Urteil des OLG Köln vom 14.03.2017

OLG Köln (unterbrechung der verjährung, treu und glauben, ehemann, verjährung, scheidung, inhaber, möbel, mutter, behauptung, zpo)

Oberlandesgericht Köln, 10 U 104/71
Datum:
13.01.1972
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
10. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 U 104/71
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 8 O 36/71
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 27. Mal 1971 verkündete
Urteil des Landgerichts Bonn -8 O 36/71- wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d:
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Die Klägerin ist ein Versandhaus. Am 20. September 1966 kauften die Beklagte und ihr
damaliger Ehemann bei der Klägerin Möbel und sonstige Hausratsgegenstände. Der
Gesamtkaufpreis betrug 1.687,-- DM. Zuzüglich eines Kreditaufschlages von 404,88 DM
(1% pro Monat für 24 Monate) belief sich der Kreditrestbetrag auf 2.091,88 DM. Für
diese Summe hafteten die Beklagte und ihr damaliger Ehemann nach den getroffenen
Vereinbarungen als Gesamtschuldner.
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Ihre Ehe ist etwa Mitte des Jahres 1967 geschieden worden. Nach Darstellung der
Beklagten hat bei der Scheidung ihr Ehemann ihr gegenüber die Erfüllung der
Forderung der Klägerin allein übernommen.
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Auf die Gesamtschuld von 2.091,88 DM sind bisher vor Erlass des Zahlungsbefehls
insgesamt 213,-- DM gezahlt worden, und zwar 163,-- DM im Jahre 1967, 20,-- DM im
Jahre 1968 10,-- DM im Jahre 1969 und weitere 20,-- DM im Jahre 1970.
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Nach § 2 der vereinbarten Lieferbedingungen kann die Klägerin für jeden angefangenen
Monat 1% des Gesamtkreditbetrages anstelle von Verzugsschaden und Unkostenersatz
verlangen.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte als Gesamtschuldnerin mit ihrem bereits durch
Vollstreckungsbefehl verurteilten geschiedenen Ehemann ebenfalls zu
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verurteilen, an sie 1.878,88 DM nebst 1% Zinsen seit dem 1. Januar 1967 zu
zahlen, und zwar abzüglich am 17. November 1970 gezahlter weiterer 20,--
DM und am 19. Dezember 1970 gezahlter weiterer 77,-- DM.
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klägerin mit ihrer Klage abzuweisen.
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Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben. Sie hat die Ansicht vertreten, die
Klageforderung sei mit Ende des Jahres 1968 verjährt gewesen. Die Forderung stamme
aus dem Jahre 1966 und unterliege der zweijährigen Verjährung; die Klägerin habe
aber ihren Zahlungsbefehl - wie unstreitig ist - erst am 27. Oktober 1970 beantragt.
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Demgegenüber hat sich die Klägerin auf die Unterbrechung der Verjährung durch die
geleisteten Zahlungen berufen. Dazu hat die Klägerin behauptet, die Überweisungen im
Jahre 1967 seien durch die Beklagte, die Tilgungen in den Jahren 1968, 1969 und 1970
seien dagegen durch deren geschiedenen Ehemann erfolgt (Beweis Zeugnis der
Herren R. und B.) .
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Die Beklagte hat bestritten, an die Klägerin irgendwann Geld gezahlt zu haben (Beweis:
Parteivernehmung des Inhabers der Klägerin ). Bereits kurze Zeit nach dem Kauf der
Gegenstände am 20. September 1966 habe sie sich von ihrem damaligen Ehemann
getrennt. Sie sei auch nicht im Besitz der Möbel; die gekauften Sachen habe vielmehr
ihr geschiedener Ehemann veräußert.
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Das Landgericht hat ohne weitere Beweisaufnahme die Klage zugesprochen. Es hat
ausgeführt, die Einrede der Verjährung sei nicht begründet. Vielmehr sei die Verjährung
durch die Ratenzahlungen in den Jahren 1967 bis 1970 immer wieder unterbrochen
worden. Dabei könne unentschieden bleiben, ob die Beklagte oder ihr geschiedener
Ehemann die Geldbeträge überwiesen hätten. Denn auch die durch ihren früheren
Ehemann herbeigeführten Unterbrechungen der Verjährung wirkten gegenüber der
Beklagten. Belanglos sei auch, wann die Beklagte geschieden worden sei.
Maßgebender Zeitpunkt für den Inhalt des zwischen den Parteien bestehenden
Schuldverhältnisses sei vielmehr der Augenblick der Begründung der vertraglichen
Beziehungen. Eine andere Auffassung könne allenfalls dann erwogen werden, falls die
Klägerin von der Scheidung der Ehe erfahren hätte und aus diesem Grunde auf eine
einverständliche Abäderung des ursprünglichen Schuldverhältnisses geschlossen
werden könne. Dies habe die Beklagte aber nicht behauptet. Unerheblich sei
schließlich ihre Einwendung, bei der Scheidung habe ihr Ehemann die Schuld allein
übernommen. Denn eine solche Absprache sei zwischen den Prozessparteien
bedeutungslos.
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Gegen dieses ihr am 9. Juli 1971 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 21.
Juli 1971 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 6.
Oktober 1971 eingegangenen Schriftsatz begründet.
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Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihr Ziel einer Klageabweisung weiter. Sie
behauptet, zwischen Mai und Juni 1967 habe der Inhaber der Klägerin wiederholt ihre -
der Beklagten - Mutter aufgesucht. Dabei sei er über ihre bereits erfolgte Scheidung
informiert worden (Beweis: Zeugnis ihrer Mutter). Außerdem sei der Inhaber der Klägerin
von ihr - der Beklagten - gebeten worden, die damals bei Dritten abgestellten Möbel dort
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heraus - zuholen und ihr - der Beklagten - zu verschaffen. Unter dieser Voraussetzung
habe sie sich bereit erklärt gehabt, die Möbelrechnung selbst zu begleichen (Beweis:
Zeugnis ihrer Mutter und der Frau M.). Nach Ansicht der Beklagten ergibt sich aus ihrer
Darstellung eine zumindest stillschweigende einverständliche Abänderung des Inhalts
des ursprünglichen Schuldverhältnisses zwischen ihr und dem Inhaber der Klägerin. Im
übrigen wiederholt die Beklagte ihren Vortrag aus dem ersten Rechtszuge.
Sie beantragt,
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das angefochtene Urteil abzuändern und die Klägerin mit ihrer Klage
abzuweisen,
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hilfsweise: ihr - der Beklagten - Vollstreckungsschutz zu gewähren.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte mit ihrer Berufung zurückzuweisen,
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hilfsweise: ihr - der Klägerin - Vollstreckungsschutz (auch durch die
Bürgschaft einer Bank oder öffentlichen Sparkasse) zu gewähren.
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Die Klägerin hält die Rechtsausführungen des angefochtenen Urteils für zutreffend. Sie
bestreitet, daß sie von der Scheidung der Beklagten Kenntnis bekommen habe. Im
übrigen sei diese Behauptung der Beklagten unerheblich. Insbesondere habe sie - die
Klägerin - niemals zum Ausdruck gebracht, daß sie das ursprüngliche
Vertragsverhältnis inhaltlich abändern wolle.
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Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf ihre vorgetragenen
Schriftsätze Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Berufung ist zulässig. Sie ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt
und begründet worden (§§ 511, 516, 518 und 519 ZPO). In der Sache kann sie jedoch
keinen Erfolg haben. Das Landgericht hat zu Recht die Beklagte verurteilt, den noch
ausstehenden Rest- betrag aus der Bestellung Vom 20. September 1966 in Höhe von
1.878,88 DM gesamtschuldnerisch mit ihrem geschiedenen Ehemann zu zahlen.
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Die Einrede der Verjährung ist nicht begründet. Die geltend gemachte Forderung wäre
der Beklagten gegenüber selbst dann nicht verjährt, falls sie persönlich in den Jahren
1967 bis 1970 keine Geldbeträge an die Klägerin überwiesen hätte. Denn zutreffend hat
das Landgericht bereits ausgeführt, daß die Zahlungen ihres früheren Ehemannes auch
ihr gegenüber den Lauf der zweijährigen Verjährungsfrist unterbrochen hätten (§§ 196
Abs. 1 Nr. 1; 201 Satz 1; 208 BGB). Richtig ist zwar, daß bei einer
Gesamtschuldnerschaft die Unterbrechung der Verjährung nur gegen den
Gesamtschuldner wirkt, in dessen Person sie eintritt (§ 425 BGB). Diese Rechtsfolge gilt
aber nur, soweit sich nicht aus dem Schuldverhältnis ein anderes ergibt (§ 425 Abs. 1
BGB). Das ist hier aber der Fall. Verpflichten sich nicht getrennt lebende Eheleute. den
Kaufpreis und den Kreditaufschlag für auf Raten gekaufte Möbel und sonstige
Gegenstände des gemeinsamen Haushalts gesamtschuldnerisch zu tilgen, so ergibt
sich aus dem zwischen ihnen und der Verkäuferin begründeten Schuldverhältnis, daß
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die von einem der Ehegatten durch Abschlagszahlungen herbeigeführte Unterbrechung
der Verjährung auch gegenüber dem anderen Ehegatten wirkt (ebenso Soergel-Siebert
1967, § 425, Randnummer 5; früher schon OLG Stuttgart, Das Recht 1911, Nr. 1715).
Eine solche Regelung ist stillschweigender Inhalt des Vertragsverhältnisses. Denn sie
entspricht dem Sinn und Zweck der vereinbarten Gesamtschuldnerschaft, der
beiderseitigen Interessenlage und somit dem an Treu und Glauben mit Rücksicht auf die
Verkehrssitte orientierten Parteiwillen (§§ 157, 242 BGB). Zwar entspricht der Grundsatz
des § 425 BGB der auch bei einem Gesamtschuldverhältnis regelmäßig bestehen
bleibenden rechtlichen Selbständigkeit der einzelnen Verpflichtungen und bezweckt
den Schutz der Gesamtschuldner. Diese beiden Gründen treten zugunsten des
Gläubigers aber zurück, wenn die Gesamtschuldner besonders eng verbunden sind,
dem Gläubiger gegenüber wirtschaftlich eine Einheit darstellen und dieser deshalb
häufig praktisch nicht einmal prüfen kann, wer von den Gesamtschuldnern den Betrag
überwiesen und dadurch die Verjährung unterbrochen hat. Das Interesse des
Gläubigers an einem gemeinsamen rechtlichen Schicksal der beiden
gesamtschuldnerischen Verpflichtungen ist dann höher zu bewerten, als das Interesse
der Schuldner an einer Trennung.
Eine spätere Scheidung der Ehe und die bloße Kenntnisnahme davon durch den
Gläubiger ändern an dieser eingetretenen Rechtslage hier nichts. Denn der zunächst
begründete Inhalt des Schuldverhältnisses kann einseitig durch die Gesamtschuldner
nicht abgeändert werden. Und die Mitteilung der erfolgten Ehescheidung an den
Gläubiger und dessen bloße Kenntnisnahme davon kann noch nicht als Einverständnis
zu einer inhaltlichen Änderung des Vertragsverhältnisses angesehen werden. Ein
derartiger Geschäftswille des Gläubigers ist nicht erkennbar. Unerheblich ist deshalb die
Behauptung der Beklagten, der Inhaber der Klägerin sei zwischen Mai und Juni 1967
von ihrer Mutter über die inzwischen ausgesprochene Scheidung informiert worden; die
Richtigkeit dieser unter Beweis gestellten Behauptung kann demnach zugunsten der
Beklagten unterstellt werden. Ohne entscheidende Bedeutung ist schließlich auch, daß
die Beklagte nach ihrem Vortrag den Inhaber der Klägerin gebeten habe. die bei Dritten
abgestellten Möbel dort herauszuholen und ihr - der Beklagten - zu verschaffen. Für
diesen Fall wolle sie die Möbelrechnung selbst begleichen. Die Richtigkeit auch dieser
unter Beweis gestellten Behauptung würde an der Entscheidung des Rechtsstreits
ebenfalls nichts ändern: die Beklagte selbst trägt nicht vor, daß der Inhaber der Klägerin
ihr Angebot angenommen und sich somit einverstanden erklärt habe. Einseitig konnte
die Beklagte aber ihr am 20. September 1966 mit der Klägerin begründetes
Vertragsverhältnis nicht abändern. Auch für eine
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stillschweigende einverständliche Änderung trägt die Berufung keine ausreichenden
Tatsachen vor.
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Der Zinsanspruch ist aus § 2 der Lieferbedingungen gerechtfertigt.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 und 708 Nr. 7 ZPO. Eine Anordnung
nach § 713 Abs. 2 ZPO ist nicht ergangen, weil die Voraussetzungen, unter denen die
Revision gegen dieses Urteil stattfindet, nach dem Ermessen des Senats unzweifelhaft
nicht vorliegen (§ 713 a ZPO).
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