Urteil des OLG Köln vom 23.12.1994

OLG Köln (wiederherstellung des ursprünglichen zustandes, antragsteller, nachteil, veränderung, wohnung, wiederherstellung, form, eingriff, fenster, einbau)

Oberlandesgericht Köln, 16 WX 172/94
Datum:
23.12.1994
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 WX 172/94
Normen:
§ 10 WEG; WOHNUNGSEIGENTUM; NUTZUNGSÄNDERUNG;
BAULICHE ÄNDERUNG;
Leitsätze:
Erhöhung der Wohnqualität von Räumen als Nachteil für die
Eigentümergemeinschaft
Die Nutzungsbeschreibung von Räumlichkeiten, wie sie in der
Teilungserklärung enthalten ist, ist für die Beteiligten bindend. Sie wird
nicht stillschweigend dadurch abgeändert, daß die anderen Eigentümer
eine abweichende Nutzung über mehrere Jahre ohne Widerspruch
hinnehmen. Deshalb kann ein Erwerber der Räumlichkeiten sich nicht
mit Erfolg darauf berufen, die übrigen Wohnungseigentümer müßten die
teilungserklärungswidrige Nutzung weiter dulden, weil sie sie
gegenüber dem Voreigentümer widerspruchslos hingenommen hätten.
G r ü n d e
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Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner ist gemäß § 43 Abs. 1, 45 Abs. 1
WEG, 27, 29 FGG zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt, hat aber in der Sache
selbst keinen Erfolg, weil der angefochtene Beschluß nicht auf einer Verletzung des
Gesetzes beruht (§§ 27 FGG, 550 ZPO).
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Die Entscheidung des Landgerichts, die Beschwerde gegen den Teilbeschluß des
Amtsgerichts Köln vom 21.03.1994 - 204 II 262/93 -, mit der den Antragsgegnern u.a.
aufgegeben wurde, unter Beseitigung der durch Aushebung eines Grabens und Einbau
eines vergrößerten Kellerfensters unter dem Balkon der Erdgeschoßwohnung
veranlaßten baulichen Veränderung den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen,
zurückzuweisen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
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Zutreffend sind beide Vorinstanzen davon ausgegangen, daß der Einbau des
vergrößerten Kellerfensters und der Bodenaushub im Vorgarten, der u.a. dazu dient,
diesem so vergrößerten Kellerfenster den nötigen Lichteinfall zu gewähren, bauliche
Veränderungen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG darstellen, die über die
ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen
Eigentums hinausgehen und die grundsätzlich der einstimmigen Beschlußfassung der
Wohnungseigentümer bedürfen. Mangels Zustimmung der Antragsteller als Mitglieder
der Wohnungseigentumsgemeinschaft können diese daher gemäß §§ 15 Abs. 3 WEG,
1004 BGB die Beseitigung dieser Veränderungen und die Wiederherstellung des
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ursprünglichen Zustandes verlangen. Dabei beinhaltet die Wiederherstellung des
ursprünglichen Zustandes natürlich entgegen der Ansicht der Antragsgegner nicht, daß
das frühere, nach Behauptung der Antragsgegner morsche und defekte Holzfenster
wiedereingesetzt wird, sondern lediglich, daß ein dem früheren in Form und Farbe
gleiches Fenster derselben Größe eingesetzt wird.
Wie in der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts richtig erkannt, gilt das
Zustimmungserfordernis des §§ 22 Abs. 1 Satz 1 WEG nach §§ 22 Abs. 1 Satz 2, 14 Ziff.
1 WEG nur dann nicht, wenn durch bauliche Veränderungen keinem der anderen
Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidbare
Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Dabei ist unter einem Nachteil im Sinne der zitierten
Vorschrift jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung zu verstehen; diese kann auch
in einer - nicht nur ganz geringfügigen - Beeinträchtigung des optischen
Gesamteindrucks der Wohnanlage liegen (vgl. BayObLGZ 82, 75).
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Die hierzu vom Landgericht getroffene Feststellung, daß es sich bei den Maßnahmen
um einen nicht unbedeutenden Eingriff in das Gemeinschaftseigentum handelt, kann als
tatrichterliche Beweiswürdigung in der Rechtsbeschwerdeinstanz gemäß §§ 27 Abs. 2
FGG, 561 Abs. 1 ZPO nur beschränkt daraufhin nachgeprüft werden, ob sie in sich
widersprüchlich ist, den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen
zuwiderläuft, Teile des Beweisergebnisses unberücksichtigt läßt oder unter
Außerachtlassung von angebotenen bzw. sich im Amtsermittlungsverfahren
aufdrängenden Beweismöglichkeiten zustande gekommen ist. Insoweit läßt der
angefochtene Beschluß keine Mängel erkennen. Wie durch die zu den Akten gereichten
Lichtbilder des Ursprungszustands und des jetzigen Aussehens erkennbar ist, wird
durch die Veränderung der Fensterflächen nicht nur der optische Eindruck der Fassade
verändert; vielmehr wurde hierdurch auch in Form der Abgrabung eine Veränderung der
Gartenfläche erforderlich, um dem so vergrößerten Fenster den nötigen Lichteinfall zu
gewähren. Im übrigen wird mit der Vergrößerung der Fensterfläche auch die
Wohnqualität der seit längerem zu Wohnzwekken genutzten Räumlichkeiten im
Souterrain des Hauses erhöht. Auch dies stellt sich als ein Nachteil für die Antragsteller
dar, da in der Teilungserklärung vom 4. November 1993 die entsprechenden
Räumlichkeiten als Kellerraum, Trockenraum und Trafostation ausgewiesen sind. Diese
Nutzungsbeschreibung ist für die Beteiligten auch gemäß § 10 Abs. 2 WEG bindend.
Teilungserklärungen, die durch Inbezugnahme gemäß § 7 Abs. 3 WEG zum Inhalt des
Grundbuches geworden sind, sind nämlich nur nach Wortlaut und Sinn des im
Grundbuch eingetragenen, wie es sich für den unbefangenen Beobachter als
nächstliegende Bedeutung ergibt, auszulegen. Erklärungen bei Weiterveräußerungen
und bisherige Handhabung durch Wohnungseigentümer müssen angesichts des
Gutglaubensschutzes des Grundbuches außer Betracht bleiben (vgl. Palandt, BGB-
Kommentar, 52. Aufl. WEG § 10 Rdnr. m.w.N.). Von daher ist die langjährige, nach
Behauptung der Antragsgegner dreißig Jahre währende Benutzung der Kellerräume als
Wohnraum und die Kenntnis der Antragsteller hiervon bei Erwerb ihres
Wohnungseigentums ohne Bedeutung. Der Umstand, daß innerhalb einer
Wohnungseigentumsanlage Räumlichkeiten, die nach der Teilungserklärung nicht zu
Wohnraumzwecken bestimmt sind, als Wohnung genutzt werden, stellt aber regelmäßig
für die an dieser Nutzung nicht partizipierenden Mitglieder der
Wohnungseientumsgemeinschaft einen Nachteil dar, da hierdurch eine erhöhte Aus-
und damit auch Abnutzung der Gesamtwohnungseigentumsanlage verbunden ist.
Nachteilig ist dementsprechend auch die Erhöhung der Wohnqualität für solche
Räumlichkeiten.
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Nach alledem ist die Wertung des landgerichtlichen Beschlusses, wonach es sich bei
den beanstandeten Maßnahmen um einen nicht unbedeutenden Eingriff in das
Gemeinschaftseigentum handelt, nicht zu beanstanden. Zuzustimmen ist der
angefochtenen Entscheidung auch darin, daß das Begehren der Antragsteller nicht
unter dem Gesichtspunkt des Schikaneverbotes mißbräuchlich ist. Dies folgt schon
daraus, daß in § 22 Abs. 1, 14 Ziffer 1 WEG eine spezialgesetzliche Normierung des
Schikaneverbotes erfolgt ist. Soweit die Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift
nicht vorliegen, scheidet auch eine Anwendung des § 226 BGB aus.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG. Wegen der außergerichtlichen Kosten
entsprach es billigem Ermessen, von der Grundregelung im
Wohnungseigentumsverfahren, daß jeder Beteiligte seine notwendigen Auslagen selbst
trägt, abzuweichen und den Antragsgegnern die entsprechenden Kosten der
Antragsteller im Rechtsbeschwerdeverfahren aufzuerlegen, da die Antragsgegner mit
ihrer Rechtsverteidigung bereits in beiden Vorinstanzen unterlegen waren und im
Rechtsbeschwerdeverfahren nichts wesentlich Neues vorgetragen haben.
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Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren: 10.000,-- DM
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Richterin am OLG Becker ist infolge Urlaubs an der Unterzeichnung gehindert.
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