Urteil des OLG Köln vom 17.03.1999

OLG Köln (bestellung, gefahr im verzuge, auswahl, subjektives recht, beschwerde, heim, schwester, vorschlag, vorrang, anhörung)

Oberlandesgericht Köln, 16 WX 18/99
Datum:
17.03.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 WX 18/99
Normen:
BGB § 1897 ABS. 4 UND 5; AUSWAHL DES BETREUERS;
Rechtskraft:
unanfechtbar
Auswahl des Betreuers
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BGB § 1897 Abs. 4 und 5 Bei der Auswahl des Betreuers hat der Wille des Betroffenen
unbedingten Vorrang. Der Umstand, daß noch geeignetere Personen in Betracht
kommen, mag dem Willen des Betroffenen nicht seinen Vorrang zu nehmen. Der vom
Betroffenen gewünschte Betreuer ist nur dann nicht zu bestellen, wenn die ernsthafte
Gefahr besteht, daß der Ausgewählte sein Amt nicht zum Wohle des Betroffenen führen
werde.
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GRÜNDE I. Im Dezember 97 regten die Beteiligten zu 3), Schwester und Schwager der
Betroffenen, für die erblindete Betroffene wegen eines - ärztlich attestierten (Bl. 2 GA)
hirnorganischen Abbauprozesses die Anordnung einer Betreuung an mit den
Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmungsrecht, Vermögenssorge und
Gesundheitsfürsorge. Dabei legten sie eine Generalvollmacht der Betroffenen vom
12.3.95 vor, mit der sie die Beteiligten zu 3) ermächtigte, sie "in allen meinen
Angelegenheiten zu vertreten" (Bl. 3 GA). Das Amtsgericht bestimmte Termin zur
persönlichen Anhörung der Betroffenen und bestellte für sie den Beteiligten zu 4) zum
Verfahrenspfleger. Da die Anhörung ergab, daß mit der sich seit dem 3o.12.97 wegen
eines Gehirnschlags im Krankenhaus befindlichen Betroffenen infolge ihres
Krankheitszustandes eine Verständigung nicht möglich war, ordnete das Amtsgericht
mit Beschluß vom 23.1.98 die Einholung eines fachärztlichen Gutachtens an zur Frage
der Notwendigkeit der Betreuung sowie des Umfangs der Aufgabenkreise. Mit
Schreiben vom 2.2.98 teilte das Krankenhaus mit, daß bei der Betroffenen aufgrund des
Schlaganfalls nunmehr die Ernährung über eine Sonde durch die Bauchdecke
notwendig geworden ist, und bat um möglichst kurzfristige Einrichtung einer Betreuung
zwecks Erlangung des Einverständnisses zur Vornahme des Eingriffs. Durch Beschluß
vom 6.2.98 bestellte das Amtsgericht für die Betroffene vorläufig und bis zum 6.8.98 die
Beteiligte zu 2) zur Betreuerin mit dem Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung,
Vermögenssorge und Einwilligung in die medizinische Behandlung und führte zur
Begründung an, aufgrund des Krankheitbildes sei im wohlverstandenen Interesse der
Betroffenen die Betreuung vorläufig anzuordnen, da dringende Angelegenheiten zu
regeln seien und die derzeitigen Bevollmächtigten nach dem Bericht des Heimes als
auch des Krankenhauses nicht die Interessen der Betroffenen ausreichend verfolgen
würden und wohl selbst altersbedingt schwierig seien. Die dagegen gerichtete
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Beschwerde der Beteiligten zu 3), mit der sie sich gegen die Auswahl des Betreuers
wendeten und beantragten, sie als Betreuer zu bestellen, erklärten sie für erledigt,
nachdem durch Beschluß des Amtsgerichts vom 3.8.98 die Betreuung vorläufig bis zum
6.2.99 verlängert worden war (Bl. 41 GA). Zugleich legten sie Beschwerde aber gegen
den letztgenannten Beschluß ein, mit der sie sich erklärtermaßen nur wiederum gegen
den ausgewählten Betreuer wenden und ihre Bestellung weiterverfolgen. Durch den
angefochtenen Beschluß hat das Landgericht die Beschwerde des Beteiligten zu 3) als
unzulässig verworfen und die der Beteiligten zu 3) als unbegründet zurückgewiesen.
Die anwaltlich vertretenen Beteiligten zu 3) haben mit Schriftsatz vom 29.1.99 hiergegen
weitere Beschwerde eingelegt, mit der sie wiederum ihre Bestellung anstelle der
Beteiligten zu 2) begehren. Durch Beschluß vom 2.2.99 verlängerte das Amtsgericht die
vorläufige Betreuung um weitere 6 Monate (Bl. 132 GA).
II.
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Von den nach §§ 27, 29 FGG als Rechtsbeschwerde zulässigen weiteren Beschwerden
der Beteiligten zu 3) ist nur die der Beteiligten zu 3), Frau K., - Schwester der
Betroffenen - begründet.
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Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Beschwerde
des Beteiligten zu 3), Herr Karcher, sei unzulässig, weil er als Schwager der Betroffenen
nicht zu dem in § 69 g Abs. 1 FGG aufgeführten und beschwerdeberechtigten
Personenkreis gehöre. Im übrigen könne es dahinstehen, ob in der Generalvollmacht
ein - konkludent geäußerter - Wunsch der Betroffenen auf Bestellung der Beteiligten zu
3) zum Betreuer zu sehen ist. Einem entsprechenden Vorschlag wäre nicht zu
entsprechen, weil diese durch ihr - überfürsorgliches - Verhalten in offensichtlich
erheblicher Weise in die Pflegeorganisation der Betroffenen eingreifen, so daß eine
dem Wohl der Betroffenen entsprechende Pflege nicht mehr hinreichend gewährleistet
erscheine. So werde - wie eine Mitarbeiterin des Altenheims "H." bekundet habe, in dem
sich die Betroffene nunmehr befindet - durch Interventionen der Beteiligten zu 3) der
Pflegeablauf gestört und beeinträchtigt. Ihre Bestellung würde mithin beim jetzigen
Stand des Verfahrens im Sinne von § 1897 Abs.4 BGB dem Wohl der Betroffenen
zuwiderlaufen. Entsprechende Bedenken hätten auch der Verfahrenspfleger und die
Leiterin des Altenheims geäußert.
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Danach komme auch keine gemäß § 1897 Abs. 5 BGB bevorzugte Berücksichtigung
der Beteiligten zu 3) in Betracht.
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Die Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung (§§ 27 Abs. 1 FGG, 55o ZPO) nur
teilweise stand.
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1) Mit Recht und zutreffender Begründung hat das Landgericht das Rechtsmittel des
Beteiligten zu 3) als unzulässig verworfen. Da der Beschwerdeführer als Schwager der
Betroffenen nicht zu dem Personenkreis des § 69 g Abs. 1 FGG gehört, beurteilt sich
seine Beschwerdebefugnis ausschließlich nach § 2o Abs. 1 FGG. Dessen
Voraussetzungen sind indes nicht gegeben, weil mit der Ablehnung der Anregung, sie
beide gemeinsam zum Betreuer der Betroffenen zu bestellen, nicht in ein subjektives
Recht der Beteiligten zu 3) eingegriffen wird. Dabei kann dahinstehen, ob ein Vorschlag
der Betroffenen gemäß § 1897 Abs. 4 BGB vorliegt, denn dieser würde nur einen
Vorrang des Vorgeschlagenen bei der Auswahl des Betreuers begründen können, nicht
aber zugleich ein Recht des Vorgeschlagenen auf Bestellung.
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2) Rechtlich zu beanstanden ist aber die Entscheidung über die Auswahl der Beteiligten
zu 2) als vorläufige Betreuerin, d.h. das Übergehen der Beteiligten zu 3).
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Die Beschwerdebefugnis der Schwester der Betroffenen ergibt sich aus § 69 g Abs.1
FGG, weil sie zu den genannten nahen Angehörigen gehört und eine Anfechtung der
erstmaligen Bestellung eines Betreuers von amtswegen und damit auch die Anfechtung
der Auswahl des Betreuers unter den abschließenden Katalog dieser Bestimmung fällt.
Die vom Gesetzgeber mit der Neuregelung eingeführte und im Gesetz als "Bestellung
eines Betreuers" bezeichnete Einheitsentscheidung enthält in einem einzigen Beschluß
3 Entscheidungen, nämlich die über die Notwendigkeit der Betreuung, über den
Aufgabenkreis des Betreuers und über die Auswahl des Betreuers. Dabei ist auch eine
auf einzelne Elemente der Betreuerbestellung beschränkte Teilanfechtung möglich, wie
etwa auf die Auswahl des Betreuers (so schon OLG Düsseldorf FamRZ 94, 451; a.A.:
wohl Palandt/Diederichsen BGB § 1897 Rdnr. 22 mwN).
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In der Sache haben die Vorinstanzen mit Recht die Voraussetzungen des § 69 f Abs. 1
FGG für die Bestellung eines vorläufigen Betreuers als gegeben angesehen. Mangels
Vorliegen auch der Voraussetzung des § 69 f Abs. 1 S.4 FGG, nämlich einer - von den
Vorinstanzen auch nicht angenommenen - Gefahr im Verzuge waren Amts- und
Landgericht an § 1987 Abs. 4 und 5 BGB gebunden, d.h. sie konnten den vorläufigen
Betreuer - so hat das auch das Landgericht gesehen - nicht abweichend von einem
Vorschlag der Betroffenen bzw. nicht ohne Rücksichtnahme auf die
verwandtschaftlichen und sonstigen persönlichen Bindungen der Betroffenen bestellen,
es sei denn, die Bestellung würde dem Wohl der Betroffenen zuwiderlaufen. Bei der
Auswahl des Betreuers hat der Wille der Betroffenen Vorrang. Der Umstand, daß noch
geeignetere Personen als Betreuer in Betracht kommen, vermag einem Vorschlag der
Betroffenen nicht seinen Vorrang zu nehmen (Senat aaO; Palandt aaO Rdnr. 2o mwN).
Das Übergehen der Beteiligten zu 3) setzt mithin voraus, daß Anhaltspunkte dargetan
oder ersichtlich sind, die die ernsthafte Gefahr begründen können, die Beteiligten zu 3)
werden ihr Amt nicht zum Wohle der Betroffenen führen (vgl. Senatsbeschluß vom
16.3.98 - 16 Wx 48/98 = NJW-FER 99, 57), wenn etwa nicht unerhebliche
Interessenkonflikte bestehen (vgl. BayObLG Rpfleger 94, 11o). Die von den
Vorinstanzen hierzu angeführten Umstände tragen ihre entsprechende Annahme, eine
Bestellung der Beteiligten zu 3) würde dem Wohl der Betroffenen nicht entsprechen,
aber nicht.
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Die Kündigung des Heimvertrages mit dem M.-E.-Heim war keine dem Wohl der
Betroffenen abträgliche Maßnahme. Zum einen haben die Beteiligten zu 3) mit Recht
bestimmte Maßnahmen bzw. Untätigkeiten des Pflegepersonals in diesem Heim
beanstandet. Denn die Pflege auf der Station des M.-E.-Heimes war zu bemängeln, was
eine Mitarbeiterin der Betreuungsbehörde, Frau S., dem Beteiligten zu 4) auch bestätigt
hat (Bl. 24 GA). Zum anderen besteht die Situation nach der von den Beteiligten zu 3)
veranlaßten Verlegung der Betroffenen in ein anderes Heim, nämlich das Haus "H."
nicht mehr. Zudem haben sich durch die Verlegung für die Betroffene unstreitg
nennenswerte Nachteile nicht ergeben. Ferner ist es entgegen der Ansicht des
Landgerichts unerheblich, ob und inwieweit, wie die Schwester Elvira bei ihrer
persönlichen Anhörung berichtete, durch das mangelnde Einvernehmen zwischen den
Beteiligten zu 3) und 2) - zurückzuführen einzig und allein auf "verletzten Stolz" der
Beteiligten zu 3), wie die Beteiligte zu 2) in ihrer ergänzend im
Rechtsbeschwerdeverfahren abgegebenen Stellungnahme meint die Tätigkeit des
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Pflegepersonals beeinträchtigt wurde und wird. Bei einer Bestellung der Beteiligten zu
3) - sie besuchen die Betroffene jeden Tag - scheiden aber gerade solche Störungen
von vornerein aus. Die vom Landgericht schließlich angeführten Bedenken der
Heimleiterin des Hauses "H.", Frau L. - Bl. 4o/1o6 GA - sowie des Beteiligten zu 4) - Bl.
74 GA - gegen die Bestellung der Beteiligten zu 3) gründen sich im wesentlichen darauf,
daß die Pflege im Heim beeinträchtigt wird durch Interventionen der Beteiligten zu 3),
die, wie die Beteiligte zu 2) ergänzend meint, äußerst aggressiv und bestimmend erfolgt
und objektiv gesehen teilweise auch unberechtigt gewesen sein mögen, so daß die
Beteiligte zu 2) als Betreuerin - an ihrer Eignung bestehen keine Zweifel - für das Heim
sicherlich "problemloser" ist. Aus der Sicht der Beteiligten zu 3) erfolgen ihre Aktionen
ausschließlich im Interesse und zum - wie von ihnen verstandenen - Wohl der
Betroffenen. Etwaige unberechtigte Beeinträchtigungen sind mithin ausschließlich auf
eine gutgemeinte allerdings überzogene Fürsorge für die Betroffene zurückzuführen. Sie
haben aber im Ergebnis noch kein Ausmaß angenommen, das die Annahme nahelegt,
die Aktionen der Beteiligten zu 3) gefährden das Wohl der Betroffenen. Weitere
Ermittlungen hierzu sind nicht veranlaßt, so daß der Senat selbst in der Sache
entscheiden kann und muß. Mangels entsprechender Anhaltspunkte dafür, daß eine
Bestellung der Beteiligten zu 3) dem Wohl der Betroffenen zuwiderlaufen würde, ist
diese als Verwandte bei der Auswahl des Betreuers bevorzugt zu berücksichtigen,
wobei es entscheidungsunerheblich ist, ob sogar ein Vorschlag der Betroffenen zur
Bestellung der Beteiligten zu 3) als Betreuer vorliegt, wofür die Generalvollmacht in
Verbindung mit der Tatsache sprechen könnte, daß die Betroffene selbst stets die
persönliche Betreuung insbesondere durch ihre Schwester gewünscht hatte, und die
Beteiligten zu 3) allein zur Versorgung und Betreuung der Betroffenen zu dieser (von
Kaufbeuren nach Aachen) gezogen sind. Umstände dafür, daß irgendwelche,
insbesondere finanzielle Interessenkonflikte bei den Beteiligten zu 3) zu befürchten
sind, sind nicht ersichtlich. Folglich war auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3)
der angefochtene Beschluß aufzuheben und die amtsgerichtliche Entscheidung dahin
abzuändern, daß die Beteiligte zu 2) als Betreuerin entlassen wird und für die im Tenor
genannten Aufgabenkreise die Beteiligten zu 3) zum vorläufigen Betreuer des
Betroffenen bestellt werden. Von der Aufhebung der Bestellung eines vorläufigen
Betreuers im Hinblick darauf, daß der erneut ergangene Verlängerungsbeschluß vom
2.2.99 unzulässig - nur bis zu einer Gesamtdauer von einem Jahr kann eine einstweilige
Anordnung zur Bestellung eines vorläufigen Betreuers gemäß § 67 f Abs. 2 S. 2 FGG
durch weitere einstweilige Anordnungen verlängert werden - und an sich deswegen von
amtswegen aufzuheben ist, hat der Senat ausnahmsweise abgesehen, da die
Betroffene ohne Zweifel für die genannten Aufgabenkreise derzeit unbedingt eines
Betreuers bedarf, d.h. nicht ohne Betreuer sein kann. Die Kostenentscheidung beruht
auf § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG.
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