Urteil des OLG Köln vom 30.12.1998
OLG Köln (aufschiebende wirkung, in ungerechtfertigter weise, schuldner, beschwerde, versicherung, zpo, wirkung, haft, abgabe, gläubiger)
Oberlandesgericht Köln, 2 W 60/98
Datum:
30.12.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 W 60/98
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 5 T 331/97
Schlagworte:
Ausschluss Einwendung des Schuldner Haftanordnung
Normen:
AO § 284
Leitsätze:
Auch nach der ab 1.1.1994 gültigen Fassung von § 284 Abs. 5 AO gilt
weiterhin, dass den Einwendungen des Schuldners keine
aufschiebende Wirkung zuerkannt werden kann, die erstmals geltend
gemacht worden sind, wenn das Verfahren nach § 284 Abs. 1 bis 5 in
das Haftverfahren nach § 284 Abs. 7 AO übergegangen ist.
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners vom 2. April 1998
gegen den Beschluß der 5. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom
10. März 1998 - 5 T 331/98 - wird als unzulässig verworfen. Die Kosten
des Verfahrens der weiteren Beschwerde hat der Schuldner zu tragen.
G r ü n d e
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Auf Antrag des Gläubigers hat das Amtsgericht Aachen durch Haftbefehl vom 13.
Oktober 1997 gegen den Schuldner die Haft angeordnet, um die eidesstattliche
Versicherung gemäß § 284 AO zu erzwingen. Am 21. November 1997 hat der
Schuldner zum Aktenzeichen 201/0088/3204 bei dem Gläubiger Einspruch gegen die
Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung eingelegt. Jenes Verfahren
ist nunmehr bei dem Finanzgericht anhängig, nachdem der Schuldner gegen die
Einspruchsentscheidung Klage erhoben hat. Die gegen den Beschluß des Amtsgerichts
vom 13. Oktober 1997 gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners hat das
Landgericht Aachen durch Beschluß vom 10. März 1998 - 5 T 331/97 - auf Kosten des
Schuldners zurückgewiesen. Dieser Beschluß ist den Bevollmächtigten des Schuldners
am 19. März 1998 zugestellt worden. Mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten
vom 2. April 1998, bei Gericht eingegangen an demselben Tage, hat der Schuldner
sofortige weitere Becshwerde eingelegt. Mit Schriftsatz seiner
Verfahrensbevollmächtigten vom 26. Mai 1998 hat der Gläubiger den Antrag auf Erlaß
des Haftbefehls zurückgenommen.
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Daraufhin hat der Schuldner mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 23.
Juni 1998 " den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt ". Der Gläubiger
vertritt demgegenüber den Standpunkt, die weitere Beschwerde sei unzulässig wegen
Fehlens der Voraussetzungen der §§ 567 Abs. 3 Satz 1, 568 Abs. 2 ZPO.
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Die Erklärung des Schuldners mit Schriftsatz vom 23. Juni 1998 ist als einseitige
Erledigterklärung des Rechtsmittels anzusehen. Das Rechtsmittel hat sich indes nicht
durch die Rücknahme des Antrages auf Erlaß des Haftbefehls durch den Gläubiger
erledigt. Eine dahingehende Feststellung kann nicht getroffen werden, weil die sofortige
Beschwerde nicht zulässig gewesen ist. Da sie nicht zurückgenommen worden ist, muß
sie nunmehr als unzulässig verworfen werden.
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Gemäß den §§ 568 Absatz 2 Satz 2, 793 Absatz 2 ZPO ist die weitere Beschwerde
gegen eine Entscheidung des Landgerichts in Zwangsvollstreckungssachen nur dann
gegeben, wenn durch den angefochtenen Beschluß ein "neuer selbständiger
Beschwerdegrund" gesetzt worden ist. Voraussetzung hierfür ist, daß das Amtsgericht
und das Landgericht ungeachtet der Fassung der jeweiligen Beschlußgründe im
Ergebnis voneinander abweichend entschieden haben. Darüber hinaus kommt ein
neuer selbständiger Beschwerdegrund nur in Betracht, wenn das Verfahren des
Landgerichts bei der Entscheidung über die Erstbeschwerde an einem wesentlichen
Mangel leidet und die angefochtene Entscheidung möglicherweise auf diesem
Verfahrensfehler beruht ( vgl. Senat, NJW-RR 1990, 511; ZIP 1995, 1823, 1833; Zöller /
Gummer, ZPO, 21. Aufl., § 568, Rdn. 6 ff, 16 ff ).
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Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Entscheidungen der Vorinstanzen
stimmen im Ergebnis überein, so daß es an einer neuen Beschwer des Schuldners
durch den Beschluß des Landgerichts fehlt. Das Landgericht hat durch diesen Beschluß
die Erstbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen und damit den
Haftanordnungsbeschluß des Amtsgerichts bestätigt.
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Ein entscheidungsursächlicher Verfahrensfehler des Landgerichts ist nicht ersichtlich.
Seine verfahrensrechtliche Pflicht, das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Kenntnis
zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen, hat das Landgericht
ausweislich der Gründe des angefochtenen Beschlusses erfüllt. Die Zivilkammer
brauchte nicht auf jeden einzelnen Gesichtspunkt in den Beschlußgründen ausdrücklich
einzugehen.
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Selbst wenn man im übrigen davon ausgehen wollte, das Landgericht habe den Vortrag
des Schuldners zu der Änderung des § 284 AO durch das Gesetz zur Bekämpfung des
Mißbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts ( StMBG ) vom 21. Dezember 1993
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( BGBl. I, 2310 ) bei seiner Entscheidung in verfahrensfehlerhafter Weise
unberücksichtigt gelassen, führte dies im Ergebnis nicht zu einer anderen Beurteilung,
weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf fehlender Auseinandersetzung mit
den geänderten Rechtsvorschriften der Abgabenordnung beruht.
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Nach der ab 1. Januar 1994 gültigen geänderten Fassung von § 284 Abs. 5 AO hat die
Erhebung von Einwendungen nur dann keine aufschiebende Wirkung, wenn und soweit
die Einwendungen in einem früheren Verfahren unanfechtbar zurückgewiesen sind. Die
nach vorher geltendem Recht mögliche Ausdehnung der Präklusionswirkung auf nicht
erhobene, aber von Beginn des Verfahrens an bekannte Einwendungen ist nach der
Gesetzesänderung nicht mehr zulässig. Damit ist aber nicht die Rechtsprechung
überholt, nach der diejenigen Einwendungen des Schuldners keine aufschiebende
Wirkung haben, die erstmals geltend gemacht worden sind, nachdem der Schuldner
dem ersten Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung unentschuldigt
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ferngeblieben ist und die Haft angeordnet war ( vgl. grundlegend BFH, BStBl. II 1990,
146; ebenso Senat, OLGR 1993, 278 ).
Zwar kann nach der Neufassung des § 284 Abs. 5 und 7 AO die Parallele zu den mit der
früheren Fassung im Wortlaut teilweise übereinstimmenden §§ 900, 901 ZPO nicht mehr
zur Auslegung herangezogen werden ( so zum alten Recht BFH a.a.O., BStBl. II 1990,
147 ). Die übrigen Gesichtspunkte jener Rechtsprechung gelten aber weiterhin. Die
Systematik von § 284 Abs. 5 und 7 AO ist im Vergleich zur alten Fassung unverändert
geblieben ( vgl. dazu Thesling, DStR 1994 1338, 1340 ). Dem systematischen Aufbau
der Norm ist zu entnehmen, daß den Einwendungen keine aufschiebende Wirkung
zuerkannt werden kann, wenn das Verfahren nach § 284 Abs. 1 bis 5 AO in das
Haftverfahren nach § 284 Abs. 7 AO übergegangen ist. Aus § 284 Abs. 7 Satz 1 AO
ergibt sich, daß die Befugnis der Vollstreckungsbehörde, beim zuständigen Amtsgericht
die Anordnung der Haft zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung zu
beantragen, nur davon abhängig ist, daß der Vollstreckungsschuldner ohne
ausreichende Entschuldigung in dem zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung
anberaumten Termin nicht erschienen ist oder ohne Grund die Vorlage des
Vermögensverzeichnisses oder die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung
verweigert. Diese Regelung setzt voraus, daß das besondere Verfahren nach § 284
Abs. 5 AO beendet ist. Andernfalls hätte der Gesetzgeber die Anordnung der Haft für
zulässig erklärt, während noch keine Pflicht zur Abgabe der eidesstattlichen
Versicherung bestand, was nicht angenommen werden kann. Demnach ist dieser
Systematik zu entnehmen, daß spätestens nach Anordnung der Haft dem
steuerrechtlichen Rechtsbehelf im Sinne des § 284 Abs. 5 Satz 2 AO keine
aufschiebende Wirkung zukommt ( vgl. Tipke / Kruse, AO, 16. Aufl., § 284, Rn 19 mit
weiteren Nachweisen ). Damit wird der Schuldner auch nicht in ungerechtfertigter Weise
schutzlos gestellt. Es ist jedem Schuldner durchaus zuzumuten, rechtzeitig einen
Rechtsbehelf im Sinne von § 284 Abs. 5 Satz 2 AO einzulegen und zu begründen, um
die aufschiebende Wirkung zu erreichen.
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Die weitere Beschwerde muß danach mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO als
unzulässig verworfen werden. Es wird vorsorglich darauf hingewiesen, daß gegen die
vorliegende Entscheidung kein weiteres Rechtsmittel gegeben ist, § 567 Abs. 4 Satz 1
ZPO.
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Beschwerdewert: bis 3.000,-- DM ( geschätzt wie in der Vorinstanz )
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