Urteil des OLG Köln vom 22.08.1996

OLG Köln (höhe, sozialhilfe, schuldner, nachweis, träger, sache, ehefrau, 1995, stadt, beschwerde)

Oberlandesgericht Köln, 10 WF 132/96
Datum:
22.08.1996
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
10. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
10 WF 132/96
Vorinstanz:
Amtsgericht Aachen, 29 F 162/93
Normen:
BSHG § 91; ZPO § 727
Leitsätze:
Der Träger der Sozialhilfe, der den Übergang von Unterhaltsforderungen
gemäß § 91 BSHG (n.F.) geltend macht, kann den in § 727 ZPO
vorgesehenen Nachweis der Rechtsnachfolge durch Vorlage einer
eigenen Aufstellung über die Höhe seiner den Anspruchsübergang
bestimmenden Hilfeleistungen führen. Die Beachtung der
sozialhilferechtlichen Schutzvorschriften ist nicht urkundlich
nachzuweisen.
Rechtskraft:
unanfechtbar
Tenor:
Auf die Beschwerde der Stadt Aachen vom 13. Mai 1996 wird der
Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Aachen vom 19. April
1996 (29 F 162/93) aufgehoben und die Sache zur erneuten
Entscheidung über den Klauselumschreibungsantrag vom 7. Februar
1996 an das Amtsgericht zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Der Antragsgegner ist seiner getrennt lebenden Ehefrau aufgrund des Urteils des
Amtsgerichts A. vom 18. Februar 1994 zu monatlichen Unterhaltszahlungen von
1.073,90 DM verpflichtet. Die Stadt A., deren Sozialamt der Ehefrau
nachgewiesenermaßen in der Zeit von April bis November 1995 Hilfe in einer den
titulierten Anspruch übersteigenden Höhe geleistet hat, beantragt, ihr wegen der nach §
91 BSHG übergegangenen Forderungen gemäß § 727 ZP0 die Rechtsnachfolgeklausel
zu erteilen. Der Antragsgegner hat sich dazu nicht geäußert. Der Rechtspfleger hat den
Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, es fehle an dem nach den §§ 91 Abs. 2
Satz 1 BSHG, 727 Abs. 1 ZP0 erforderlichen Vortrag und Beleg, daß der Antragsgegner
nach Sozialhilferechtssätzen leistungsfähig sei.
2
Die hiergegen gerichtete zulässige Erinnerung der Antragstellerin gilt, nachdem ihr der
Amtsrichter nicht abgeholfen hat, gemäß § 11 Abs. 2 RpflG als Beschwerde. Diese ist
sachlich begründet. Die Sache wird nach § 575 ZP0 zur erneuten Entscheidung -
Erteilung der Klausel - an das Amtsgericht zurückverwiesen.
3
Im Verfahren auf Erteilung einer Vollstreckungsklausel nach § 727 ZP0 ist die
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Rechtsnachfolge, abgesehen vom Fall der 0ffenkundigkeit, durch öffentliche oder
öffentlich beglaubigte Urkunden nachzuweisen. Diesem Erfordernis genügt der Träger
der Sozialhilfe, der den gesetzlichen Übergang von Unterhaltsansprüchen gemäß § 91
BSHG (n.F.) geltend macht, nach Auffassung des Senats schon durch die Vorlage einer
eigenen Aufstellung über die Höhe seiner den Anspruchsübergang bestimmenden
Hilfeleistungen (so auch Zöller-Stöber, ZP0, 19. Aufl., § 727 Rdn. 22 m.w.N.;
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZP0, 54. Aufl., § 727 Rdn. 32). Denn nach § 91
Abs. 1 Satz 1 BSHG geht der Unterhaltsanspruch bis zur Höhe der geleisteten
Aufwendungen kraft Gesetzes auf den Träger der Sozialhilfe über. - Das Amtsgericht
weist zwar zutreffend darauf hin, daß der Anspruch nach Abs. 2 Satz 1 nur übergeht,
soweit ein Hilfeempfänger sein Einkommen und Vermögen einzusetzen hat. Mit dieser
Vorschrift soll sichergestellt werden, daß der Schuldner wegen der Inanspruchnahme
auf Unterhalt nicht selbst sozialhilfebedürftig wird. Hierbei handelt es sich allerdings um
einen Ausschlußtatbestand, der erst im Vollstreckungsverfahren vom Schuldner als
Einwendung geltend gemacht werden kann ( Künkel FamRZ 1994, 540/9; Zöller-Stöber,
a.a.0. ). Die gegenteilige Auffassung des Amtsgerichts, die Beachtung der
Schuldnerschutzvorschrift sei in der in § 727 ZP0 vorgeschriebenen Form vom
Sozialhilfeträger nachzuweisen (so im Ergebnis wohl Brudermüller FamRZ 1995,
1033/6), vermag nicht zu überzeugen. Sie widerspricht der Zielsetzung des
Gesetzgebers, den Durchgriff des Trägers der Sozialhilfe gegenüber einem dem
Hilfeempfänger Unterhaltspfichtigen zu erleichtern (BR-Drucks. 121/93 S. 216). Da der
Sozialhilfeträger faktisch kaum im Stande sein wird, den vom Amtsgericht geforderten
förmlichen Nachweis zu führen, bliebe ihm nur die Möglichkeit des aufwendigen
Klageverfahrens nach § 731 ZP0, das durch die in § 727 ZP0 vorgesehene
Vereinfachung vermieden werden soll. Überdies ist der Schuldner zweifellos aus
eigener unmittelbarer Kenntnis am ehesten in der Lage, seine wirtschaftlichen
Verhältnisse zur Geltung zu bringen. Mit Rücksicht darauf ist es auch nach allgemeinen
Grundsätzen gerechtfertigt, ihm Darlegung und Nachweis der Voraussetzungen des §
91 Abs. 2 Satz 1 BSHG aufzuerlegen.