Urteil des OLG Köln vom 15.09.1999

OLG Köln: lebensversicherung, härte, verwertung, beleihung, steuerberater, kredit, auszahlung, kündigung, rendite, nebenkosten

Oberlandesgericht Köln, 19 W 32/99
Datum:
15.09.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
19 W 32/99
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 21 O 42/99
Schlagworte:
Einsatz Lebensversicherung Prozeßkostenhilfe
Normen:
ZPO § 114, 115
Leitsätze:
Der Antragsteller von Prozesskostenhilfe kann jedenfalls dann auf die
Möglichkeit einer Kreditaufnahme verwiesen werden, wenn diese nur
zur Überbrückung erfolgen muss, weil die Auszahlungsreife einer
verwertbaren Lebensversicherung von 250.000,-- DM innerhalb der
nächsten zwei Jahre ansteht. Wenn der Verwertung einer wirtschaftlich
zweckgebundenen Lebensversicherung lediglich das Argument
entgegensteht, dass bei Kündigung vor regelmäßigem Vertragsablauf
erhebliche Verluste an Zinsen und Überschussbeteiligungen drohen,
und gerade dies für den Antragsteller eine unzumutbare Härte darstellt,
kann erwartet werden, dass er die Lebensversicherung zur Finanzierung
weitaus niedrigerer Prozesskosten ggfls. unter Mitfinanzierung der
hierfür entstehenden Zinsen einsetzt.
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin vom 03.08.1999 gegen den
Beschluss des Landgerichts Köln vom 15.07.1999 - 21 O 42/99 - wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
G r ü n d e
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Die 53jährige Antragstellerin begehrt Prozeßkostenhilfe für eine beabsichtigte Klage
gegen die Antragsgegnerinnen auf Zahlung von 100.000,- DM.
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Sie bezieht ein Einkommen in Höhe von 3.153,00 DM, bestehend aus Mieteinnahmen
von 1.740,00 DM brutto und einer Pension von 1.413,00 DM brutto. Hiervon hat sie
regelmäßige Abzüge von insgesamt 957,28 DM. Aus Vorprozessen ist sie mit
monatlichen Raten an Anwalt und Steuerberater in Höhe von 650,00 DM belastet.
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Die Antragstellerin besitzt drei Eigentumswohnungen im Wert von insgesamt
440.000,00 DM. Hiervon bewohnt sie eine Wohnung im Wert von 220.000.- DM selbst.
Sie verfügt über eine im Jahr 2001 fällig werdende Lebensversicherung mit einer
Ansparsumme von 180.000,00 DM, welche im Fälligkeitszeitpunkt mit 250.000,00 DM
zzgl. Gewinnbeteiligung zur Auszahlung kommen wird, welche sich auf etwa 50.000,-
DM belaufen wird.
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Sie hat Darlehensverbindlichkeiten gegenüber ihrer Schwester in Höhe von 500.000,00
DM, auf welche sie Zins- und Tilgungsleistungen nicht erbringt.
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Das Landgericht hat den Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe durch Beschluss
vom 11.08.1999 - 21 O 42/99 - mit der Begründung zurückgewiesen, es sei der
Antragstellerin zuzumuten,
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sich die zur Finanzierung des Prozesses nötigen Mittel durch Aufnahme eines Kredits
zu beschaffen.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie vertritt die Auffassung,
eine Beleihung der Lebensversicherung sei ihr nicht zuzumuten, da es sich hierbei um
ihre Altersversorgung handle. Im übrigen benötige sie den Auszahlungsbetrag um den
Kredit ihrer Schwester zurückzuführen.
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Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur
Entscheidung vorgelegt.
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Die Beschwerde der Antragstellerin ist gem. §§ 127 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit §
567 Abs. 1 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig. In der Sache hat sie jedoch
keinen Erfolg.
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Das Landgericht hat zurecht die Gewährung von Prozeßkostenhilfe mit Rücksicht auf
die Vermögensverhältnisse der Antragstellerin abgelehnt. Gem. § 114 ZPO ist nämlich
Voraussetzung der Bewilligung, dass die Partei nach ihren persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder
nur in Raten aufbringen kann. Hierbei hat die Partei gem. § 115 Abs. 2 ZPO ihr
Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Zum Vermögen der Antragstellerin
gehören drei Eigentumswohnungen mit einem Gesamtwert von 440.000,00 DM und
eine Lebensversicherung, welche ein Ansparguthaben von 180.000,00 DM aufweist und
im Jahr 2001 mit 250.000,00 DM zzgl. Überschussbeteiligung ausgezahlt werden wird.
Die Antragstellerin kann sowohl die ihr gehörenden vermieteten beiden
Eigentumswohnungen als auch die Lebensversicherung als Vermögensgegenstand
einsetzen, um hierdurch ihre Prozeßkosten zu finanzieren. Zum Einsatz des Vermögens
zählt nämlich auch die Nutzung als Kreditsicherung. Hierbei ist es auch im Rahmen der
Prozeßkostenhilfe grundsätzlich zulässig, die Partei auf die Möglichkeit der
Kreditaufnahme zu verweisen (BGH NJW RR 1990, 450, OLG Bamberg FamRZ 1990,
763; OVG Münster FamRZ 86, 188; VG Frankfurt am Main NJW RR 87, 1535;
Stein/Jonas/Burg ZPO 21. Aufl. VII/1993, § 115 Abs. 3 Rdnr 94, Münchener Kommentar
ZPO
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1992 § 115 Rdnr 57). Voraussetzung hierbei ist, dass die Verwertung des betreffenden
Vermögensgegenstandes im Wege der Beleihung grundsätzlich zumutbar und die damit
verbundene finanzielle Belastung für den Antragsteller angemessen ist (Münchener
Kommentar a.a.O.).
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Soweit in der Literatur vertreten wird, eine Kreditaufnahme zur Finanzierung von
Prozeßkosten könne grundsätzlich dann nicht verlangt werden, wenn mit der Tilgung
des Kredites Zinszahlungen verbunden seien die einen solchen Kredit teurer ausfallen
lasse als die nach der Tabelle aus dem monatlichen Einkommen ggf. zu leistenden
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Monatsraten (Christel NJW 1981, 785, 790; Grunsky NJW 80, 2041, 2042; Schneider
MDR 1981, 1, 2 Zöller ZPO 19. Aufl. 1994 § 115 Rdnr 65; Musielak ZPO 1999 § 115
Rdnr 50) kann dem nur dann zugestimmt werden, wenn mit der Aufnahme eines
Personalkredites Zins- und Tilgungsleistungen aus dem laufenden Einkommen
verbunden sind. Im übrigen ist jedoch eine differenzierte Betrachtungsweise unter
Berücksichtigung der konkreten Einkunfts- und Vermögenssituation des Antragstellers
erforderlich. So muss einer Kreditaufnahme für den Antragsteller immer dann zumutbar
sein, wenn sie nur zu Überbrückungszwecken erfolgen muss, bis nämlich
einsatzpflichtiges Vermögen verwertet werden kann (Musielak a.a.O. § 115 Rdnr 50).
Dies gilt um so mehr, wenn der Verwertung des Vermögensgegenstandes, hier einer
wirtschaftlich zweckgebundenen Lebensversicherung lediglich das Argument
entgegensteht, dass bei Kündigung vor Beendigung der regelmäßigen Vertragslaufzeit
hebliche Verluste an Zinsen und Überschussbeteiligungen drohen und gerade dies für
den Antragsteller eine unzumutbare Härte darstellt. Wird dem Antragsteller aber
einerseits durch Zumutbarkeitserwägungen ein Vermögensteil belassen, weil er
innerhalb der nächsten zwei Jahre eine erhebliche Rendite erwarten lässt - hier von der
Antragstellerin mit mehr als 70.000,00 DM beziffert -, kann andererseits erwartet werden,
dass er den Vermögensgegenstand zur Finanzierung weitaus niedrigerer Prozeßkosten
hier: ca. 11.000,00 DM, ggf. unter Mitfinanzierung der hierfür entstehenden Zinsen
einsetzt.
Die Antragstellerin kann sich auch nicht darauf berufen, sie benötige die
Lebensversicherung zu ihrer Alterssicherung.
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Die Lebensversicherung der Antragstellerin zählt grundsätzlich zum einsetzbaren
Vermögen gemäß § 115 Absatz 2 ZPO. Die Verwertung der Lebensversicherung durch
Beleihung stellt nämlich keine unzumutbare Härte im Sinne der §§ 115 Abs. 2 Satz 2, 88
Abs. 2 Satz 2 BSHG dar. Nach § 88 Abs. 2 Satz 2 BSHG ist von einer besonderen Härte
bei der Hilfe in besonderen Lebenslagen dann auszugehen, wenn unter anderem die
Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.
Bei der Prozeßkostenhilfe handelt es sich zwar um eine Hilfe in besonderen
Lebenslagen. Die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung durch die
Antragstellerin ist aber durch eine Kreditaufnahme für den beabsichtigten Prozeß nicht
wesentlich erschwert. Die Antragstellerin verfügt insgesamt über Grundvermögen im
Wert von nach ihren Angaben 440.000,00 DM. Sie hat die Auszahlung einer
Lebensversicherung von 250.000,00 DM zzgl. Überschussbeteiligung, welche nach
unwidersprochenen Angaben der Antragsgegnerin mindestens 50.000,00 DM
ausmachen zu erwarten mithin ein Vermögen im Wert von insgesamt 740.000,00 DM.
Angesichts dessen ist selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sie ihrer
Schwester 500.000,00 DM schuldet, die Alterssicherung durch eine Kreditaufnahme für
Prozeßkosten in Höhe von 11.000,00 DM nicht nennenswert erschwert.
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Darüber hinaus ist die 53jährige Antragstellerin in der Lage aus ihrem derzeitigen
Einkommen die entstehende Lücke in der Alterssicherung wieder aufzufüllen.
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Bei einem verfügbaren Einkommen von 3.153,- DM
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abzüglich Sozialvericherung, ./. 207,28 DM
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Nebenkosten der Mietwohnungen ./. 500,- DM
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Heizung ./. 250,- DM
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Raten für Anwalt und Steuerberater ./. 650,- DM
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des Vorprozesses
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Selbstbehalt ./. 672,- DM
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verbleibt ein einsetzbares Einkommen von 873,72 DM
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welches die Antragstellerin zumindest in dem Maße zur Ansparung einer
Alterssicherung verwenden kann, als ihr nach der Tabelle zu § 115 ZPO eine
Ratenzahlung zur Prozeßkostenhilfe aufzuerlegen wäre. Nach Abzahlung der Raten an
Anwalt und Steuerberater aus dem Vorprozeß wird sich der verfügbare Betrag um 650
DM erhöhen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO. Die Antragstellerin trägt die
Gerichtskosten gem. § 49 GKG, 1905 Kostenverzeichnis ohne besonderen Ausspruch.
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