Urteil des OLG Köln vom 13.03.2007

OLG Köln: besonderer gerichtsstand, rechtliches gehör, hauptsache, rücknahme, bindungswirkung, aufwand, transparenz, beendigung, einzelrichter, datum

Oberlandesgericht Köln, 5 W 87/06
Datum:
13.03.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 W 87/06
Tenor:
Auf die Erinnerung der Antragsgegner wird der Beschluss vom
10.11.2006, mit dem der Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen
wurde, aufgehoben. Der Rechtspfleger wird angewiesen, über den
Kostenfestsetzungsantrag der Antragsgegner vom 22.8.2006 nach
Maßgabe der nachfolgenden Gründe erneut zu befinden.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt der Antragsteller.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
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Die seitens der Antragsgegner eingelegte Erinnerung gegen die ablehnende
Entscheidung des Rechtspflegers ist als befristete Erinnerung gemäß § 11 Abs.2 RPflG
an sich statthaft (vgl. dazu BayObLG NJW-RR 2000, 141) sowie fristgerecht eingelegt
und damit insgesamt zulässig. Der erkennende Senat (gemäß §§ 568 Abs.1 Satz 1
ZPO, 11 Abs.2 Satz 4 RPflG durch den obligatorischen Einzelrichter) ist auch für die
Entscheidung über die Erinnerung zuständig. Entscheidet ein Rechtspfleger am
Oberlandesgericht über die Festsetzung der Kosten aus einem Verfahren nach § 37
ZPO, ist "der Richter" im Sinne von § 11 Abs.2 Satz 3 RPflG, dem er die Sache
vorzulegen hat, sein zuständiger Senat, nicht aber das Gericht, das für ein
Hauptsacheverfahren (um das es hier gerade nicht geht) zuständig wäre.
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Die Erinnerung ist auch begründet.
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Der Senat hat mit Beschluss vom 8.8.2006 den Antrag auf Bestimmung eines
gemeinsamen zuständigen Gerichts abgelehnt, weil ein gemeinsamer besonderer
Gerichtsstand existierte. Der Senat hat ferner entsprechend der Rechtsprechung des
BGH (MDR 1987, 735), der der Senat in zahlreichen Entscheidungen gefolgt ist, dem
Antragsteller nach § 91 ZPO die Verfahrenskosten auferlegt. Diese
Kostengrundentscheidung bedeutete allerdings noch nicht automatisch, dass
tatsächlich Kosten zu erstatten seien, denn für die Kostengrundentscheidung ist es
unerheblich, ob im Streitfall tatsächlich Gebühren oder Auslagen angefallen sind oder
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nicht (BGH aaO, a.E.; anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Senats
vom 24.2.2003 – 5 W 9/03 – AGS 2003, 205; die gegenteilige Auffassung von Schneider
AGS 2003, 205 ist nicht verständlich).
Ob in einem Fall wie dem vorliegenden tatsächlich Rechtsanwaltsgebühren und
Auslagen nach dem RVG geltend gemacht werden können, hängt davon ab, ob bzw.
inwieweit ein Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nach §§ 36, 37 ZPO zum
"Rechtszug" im Sinne von § 19 Abs.1 Satz 2 Nr. 3 RVG, und damit zum
Hauptsacheverfahren, gehört. § 19 Abs.1 Satz 2 Nr. 3 RVG regelt, dass zum Rechtszug
auch "die Bestimmung des zuständigen Gerichts" gehört, womit unstreitig jedenfalls der
Fall gemeint ist, dass es im Verfahren nach §§ 36, 37 ZPO zu einer Bestimmung kommt.
Für den hier gegebenen Fall, dass eine Zuständigkeitsbestimmung abgelehnt, oder für
den Fall, dass ein entsprechender Antrag zurückgenommen wird, hat der BGH in der
oben zitierten Entscheidung (MDR 1987, 735) wörtlich ausgeführt:
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"Zwar gilt das Verfahren nach § 37 ZPO, das mit der Bestimmung des zuständigen
Gerichts endet, als Teil des Hauptsacheverfahrens, so dass auch die Kosten des
Bestimmungsverfahrens Kosten der Hauptsache sind, die entsprechend der
Kostenentscheidung in der Hauptsache zu erstatten sind. Dies gilt jedoch nicht im
Falle der Ablehnung oder der Zurücknahme des Bestimmungsantrags. In diesen
Fällen kann ein etwaiges gegen die Antragsgegner gerichtetes Klageverfahren
nicht als Hauptsache zu dem ohne Bestimmung des zuständigen Gerichts
abgeschlossenen Verfahren nach § 37 ZPO angesehen werden; es erscheint
daher (entgegen OLG Düsseldorf MDR 1983, 846) geboten, über die Kosten des
Bestimmungsverfahrens in entsprechender Anwendung des § 91 oder des § 269
Abs.3 ZPO zu entscheiden und dem Antragsgegner auf diese Weise eine
Möglichkeit einzuräumen, die durch die Stellung des unbegründeten oder des
zurückgenommenen Antrags entstandenen Kosten erstattet zu erhalten. Dabei ist
es unerheblich, ob im Streitfall tatsächlich Gebühren oder Auslagen angefallen
sind."
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Diese Ausführungen sind nach dem Verständnis des erkennenden Gerichts eindeutig.
Ein mit der Bestimmung des zuständigen Gerichts abgeschlossenes
Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nach § 37 ZPO gehört kostenrechtlich zur
Hauptsache, ein zurückgewiesenes oder durch Rücknahme des Antrag erledigtes
Verfahren hingegen nicht, letzteres stellt sich vielmehr als "Besondere Angelegenheit"
im Sinne von § 15 RVG dar. Dieses Verständnis der BGH-Entscheidung legt ersichtlich
auch das BayObLG (NJW-RR 2000, 141) zugrunde. Gleiches gilt zumindest für Teile
der Literatur (Ebert in Mayer/Kroiß, RVG, Rn. 45 zu § 19; Schneider NJW 2003, 2436;
Schneider in Anwaltskommentar zum RVG § 15 Rn. 185; offen bei Hartmann
Kostengesetze 35. Aufl. 2005, § 19 Rn. 14; Römermann in Hartung/Römermann/Schons
Praxiskommentar zum RVG 2006 § 19 Rn. 42; von Eicken in Gerold/Schmidt RVG 16.
Aufl. 2004, § 19 Rn. 25; Patzina in Münchner Kommentar – ZPO § 37 Rn. 7; a.A. Göttlich
/Mümmler RVG 2004, Stichwort "Bestimmung"; Heinrich in Musielak, ZPO, 5. Aufl. 2007,
§ 37 Rn. 10; Vollkommer in Zöller ZPO 26. Aufl., 2007, § 36 Rn. 33).
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Die dem dezidiert entgegenstehende Auffassung des OLG Dresden (Beschluss vom
14.7.2005, Rechtspfleger 2006, 44), wonach der BGH die Frage "ausdrücklich offen
gelassen" habe, ob ein Rechtsanwalt, der die Antragsgegner nach abgeschlossenem
Zuständigkeitsbestimmungsverfahren auch im Klageverfahren vertritt, damit Anspruch
auf eine gesonderte Vergütung hat, leuchtet nicht ein. Die Erwägungen des BGH
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können sich nur auf die Frage des anwaltlichen Gebührenrechts beziehen. Welche
andere rechtliche Bedeutung ihnen zukommen sollte, ist nicht erkennbar. Auch der
letzte Satz des obigen Zitats, wonach es unerheblich sei, ob überhaupt Gebühren und
Auslagen entstanden seien, widerspricht dem nicht. Da im Verfahren nach § 37 ZPO
kein Anwaltszwang herrscht und im Übrigen die Antragsgegner zwar rechtliches Gehör
erhalten, sich aber nicht melden müssen, mag durchaus die Situation eintreten, dass
keine Gebühren und Auslagen anfallen, was allerdings nicht etwa im Verfahren nach §§
36, 37 ZPO zu prüfen und hiervon eine Kostenentscheidung abhängig zu machen ist.
Damit mag sich allenfalls die Frage stellen, ob die Ausführungen des BGH Raum für
eine restriktive Handhabung lassen, die nur die Fälle erfasst, dass entweder ein
Hauptsacheverfahren gar nicht erst betrieben wird oder ein Anwaltswechsel beim
Hauptsacheverfahren stattfindet. Ein solcher Raum ist indes nicht zu erkennen. Die
Erwägung des OLG Dresden aus der Systematik des RVG, dass nämlich das RVG bei
der Frage, ob ein Gebührentatbestand vorliegt, grundsätzlich nicht zwischen Erfolg oder
Nichterfolg des Verfahrens unterscheide, mag zwar zutreffen, ist jedoch mit der
Entscheidung des BGH schlechterdings nicht in Einklang zu bringen, und kann daher
allenfalls ein Grund sein, den BGH zur Änderung seiner bisherigen Auffassung zu
bewegen.
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Es besteht allerdings kein Anlass, von der klaren Linie des BGH abzuweichen, und
zwar weder aufgrund der Erwägungen des OLG Dresden noch aufgrund sonstiger
Erwägungen. Das systematische Argument des OLG Dresden erscheint nicht als
durchschlagend. Tatsache ist, dass eine enge, untrennbare Verbindung besteht
zwischen einem Bestimmungsverfahren, das mit einer Bestimmung des zuständigen
Gerichts endet, und dem Hauptsacheverfahren. Es handelt sich letztlich nur um einen
besonderen "Auftakt" des sich regelmäßig unmittelbar daran anschließenden
Hauptsacheverfahrens, der an der untrennbaren Verbindung beider Verfahren aber
nichts ändert. Das ist grundlegend anders bei einer Beendigung des
Bestimmungsverfahrens durch Zurückweisung oder Rücknahme. Hier fehlt jede
Verbindung zum Hauptsacheverfahren. Es gibt hier auch keine rechtliche Auswirkung,
insbesondere keinerlei Bindungswirkung. Es handelt sich nun um zwei gänzlich
getrennte Verfahren. Dass dieser grundlegende Unterschied auch kostenrechtliche
Auswirkungen nach sich zieht, ist konsequent und sachgerecht. Gewichtiger erschiene
da eher das Argument, dass es vom zu betreibenden Aufwand des Rechtsanwalts
schwerlich einen Unterschied machen dürfte, welchen Ausgang das
Bestimmungsverfahren nimmt. Allerdings unterscheidet das RVG auch ansonsten kaum
je nach dem konkreten Arbeitsaufwand des Anwalts. Auch lässt der Katalog des § 19
Abs.2 RVG keine völlige Stringenz und innere Logik erkennen, sondern eher eine
pragmatische Sicht des Gesetzgebers (Hartmann, aaO § 19 Rn. 2). Manche der dort
aufgeführten Verfahren (bzw. Verfahrensabschnitte) hätten ohne weiteres auch als
"Besondere Angelegenheiten" angesehen werden können.
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Das Argument der Klarheit, Transparenz und praktischen Handhabbarkeit spricht denn
auch bei der Frage der Vergütungsfähigkeit von Verfahren nach § 37 ZPO neben den
obigen systematischen Erwägungen für die Richtigkeit der Auffassung des BGH. Die
Unterscheidung danach, ob eine Bestimmung erfolgt ist oder das Verfahren durch
Zurückweisung oder Rücknahme des Antrags beendet wurde, ist eindeutig. Eine
Differenzierung danach, ob derselbe Anwalt das spätere Hauptsacheverfahren betreibt,
ist es nicht. So entspricht es etwa allgemeiner Auffassung, dass eine Vergütungspflicht
besteht, wenn ein Hauptsacheverfahren nicht nachfolgt oder von einem anderen
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Rechtsanwalt betrieben wird. Hier stellen sich jedoch die Fragen, wann für die etwaige
Kostenfestsetzung feststehen soll, ob ein Hauptsacheverfahren folgt, wie zu
entscheiden ist, wenn derzeit der weitere Verlauf ungewiss ist, und was der
Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren hier im einzelnen aufklären soll. Ferner
bleibt unklar, was genau als nachfolgendes Hauptsacheverfahren anzusehen ist. Diese
Frage stellt sich etwa, wenn die Bestimmung des zuständigen Gerichts abgelehnt wird,
weil es an den Voraussetzungen der §§ 59, 60 ZPO fehlt, und sich der Antragsteller
daraufhin entschließt, nur einen der Antragsgegner in Anspruch zu nehmen, andere
hingegen nicht. Alle diese Fragen stellen sich nicht, wenn das beendete
Bestimmungsverfahren schlicht abgerechnet wird, sobald es anders als durch
Bestimmung des zuständigen Gerichts endet. Auch daher ist diese Auffassung aus Sicht
des erkennenden Gerichts letztlich vorzugswürdig.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO analog.
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Da keine Abweichung zur Rechtsprechung des BGH vorliegt und die Frage durch den
BGH hinreichend geklärt erscheint, kommt der Entscheidung keine grundsätzliche
Bedeutung zu. Einer Zulassung der Rechtsbeschwerde (nach vorheriger Verweisung an
den Senat) bedurfte es daher nicht, auch wenn insoweit der Entscheidung des OLG
Dresden widersprochen wird.
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Streitwert: bis 300.- €.
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