Urteil des OLG Köln vom 18.07.2001

OLG Köln: treu und glauben, fortsetzung des mietverhältnisses, fristlose kündigung, bürge, beendigung, mietvertrag, mietzins, agb, aufrechnung, hauptschuld

Oberlandesgericht Köln, 13 U 206/00
Datum:
18.07.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
13. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil
Aktenzeichen:
13 U 206/00
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 10 O 325/99
Tenor:
Auf die Berufung der Streithelferin wird das Urteil des Landgerichts
Aachen vom 19.09.2000 - 10 O 325/99 - teilweise abgeändert und wie
folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 38.377,56 DM nebst 5 %
Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen
Zentralbank aus 2.377,56 DM ab dem 19.05.1999, aus jeweils weiteren
1.000,00 DM jeweils ab dem dritten Werktag eines Monats, beginnend
mit dem Monat Juli 1999, endend mit dem Monat Mai 2001, sowie aus
jeweils weiteren 8.000,00 DM ab dem 15.12.1999 und ab dem
15.12.2000 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin, mit
Ausnahme der Kosten der Streit-helferin, die diese selbst zu tragen hat;
die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Streithelferin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
1
Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung hat nur in dem Umfang Erfolg, wie der
Beklagte den in der Berufungsinstanz von der Streithelferin in zulässiger Weise
gestellten - verdeckten - Hilfsantrag anerkannt hat; im übrigen, d. h. in Ansehung der
Abweisung der Klage in Gestalt des in der Berufungsinstanz weiter verfolgten
Hauptantrages durch das Landgericht sowie hinsichtlich des weitergehenden
Hilfsantrages, bleibt ihr der Erfolg versagt.
2
1.
3
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die Klage auf
Inanspruchnahme des Beklagten als (Rück-) Bürgen wegen der von der Klägerin
aufgrund der von ihr eingegangenen Bürgschaftsverpflichtung an die Streithelferin
erbrachten Leistung für Mietzins bzw. Nutzungsentschädigung für den Zeitraum ab dem
01.05.1998 abgewiesen. Es fehlt im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem
Beklagten an einer Hauptverbindlichkeit; der Klägerin steht gegenüber der Schuldnerin,
der Ehefrau des Beklagten, wegen der Zahlung auf die ab dem 01.05.1998 in dem
Hauptschuldverhältnis zwischen der Streithelferin und der Ehefrau des Beklagten
begründeten Ansprüche weder ein nach § 774 Abs. 1 S. 1 BGB auf sie übergegangener
Anspruch noch ein Anspruch auf Aufwendungsersatz nach §§ 675, 670 BGB aus dem
von ihr angenommenen Auftrag zur Übernahme einer Bürgschaft vom 19.12.1990 zu.
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Das Berufungsvorbringen führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Senat nimmt auf die
zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil Bezug (§ 543 Abs. 1 ZPO) und
führt, soweit dies durch das Berufungsvorbringen veranlasst ist, lediglich ergänzend
folgendes aus:
5
a)
6
Durch die Zahlung der Klägerin auf ihre Inanspruchnahme aus der Bürgschaft durch die
Streithelferin wegen Mietzinses bzw. Nutzungsentschädigung aus dem Mietverhältnis
zwischen der Streithelferin und der Schuldnerin für die Zeit ab dem 01.05.1998 ist die
zugrunde liegende Forderung (aus dem Mietvertrag, § 535 S. 2 BGB, oder nach § 557
BGB) nicht gemäß § 774 Abs. 1 S. 1 BGB auf die Klägerin übergegangen, da sich die
Bürgschaft auf die genannten Ansprüche nicht bezogen hat, sondern lediglich auf
Ansprüche aus dem ursprünglichen und sodann einvernehmlich zum 31.10.1997
beendeten Mietverhältnis.
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Ein Forderungsübergang nach § 774 Abs. 1 S. 1 BGB setzt voraus, dass überhaupt eine
Bürgschaftsverpflichtung im Hinblick auf die Hauptforderung bestanden hat bzw. der
Bürge sich für die Verbindlichkeit des Schuldners, wegen der er in Anspruch genommen
worden ist, überhaupt (wirksam) verbürgt hat. Dies ist vorliegend zu verneinen.
8
Der Umfang der Bürgschaftsverpflichtung der Klägerin ergibt sich aus der
Bürgschaftsurkunde vom 20.12.1990. Danach hat die Klägerin gegenüber der
Streithelferin als Vermieterin die selbstschuldnerische Bürgschaft für die Ansprüche aus
dem zwischen der Streithelferin und der Ehefrau des Beklagten und diesem
geschlossenen Mietvertrag vom 03./16.08.1990 übernommen. Durch Auslegung nach
§§ 133, 157 BGB ist zu ermitteln, welche Ansprüche konkret unter die
Bürgschaftsverpflichtung fallen sollen (vgl. BGH NJW 1995, 1886 f). Dabei etwa
verbleibende, nicht ausräumbare Unklarheiten gehen zu Lasten des Gläubigers, im
Falle einer sog. Mietbürgschaft damit zu Lasten des Vermieters (Sternel, Mietrecht, 3.
Aufl. 1988, Rn. 257 a; Wolf/Eckert, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und
Leasingrechts, 7. Aufl. 1995, Rn. 777) und im Verhältnis zwischen Bürgen und
Schuldner im Rahmen des Rückgriffsanspruchs mithin zu Lasten des Bürgen.
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Nach der in der Urkunde gewählten Formulierung "Ansprüche aus dem Mietvertrag" und
den typischerweise bei einer Mietbürgschaft abgedeckten Risiken dürfte zwar davon
auszugehen sein, dass die Bürgschaft nicht nur die Mietzinszahlungen, sondern alle
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weiteren Ansprüche des Vermieters aus dem Mietverhältnis umfasst, wie z. B.
Schadensersatz wegen Beschädigung der Sache oder unterlassener
Schönheitsreparaturen sowie auch Nutzungsentschädigung wegen Vorenthaltung der
Sache nach § 557 BGB, selbst wenn der letztgenannte Anspruch sich streng genommen
nicht "aus" dem Mietvertrag ergibt (vgl. Bub/Treier, Handbuch der Wohn- und
Geschäftsraummiete, 3. Aufl. 1999, III 827). Mangels entsprechender Regelung und im
Hinblick auf § 767 Abs. 1 S. 3 BGB bezieht sich die Verpflichtung des Bürgen jedoch z.
B. nicht auf einen zwischenzeitlich erhöhten Mietzins (es sei denn, dieser ist bereits im
Mietvertrag geregelt) und gilt bei einem auf eine bestimmte Dauer abgeschlossenen
Mietvertrag die Bürgschaftsverpflichtung auch nur für die auf diese Mietzeit bezogenen
Ansprüche und erstreckt sich nicht auf Forderungen, die durch nachträgliche
Vereinbarung der Fortsetzung des Mietverhältnisses entstehen (Bub/Treier, a. a. O., III
828). Des weiteren ist in der mietrechtlichen Literatur allgemein anerkannt, dass die
Bürgschaft sich auch dann lediglich auf die bis zur Beendigung des Mietverhältnisses
entstandenen Ansprüche erstreckt, und zwar unabhängig davon, ob das Mietverhältnis
befristet war, oder es durch ordentliche oder außerordentliche Kündigung oder durch
einen Aufhebungsvertrag beendet worden ist, wenn sich das Mietverhältnis aufgrund
der gesetzlichen Reglung des § 568 BGB wegen Fortsetzung des Gebrauches der
Mietsache ohne rechtzeitigen Widerspruch des Vermieters auf unbestimmte Zeit
verlängert (Bub/Treier a. a. O.; Fritz, Gewerberaummietrecht, 3. Aufl. 2000, Rn. 144;
Sternel, a. a. O., Rn. 257 b; Wolf/Eckert, a. a. O., Rn. 778; wobei bei einer
einvernehmlichen Vertragsaufhebung fraglich ist, ob § 568 BGB überhaupt Anwendung
findet oder nicht stillschweigend abgedungen ist).
Legt man die vorgenannten Maßstäbe, die sich aus der typischerweise bestehenden
Interessenlage bei einer Mietbürgschaft ergeben, zugrunde, so endet - sofern sich nicht
ausnahmsweise etwas anderes ergibt, wozu indessen vorliegend keine Anhaltspunkte
bestehen - die Bürgschaftsverpflichtung für im Zeitpunkt der Beendigung des
Mietvertrages bestehende Ansprüche, gleich aus welchem Grunde die Beendigung
erfolgt, und erstreckt sich lediglich noch auf solche Ansprüche, die mit der Abwicklung
des beendeten Mietverhältnisses zusammenhängen. Insbesondere vor dem
Hintergrund, dass selbst bei einer Verlängerung des ursprünglichen Mietverhältnisses
kraft Gesetzes (nach § 568 BGB), d. h. ohne dass eine Neubegründung des
Mietverhältnisses erforderlich ist und ohne dass dies auf einer Parteivereinbarung
beruht, die Verpflichtung des Bürgen sich nicht auf über den ursprünglichen
Beendigungszeitpunkt hinausgehende Forderungen erstreckt, vermögen nachträgliche,
d. h. erst nach Beendigung des Mietverhältnisses zwischen Vermieter und Mieter
getroffene Vereinbarungen auf den Umfang der Verpflichtung des Bürgen keinen
Einfluss zu nehmen. Etwaige diesbezügliche Fehlvorstellungen oder auch ergänzende
Vereinbarungen zwischen Vermieter und Mieter über den Umfang der
Bürgschaftsverpflichtung, insbesondere deren Erstreckung auf die neu begründeten
Ansprüche, berühren die Verpflichtung des Bürgen nicht und sind damit unerheblich.
Hinzu kommt, dass erst nach dem Beendigungszeitpunkt des Mietverhältnisses
getroffene Vereinbarungen zur weiteren Nutzung nicht zum Fortbestand des
ursprünglichen Mietverhältnisses führen, sondern vielmehr dadurch ein neues
Mietverhältnis, wenn auch unter Umständen dessen Regelungen mit dem des früheren
übereinstimmen, begründet wird. Dementsprechend differenziert der BGH beim
Schriftformerfordernis nach § 566 BGB bei Beendigung des Mietverhältnisses durch
eine Kündigung auch danach, ob die Vereinbarung zur weiteren Nutzung vor oder nach
dem Ende des Mietverhältnisses getroffen worden ist. Einigen sich die Parteien
während des noch bestehenden Mietverhältnisses, so z. B. bei einer befristet
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ausgesprochenen Kündigung vor Ablauf der Kündigungsfrist, darauf, das Mietverhältnis
fortzusetzen und damit die Wirkungen der Kündigung aufzuheben, so bleibt der
ursprüngliche Vertrag zu den bisherigen Bedingungen unverändert in Kraft und es
bedarf keines Abschlusses eines neuen Vertrages in Schriftform. Erfolgt dagegen eine
Vereinbarung erst nach Beendigung des Mietverhältnisses, sollen gewissermaßen die
Wirkungen der Kündigung rückgängig gemacht werden, so liegt in dieser Vereinbarung
die Begründung eines neuen Mietverhältnisses, die Vereinbarung ist formbedürftig
(BGH NJW 1998, 2664, 2466).
Entgegen der Ansicht der Streithelferin liegt in der durch wechselseitige Schreiben im
Januar 1998 getroffenen Vereinbarung zwischen ihr und der Ehefrau des Beklagten
nicht lediglich eine Verlängerung des bisherigen Mietverhältnisses. In Ansehung der
Bürgschaftsverpflichtung wäre dies nach dem zuvor Gesagten ohnehin insoweit
unerheblich, als eine etwaige Einigung über die Fortsetzung des bestehenden
Mietverhältnisses jedenfalls erst nach der bereits am 31.10.1997 eingetretenen
Beendigung des Mietverhältnisses getroffen worden wäre und somit nicht zu einer
Erweiterung der Haftung des Bürgen führen konnte. Zudem ist aber auch der Wortlaut
der Vereinbarung vom 31.10.1997 eindeutig. Danach wurde das Mietverhältnis zum
31.10.1997 aufgelöst. Die Vereinbarung einer Räumungsfrist ändert hieran nichts. Diese
besagt lediglich, dass den Mietern, hier dem Beklagten und seiner Ehefrau, zur
Erfüllung der Räumungs- und Herausgabepflicht noch ein bestimmter Zeitraum
eingeräumt wird. In den meisten Fällen wird ohnehin eine sofortige Räumung in
tatsächlicher Hinsicht nicht in Betracht kommen. So auch vorliegend, da die
Vereinbarung selbst erst vom 31.10.1997 datiert und damit mit dem Ende des
Mietverhältnisses am gleichen Tag eine Räumung durch den Beklagten und dessen
Ehefrau gar nicht möglich war. In der Vereinbarung heißt es sodann zutreffend auch,
dass für die Zeit ab dem 31.10.1997 nicht Mietzins, sondern Nutzungsentschädigung
geschuldet wird.
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Die Streithelferin selbst geht im Grunde ebenfalls von einer Vertragsbeendigung zu dem
angegebenen Zeitpunkt aus; dies ergibt sich u.a. aus ihrer Berufungsbegründung. Auch
in ihrem Schreiben an die Klägerin vom 07.12.2000, in welchem sie vorsorglich die
Aufrechnung erklärt, heißt es: "Aus dem Mietverhältnis..., welches zum 31.10.1997
beendet wurde". Schließlich legt das Kündigungsschreiben der Streithelferin vom
15.07.1998 nahe, dass nicht nur das ursprüngliche Mietverhältnis beendet war, sondern
auch ein neues Miet- bzw. Nutzungsverhältnis begründet worden ist. Denn darin erklärt
sie gegenüber dem Beklagten und dessen Ehefrau ausdrücklich die fristlose Kündigung
und setzt zugleich (erneut) eine Räumungsfrist. Einer Kündigung hätte es indes nicht
bedurft, wenn sich das ganze Vertragsverhältnis immer noch in dem ursprünglichen,
nach Auffassung der Streithelferin lediglich verlängerten Abwicklungsstadium befunden
hätte. Überdies ergibt sich aus diesem Schreiben, dass die Streithelferin selbst nicht
ohne weiteres davon ausgegangen ist, dass die von der Klägerin übernommene
Bürgschaft auch die Ansprüche ab Mai 1998 deckt. Denn sie hat eine erweiterte
Räumungsfrist bis zum 31.08.1998 davon abhängig gemacht, dass die Bürgschaft der
Klägerin "zur Abdeckung des bis zum 31.08.1998 aufgelaufenen Rückstandes...
verwandt werden kann". Hätte sie selbst keine Zweifel daran gehabt, dass die
Bürgschaft auch diese Ansprüche abdeckt, hätte es dieses Zusatzes nicht bedurft.
Dieser Zusatz konnte allerdings nicht dazu führen, und zwar selbst wenn die
Schuldnerin dies akzeptiert haben und dadurch insoweit eine entsprechende
Vereinbarung zwischen der Streithelferin und der Ehefrau des Beklagten zustande
gekommen sein sollte, die Bürgschaftsverpflichtung der Klägerin entsprechend zu
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erweitern.
b)
14
Der Klägerin steht desweiteren kein Anspruch auf Aufwendungsersatz nach §§ 675, 670
BGB gegen die Ehefrau des Beklagten und diesen zu; sie durfte die Zahlung an die
Streithelferin auf die Bürgschaftsverpflichtung wegen Mietzinsansprüchen bzw.
Nutzungsentschädigung für die Zeit ab dem 01.05.1998 den Umständen nach nicht für
erforderlich halten.
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Vorliegend lag keine sog. Bürgschaft auf erstes Anfordern vor, d. h. die Klägerin war
nicht verpflichtet, ohne weiteres der Inanspruchnahme durch die Streithelferin Folge zu
leisten. Zwar enthalten die AGB der Klägerin die Berechtigung, auf erstes Anfordern an
den Gläubiger zu zahlen (Nrn. 4. und 14.; diese Regelung entspricht Nr. 13 AGB-
Banken 1988, einer Regelung, die bei der späteren Fassung der AGB-Banken ersatzlos
gestrichen worden ist). Auch wenn man diese Regelung für wirksam hält (der BGH,
NJW 1986, 310 ff., 1989, 1480 ff., problematisiert dies nicht; insbesondere Tiedtke, BB
1986, 541 ff hält diese Regelung mit beachtlichen Gründen für unwirksam), so betrifft
diese zum einen nicht das Verhältnis des Bürgen zum Gläubiger, d. h. der Bürge ist
diesem gegenüber nicht verpflichtet, auf erstes Anfordern zu zahlen, und zum anderen
werden durch diese Regelung die Sorgfaltspflichten des Bürgen im Verhältnis zum
Schuldner nicht eingeschränkt (BGH NJW 1986, 310, 313 f.). Zu den letztgenannten
Pflichten gehört es, einerseits selbst sorgfältig zu prüfen, ob Zahlung geleistet werden
muss, und andererseits, den Hauptschuldner von der Inanspruchnahme durch den
Gläubiger zu unterrichten und ihn nach dem Vorhandensein von Einwendungen oder
Einreden zu befragen. Bestehende Einreden oder Einwendungen hat der Bürge sodann
dem Gläubiger jedenfalls dann entgegenzusetzen, wenn diese "liquide", d. h. ohne
weiteres, insbesondere anhand von Urkunden, nachweisbar sind (vgl. Staudinger/Horn,
a. a. O., § 765 Rn. 107). Dies gilt auch und im besonderen für den Einwand, die
Bürgschaft sichere nicht die dem Zahlungsbegehren des Gläubigers zugrunde liegende
Hauptforderung, d. h. das Risiko, welches durch die Inanspruchnahme des Bürgen
ausgeglichen werden soll, sei durch die Bürgschaftserklärung nicht gedeckt (BGH ZIP
1996, 172, 173 f; NJW 2001, 1857; Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 9. Aufl. 2001,
Anh. §§ 9 - 11 Rn. 265 a). Dieser Einwand ist selbst bei einer sog. Bürgschaft auf erstes
Anfordern, bei welcher der Bürge im Verhältnis zum Gläubiger zur Zahlung auf erstes
Anfordern verpflichtet ist, zu beachten und kann vom Bürgen im Erstprozess geltend
gemacht werden (BGH a.a.O.). Um so mehr hat der Bürge, wenn eine solche
Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger nicht besteht, im Rahmen des zugrunde
liegenden Auftragverhältnisses gegenüber dem Schuldner die Pflicht, einen derartigen
Einwand zu prüfen, den Schuldner hierzu anzuhören und den Einwand dem Gläubiger
entgegenzuhalten.
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Die Aufwendungen der Klägerin waren objektiv nicht notwendig, da - wie oben
dargelegt - eine Bürgschaftsverpflichtung für die geltend gemachten Ansprüche nicht
bestanden hat. Die Aufwendungen hätten nur dann (gleichwohl) als nach den
Umständen erforderlich angesehen werden können, wenn die Klägerin ihre
Entscheidung zur Zahlung nach sorgfältiger und den Umständen des Falles gebotener
Prüfung getroffen hätte. Dies war jedoch jedenfalls aufgrund der fehlenden Anhörung
der Schuldner durch die Klägerin nicht der Fall. Denn selbst dann, wenn man im
Hinblick auf das in den AGB verankerte Recht, auch ohne gerichtliches Verfahren auf
erstes Anfordern Zahlung leisten zu dürfen, eine eigene Überprüfung durch den Bürgen
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lediglich in dem Umfang für geboten erachtet, dass durch den Gläubiger nicht dessen
Rechtsstellung missbräuchlich ausgenutzt wird (so wohl BGH NJW 1989, 1480, 1481),
beseitigt dies nicht die Pflicht des Bürgen, den Schuldner zuvor anzuhören. Entgegen
der Ansicht der Streithelferin ist nicht ausreichend, dass der Schuldner etwa von dritter
Seite von einer Inanspruchnahme des Bürgen in Kenntnis gesetzt worden ist oder auf
sonstige Weise von der Inanspruchnahme des Bürgen Kenntnis erlangt. Vielmehr
gehört es gerade zu den Pflichten des Bürgen im Innenverhältnis zum Schuldner und ist
Voraussetzung dafür, Aufwendungen, deren Ersatz er sodann später vom Schuldner
begehrt, geltend machen zu können, dass er dem Schuldner Gelegenheit gibt,
Einwendungen vorzubringen und diese auch in der Weise "liquide" zu belegen, dass
der Bürge diese dem Gläubiger entgegenhalten kann. Die Entscheidung des BGH, NJW
1989, 1480 ff, auf die die Streithelferin in diesem Zusammenhang hinweist, besagt
nichts anderes. Vielmehr war es auch in dem dortigen Fall gerade so, dass bereits vor
dem Anforderungsschreiben Gespräche zwischen dem Bürgen und der Schuldnerin
stattgefunden hatten (a. a. O. S. 1482).
Es steht nicht fest, dass die Klägerin die der Ehefrau des Beklagten (Schuldnerin) von
der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft durch die Streithelferin unterrichtet hat; das
wird jedenfalls in der Berufungsinstanz auch nicht behauptet. Die Streithelferin macht
vielmehr geltend, die Schuldnerin sei von ihr, der Streithelferin, über die
Inanspruchnahme unterrichtet worden. Dass dies nicht ausreichend war, zeigt sich
gerade vorliegend daran, dass der Streithelferin alle maßgeblichen Unterlagen,
insbesondere der Mietaufhebungsvertrag sowie die wechselseitigen Schreiben aus
Januar 1998, aus denen sich die für den Umfang der Bürgschaftsverpflichtung
maßgeblichen, nachträglich eingetretenen Umstände ergaben, vorlagen, nicht dagegen
der Klägerin. Diese wäre erst bei einer Unterrichtung der Schuldnerin und dem
Zurverfügungstellen der Unterlagen durch diese in die Lage versetzt worden, den
Umfang der Bürgschaftsverpflichtung sorgfältig zu prüfen. Dies gilt um so mehr, als die
Einwendungen sich nicht aus dem Grundgeschäft, d. h. der Hauptschuld, ergaben,
sondern darauf beruhten, dass die Hauptschuld im Hinblick auf die konkrete
Inanspruchnahme des Bürgen für diese bestimmte Forderung gar nicht bestand.
Insoweit war überdies die von der Streithelferin behauptete telefonische Mitteilung an
die Schuldnerin, die Klägerin in Anspruch nehmen zu wollen, inhaltlich nicht
ausreichend. Vielmehr kam es entscheidend darauf an, dass bzw. ob mitgeteilt worden
ist, für welche Ansprüche genau die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft, nämlich
Mietzins oder Nutzungsentschädigung für die Zeit ab Mai 1998 (und nicht Mietzins bis
einschließlich Oktober 1997), erfolgen solle. Darüber hinaus vermochten, worauf bereits
hingewiesen worden ist, etwaige Vereinbarungen bei Gelegenheit einer Unterrichtung
der Schuldnerin durch die Gläubigerin, so wie etwa seitens der Streithelferin in ihrem
Kündigungsschreiben vom 15.06.1998 intendiert, keine Erweiterung der Haftung der
Klägerin aus der Bürgschaftsverpflichtung herbeizuführen.
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Dass es zu diesbezüglichen Absprachen etwa mit dem Beklagten in seiner Eigenschaft
als Schuldner gekommen wäre, hat die Streithelferin nicht behauptet. Dem Beklagten ist
es daher nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich in seiner Eigenschaft
als von der Klägerin in Anspruch genommener (Rück-) Bürge darauf zu berufen, dass
eine Erstreckung der Bürgschaftsverpflichtung der Klägerin auf Mietzinsansprüche ab
Mai 1998 mangels einer diesbezüglichen Einigung mit der Klägerin nicht vorliegt.
19
2.
20
Auf den von der Streithelferin in der Berufungsinstanz gestellten - verdeckten -
Hilfsantrag war der Beklagte gemäß dem von ihm abgegebenen Anerkenntnis, und zwar
sowohl in Ansehung der Hauptforderung als auch wegen der Zinsforderung, zu
verurteilen (§ 307 ZPO).
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Die Klageerweiterung durch den gestellten Hilfsantrag war zulässig. Zum einen durfte
die Streithelferin den Prozessgegenstand durch Erweiterung der Klage um den
Hilfsantrag ändern, da ein entgegenstehender Wille der Klägerin nicht feststellbar ist;
vielmehr hat die Klägerin der Klageerweiterung zumindest stillschweigend zugestimmt.
Zum anderen konnte die Klageänderung zulässigerweise auch noch in der
Berufungsinstanz durchgeführt werden; der Beklagte hat ihr nicht widersprochen, sie
war zudem sachdienlich.
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Im Rahmen des - verdeckten - Hilfsantrages hat die Klägerin den Beklagten wegen ihrer
Inanspruchnahme durch die Streithelferin für die bis zum 31.10.1997 begründeten
Mietzinsansprüche, wie sie Gegenstand der Vereinbarung vom 31.10.1997 und des von
dem Beklagten und dessen Ehefrau abgegebenen Schuldanerkenntnisses vom
12.11.1997 sind, in Anspruch genommen. Dem liegt die von der Streithelferin erklärte
Aufrechnung gegen einen Rückzahlungsanspruch der Klägerin wegen der zu Unrecht
geleisteten Zahlungen auf die Bürgschaftsinanspruchnahme hinsichtlich Mietzins bzw.
Nutzungsentschädigung für die Zeit ab dem 01.05.1998 zugrunde. Im Umfang dieser
Inanspruchnahme kam ein Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin gegenüber der
Ehefrau des Beklagten als Schuldnerin und damit eine Verbindlichkeit, für die der
Beklagte sich verbürgt hat, in Betracht; dies jedoch nur in dem Umfang, in dem die
Hauptschuld nach der zwischen der Schuldnerin und der Streithelferin getroffenen
Vereinbarung vom 31.10.1997 fällig war. Dieses war nur im Umfang des vom Beklagten
abgegebenen Anerkenntnisses der Fall; es musste daher auch der weitergehende
Hilfsantrag abgewiesen werden.
23
3.
24
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz beruht auf §§ 91 Abs.1,
101 Abs. 1 ZPO; die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 93,
97 Abs. 1 ZPO. Im Umfang des Anerkenntnisses waren die Kosten gemäß § 93 ZPO der
Streithelferin aufzuerlegen. Der Beklagte hat sofort nach Erhebung des - verdeckten -
Hilfsantrages den Anspruch anerkannt. Dieser war vor der von der Streithelferin
erklärten Aufrechnung aufgrund der Vereinbarung vom 31.10.1997 noch nicht fällig, so
dass der Beklagte insoweit keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat. Er
konnte daher das Anerkenntnis mit der Kostenfolge des § 93 ZPO noch bis zur
Berufungsverhandlung erklären.
25
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1,
713 ZPO.
26
Streitwert: 96.781,32 DM (je 48.390,66 DM für Haupt- und Hilfsantrag gemäß § 19 Abs.
1 S. 2 GKG)
27
Beschwer der Streithelferin: 58.403,76 DM
28
Beschwer des Beklagten: 38.377,56 DM
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