Urteil des OLG Köln vom 02.07.1999

OLG Köln: zutritt, wohnung, lähmung, haus, beschränkung, versuch, form, datum

Oberlandesgericht Köln, Ss 245/99 - 123 -
Datum:
02.07.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
1. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
Ss 245/99 - 123 -
Tenor:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 2. kleinen
Strafkammer des Landgerichts Köln vom 8. Februar 1999 wird als
unbegründet verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten des
Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
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Durch Urteil des Amtsgerichts Bergheim vom 3. Dezember 1998 ist der Angeklagte
wegen exhibitionistischer Handlungen in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 30
Tagessätzen zu je 30 DM verurteilt worden. Seine Berufung hat die 2. kleine
Strafkammer des Landgerichts Köln mit Urteil vom 8. Februar 1999 verworfen.
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Die dagegen gerichtete, form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete Revision
des Angeklagten, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird,
bleibt in der Sache ohne Erfolg.
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1.
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Die Verfahrensrüge, mit der eine Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit des
Verfahrens geltend gemacht wird, ist nicht ordnungsgemäß ausgeführt und damit
unzulässig (vgl. Kuckein, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 4. Aufl., § 344 Rdnr. 32). Die
Erhebung einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden
Verfahrensrüge setzt nämlich voraus, daß die den behaupteten Verstoß enthaltenden
Tatsachen so umfassend und genau dargelegt werden, daß das Revisionsgericht allein
auf dieser Grundlage das Vorhandensein - oder Fehlen - eines Verfahrensmangels
feststellen kann, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen sind oder bewiesen
werden (BGH NJW 1998, 838 [839]; BGHSt 3, 213 [214] = NJW 1952, 1386; Kuckein
a.a.O. § 344 Rdnr. 38 m. w. Nachw.; Dahs/Dahs, Die Revision im Strafprozeß, 5. Aufl.,
Rdnr. 470 m. w. Nachw.). Daran fehlt es hier; der Revisionsbegründung kann nicht
entnommen werden, daß das angefochtene Urteil aufgrund einer Hauptverhandlung
ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens (zeitweilig)
verletzt worden sind (§ 338 Nr. 6 StPO).
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Es wird vorgetragen, die Hauptverhandlung sei am 5. Februar 1999 in der Wohnung des
Angeklagten fortgesetzt worden. Prozeßordnungsgemäß seien sowohl an der Haustüre
als auch an der Wohnungstüre zur Wohnung des Angeklagten "die entsprechenden
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Aushänge über die öffentliche Sitzung in der Strafsache gegen den Angeklagten
angebracht" gewesen. Bei dem Versuch, sich über den Fortgang der Hauptverhandlung
zu informieren, habe der für den Angeklagten bereitstehende Fahrer die Haustüre
verschlossen vorgefunden, so daß ihm der Zutritt zur Wohnung, in der die öffentliche
Sitzung der Strafkammer stattfand, verwehrt gewesen sei. Dies sei dem Gericht auch
zuzurechnen, weil infolge der selbstschließenden Türanlage, wie sie an Haustüren
üblich sei, damit habe gerechnet werden müssen, daß ohne entsprechende
Sicherungsmaßnahme die Tür ins Schloß fallen und damit die Öffentlichkeit
ausgeschlossen sein werde.
Damit ist ein Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz (§ 169 S. 1 GVG) nicht
dargetan.
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Eine ungesetzliche Beschränkung der Öffentlichkeit ist nicht schon bei jeder
Beeinträchtigung des freien Zugangs zum Verhandlungsort und der Wahrnehmung der
Verhandlungsvorgänge gegeben. Der Grundsatz der Öffentlichkeit besagt nicht, daß
jedermann unter allen Umständen zu jeder Zeit Zutritt zu einer Verhandlung haben muß.
Der Zutritt muß nur nach Maßgabe der räumlichen Möglichkeiten und örtlichen
Verhältnisse gewährt werden (BGH NStZ 1984, 470). Es ist anerkannt, daß es - über die
gesetzlich geregelten Einschränkungen hinaus (vgl. etwa § 172 GVG, § 48 JGG, Art. 6
Abs. 1 Satz 2 MRK) - auch hinzunehmende situationsbedingte Erschwernisse gibt, bei
denen die Öffentlichkeit des Verfahrens tatsächliche Schranken findet mit der Folge,
daß der Zutritt nur im Rahmen der tatsächlichen Gegebenheiten eröffnet ist (vgl. BGHSt
21, 72, 73 = NJW 1966, 1570 m. Anm. Beck NJW 1966, 1976; BGHSt 24, 72, 73 f. =
NJW 1971, 715; BGHSt 27, 13, 14 f. = NJW 1977, 157; BGHSt 40, 191, 192 = NJW
1994, 2773 = NStZ 1994, 498; Kuckein a.a.O. § 338 Rdnr. 86 f.). Es genügt daher
jedenfalls, daß die Möglichkeit gegeben ist, sich ohne besondere Schwierigkeiten
Kenntnis vom Verhandlungsort zu verschaffen, und daß der Zutritt im Rahmen der
tatsächlichen Gegebenheiten eröffnet ist (BGH NStZ 1982, 476 m. w. Nachw.).
Demgemäß sind die Bestimmungen über die Öffentlichkeit nicht verletzt, wenn während
eines Teils der in der Wohnung des Angeklagten fortgesetzten Hauptverhandlung die
Wohnungstür zwar verschlossen, an ihr aber ein "Terminszettel" mit dem Hinweis auf
die öffentlichen Verhandlung angebracht ist und jedermann sich durch Klingeln oder
Klopfen an der Tür Zutritt zu dem Verhandlungsraum verschaffen kann (OLG Hamm
VRS 64, 451). Für die vorliegende Fallgestaltung kann nichts anderes gelten. Durch die
an Haus- und Wohnungstür angebrachten Aushänge, in denen auf die öffentliche
Sitzung in der Strafsache gegen den Angeklagten hingewiesen wurde, war für jeden
Interessierten ohne weiteres feststellbar, wo die Verhandlung stattfand und daß er
seinen Wunsch nach Einlaß in den Verhandlungsraum unter Benutzung der
Haustechnik durch Betätigen einer Klingeleinrichtung oder Gegensprechanlage und
evtl. durch Klopfzeichen an der Wohnungstür zum Ausdruck bringen konnte. Daß
dennoch der Zutritt verwehrt geblieben wäre, ist der Revisionsbegründung nicht zu
entnehmen.
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Auf die Frage, ob das Gericht das Schließen der Haustür hätte vorhersehen können und
zur Vermeidung einer von ihm zu vertretenden Einschränkung der Öffentlichkeit hätte
verhindern müssen (vgl. dazu Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O. § 338 Rdnr. 49;
Kuckein a.a.O. § 338 Rdnr. 89; Hanack, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 338
Rdnr. 113, jeweils m. w. Nachw.), kommt es daher nicht an.
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2.
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Die Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Sein Vorbringen, das
Berufungsgericht sei nicht der sich aufdrängenden Frage nachgegangen, inwieweit er
aufgrund seiner halbseitigen Lähmung überhaupt zu der Tathandlung in der Lage
gewesen sei, steht in Widerspruch zu den Urteilsgründen; darin wird ausgeführt, daß die
Strafkammer seine diesbezügliche Einlassung für widerlegt erachtet hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
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