch verwerfen (vgl. Katholnigg NJW
1998, 570).
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Da weder eine Sachrüge noch eine zulässige Verfahrensrüge erhoben ist, muß der
Zulassungsantrag als unzulässig verworfen werden (vgl. Senatsentscheidung VRS 78,
467; Senatsentscheidung vom 16.07.1998 - Ss 327/98).
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