Urteil des OLG Köln vom 04.10.1996

OLG Köln: kontradiktorisches verfahren, offenkundig, anhörung, öffentlich, vollstreckung, rechtspflege, einverständnis, sanktion, beschränkung, entstehung

Datum:
Gericht:
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Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Köln, 20 W 37/96
04.10.1996
Oberlandesgericht Köln
20. Zivilsenat
Beschluss
20 W 37/96
Landgericht Köln, 16 0 544/92
Auf die als Beschwerde geltende Erinnerung der Antragstellerin wird der
Beschluß der Rechtspflegerin des Landgerichts Köln vom 11. Juli 1996 -
16 0 544/92 - aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Behandlung
und Entschließung, auch über die Kosten dieses Beschwerdeverfahrens
an das Landgericht - Rechtspfleger - zurückverwiesen.
G r ü n d e :
Im Ausgangsverfahren sind die von den Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten
mit Kostenfest-setzungsbeschluß vom 26. Mai 1993 auf 899,57 DM nebst 4 % Zinsen seit
dem 16. März 1993 festge-setzt worden.
Mit der Behauptung, als Rechtsschutzversichererin des Klägers für diesen die Gerichts-
und Anwalts-kosten verauslagt zu haben, hat die Antragstelle-rin beantragt, den
vollstreckbaren Kostenfestset-zungsbeschluß auf sie umzuschreiben.
Auf dieses Gesuch hin hat die Rechtspflegerin dem Schuldner folgende Mitteilung
zustellen lassen:
"Ich darf sie darauf hinweisen, daß ich dem An-trag (auf Titelumschreibung) nur
entsprechen kann, wenn mir ihre ausdrückliche Einverständniserklä-rung vorliegt. Ohne
ihre verbindliche Zustimmung müßte ich den Antrag zurückweisen. In diesem Falle könnte
die Antragstellerin ihren Anspruch jedoch im Wege der Klage nach § 731 ZPO geltend
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machen, wodurch ihnen wahrscheinlich Kosten entstehen würden.
Nachdem der Schuldner diese ihm am 19. Juni 1996 zugestellte Mitteilung unbeantwortet
gelassen hatte, hat die Rechtspflegerin den Antrag auf Titelumschreibung mit Beschluß
vom 11.7.1996 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des 17. und 19. Se-nats des OLG
Köln (17 W 350/89; 17 W 306/89; 19 W 21/90; 17 W 55/93) zurückgewiesen.
Der dagegen gerichteten Erinnerung der Antragstel-lerin hat die Rechtspflegerin nicht
abgeholfen. Dem hat sich das Landgericht aus den seiner Auf-fassung nach zutreffenden
Gründen des angefochte-nen Beschlusses der Rechtspflegerin angeschlossen und die
Sache dem Senat zur Entscheidung vor-gelegt.
Die Erinnerung ist zulässig.
Die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung ist in den Fällen von § 727 ZPO dem
Rechtspfleger übertragen (§ 20 Ziffer 12 RpflG). Die gegen diese Entscheidung mögliche
Erinnerung (§ 11 Abs. 1 Satz 1 RpflG) gilt, nachdem ihr weder die Rechtspflege-rin noch
die Zivilkammer abgeholfen haben, als Be-schwerde gegen die von der Rechtspflegerin
erlas-sene Entscheidung (§ 11 Abs. 2 Satz 5 RpflG).
Die danach als Beschwerde geltende Erinnerung der Antragstellerin führt zur Aufhebung
des angefoch-tenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sa-che an die zuständige
Rechtspflegerin.
Die Rechtspflegerin und ihm folgend die Zivilkam-mer haben sich zur Begründung ihrer,
dem angegrif-fenen Beschluß zugrundeliegenden Rechtsauffassung auf Entscheidungen
des 17. und 19. Zivilsenats des OLG Köln gestützt (17 W 350/89, 17 W 306/89, 19 W 21/90
und 19 W 55/93). Der dort vertretenen Auffassung vermag sich der Senat nicht anzuschlie-
ßen. Im obergerichtlichen Meinungsstreit zur Frage der Voraussetzungen einer
Umschreibung des Voll-streckungstitels, der sich im wesentlichen an der Frage
kristallisiert, ob § 138 ZPO auch im Verfah-ren nach § 727 ZPO anwendbar ist, schließt
sich der Senat der Auffassung der dies bejahenden Ober-landesgerichte an (OLG Köln, 2
W 132/94, JurBüro 1995, 94 = JMBLNW 1995, 6; OLG Köln 12 W 4/96; OLG Köln 24 W
11/96; OLG Köln, 26 W 15/95, Rechts-pfleger 96, 208, OLG Köln, 27 W 44/90, JurBüro
1991, 1000 f.; OLG Celle, JurBüro 1994, 741; OLG Braunschweig, JurBüro 1993, 240; OLG
Düsseldorf, Rechtspfleger 1991, 465 f.; OLG Koblenz, JurBüro 1990, 1675; OLG
Saarbrücken, JurBüro 1991, 726; OLG Karlsruhe, JurBüro 1995, 93 und OLG Frankfurt, 25
W 88/95) an.
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Im Ausgangspunkt besteht Einigkeit darüber, daß im Klauselerteilungsverfahren eine
Titelumschrei-bung auf den Rechtsnachfolger nur vorgenommen werden kann, wenn die
Rechtsnachfolge offenkundig oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden
nachgewiesen ist. Dabei hat die Rechs-pflegerin im vorstehenden Zusammenhang zu
Recht angenommen, daß die Anforderung des § 727 ZPO für den Nachweis der
Rechtsnachfolge auch für die An-tragstellerin als Rechtsschutzversicherung gelten. Deren
Rechtsnachfolge nach § 67 VVG, 20 Abs. 2 ARB kann im Ausgangspunkt nicht als
offenkundig angesehen werden. Vielmehr muß die Tatsache der Rechtsnachfolge hier
ebenso durch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen werden,
an der es hier fehlt. Die Ansicht der Antragstellerin, daß sich der Nachweis der Rechts-
nachfolge nach § 727 ZPO erübrige, wenn diese kraft Gesetzes eingetreten sei, teilt der
Senat nicht. Zutreffend ist zwar, daß die gesetzliche Regelung als solche eines
Nachweises nicht bedarf. Das ändert aber nichts daran, daß die Tatsachen, die zur
Rechtsnachfolge kraft Gesetzes führen, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte
Urkunden nachgewiesen werden müssen, soweit die Tatsachen, aus denen dies
hergeleitet werden kann, nicht als offenkundig anzusehen sind (§ 727 ZPO).
Offenkundig im Sinne von § 727 ZPO i.V. mit § 291 ZPO ist eine Tatsache, wenn sie
allgemein oder zumindest aufgrund der jetzigen oder einer frühe-ren amtlichen Tätigkeit
dem Gericht bekannt ist. Danach aber sind die für einen Forderungsübergang gemäß den
§§ 767 VVG, 20 Abs. 2 ARB notwendigen Voraussetzungen generell nur insoweit
offenkundig, als der Kläger des Ausgangsrechtsstreits einen Kostenerstattungsanspruch
gegen den Beklagten hat. Im weiteren ist weder allgemein noch gerichts-bekannt, ob
zwischen der Antragstellerin und dem Kläger ein Rechtsschutzversicherungsvertrag
besteht, welchen Inhalt dieser hat und ob die An-tragstellerin für die dem Kläger
entstehenden Ver-fahrenskosten eingetreten ist oder diese erstattet hat.
Allerdings besteht im Rahmendes o. g. Meinungsstreits auch Einigkeit darüber, daß die
Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung auch dann zulässig ist, wenn der Schuldner
die Rechts-nachfolge zugesteht (Zöller-Stöber, 19. Aufl., § 727 Rdnr. 20; Schuschke,
Vollstreckung und vorläufige Rechtsschutz, § 727, Rdnr. 30; jeweils m.w.N.).
Einigkeit besteht in diesem Zusammenhang weiterhin darüber, daß die Erteilung einer
vollstreckbaren Ausfertigung auch dann zulässig ist, wenn der Schuldner die
Rechtsnachfolge, etwa im Rahmen sei-ner Anhörung (§ 730 ZPO) zugesteht (§ 288 ZPO).
Daß diese Voraussetzung auch dann angenommen werden können, wenn der Schuldner
im Rahmen sei-ner Anhörung den ihm dort mitgeteilten Tatsachen nicht entgegentritt (§ 138
Abs. 3 ZPO), wird von dem oben zitierten, dies verneinenden Teil der Rechtsprechung
abgelehnt. Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, daß § 138 Abs. 3 ZPO auf ein
kontradiktorisches Verfahren zugeschnitten sei, das innerhalb eines bestehenden
Rechtsver-hältnisses jeder Partei besondere Pflichten aufer-lege, die es allein
rechtfertigten, an eine unter-lassene Erklärung die Sanktion der Geständnisfik-tion zu
knüpfen.
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Dem kann in Übereinstimmung mit der oben zitierten bejahenden Rechtsprechung nicht
gefolgt werden.
Mit dem Klauselerteilungsverfahren gemäß § 727 ZPO will der Gesetzgeber dem
Neugläubiger die Möglich-keit verschaffen, die Voraussetzungen der Zwangs-vollstreckung
auf einem vereinfachten Wege, unter Vermeidung einer dahingehenden Klage, (§ 731
ZPO) zu erreichen. Der danach bei der Anwendung des § 727 ZPO im Vordergrund
stehende Gesichtspunkt der Prozeßökonomie rechtfertigt es, eine Klausel-umschreibung
gemäß § 727 ZPO auch dann zuzulassen, wenn der Schuldner im Rahmen seiner
Anhörung keine Einwendungen gegen die Rechtsnachfolge des Neugläubigers erhoben
hat. Diesem im Vordergrund stehenden Gesichtspunkt der Prozeßökonomie wird nicht
hinreichend Rechnung getragen, wenn man den Gläubiger nur deshalb auf die mit weiteren
Kosten verbundene Klauselklage (§ 731 ZPO) verweisen wollte, weil nur dort dem
Schweigen des Schuldners gemäß § 138 Abs. 3 ZPO Geständniswirkung zukommt. Gegen
eine Beschränkung des § 138 Abs. 3 ZPO auf das kontradiktorische Verfahren, die dem
Wortlaut der Regelung selbst nicht zu entnehmen ist, spricht auch der Umstand, daß der
Schuldner gemäß § 730 ZPO auch am Klauselverfahren des § 727 ZPO gesetzlich
zwingend zu beteiligen ist. Es ist, wie bereits der 2. und der 12. Zivilsenat des Oberlan-
desgerichts Köln zum Ausdruck gebracht haben, (2 W 132/94 a.a.O; 12 W 4/96, Beschluß
vom 1.2.1996), nicht einzusehen, daß der Schuldner, der der Klau-selumschreibung nichts
entgegenzusetzen hat, mit einem kostenträchtigen Klageverfahren überzogen werden muß,
nur um dort den Sachvortrag des Gläu-bigers nach § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig stellen zu
können. Meldet sich der Schuldner nicht, obwohl ihm Gelegenheit gegeben wird, zu dem
Vorbringen des Gläubigers im Klauselerteilungsverfahren Stel-lung zu nehmen, so
bestehen gegen die Anwendung des § 138 Abs. 3 ZPO auch in diesem Verfahren kei-ne
Bedenken.
Soweit die Gegenansicht (OLG Köln, 19 W 55/93, Beschluß vom 6. Juni 1994) dem
entgegenhält, der Neugläubiger könne an Stelle eines Klageverfahrens (§ 731 ZPO), die
Klauselumschreibung mit Hilfe einer von einem Notar gemäß den §§ 1, 39, 40 Be-urRG
i.V.m. § 129 BGB beglaubigten, den formellen Erfordernissen des § 727 ZPO genügenden
Erklärung erreichen, nach deren Inhalt der Kläger des Aus-gangsverfahrens bestätigt, daß
die Neugläubigerin ihn von allen Anwalts- und Gerichtskosten freige-stellt oder diese an
ihn gezahlt hat und die ge-samten Kostenerstattungsansprüche aus dem zugrun-
deliegenden Rechtsstreit auf die Neugläubigerin übergegangen sind, führt auch dieser
Weg, der nur unter Mitwirkung des Titelgläubigers beschritten werden kann, ebenfalls zu
ökonomisch überflüssigen Mehrkosten.
Für die Entstehung derartiger Mehrkosten besteht, ebenso wie für die durch ein Verfahren
nach § 731 ZPO entstehenden Verfahrenskosten, unter Abwägung aller hierfür
maßgeblichen Gesichtspunkte allein im Interesse einer dogmatischen Einschränkung des
Anwendungsbereichs des § 138 Abs.3 ZPO auf das kontradiktorische Verfahren kein
hinreichender Anlaß.
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Danach ist der angegriffene Beschluß aufzuheben und die Sache an das Landgericht -
Rechtspflege-rin - zurückzuverweisen.
Vor einer erneuten Entscheidung über den Antrag der weiteren Beteiligten unter
Beachtung der hier vertretenen Auffassung des Senats wird allerdings auch die Anhörung
des Schuldners zu wiederholen sein. Dieser durfte sich nach dem Inhalt des An-schreibens
vom 12. Juni 1996 (Bl. 45 d.A.) darauf verlassen, daß dem Antrag auf Titelumschreibung
nur entsprochen werde, wenn er sein Einverständnis hierzu ausdrücklich erklärt. Diesem,
auf die vom Landgericht vertretenen Auffassung zurückzuführen-de Hinweis an den
Schuldner wird nach dem Voran-gehenden zu wiederholen und dahin zu fassen sein, daß
die von der Antragstellerin zur Begründung der Titelumschreibung vorgetragenen
Tatsachen als Zu-stand anzusehen seien, wenn diesen nicht ausdrück-lich
entgegengetreten wird.
Beschwerdewert: 899,57 DM.