Urteil des OLG Köln vom 28.02.2001

OLG Köln: allgemeine geschäftsbedingungen, agb, treu und glauben, auflage, erfüllung, gebühr, disposition, quittung, pauschal, darlehensvertrag

Oberlandesgericht Köln, 13 U 95/00
Datum:
28.02.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
13. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 U 95/00
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 26 O 77/99
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 23.02.2000 verkündete Urteil
des Landgerichts Köln -26 0 77/99- wird zurückgewiesen. Die Kosten
des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte. Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü d e :
1
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung gegen das - in WM 2000, 1895
veröffentlichte - Urteil des Landgerichts ist unbegründet.
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1.
3
Soweit die Berufung rügt, dass der klägerische Antrag und die Tenorierung im
landgerichtlichen Urteil zu weit gefasst und insbesondere nicht auf Allgemeine
Geschäftsbedingungen beschränkt seien, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Durch
die beanstandete Tenorierung wird der Beklagten untersagt, "folgende oder diesen
inhaltsgleiche Klauseln in Bezug auf Darlehensverträge zu verwenden". Durch diese
Formulierung werden entgegen der Ansicht der Berufung nicht Vereinbarungen
jeglicher Art des beanstandeten Inhaltes pauschal verboten. Dem Wort "Klauseln" ist mit
hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass allein die Verwendung der
beanstandeten Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen untersagt wird.
Allgemeine Geschäftsbedingungen werden gemeinhin als "Klauseln" bezeichnet
(vergleiche nur Hensen in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 9. Auflage 2001, § 13
Rnr. 3). Dementsprechend ist auch in sämtlichen Kommentierungen von
"Klauselwerken" die Rede.
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2.
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Bei der streitgegenständlichen Regelung handelt es sich auch um eine von der
Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung. Es handelt sich entgegen den
Ausführungen in der Berufung nicht um eine sogenannte Aushandlungsvereinbarung im
Sinne des § 1 Abs. 2 AGB-Gesetz. Der diesbezügliche Vortrag der Beklagten ist
unschlüssig.
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a)
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Der Bundesgerichtshof führt in seiner Entscheidung vom 3.11.1999 (BGHZ 143, 104 =
NJW 2000, 1110) aus, dass es für ein Aushandeln im Sinne des § 1 Abs. 2 ABG-Gesetz
nicht ausreiche, dass der Vertragstext erläutert oder mit dem Kunden erörtert werde. Der
Verwender müsse sich vielmehr deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung
einzelner Klauseln bereit erklären. In aller Regel schlage sich eine solche Bereitschaft
auch in erkennbaren Änderungen des vorformulierten Textes nieder. Allenfalls unter
besonderen Umständen könne ein Vertrag auch dann als Ergebnis eines
"Aushandelns" gewertet werden, wenn es schließlich nach gründlicher Erörterung bei
dem gestellten Entwurf verbleibe.
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b)
9
In der vorgenannten Entscheidung hat der BGH die - mehrfach wiederholte -
Behauptung des dortigen Klägers, der Vertragsinhalt habe zur Disposition gestanden,
ausdrücklich als nicht hinreichend angesehen. Auch die Beklagte beschränkt sich im
wesentlichen darauf, zu behaupten, dass die Position "Kosten Löschungsbewilligung"
in den Verhandlungen zur Disposition gestellt werde und der jeweilige
Kreditsachbearbeiter die Kompetenz habe, diese Position auf Wunsch des Kunden zu
streichen. Tatsächlich sei "in einer Mehrzahl von Fällen" von einer Einbeziehung der
Löschungsgebühren abgesehen worden.
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Bei den Akten befindet sich allein der Vertrag der Eheleute S., der nicht erkennen lässt,
dass eine Verhandlung über die Kosten der Löschungsbewilligung stattgefunden hat.
Die Beklagte räumt auch selbst ein, dass zunächst von ihr immer der Betrag von 150,00
DM für die Erteilung der Löschungsbewilligung von den Kunden verlangt wird. Sie
behauptet allein ein Aushandeln der Position "Kosten Löschungsbewilligung". Für diese
Behauptung ist aber der Verwender darlegungs- und beweispflichtig (vgl. nur Palandt -
Heinrichs, 60. Auflage, § 1 AGB-Gesetz Rnr. 20). Er muss darlegen, dass in jedem
einzelnen Fall ein Aushandeln dieser Position vorgelegen hat; insoweit ist die Beklagte
aber bereits der Behauptung der Klägerin, im Falle der Eheleute S. habe ein
Aushandeln nicht vorgelegen, nicht in erheblicher Weise entgegen getreten.
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3.
12
Entgegen der Ansicht der Berufung ist die von der Klägerin beanstandete Klausel auch
kontrollfähig. Dem steht insbesondere nicht § 8 AGB-Gesetz entgegen, wonach nur
sogenannte Preisnebenabreden der Inhaltskontrolle gemäß §§ 9 bis 11 AGB-Gesetz
unterliegen. Kontrollfrei sind danach AGB-Bestimmungen, die Art und Umfang der
vertraglichen Hauptleistungspflicht und den dafür zu zahlenden Preis unmittelbar regeln;
deren Festlegung ist grundsätzlich Sache der Vertragsparteien (vgl. nur BGH in NJW
1991, 1953 = BGHZ 114, 330).
13
a)
14
In der vorgenannten, von beiden Parteien wiederholt zitierten Entscheidung des BGH
betreffend eine Entgeltklausel für die Ausfertigung von Löschungsbewilligungen führt
der BGH als Hauptleistungspflicht im Rahmen eines Darlehensvertrages die
Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen an und bewertet eine Klausel, die ein Entgelt für
die Erteilung einer Löschungsbewilligung vorsieht, schon aus diesem Grunde als eine
kontrollfähige Preisnebenabrede.
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b)
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Insbesondere aber nach den von dem Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung
aufgestellten Abgrenzungskritierien ist vorliegend von einer kontrollfähigen
Preisnebenabrede auszugehen.
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Danach kann der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen Entgelte nur für
Leistungen verlangen, die er auf rechtsgeschäftlicher Grundlage für den einzelnen
Kunden erbringt. Jede Entgeltregelung, die sich nicht auf eine solche Leistung stützt,
sondern die Aufwendungen für die Erfüllung gesetzlich begründeter eigener Pflichten
des Verwenders auf den Kunden abzuwälzen versucht, stellt deshalb eine Abweichung
von Rechtsvorschriften im Sinne des § 8 AGB-Gesetz dar und führt zur Kontrollfähigkeit
der entsprechenden Klausel (entsprechendes gilt, wenn das Entgelt für eine Tätigkeit
erhoben wird, die in erster Linie eigenen Zwecken und Interessen des Verwenders
dient). Ein Anspruch auf Ersatz anfallender Kosten besteht in einem solchen Falle nur
dann, wenn dies im Gesetz vorgesehen ist. Ist dies nicht der Fall, können anfallende
Kosten nicht dadurch auf Dritte abgewälzt werden, dass gesetzlich auferlegte Aufgaben
in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu individuellen Dienstleistungen gegenüber der
anderen Vertragspartei erklärt werden (vgl. BGHZ 136, 261 = NJW 97, 2752; BGHZ 137,
27 = NJW 98, 383; BGHZ 141, 380 = NJW 99, 2276).
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Dieser Abgrenzung, die insbesondere darauf abstellt, ob beim Fehlen einer
vertraglichen Vereinbarung an deren Stelle dispositives Gesetzesrecht treten kann, ist
die Literatur ganz überwiegend gefolgt (vgl. Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz, 9.
Auflage 1999, § 8 Rnr. 17; Brandner a. a. O., § 8 Rnr. 21 b, Palandt-Heinrichs, a. a. O., §
8 Rnr. 5 b jeweils m.w.N.).
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Wer die Kosten der Erteilung einer Löschungsbewilligung zu tragen hat, ist in § 365
Abs. 1 BGB geregelt. Der BGH hat in der von beiden Parteien zitierten Entscheidung
vom 7.05.1991 eine Löschungsbewilligung als Minus gegenüber einer
löschungsfähigen Quittung eingestuft. Da für die Erteilung einer Quittung kein Entgelt
verlangt werden kann, weicht die hier beanstandete Regelung von dem dispositiven
Gesetzesrecht ab und ist damit kontrollfähig.
20
c)
21
Der Kontrollfähigkeit steht abweichend von der Ansicht der Berufung auch nicht
entgegen, dass sich -anders als in der Fallgestaltung, die der vorzitierten Entscheidung
des BGH zugrunde lag- vorliegend die vom dispositiven Gesetzesrecht abweichende
Klausel nicht in einem Preisverzeichnis befindet, sondern im Konditionenteil des
Darlehensvertrages.
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Insoweit kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug
genommen werden, wonach die Frage der Prüffähigkeit nicht von der Positionierung der
Regelung im Vertrag abhängen kann. Darüber hinaus aber hat auch der BGH in einem
vergleichbaren Fall für die Frage der Kontrollfähigkeit der Bestimmung nicht auf diesen
Umstand, sondern allein auf die Frage abgestellt, ob bei Entfallen der Regelung
dispositives Gesetzesrecht an dessen Stelle treten kann.
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In der Entscheidung des BGH vom 8.10.1998 (NJW - RR 1999, 125 = WM 98, 2432)
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ging es um eine im Konditionenteil geregelte Wildschadenspauschale. Zwar hat in
diesem Falle der BGH die Auslegung des Berufungsgerichtes, dass die
Wildschadenspauschale in das einheitlich festgesetzte Entgelt für die Jagdausübung
kalkulatorisch eingeflossen sei, nicht beanstandet; er hat jedoch betont, dass davon
unberührt bleibe, dass der BGH sich durch § 8 ABG-Gesetz nicht gehindert gesehen
habe, Preisklauseln daraufhin zu überprüfen, ob ihnen eine echte (Gegen-) Leistung
zugrunde liege. Dies beruhe auf dem Gedanken, dass jede Entgeltregelung, die sich
nicht auf eine solche Leistung stützt, sondern die Aufwendung für die Erfüllung
gesetzlich begründeter eigener Pflichten des AGB-Verwenders abzuwälzen versuche,
eine Abweichung von Rechtsvorschriften darstelle, wobei letzteres nicht zutreffe bei
zusätzlich angebotenen "Sonderleistungen", für die keine rechtliche Regelung bestehe.
In dem zu entscheidenden Streitfall gebe es nach den vorliegenden jagdrechtlichen
Zusammenhängen jedoch kein dispositives Gesetzrecht, das an die Stelle der in Rede
stehenden "Wildschadenspauschale" als Teilpreis für die Jagderlaubnis treten könne.
Diese Ausführungen des BGH sind dahin zu verstehen, dass unabhängig davon, wo
eine bestimmte Preisposition geregelt ist, in keinem Falle die Prüfung ausgeschlossen
ist, ob der entsprechenden Klausel eine echte Gegenleistung zugrunde liegt oder ob der
Verwender nur Aufwendungen für die Erfüllung eigener Pflichten abwälzen will. Dies
mag ihm aufgrund einzel- vertraglicher Vereinbarungen möglich sein, nicht aber durch
die Verwendung einer entsprechenden Klausel in AGB, gleichgültig an welcher Stelle.
Danach steht auch dieser zentrale Einwand der Beklagten der Kontrollfähigkeit der
beanstandeten Klausel nicht entgegen.
25
4.
26
a)
27
Auch der Hinweis der Beklagten, es handele sich in Wirklichkeit um eine
Bearbeitungsgebühr, kann nicht durchgreifen. Zwar wird eine allgemeine
Bearbeitungsgebühr in gewissen Grenzen (z. B. 1 % der Darlehenssumme) als zulässig
angesehen und in der Literatur die Ansicht vertreten, derartige Bearbeitungsgebühren
seien nach § 8 ABG-Gesetz der richterlichen Inhaltskontrolle entzogen (vgl. von
Westphalen, Klauselwerke, AGB-Banken, Rnr. 106, 107). Ob dem generell gefolgt
werden kann, bedarf keiner Entscheidung. Wenn für die Erteilung einer
Löschungsbewilligung aufgrund vorformulierter Klausel kein Entgelt verlangt werden
kann, lässt sich die Klausel auch nicht mit der Begründung halten, man habe ansonsten
eine allgemeine Bearbeitungsgebühr berechnen können.
28
b)
29
Im übrigen dürfte der Umstand, dass die Beklagte keine allgemeine Bearbeitungsgebühr
in Rechnung stellt, seinen Grund darin haben, dass eine solche Gebühr in die
Berechnung des effektiven Jahreszinses gemäß § 4 Verbraucherkreditgesetz einfließen
muss (vgl. Rottenburg in von Westphalen, Verbraucherkreditgesetz, 2. Auflage, 1996, §
4 Rnr. 125). Demgegenüber sind, wie sich unmittelbar aus dem Darlehensvertrag der
Eheleute S. ergibt, die Kosten für die Löschungsbewilligung in Höhe von 150,00 DM
nicht in die Berechnung des effektiven Jahreszinses eingeflossen. Denn die Differenz
zwischen dem Nennbetrag des ersten Tilgungsdarlehens in Höhe von 150.000,00 DM
und dem Nettokreditbetrag in Höhe 136.800,00 DM setzt sich zusammen aus dem
Damnum in Höhe von 12.600,00 DM und der Wertermittlungspauschale von 600,00 DM
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(nicht aber den Kosten der Löschungsbewilligung). Die Beklagte behauptet auch selbst
nicht, dass sie das Entgelt für die Löschungsbewilligung bei der Berechnung
berücksichtigt habe. Sie erreicht damit jedenfalls eine geringfügige Herabsetzung des
effektiven Jahreszinses, auf den der potentielle Kunde in erster Linie sein Augenmerk
richtet.
5.
31
Die beanstandete kontrollfähige Bestimmung hält einer Überprüfung anhand des AGB-
Gesetzes nicht stand. Sie weicht von wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes ab (§
9 Abs. 2 Nr. 1 AGB-Gesetz) und benachteiligt die Kunden entgegen den Grundsätzen
von Treu und Glauben in unangemessener Weise (§ 9 Abs. 1 AGB-Gesetz). Dies hat
der BGH in der Entscheidung vom 7.05.1991 (NJW 91, 1953) überzeugend festgestellt.
Der Gläubiger darf für die Erteilung einer Löschungsbewilligung nach der gesetzlichen
Regelung kein Entgelt verlangen. Auf die Gründe der vorzitierten Entscheidung kann
insoweit Bezug genommen werden. Die Literatur ist dem gefolgt (vgl.nur
Wolf/Horn/Lindacher, a. a. O., § 9 Anm. D 25 und G 208 m.w.N.). Auch in späteren
Entscheidungen hat der BGH darauf hingewiesen, dass jeder seine gesetzlichen
Verpflichtungen zu erfüllen hat und ein Anspruch auf Kostenersatz nur in den im Gesetz
vorgesehenen Fällen besteht. Klauseln, die eine Überwälzung der Kosten vorsehen, hat
er regelmäßig als unwirksam eingestuft (BGHZ 141, 380, = NJW 99, 2276 betreffend
Bearbeitung und Überwachung von Pfändungsmaßnahmen; dazu ebenfalls BGH in
NJW 2000, 651; BGH in WM 97, 2300 bezüglich Entgeltklausel bei Lastschriftrückgabe
mangels Deckung; BGH in NJW 97, 2752 bezüglich Verwaltung von
Freistellungsaufträgen). Nach alledem kann die Unwirksamkeit der beanstandeten
Klausel nicht zweifelhaft sein.
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6.
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Für eine Revisionszulassung besteht kein Anlass. Die hier entscheidungserheblichen
Grundsatzfragen sind durch den BGH geklärt. Dies gilt auch für die Frage, ob aufgrund
der Aufnahme einer Preisbestimmung in den Konditionenteil die Kontrollfähigkeit
entfallen kann.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr.10, 713
ZPO.
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Streitwert und Beschwer für die Beklagte : 10.000 DM (wegen der Bedeutung der
Klausel, der Höhe der Gebühr und der Vielzahl der Verträge, in denen die Klausel
Verwendung gefunden hat, erscheint eine deutliche Anhebung des Streitwertes
gegenüber der Festsetzung durch das Landgericht angemessen).
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