Urteil des OLG Köln vom 06.10.1992

OLG Köln (anspruch auf einbürgerung, kläger, einbürgerung, beschwerde, zwangsvollstreckung, zpo, gvg, öffentlich, urkunde, rechtsnatur)

Oberlandesgericht Köln, 22 W 25/92
Datum:
06.10.1992
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
22. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
22 W 25/92
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 5 O 101/91
Schlagworte:
VERWALTUNGSRECHTSWEG ÖFFENTLICH-RECHTLICHES
RECHTSVERHÄLTNIS NOTARIELLE URKUNDE
Normen:
GVG § 17 A; VWGO § 40
Leitsätze:
Wendet sich der Kläger gegen einen durch notarielle Urkunde
geschaffenen Zahlungstitel, dem ein öffentlich-rechtliches
Rechtsverhältnis zugrunde liegt, aus dem der Kläger die Unwirksamkeit
des Titels herleitet, so ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des
Landgerichts Köln vom 14. Juli 1992 (5 O 101/91), mit dem der
Rechtsstreit an das Verwaltungsge-richt verwiesen worden ist, wird
zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der
Kläger. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e
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I.
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Mit notariellem Schuldanerkenntnis vom 29.02.1984 unterwarf sich der aus U.
stammende Kläger der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen
wegen eines Betrages von 16.750,00 DM zuzüglich Zinsen, den er am Tage seiner
erwarteten Einbürgerung an die Beklagte zahlen sollte. Die Er-klärung diente aus
Sicht der Beklagten der Rückfüh-rung der Ausbildungsbeihilfen, die der Kläger Mitte
der 70er Jahre von der Beklagten erhalten hatte, und war von ihr zur Voraussetzung
für die im Jahre 1987 erfolgte Einbürgerung des Klägers gemacht worden. Mit
Schreiben vom 13.03.1992 forderte die Beklagte den Kläger zur Zahlung des o. g.
Betrages bis zum 31.03.1992 auf und drohte die zwangsweise Einziehung an.
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Der Kläger hat darauf hin am 30.03.1992 beim Landgericht
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Vollstreckungsgegenklage erhoben und desweiteren beantragt, die
Zwangsvollstreckung oh-ne Sicherheitsleistung vorläufig einzustellen. Er macht
geltend, das von der Beklagten zur Vorbedin-gung für seine Einbürgerung gemachte
Schuldaner-kenntnis verstoße gegen das im öffentlichen Recht geltende
Koppelungsverbot, denn er habe einen unbedingten Anspruch auf Einbürgerung
gehabt. Das Schuldanerkenntnis sei deshalb nichtig.
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Das Landgericht hat den ordentlichen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den
Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht verwiesen. Es hat die Auffassung vertreten,
jedenfalls bei einem Titel der vorlie-genden Art sei es nicht gerechtfertigt, allein auf
dessen Rechtsnatur ohne Rücksicht auf seinen sachlichen Regelungsgehalt
abzustellen. Die Rück-zahlungsverpflichtung des Klägers stehe im untrenn-baren
Zusammenhang mit seiner Einbürgerung und sei deshalb nach öffentlichem Recht zu
beurteilen.
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Gegen diesen ihm am 29.07.1992 zugestellten Be-schluß richtet sich die sofortige
Beschwerde des Klägers, die am 12.08.1992 bei Gericht eingegangen ist. Er ist der
Auffassung, bei der Entscheidung über den Rechtsweg sei zum einen auf die zivil-
rechtliche Natur des Vollstreckungstitels und zum anderen auch darauf abzustellen,
daß der mit dem Titel geregelte Anspruch, nämlich die Rückzahlungs-verpflichtung,
ebenfalls Zivilrechtlicher Natur sei. Maßgeblich sei auch, daß sich die Beklagte durch
ihr Bestehen auf einem notariellen Schulda-nerkenntnis von den öffentlich-
rechtlichen Bezie-hungen losgelöst habe und einen neuen, privatrecht-lichen
Haftungsgrund habe schaffen wollen.
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II.
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Die nach § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG in Verbindung mit § 577 ZPO statthafte und
fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig, aber nicht be-gründet. Der
Senat teilt die Auffassung des Landge-richts, daß der vorliegende Rechtsstreit nach §
40 VWGO den Verwaltungsrechtsweg zuzuweisen ist.
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Nach der herrschenden, sogenannten modifizierten Sonderrechtstheorie (vgl. Kopp,
VWGEO, 9. Aufl. 1992, Rn 11 zu § 40) liegt eine öffentlich- recht-liche Streitigkeit vor,
wenn aus der streitent-scheidenden Norm allein ein Rechtsträger öffentli-cher Gewalt
berechtigt oder verpflichtet wird. Bei Klagen auf der Grundlage schuldrechtlicher
Verträge erfolgt die Abgrenzung nach dem Gegenstand und Zweck des
Rechtsgeschäfts, d. h. danach, ob die von den Beteiligten getroffene Regelung einen
vom bür-gerlichen Recht oder vom öffentlichen Recht geord-neten Sachbereich
betrifft.
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Liegt dagegen ein Titel vor, wird vertreten, daß sich der Rechtsweg für das
Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nach der Rechtsnatur des Titels richtet, aus
dem die Zwangsvollstreckung betrie-ben wird, gleichgültig, ob der zu vollstreckende
Anspruch dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen ist (so OVG
Münster, NJW 84, 2484; VGH München, NJW 83, 1992). Danach wäre gegen das
vorliegende notarielle Schuldanerkenntnis die Vollstreckungsabwehrklage nach §
767 ZPO i. V. m. §§ 795, 794 Nr. 5 ZPO gegeben. Der Senat ist jedoch der
Auffassung, daß im vorliegenden Fall die rein formale Anknüpfung an die
Rechtsnatur des Titels nicht ausschlaggebend sein kann.
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Bei dem vorliegenden Rechtsstreit geht es im Kern um die materiell- rechtliche Frage,
ob die Beklagte die Einbürgerung des Klägers von der Abgabe eines auf
Rückzahlung von Ausbildungsbeihilfe gerichte-ten Schuldanerkenntnisses abhängig
machen durfte. Streitentscheidend ist dabei, ob das Schuldaner-kenntnis deshalb
nichtig ist, weil der Kläger einen Anspruch auf Einbürgerung nach den Vorschriften
des Rechs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes gehabt haben könnte und die
Beklagte deswegen gegen das im § 56 VerwVG enthaltene Koppellungsverbot
verstoßen habe. Das notarielle Schuldanerkenntnis diente aus Sicht der Parteien der
Regelung der Einbürgerung des Klägers. Der BGH hat im Urteil vom 10.12.1987
ausgesprochen, daß Ansprüche aus einem Schuldanerkenntnis dem
Verwaltungsrechtsweg zugewiesen sind, soweit das Schuldanerkenntnis an die
Stelle einer sonst möglichen Regelung druch Verwaltungsakt getreten ist (BGHZ 102,
343). Diese Entscheidung betraf indes eine unmittelbar auf dem (nicht notariell
beurkundeten) Schuldanerkennt-nis beruhende Zahlungsklage, während es
vorliegend um die Abwehr der Zwangsvollstreckung aus einem zivilrechtlichen Titel
in Form einer notariellen Urkunde geht. In dieser Konstellation hat der BGH - soweit
ersichtlich - die Rechtswegfrage bisher noch nicht entschieden. Das Kriterium der
Sachnähe, auf das der GBH (a.a.O.) abgestellt hat, greife jedoch auch im
vorliegenden Fall durch. Dabei wird nicht verkannt, daß in den Fällen der
Vollstreckungsab-wehrklage gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen
Urkunde die rein formale Anknüpfung an den Titel eine einfache Lösung der
Rechtswegfrage wäre. Gleichwohl vermag der Senat dieser Auffassung für den
vorliegenden Fall nicht zu folgen. Denn die Vollstreckungsabwehrklage
unterscheidet sich von den übrigen vollstreckungsrechtlichen Rechtsbe-helfen und
Rechtsmitteln maßgeblich dadurch, daß materiell- rechtliche Einwendungen
ausdrücklich zu-gelassen werden. Diese Klageart steht damit dem
Erkenntnisverfahren sehr nahe, sie stellt praktisch die Fortsetzung des
Erkenntnisverfahrens dar. Dem trägt die Zivilprozeßordnung Rechnung, in dem sie
nicht das Vollstreckungsgericht, sondern das Prozeßgericht für zuständig erklärt (§
767 Abs. 1 ZPO). Das Prozeßgericht gilt somit von Gesetzeswe-gen als dasjenige
Gericht, das die größere Sachnähe besitzt und deshalb zur Entscheidung über die
materiellen Einwendungen gegenüber dem titulierten Anspruch berufen ist. Der
Sachnähe kommt bei der Abgrenzung der Rechtswege besondere Bedeutung zu
(BGH a. a. O., Seite 347). Die größere Sachnähe und nicht die abstrakte Natur des
Titels sollte nach Auffassung des Senats auch für den Rechtsweg der
Vollstreckungsabwehrklage gegenüber der Zwangsvoll-streckung aus notariellen
Urkunden maßgeblich sein. Da sich der vorliegende Rechtsstreit - wie darge-stellt - in
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seinem Kern an öffentlich- rechtlichen Normen entscheiden wird, hält der Senat
deshalb mit dem Landgericht die Zuständigkeit des Verwaltungs-gerichts für
gegeben.
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Damit ist dem Beschwerdeführer entgegen dessen Ansicht die Möglichkeit einer
Abwehr der Zwangs-vollstreckung nicht genommen. Er kann sich mit der
Feststellungsklage auch im Verwaltungsrechtsweg gegen die Zwangsvollstreckung
wehren und ggfs. auch dort vorläufigen Rechtsschutz bewirken.
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Ob der Senat unabhängig von der Frage des Rechts-weges in Anwendung von § 769
ZPO jetzt schon eine Entscheidung über eine vorläufig Einstellung der
Zwangsvollstreckung treffen könnte, kann offenblei-ben, weil zumindest seit
Erhebung der Vollstrek-kungsgegenklage keine Anhaltspunkte mehr dafür be-stehen,
daß dem Kläger konkrete Vollstreckungsmaß-nahmen drohen.
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Die sofortige Beschwerde war deshalb mit der Ko-stenfolge aus § 97 ZPO
zurückzuweisen.
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Der Senat hat die weitere Beschwerde nach § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG zugelassen,
weil die hier zur Entscheidung stehende Frage des Rechtsweges von grundsätzlicher
Bedeutung erscheint. Diese Zu-lassung der weiteren Beschwerde ist nicht an eine
neue Beschwer im Sinne von § 568 Abs. 2 Satz 2 ZPO gebunden, denn § 17 a Abs. 4
Satz 5 GVG stellt eine spezielle Regelung für die Zulassung dar, (vgl. Zöller-
Gummer, § 17 a GVG, Rn 16; Thomas/Putzo, § 17 a GVG Anm. 5 b). Der nicht näher
begründeten anderweitigen Auffassung (Baumbach/Lauterbach/Al-bert/Hartmann, §
17 a GVG, Anm. Cb) folgt der Senat nicht.
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Beschwerdewert: 16.750,00 DM
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