Urteil des OLG Köln vom 24.01.1996

OLG Köln (treu und glauben, verwirkung, beschwerde, inhaber, umstände, gut, antragsteller, antrag, gerichtskosten, notiz)

Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 200/95
Datum:
24.01.1996
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 200/95
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 29 T 97/95
Tenor:
Auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der
Beschluß der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 28.09.1995 -
29 T 97/95 - abgeändert: Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2)
gegen den Beschluß des Amtsgerichts Bergisch-Gladbach vom 19.
September 1994 - 35 II 28/94 - wird in der Hauptsache zurückgewiesen.
Im Kostenpunkt wird dieser Beschluß dahin abgeändert, daß eine Er-
stattung außergerichtlicher Kosten nicht stattfindet. Die in zweiter und
dritter Instanz ent- standenen Gerichtskosten tragen die Be- teiligten zu
2). Außergerichtliche Kosten sind auch insoweit nicht zu erstatten.
G r ü n d e :
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Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG, §§ 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde
des Antragstellers hat auch in der Sache Erfolg. Die angefochtene Entscheidung
beruht auf einer Verkennung der Rechtslage. Dem Antrag-steller steht aufgrund der
vom Landgericht getroffenen Feststellungen, soweit sie der Beurteilung zugrunde
gelegt werden konnten, der geltend gemachte Unterlas-sungsanspruch gegen die
Antragsgegner in jedem Falle zu, so daß der Senat selbst abschließend zugunsten
des Antragstellers entscheiden konnte.
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Es bestehen zunächst keine Bedenken gegen die Annahme, daß der Beteiligte zu 1)
als Eigentümer der Wohnung mit der Nr. 46 Inhaber des Sondernutzungsrechts an
dem Stellplatz mit der Nr. 20 ist, wie er in der Aktennotiz des Verwalters vom
04.04.1989 orange gekennzeichnet ist. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat
nämlich die Sondernutzungsrechte an den Stellplätzen durch unange-fochten
gebliebenen Beschluß vom 19.06.1989 den in der Notiz aufgeführten Eigentümern
entsprechend zugeordnet. Demgegenüber ist die Darstellung der Antragsgegner, die
in der Notiz als Nutzer der Parkplätze ausgewiesenen Personen hätten daran
Sondernutzungsrechte erwerben sollen, unhaltbar, da es sich bei diesen großenteils
um Mieter handelt, denen naturgemäß innerhalb der Woh-
nungseigentümergemeinschaft keine eigene Rechtsposition zugewiesen werden
sollte. Entgegen der Auffassung der Antragsgegner ist der Beschluß vom 19.06.1989
keines-wegs unwirksam, weil sich sein Inhalt nicht feststellen ließe. Dieser ist vielmehr
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eindeutig, nachdem die näheren Umstände aufgeklärt sind, wie sie den Mitglie-dern
der Wohnungseigentümergemeinschaft aufgrund eige-ner Kenntnis dieser Umstände
allerdings von Anfang an bekannt sein mußten. Mangels Anfechtung ist der damali-ge
Beschluß auch verbindlich geworden. Als Inhaber des Sondernutzungsrechts an dem
Stellplatz Nr. 20 kann der Antragsteller nach § 15 Abs. 3 WEG i.V. mit § 1004 BGB von
den Antragsgegnern die Unterlassung jeglicher Nut-zung verlangen.
Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs ist nicht wegen Verwirkung
ausgeschlossen. Zwar kann auch die Ausübung eines Sondernutzungsrechts, das der
dinglichen Rechtsposition eines Eigentümers stark angenähert ist, wegen
Rechtsmißbrauchs gegen Treu und Glauben versto-ßen. Eine derartige Verwirkung
kann aber nur in beson-deren Ausnahmefällen in Betracht kommen. Die Vorausset-
zungen hierfür sind vorliegend nicht gegeben.
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Da die Wohnungseigentümergemeinschaft durch den Be-schluß vom 19.06.1989 eine
Neuzuweisung der Sondernut-zungsrechte an den Stellplätzen vorgenommen hat,
können die Antragsgegner sich frühestens von diesem Zeitpunkt an auf einen zu ihren
Gunsten sprechenden Vertrauens-tatbestand berufen. Dieser war gegenüber der
Rechtsvor-gängerin des Antragstellers bis zu dessen Eigentumser-werb am
05.10.1990 nicht eingetreten, da selbst ein Untätigbleiben über einen Zeitraum von 1
Jahr und 3 1/2 Monaten viel zu kurz ist, um eine Verwirkung der aus dem
Sondernutzungsrecht fließenden Ansprüche annehmen zu können.
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Aber auch der Antragsteller hat sein alleiniges Nutzungsrecht seit dem 05.10.1990
nicht verwirkt. Nach allgemeiner Auffassung ist ein Recht verwirkt, wenn der
Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der
Anspruchsgegner nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf vertrauen
durfte,die-ser werde sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen. Schon der vom
05.10.1990 bis zu dem anwaltli-chen Aufforderungsschreiben vom 10.11.1993
verstrichene Zeitraum von gut 3 Jahren erscheint reichlich kurz, um die
Rechtsausübung des Antragstellers als rechts-mißbräuchlich ansehen zu können.
Dies gilt besonders im Hinblick darauf, daß das Sondernutzungsrecht ein Recht zum
alleinigen Gebrauch beinhaltet und insoweit von seiner wirtschaftlichen Bedeutung her
dem Sonderei-gentum sehr nahe kommt. Soll ein derart weitreichendes Recht verwirkt
werden, müssen zu einem Zeitablauf von nur gut 3 Jahren erhebliche Umstände
hinzutreten, die das Vertrauen in die weitere Nichtausübung des Rechts rechtfertigen
sollen (vgl. Palandt, BGB, § 242, Rn. 93 ff.; Bielefeld, Der Wohnungseigentümer, Anm.
9.1.2.2 und 13.9.5). Außerdem muß das Vertrauen des Verpflich-teten auf ein
Fortbestehen der bisherigen Lage schutz-würdig sein. Tatsachen, aus denen auf das
Vorliegen dieser Erfordernisse geschlossen werden kann, hat das Landgericht nicht
festgestellt, und der Vortrag der Be-teiligten bietet in dieser Hinsicht auch keine
weiteren Anknüpfungspunkte. Eine bloße Untätigkeit des Antrag-stellers, sollte sie
überhaupt gegeben sein, was das Landgericht - allerdings nicht frei von Rechtsfehlern
- angenommen hat, würde für eine Verwirkung nicht ausrei-chen, so daß es insoweit
keiner neuen tatrichterlichen Feststellungen mehr bedarf. Es kommt hinzu, daß die
Antragsgegner auch keinen besonderen Vertrauensschutz verdienen, da sie selbst
Inhaber des Sondernutzungs-rechts an einem anderem Stellplatz sind, das sie aus
unerfindlichen Gründen nicht in Anspruch nehmen wollen.
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Es entspricht der Billigkeit gemäß § 47 WEG, daß die unterlegenen Beteiligten zu 2)
sämtliche Gerichtskosten zu tragen haben, während eine Erstattung außergericht-
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licher Kosten nicht angezeigt ist.
Beschwerdewert: 2.000,-- DM
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