Urteil des OLG Köln vom 16.12.2009

OLG Köln (luxation, befund, zpo, kläger, anlage, fraktur, lähmung, gefahr, beurteilung, notwendigkeit)

Oberlandesgericht Köln, 5 U 42/09
Datum:
16.12.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 U 42/09
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 25 O 481/06
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 25. Zivilkammer des
Landgerichts Köln vom 4. März 2009 - 25 O 481/06 - wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
1
I.
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Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.
m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
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II.
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Die Berufung, mit der der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgt, ist
unbegründet.
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Die Kläger kann von der Beklagten wegen der nach dem Motorradunfall vom 15.8.2003
erfolgten Behandlung, insbesondere der geschlossenen Reposition der Luxation des
linken Schultergelenks, weder die Zahlung eines Schmerzensgeldes noch
Schadensersatz verlangen.
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Behandlungsfehler der für die Beklagte tätigen Ärzte hat der Kläger nicht bewiesen.
Vielmehr entsprach die geschlossene Reposition der Luxation des linken
Schultergelenks nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. A, den der
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Senat mündlich angehört hat, dem unfallchirurgischen Standard.
Dies würde auch dann gelten, wenn neben der Luxation des Humeruskopfes aus der
Pfanne und dem mehrfach fragmentierten Abriss des Tuberculum majus – wie im
radiologischen Befund vom 19.8.2003 (Anlage K 10a, Bl. 99 d.A.) über die
Röntgenbilder vom Unfalltag beschrieben – eine vollständige Querfraktur des
Humerusschaftes unmittelbar unterhalb des Humeruskopfes vorgelegen haben sollte
und die Fraktur für die behandelnden Ärzte erkennbar war. Prof. Dr. A hat auf dem noch
vorhandenen präoperativen Röntgenbild vom 15.8.2003, 17.44 Uhr, eine vollständige
Querfraktur nicht wahrgenommen. Allerdings hat er erklärt, dass das Röntgenbild in
Bezug auf die Querfraktur mit dem schriftlichen Befund (Anlage K 10a, Bl. 99 d.A.)
vereinbar sei. Auf dem Röntgenbild sei sicher zu erkennen, dass der Oberarmkopf eine
Hand breit nach körperfern aus der Pfanne ausgetreten sei.
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Die Notwendigkeit einer unverzüglichen geschlossenen Reposition einer Luxation des
Schultergelenks ergebe sich daraus, dass durch das Heraustreten des Kopfes aus der
Pfanne ein Zug auf die Nerven entstehe, deren Schädigung bis hin zu einer dauerhaften
Lähmung des Arms drohe. Die Gefahr, dass sich ein vorhandener Knochenbruch durch
die Reposition verstärke, müsse dabei in Kauf genommen werden. Es sei grundsätzlich
möglich, die Knochenfragmente wieder zu fixieren, während ein einmal eingetretener
Nervenschaden sich möglicherweise nicht mehr zurückbilde. Eine offene Reposition
stelle, was den drohenden und durch unverzügliches Handeln abzuwendenden
Nervenschaden angehe, keine Alternative dar, weil die Vorbereitung der Operation
einen deutlich längeren Zeitraum in Anspruch nehme.
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Die Beurteilung des Sachverständigen überzeugt. Es ist ohne weiteres nachvollziehbar,
dass eine unfallchirurgische Behandlung vorrangig auf die Abwendung des schwersten
drohenden Schadens auszurichten ist. Dies gilt auch für den Fall des Klägers, in dem
eine erhebliche Luxation des Schultergelenks mit entsprechend hoher Gefahr eines
Nervenschadens und einer Lähmung des Arms vorlag.
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Auch wenn man annimmt, dass die weitere präoperative Röntgenaufnahme vom
15.8.2003, 17.44 Uhr, im Verantwortungsbereich der Beklagten abhanden gekommen
ist, ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen
Befundsicherungspflichten nichts zu Gunsten des Klägers. Zwar würde, wenn die
Beklagte ihre Befundsicherungspflicht verletzt hätte, ein einer geschlossenen
Reposition entgegen stehender Befund vermutet, wenn ein solcher hinreichend
wahrscheinlich wäre. Ein derartiger Befund kommt aber nach den Ausführungen von
Prof. Dr. A, die die Notwendigkeit einer unverzüglichen geschlossenen Reposition der
Luxation unabhängig vom Ausmaß einer zugleich vorliegenden Fraktur begründen,
nicht, schon gar nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in Betracht. Für den Fall
der im schriftlichen radiologischen Befund (Anlage K 10a, Bl. 99 d.A.) beschriebenen
vollständigen Querfraktur des Humerusschaftes hat Prof. Dr. A die Indikation zur
geschlossenen Reposition der Luxation ausdrücklich bejaht. Es ist nicht zu erwarten,
dass sich aus dem abhanden gekommenen Röntgenbild etwas wesentlich anderes
ergibt als aus der im August 2003 niedergelegten Beurteilung des Radiologen.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713
ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs.
2 ZPO). Die entscheidungserheblichen Fragen sind solche des Einzelfalls.
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Berufungsstreitwert: 14.000 €
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