Urteil des OLG Köln vom 15.11.2010

OLG Köln (stpo, rechtsmittel, beschwerde, kommentar, auflage, hauptverhandlung, verteidiger, hamburg, berlin, beweisaufnahme)

Oberlandesgericht Köln, 2 Ws 738 + 739/10
Datum:
15.11.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ws 738 + 739/10
Leitsätze:
Ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung, mit der ein einen
Sachverständigen betreffendes Befangenheitsgesuch zurückgewiesen
wird, ist während laufender Hauptverhandlung unzulässig gem. § 305 S.
1 StPO.
Tenor:
Die Beschwerden werden auf Kosten der Beschwerdeführer (§ 473 Abs.
1 S. 1 StPO) als unzulässig verworfen.
Gründe:
1
Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Vorlageverfügung vom 12.11.2010 u.a. wie folgt
zu dem Rechtsmittel Stellung genommen:
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"Im Hauptverhandlungstermin vom 26.10.2010 erstattete der Sachverständige Dr. L.,
Facharzt für Rechtsmedizin, sein Gutachten und referierte u.a. zum
Rettungsdienstprotokoll vom 30.11.2008.
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Daraufhin widersprach der Verteidiger des Angeklagten M. der Verfahrensweise,
weil das Rettungsdienstprotokoll derzeit noch nicht zum Gegenstand der
Hauptverhandlung gemacht worden sei. Nachdem die Hauptverhandlung kurzzeitig
unterbrochen worden war, lehnten die Angeklagten M. und D. über ihre Verteidiger
den Sachverständigen Dr. L. wegen Besorgnis der Befangenheit ab.
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Sie beanstanden im Wesentlichen, dass der Sachverständige sich bei der
Erstattung seines Gutachtens auf Unterlagen gestützt habe, die noch nicht
Gegenstand der Beweisaufnahme gewesen seien und sind der Auffassung, dass
dieser eine vorgefasste Meinung wiedergebe, die nicht im Einklang mit dem
Ergebnis der bislang durchgeführten Beweisaufnahme stehe.
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Mit Beschluss im Hauptverhandlungstermin vom 05.11.2010 hat die 1. große
Jugendkammer die Ablehnungsgesuche zurückgewiesen.
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Gegen diesen Beschluss haben die Angeklagten M. und D. durch ihre Verteidiger
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"sofortige Beschwerde" eingelegt, die der Angeklagte M. mit Schriftsatz seines
Verteidigers vom 06.11.2010 unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens
nochmals begründet hat. Die Jugendkammer hat mit Beschluss im
Hauptverhandlungstermin vom 08.11.2010 das Rechtsmittel als Beschwerde
gewertet und diese als unzulässig verworfen.
Die Strafkammer hat dazu folgendes ausgeführt:
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"Eine sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 74, 304, 305 StPO unstatthaft bzw.
unzulässig. § 74 Abs. 1 StPO verweist zwar hinsichtlich der Ablehnungsgründe auf
die hinsichtlich eines Richters geltenden Regelungen (§§ 25 ff. StPO), nicht jedoch
hinsichtlich des Ablehnungsverfahrens (vgl. Meyer-Goßner, § 74 StPO, Rdz. 20;
Karlsruher Kommentar (Senge) § 74 StPO, Rdz. 16; OLG Hamburg, NJW 1967,
2274; KG Berlin Beschluss vom 04.05.1998, 4 WA 91/98.
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Der das gegen einen Sachverständigen gerichtete Ablehnungsgesuch
zurückweisende Beschluss der Kammer ist jedoch gemäß §§ 304, 305 Satz 1
StPO der Beschwerde entzogen, da es sich insoweit um eine der Urteilsfällung
vorausgehende Entscheidung des erkennenden Gerichts handelt, die nicht zu den
in § 305 Satz 2 StPO genannten Ausnahmen zählt (vgl. Karlsruher Kommentar
(Engelhardt) § 305 StPO Rdz. 6; Karlsruher Kommentar (Senge) § 74 StPO Rdz.
16; KG Berlin Beschluss vom 04.05.1998, 4 WS 91/98; OLG Celle NJW 1966, 415;
OLG Hamburg, NJW 1967, 2274). Die angefochtene Entscheidung steht auch im
inneren Zusammenhang mit dem zu findenden Urteil und dient dessen
Vorbereitung. Soweit das Rechtsmittel als Gegenvorstellung anzusehen wäre, gibt
es der Kammer keinen Anlass zu einer Abänderung der Entscheidung."
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Diesen Ausführungen ist zuzustimmen.
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Die Beschwerde der Angeklagten ist daher als unzulässig zu verwerfen."
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Dem stimmt der Senat zu. Dass ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung, mit der ein
einen Sachverständigen betreffendes Befangenheitsgesuch zurückgewiesen wird
während laufender Hauptverhandlung gem. § 305 S. 1 StPO unzulässig ist, entspricht –
über die bereits von der Kammer zitierten Fundstellen hinaus - unangefochtener
Auffassung in der Literatur (Meyer-Goßner, StPO, 53. Auflage 2010, § 74 Rz. 20; Krause
in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage 2009, § 74 Rz. 39; KMR-Neubeck, § 74 Rz. 26a;
SK-StPO-Rogall, § 74 Rz. 68; Lemke in: Heidelberger Kommentar, StPO, 4. Auflage
2009, § 74 Rz. 21; Pfeiffer, StPO, 5. Auflage 2005, § 74 Rz. 6; Monka in: Graf, StPO, §
74 Rz. 11; Krekeler/Werner in: Anwaltkommentar StPO, § 74 Rz. 15).
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