Urteil des OLG Köln vom 14.07.1993
OLG Köln (kläger, firma, auftraggeber, verjährung, betrag, zahlung, aufrechnung, auszahlung, rechnung, eintritt)
Oberlandesgericht Köln, 17 U 35/93
Datum:
14.07.1993
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
17. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
17 U 35/93
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 15 O 670/91
Schlagworte:
Rechtsanwalt Kostenrechnung Adressat
Normen:
BRAGO § 18, BGB §§ 196, 201, 387, 390
Leitsätze:
1) Zur ordnungsgemäßen Rechnungserteilung des Rechtsanwalts gem.
§ 18 BRAGO genügt es nicht ohne weiteres, daß dem Auftraggeber
bekannt wird, daß der Anwalt dem Gegner die Anwaltskosten zur
Bezahlung aufgibt. 2) Eine nach Eintritt der Verjährungsfrist erteilte
Kostenrechnung entfaltet keine Rückwirkung.
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 12. November 1992
verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 15 O
670/91 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Dieses Urteil ist
vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die formell bedenkenfreie Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das
Landgericht hat einen Anspruch der Kläger aus den §§ 675, 667 BGB auf
Herauszahlung der von dem Beklagten einbehaltenen 9.021,73 DM mit Recht bejaht.
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Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung klargestellt, nicht bestreiten zu
wollen, daß der Beklagte beauftragt gewesen ist, für sie als Mit- glieder der Bauherren-
/Wohnungseigentümergemein- schaft B.straße 25, .... K., Gewährleistungsan- sprüche
gegen die Firma .... geltend zu machen und die Stadtsparkasse K. aus der für die Firma
.... übernommenen Gewährleistungsbürgschaft in Anspruch zu nehmen. In Ausführung
dieses Auftrages hat der Beklagte bei der Stadtsparkasse K. 97.500,00 DM abgerufen
und hiervon bisher lediglich 14.411,39 DM an die Kläger und - von diesen unbe-
anstandet - weitere 74.066,88 DM an die Firma .... ausgekehrt. Es verbleibt mithin ein
Betrag von 9.021,73 DM, den der Beklagte aus der Geschäfts- besorgung erlangt und an
die Kläger herauszugeben hat.
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Für die von der Berufung offenbar vertretene Ansicht, die Stadtsparkasse K. habe für die
Firma .... gezahlt, so daß es sich bei den dem Beklagten aus der Bürgschaft
zugeflossenen 97.500,00 DM um "Gelder der ...." gehandelt habe, fehlt es an jedem
tatsächlichen Anhalt. Die unstreitige Tatsa- che, daß der Beklagte sich als
(Einziehungs-) Be- vollmächtigter der Bauherren-/Wohnungseigentümer- gemeinschaft
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ausgewiesen und die Stadtsparkasse K. unter dem 30. April 1986 namens der
Bauherrenge- meinschaft aufgefordert hat, den Bürgschaftsbetrag binnen drei Tagen auf
sein Konto zu überweisen, läßt keinen ernstlichen Zweifel daran zu, daß die
Stadtsparkasse mit der in der Folge geleisteten Zahlung ihre den Klägern gegenüber
bestehende Ver- pflichtung aus der Bürgschaft hat erfüllen wollen und erfüllt hat. Dafür,
daß die Stadtsparkasse K. sich des Beklagten zugleich als Treuhänder bedient und
diesem in Bezug auf die Verwendung des Geldes Auflagen gemacht hat, die es dem
Beklagten verbo- ten und weiterhin verbieten, den hier in Rede ste- henden Betrag an
die Kläger abzuführen, ist nichts dargetan. Dies kann um so weniger angenommen
werden, als die Stadtsparkasse K. nach den Bedin- gungen des Bürgschaftsvertrages
zur Zahlung "auf erstes Anfordern" verpflichtet und folglich nicht berechtigt war, die
Auszahlung der Bürgschaftssum- me an bestimmte Bedingungen zu knüpfen oder mit
Weisungen an den Beklagten als den bevollmächtig- ten Vertreter der Bauherren-
/Wohnungseigentümerge- meinschaft zu verbinden.
Der dem Herausgabeanspruch der Kläger nunmehr ent- gegengesetzte Einwand des
Beklagten, daß die bis- her weder an die Kläger noch an die Firma .... zur Auszahlung
gelangten 9.021,73 DM von den Klägern zugunsten der Firma .... freigegeben worden
seien, findet in dem Sachvortrag der Parteien keine Stütze. Richtig ist, daß die S.
Immobilien GmbH, die mit der Verwaltung des gemeinschaftlichen Ei- gentums
beauftragt war, in ihrem an den Beklagten gerichteten Schreiben vom 19. Juli 1986 nur
die Herauszahlung der nach der "Zwischenabrechnung mit der .... per 12.06.1986" für
die Bauherrengemein- schaft einbehaltenen 14.411,39 DM verlangt und dieser
Abrechnung auch in der Folge nicht aus- drücklich widersprochen hat. Damit hat die S.
Im- mobilien GmbH jedoch allenfalls der Auszahlung des sich aus der
Zwischenabrechnung des Beklagten vom 12. Juni 1986 ergebenden Betrages von
74.066,88 DM an die Firma .... zugestimmt; daß sie auch die von dem Beklagten "für
seine Gebühren" einbehaltenen 9.021,73 DM zugunsten der Firma .... freigegeben hat,
läßt sich dem Schreiben nicht entnehmen.
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Zu Unrecht meint der Beklagte, daß er seine Gebühren "von der .... und auf deren
Kosten erlangt" habe. Den von dem Beklagten einbehaltenen 9.021,73 DM hat keine
Leistung der Firma .... zugrundegelegen. Eine Leistung setzt eine bewuß- te und
zweckgerichtete Vermögensvermehrung voraus. Diese Voraussetzung ist vorliegend
nicht gegeben. Der Beklagte hat den ihm aus seiner anwaltlichen Tätigkeit für die
Kläger erwachsenen Vergütungs- anspruch einseitig mit dem der Firma .... nach seiner
Ansicht gegen die Kläger zustehenden An- spruch auf Herauszahlung des nicht
verbrauchten Bürgschaftsvertrages verrechnet, indem er sein Honorar in voller Höhe in
die Zwischenabrechnung vom 12. Juni 1986 eingestellt und von dem von ihm
angenommenen Herausgabeanspruch der Firma .... ge- genüber den Klägern in Abzug
gebracht hat. Nichts spricht dafür, daß die Firma .... die Kostenschuld der Kläger
übernommen und sich mit dem Beklagten auf eine Verrechnung der diesem
erwachsenen Gebüh- ren mit ihrem Guthaben aus dessen Zwischenabrech- nung vom
12. Juni 1986 geeinigt hat. Eine solche Vereinbarung ist zwischen den Parteien nicht
zustande gekommen. Der unstreitige Sachverhalt rechtfertigt vielmehr die Annahme,
daß der Beklag- te seine Gebühren ohne die Zustimmung der Firma .... von der
Bürgschaftssumme abgezweigt hat. Daß die Firma .... nicht die Absicht hatte, die dem
Beklagten gegenüber bestehende Verbindlichkeit der Kläger zu übernehmen und die
Honorarforderung des Beklagten auszugleichen, belegt nicht zuletzt die Tatsache, daß
sie der Zwischenabrechnung des Beklagten unter dem 18. Juni 1986 widerspro- chen
und die Kläger mit Schreiben vom 22. Janu- ar 1987 ausdrücklich darauf hingewiesen
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hat, daß sie nicht bereit sei, "irgendwelche ....... Ko- sten zu tragen, insbesondere nicht
die Rechnung des ....... völlig überflüssigerweise als Treuhän- der eingeschaltenen
Rechtsanwalts Dr. L.". Mit dem Einbehalt der hier streitigen 9.021,73 DM hat der
Beklagte demnach einseitig gegenüber der Firma .... aufgerechnet. Diese
Aufrechnungserklärung hat sich jedoch lediglich auf einen möglichen Anspruch der
Kläger gegen die Firma .... auf Ersatz der ihnen durch die Zuziehung des Beklagten
entstande- nen Anwaltskosten beziehen und folglich nur einen etwaigen Anspruch der
Firma .... gegen die Kläger auf Auszahlung des nicht verbrauchten Bürgschafts-
betrages teilweise zum Erlöschen bringen können. Der dem Beklagten gegen die
Kläger erwachsene Honoraranspruch ist hiervon ebensowenig berührt worden wie der
den Klägern gegen den Beklagten zustehende Anspruch, das aus der anwaltlichen Ge-
schäftsbesorgung Erlangte an sie herauszugeben.
Aus der von ihm als Bevollmächtigtem der Kläger entgegengenommenen Zahlung der
Stadtsparkasse K. einen Betrag in Höhe der Klageforderung "für seine Gebühren"
einzubehalten, ist der Beklagte nicht berechtigt. Eine Aufrechnung mit der ihm aus sei-
ner anwaltlichen Tätigkeit für die Kläger erwach- senen Honorarforderung ist dem
Beklagten versagt. Der Anspruch auf Herausgabe des Erlangten nach den §§ 675, 667
BGB ist zwar, wenn er, wie hier, le- diglich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages
zum Gegenstand hat, in den für eine Aufrechnung gemäß § 387 BGB wesentlichen
Gesichtspunkten einem Geldanspruch gleichartig (BGH NJW 1978, 1807). Ei- ner
Aufrechnung durch den Beklagten steht jedoch § 390 Satz 1 BGB entgegen. Nach
dieser Vorschrift kann eine Forderung, der eine Einrede entgegen- steht, nicht
aufgerechnet werden. Das gilt nach § 390 Satz 2 BGB auch für die Einrede der Verjäh-
rung, wenn die Gebührenforderung, mit der aufge- rechnet werden soll, bei Eintritt der
Verjährung noch nicht einforderbar gewesen ist, wenn sie also bereits verjährt war,
bevor der Rechtsanwalt seinem Auftraggeber die in § 18 Abs. 1 BRAGO vor-
geschriebene Kostenberechnung erteilt hat, weil es dann an der für die Zulässigkeit der
Aufrechnung erforderlichen Voraussetzung fehlt, daß sich die Forderungen in nicht
verjährter Zeit einforder- bar und damit aufrechenbar gegenübergestanden ha- ben (vgl.
KG Anwaltsblatt 1982, 71; BGH Anwalts- blatt 1985, 257).
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Die Honorarforderung des Beklagten ist verjährt. Der Vergütungsanspruch des
Beklagten ist mit Been- digung der Anwaltstätigkeit im Jahre 1987, späte- stens jedoch
mit der Beantwortung des Schreibens der anwaltlichen Vertreter der Firma .... vom 9.
Dezember 1988 fällig geworden (§ 16 Satz 1 BRA- GO), die zweijährige Verjährungsfrist
(§ 196 Abs. 1 Nr. 15 BGB) somit jedenfalls am 31. Dezem- ber 1988 in Lauf gesetzt
worden (§§ 201 BGB, 18 Abs. 1 Satz 2 BRAGO), so daß spätestens mit dem 31.
Dezember 1990 Verjährung eingetreten ist. Vor diesem Zeitpunkt hat der Beklagte
weder den Klä- gern noch der als Verwalterin eingesetzten S. Im- mobilien GmbH eine
den Anforderungen des § 18 BRA- GO genügende Kostenrechnung erteilt; er hat seine
Vergütung nur der Stadtsparkasse K. und der Firma .... gegenüber geltend gemacht.
Dadurch ist die Einforderbarkeit der dem Beklagten gegen die Kläger zustehenden
Gebührenforderung jedoch nicht begründet worden, mag den Klägern auch aus dem
Ge- sichtspunkt des Verzuges ein Anspruch auf Erstat- tung der ihnen durch die
Einschaltung des Beklag- ten entstandenen Anwaltskosten gegen die Stadt- sparkasse
K. und/oder die Firma .... erwachsen sein. Es ist anerkannten Rechts, daß die Kostenbe-
rechnung dem Auftraggeber mitgeteilt sein muß, an- dernfalls dieser auf den
Vergütungsanspruch seines Anwalts keine Zahlungen zu erbringen braucht. Auf-
traggeber des Beklagten aber waren ausschließlich die Kläger.
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Seiner Verpflichtung, den Klägern eine den Erfor- dernissen des § 18 BRAGO
entsprechende Gebühren- rechnung zu übermitteln, war der Beklagte auch nicht etwa
deshalb enthoben, weil die S. Immo- bilien GmbH von dem als "Zwischenabrechnung"
be- zeichneten Schreiben vom 12. Juni 1986, in welchem der Beklagte die Firma ....
unter Hinweis auf sei- ne Kosten über die Verwendung der Bürgschaftssumme
unterrichtet hat, noch im Juli 1986 Kenntnis er- langt hat. Der Beklagte hat in die der
Firma .... erteilte Abrechnung der Bürgschaftssumme lediglich den Gesamtbetrag der
von ihm als Vergütung für seine im Auftrag der Kläger entfaltete Tätigkeit beanspruchten
Gebühren eingestellt. Im übrigen läßt sich den seinerzeit erstellten Kostenrechnun- gen
des Beklagten nicht entnehmen, aus welchen Vorschriften er seinen Gebührenanspruch
herleitet. Eine Berechnung, aus der sich die angewandten Gebührenvorschriften nicht
ersehen lassen, genügt indessen den gesetzlichen Erfordernissen nicht und löst mithin
keine Zahlungspflicht des Auftragge- bers aus. Es kann deshalb auch dahinstehen, ob
der S. Immobilien GmbH, wie die Berufung offenbar geltend machen will, neben der
Zwischenabrechnung des Beklagten vom 12. Juni 1986 auch die auf die
Stadtsparkasse K. und die Firma .... ausgestellten Kostenrechnungen des Beklagten zur
Kenntnisnahme übersandt oder vorgelegt worden sind.
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Einer dem Auftraggeber mitgeteilten Kostenberech- nung des Anwalts bedarf es
allerdings nicht, wenn der Auftraggeber darauf verzichtet hat. Ein sol- cher Ausnahmefall
liegt hier jedoch nicht vor. Aus dem Umstand, daß die S. Immobilien GmbH es anfangs
unbeanstandet hingenommen hat, daß der Beklagte den für die Kläger eingezogenen
97.500,00 DM einen Betrag von 9.021,73 DM entnommen und diesen zur Deckung
seiner vermeintlichen Gebührenansprüche verwandt hatte, kann nicht geschlossen
werden, daß die S. Immobilien GmbH namens der Kläger auf eine Kostenberechnung
verzichtet oder gar die Gebührenforderung des Beklagten nach Grund und Höhe
anerkannt hat. Auch dem bereits erwähnten Schreiben der S. Immobilien GmbH an den
Beklagten vom 19. Juli 1986 kommt eine derart weitreichende Erklärungsbedeutung
nicht zu, zumal die Firma S. Immobilien GmbH sich darin nach der Reaktion der Firma
.... "auf die Einbehaltung" erkundigt hat. Der Beklagte konnte mithin keineswegs darauf
ver- trauen, daß die Kläger seine der Firma .... gegen- über vorgenommene
Zwischenabrechnung vom 12. Ju- ni 1986 vorbehaltslos gegen sich gelten lassen
würden. Der Kläger Dr. H. hat denn auch den Be- klagten unter dem 29. Mai 1987
ausdrücklich aufge- fordert, seine "Kostenabrechnung gegenüber der Ge- meinschaft
vorzunehmen".
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Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch der Kläger auf Herauszahlung des von
dem Beklagten aus der anwaltlichen Geschäftsbesorgung erlangten Geldbetrages und
dessen Vergütungsanspruch haben sich demnach in unverjährter Zeit nicht aufrechen-
bar gegenübergestanden. Dies stellt ein Aufrech- nungshindernis dar. Zwar kann sich
auf die Schutz- wirkung der Verjährungsvorschriften nicht berufen, wer die Verjährung
arglistig herbeigeführt und deshalb den Gläubiger - etwa im Wege des Schadens-
ersatzes nach den §§ 826, 249 BGB - so zu stellen hat, als sei die Verjährung nicht
eingetreten (vgl. BGH LM § 88 HGB Nr. 4). Die Berufung zeigt jedoch nichts auf, was
darauf schließen ließe, daß die Kläger den Beklagten in vorwerfbarer Weise da- von
abgehalten haben, ihnen eine Kostenberechnung zu übermitteln.
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Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Beklag- ten vom 1. Juli 1993 gibt weder
Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, noch rechtfertigt er eine
andere rechtliche Beurtei- lung. Die von der Berufung in Anlehnung an die
Ausführungen von Sch. in der Anmerkung zum Urteil des Landgerichts Aschaffenburg
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vom 8. Dezember 1977, KostRspr., BRAGO § 18 Nr. 5, vertretene An- sicht, daß eine
dem Auftraggeber nach Eintritt der Verjährung erteilte Kostenberechnung nach
Maßgabe des § 18 BRAGO Rückwirkung entfalte, findet in der gesetzlichen Regelung
keine Stütze.
Nach alledem muß es bei dem angefochtenen, der Klage stattgebenden Urteil des
Landgerichts ver- bleiben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Anordnung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Streitwert der Berufung und Beschwer des Beklag- ten: 9.021,73 DM.
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