Urteil des OLG Köln vom 25.09.1997
OLG Köln (der rat, bundesrepublik deutschland, insolvenz, richtlinie, kläger, nichterfüllung, eugh, zpo, kommission, erstattung)
Oberlandesgericht Köln, 7 U 72/97
Datum:
25.09.1997
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
7. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 U 72/97
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 1 O 310/93
Schlagworte:
Pauschalreise
Normen:
GG Art. 34, BGB §§ 651 i.f., 839
Leitsätze:
Wegen der verspäteten Umsetzung der EG-Richtlinien über
Pauschalreisen vom 13. Juni 1990 (90/313 EWG) können
Erstattungsansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland nur auf
Leistungsstörungen gestützt werden, die insolvenzbedingt sind.
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom
22.01.1997 - 1 O 310/93 - wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die
Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
1
Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung hat in der Sache selbst
keinen Erfolg.
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I.
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Das Landgericht hat mit Recht dahin entschieden, daß der Kläger von der Beklagten
unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Schadensersatz beanspruchen kann.
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1a)
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Zwar hat die beklagte Bundesrepublik auf der Grundlage der Rechtsprechung des
EuGH gegen ihr obliegende gemeinschaftsrechtliche Pflichten verstoßen, indem sie die
Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften über Pauschalreisen vom 13.
Juni 1990 (90/313 EWG; Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 23.06.90 Nr.
L 158/59) nicht innerhalb der in Artikel 9 der Richtlinie bestimmten Frist (31.12.1992) in
nationales Recht umgesetzt hat (EuGH, Urt. v. 19.11.1991 (A. F., D. B. u. a. ./.
Italienische Republik), NJW 1992, 165). Dies wird nach dem in dieser Sache
ergangenen Urteil des EuGH vom 08.10.1996 - Rs C 188/94 - auch von der Beklagten
nicht mehr in Abrede gestellt. Vielmehr streiten die Parteien allein noch darüber, ob die
Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung des gezahlten Reisepreises und
(gegebenenfalls) der notwendigen Aufwendungen für die Rückreise nur für den Fall der
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i n s o l v e n z - b e d i n g t e n Leistungsstörungen besteht, wie es dem (nunmehr)
durch Gesetz vom 24.06.1994 (BGB l I S. 1322) eingefügten § 651 K BGB entspricht.
b)
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Dies hat das Landgericht zu Recht angenommen. Richtig ist allerdings, daß Art. 7 der
die Richtlinie vom Wortlaut her sehr weit gefaßt ist, so daß deshalb die Annahme
gerechtfertigt sein könnte, daß auch nicht insolvenzbedingte Erstattungsansprüche unter
die Regelung fallen sollen. Hiergegen spricht aber der Sinn und Zweck der Regelung
sowie ihre Entstehungsgeschichte. Danach soll sich die Erstattungsverpflichtung
namentlich auf den gezahlten Reisepreis und auf die Aufwendungen für die Rückreise
erstrecken. Während bei dem gezahlten Reisepreis noch vorstellbar ist, daß darunter
auch die (gewöhnlichen) Fälle des Rücktritts bzw. der Kündigung nach §§ 651e, 651i
BGB, des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung nach § 651f BGB und der Minderung
nach § 651d BGB fallen sollen - also all jene Fälle, bei denen nicht die Insolvenz die
Leistungsstörung ausgelöst hat, sondern diese nur dazu führt, daß die Ansprüche nicht
(mehr) durchgesetzt werden können -, so sind die Aufwendungen für die Rückreise
alleinige und typische Folge eines verwirklichten Insolvenzrisikos. Es kann aber nicht
angenommen werden, daß der Rat der Europäischen Gemeinschaften eine solche
inhaltliche Differenzierung beabsichtigt hat. Die in Artikel 7 zur "Rückreise des
Verbrauchers" getroffene Regelung hebt ersichtlich auf den Fall der nach Reisebeginn
eingetretenen Insolvenz ab. Dies legt es aber nahe, daß im ersten Teil der Regelung
("Erstattung bezahlter Beträge") auch nur die (vor Reisebeginn eingetretene) Insolvenz
gemeint ist, die zum Ausfall der Reiseleistung führt.
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Mit Recht verweist das Landgericht darauf, daß für diese Auslegung auch der Gang des
Verfahrens spricht, wonach die (Beschluß-) Empfehlung des Rechtsausschusses des
Deutschen Bundestages dahin ging, daß
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nur für das bei Pauschalreisen spezifische Risiko, daß der Reiseveranstalter vor der
abschließenden Erbringung seiner Leistung zahlungsunfähig wird, eine geeignete
Sicherung der Verbraucher in Betracht gezogen werden sollte,
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und daraufhin der Rat und die Kommission übereingekommen sind,
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daß die Frage einer etwaigen Erweiterung der Garantien zur Abdeckung der
Schäden aus der Nichterfüllung bzw. der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung des
Vertrages von der Kommission geprüft wird und daß diese gegebenenfalls geeignete
Vorschläge unterbreitet.
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Abgestellt wird also auf die (vielen) Fälle der Nichterfüllung und der nicht
ordnungsgemäßen (mangelhaften) Erfüllung, die ihren auslösenden Grund in einer der
Abwicklung des Vertrages entspringenden Leistungsstörung haben, nicht jedoch in der
Insolvenz des Reiseveranstalters. Diese tritt vielmehr nur zufällig dazwischen.
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Sehr deutlich tritt dies in den Fällen hervor, bei denen der Reisende vom Vertrag
zurücktritt (§ 651i BGB) oder eine Kündigung wegen höherer Gewalt erfolgt ist (§ 651j
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BGB). In beiden Fällen liegt der Grund, von der Durchführung des Vertrages Abstand zu
nehmen, nicht in der Sphäre des Reiseveranstalters. Folgte man jedoch der
Rechtsauffassung des Klägers, so würde sich Art. 7 der Richtlinie bei einer zufällig
dazwischentretenden Insolvenz des Reiseveranstalters auch auf Erstattungsansprüche
nach den genannten Vorschriften erstrecken.
Zuzugeben ist allerdings, daß bei der hier vertretenen Auffassung die Durchsetzung der
Ansprüche der Reisenden auf Schwierigkeiten stoßen kann, weil der Zusammenhang
zwischen Zahlungsunfähigkeit und Ausfall von Reiseleistungen im Einzelfall unter
Umständen nur schwer nachzuweisen ist. Unmöglich ist dies jedoch nicht.
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Für die hier vertretende Ansicht spricht schließlich auch die Systematik der Richtlinie.
Während nämlich Artikel 5 die Leistungsstörungen wegen Nicht- und Schlechterfüllung
regelt, behandelt Artikel 7 die Folgen, die speziell ihre Ursache in der Insolvenz des
Reiseveranstalters haben, wobei für diesen Fall der Haftungsumfang auf zwei Bereiche
beschränkt wird. Der Richtliniengeber wollte demnach sehr wohl differenzieren
zwischen insolvenzbedingten und nicht insolvenzbdingten Leistungsstörungen.
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2.
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Ist danach Artikel 7 einschränkend so auszulegen, daß nur die insolvenzbedingten Fälle
unter diese Regelung fallen sollen, so scheitert der mit der Klage verfolgte
Schadensersatzanspruch daran, daß der Kläger nicht den ihm obliegenden Nachweis
geführt hat, daß der Reiseabbruch insolvenzbedingte Ursachen hatte.
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Der Abbruch der Reise, der damit begründet wurde, daß am Urlaubsort keine
Hotelzimmer zur Verfügung stünden, ist etwa vier Wochen vor Beantragung des
Vergleiches (24.06.1993) erfolgt. Aus der zeitlichen Nähe allein ergibt sich jedoch nicht
notwendigerweise, daß der Ausfall der Hotelzimmer darauf beruhte, daß der
Reiseveranstalter in Vermögensverfall geraten war. Möglich ist auch, daß - wie es im
Reisegewerbe nicht selten vorkommt - Überbuchungen erfolgt oder bei der
Reservierung Fehler unterlaufen waren. Auch der Umstand, daß der Luftfrachtführer
leistungsbereit war und daß unwidersprochen eine (Ersatz-) Reise nach Portugal
angeboten wurde, spricht hier gegen eine bereits zu diesem Zeitpunkt vorliegende
Insolvenz des Reiseveranstalters.
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II.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Streitwert und zugleich Wert der Beschwer: 2.440,00 DM
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