Urteil des OLG Köln vom 28.08.1998

OLG Köln (einstweilige verfügung, gegenstand des verfahrens, verfügung, negative feststellungsklage, dringlichkeit, antrag, markt, klageerhebung, bestand, vertrieb)

Oberlandesgericht Köln, 6 U 65/98
Datum:
28.08.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 65/98
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 81 O 197/97
Schlagworte:
Dringlichkeit
Normen:
UWG § 25
Leitsätze:
1. Es ist dringlichkeitsschädlich, wenn ein -vermeintlicher-
Unterlassungsgläubiger nach Erhebung einer gegen ihn gerichteten
negativen Feststellungsklage, mit der die wettbewerbsrechtliche
Unbedenklichkeit mehrerer unterschiedlicher Gestaltungen eines
Produktes (hier: Gerüst) geltend gemacht wird, 9 Monate zuwartet, ehe
er gegen eine der mehreren zur gerichtlichen Überprüfung gestellten
Varianten im Wege der einstweiligen Verfügung
(Unterlassungsverfügung) vorgeht. Das gilt im Besonderen, wenn die
negative Feststellungsklage die Reaktion auf eine
Unterlassungsverurteilung wegen einer früheren Formgebung darstellt.
2. Im Falle einer negativen Feststellungsklage, die mehrere
unterschiedliche Formgebungen eines bestimmten Produktes umfaßt, ist
dem -vermeintlichen- Unterlassungsgläubiger regelmäßig zuzumuten,
unverzüglich nach deren Erhebung "spiegelbildlich" den Erlaß einer alle
Gestaltungsvarianten erfassenden Unterlassungsverfügung zu
beantragen.
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
1.) Auf die Berufung der Antragsgegner zu 1)-3) wird das am 6.3.1998
verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 81 O 197/97 - teilweise
abgeändert und im Hauptausspruch insgesamt wie folgt neu gefaßt: Auf
den Widerspruch der Antragsgegner zu 1)-5) wird die am 5.12.1997 im
Beschlußwege erlassene einstweilige Verfügung - 81 O 197/97 -
aufgehoben und der auf ihren Erlaß gerichtete Antrag zurückgewiesen.
2.) Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 6.3. 1998 verkündete
Urteil des Landgerichts Köln - 81 O 197/97 - wird zurückgewiesen. 3.)
Die Kosten des Verfahrens auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung
beider Instanzen hat die Antragstellerin zu tragen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung der Antragsgegner zu 1)-3) ist zulässig und begründet. Auf den
Widerspruch der Antragsgegner hätte die am 5. 12.1997 erlassene einstweilige
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Verfügung nicht nur teilweise, nämlich gegen die Antragsgegner zu 4) und 5), sondern
in vollem Umfange aufgehoben werden müssen, weil es an der erforderlichen
Dringlichkeit für ihren Erlaß fehlt. Dementsprechend ist die ebenfalls zulässige, auf eine
weitergehende Bestätigung dieser einstweiligen Verfügung gerichtete Berufung der
Antragstellerin unbegründet.
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist nicht dringlich und damit
unzulässig. Die Dringlichkeit wird zwar gem. § 25 UWG vermutet, diese Vermutung ist
indes durch das monatelange Zuwarten der Antragstellerin nach Erhebung der Klage
durch die Antragsgegnerin zu 1) im Verfahren 81 O 37/97 LG Köln (= 6 U 20/97 OLG
Köln) widerlegt.
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Nach Erhebung dieser Klage im Februar 1997 oblag es der Antragstellerin - die
Berechtigung ihres Anspruches unterstellt - zur Vermeidung des Dringlichkeitsverlustes,
in angemessen kurzer Zeit, also innerhalb weniger Wochen, den Antrag auf Erlaß einer
einstweiligen Verfügung zu stellen. Dies hat sie indes nicht getan, sondern erst ca. 9
Monate später den Antrag bei Gericht eingereicht, weswegen diesem die Dringlichkeit
fehlt.
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Die erwähnte Klageerhebung gab Anlaß für die Annahme, daß die Antragsgegner mit
dem Gerüst "A. RONDO" in der Version "Wellenform" auf den Markt gehen würde. Denn
Gegenstand der Klage war gerade die von der Antragsgegnerin zu 1) begehrte
Feststellung, u.a. zu diesem Marktzutritt berechtigt zu sein. Zu Unrecht meint die
Antragstellerin demgegenüber, diese Gefahr habe deswegen nicht bestanden, weil die
vielschichtige Antragsfassung in jenem Parallelverfahren belegt habe, daß die
Antragsgegner in Wahrheit mit keiner der dort aufgeführten Gerüstversionen hätten auf
den Markt gehen wollen.
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Es kann auch im vorliegenden Verfahren die Frage offenbleiben, ob die in der
Parallelsache erhobene Klage aus diesem Grunde unzulässig war. Denn selbst wenn
dies zunächst so gewesen sein sollte - woran indes die in dem Urteil des Senats in
jener Sache vom heutigen Tage angesprochenen Zweifel bestehen - bestand
gleichwohl Anlaß für die Beantragung des Erlasses einer einstweiligen Verfügung.
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Nachdem das Landgericht und der Senat in dem vorangegangenen Verfahren 84 O
110/95 LG Köln = 6 U 161/96 OLG Köln u.a. den Vertrieb des Ursprungsgerüstes "A.
RONDO" untersagt hatten, benötigten die Antragsgegner zur Vermeidung von Verlusten
am Markt ein Ersatzgerüst, dessen Vertrieb nicht unter das Verbot fiel. Das gilt aus den
von dem Senat in seiner heutigen Entscheidung im Verfahren 6 U 20/98 dargelegten
Gründen auch angesichts des Umstandes, daß die Antragsgegner weiterhin das Recht
erstreben, das Ursprungsgerüst "A. RONDO" zu vertreiben. Es lag damit von
vorneherein nahe, daß sie mit einem derartigen Gerüst auf den Markt gehen würden,
zumal ihr Prozeßvertreter dies in der Berufungsverhandlung des vorerwähnten
Verfahrens sogar bereits ausdrücklich angekündigt hatte.
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Vor diesem Hintergrund bestand aus der Sicht der Antragstellerin konkreter Anlaß für
die Sorge, daß die Antragsgegnerin zu 1) mit einer der in der Parallelsache angeführten
Versionen auf den Markt gehen würde. Allein der Umstand, daß sie mehrere
Abwandlungen des Gerüstes "A. RONDO" zum Gegenstand des Verfahrens gemacht
hat, machte es nicht etwa unwahrscheinlich, daß sie überhaupt die Absicht hatte, eine
jener Versionen zu verwirklichen. Vielmehr war anzunehmen, daß die Antragsgegnerin
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zu 1) sich durch die Klage lediglich einen möglichst großen Freiraum schaffen wollte,
nicht aber, daß trotz des offenkundigen Bedürfnisses keine der Versionen gewollt
gewesen wäre. Das gilt insbesondere angesichts des Umstandes, daß es sich
tatsächlich nur um drei Hauptversionen, nämlich die "Wellenform", die "Strahlenform"
und die "Eckenform", gehandelt hat und diese drei Gestaltungen des Gerüstes "A.
RONDO" mit etwa dem gleichen - vermutlich nicht übermäßigen - technischen Aufwand
erreicht werden können dürften. Die weiteren Abwandlungen innerhalb der drei
erwähnten Versionen stellten schon deswegen keinen Grund dar, an der Ernsthaftigkeit
der Absichten der Antragsgegnerin zu 1) zu zweifeln, weil es sich dabei lediglich um
stufenweise Ergänzungen der vorgesehenen Abwandlungen von dem Ursprungsgerüst
"A. RONDO" und damit nicht um selbständige Versionen gehandelt hat. Es bestand
auch nicht etwa - worauf die Antragstellerin in der Parallelsache, dort zur Begründung
der angeblichen Unzulässigkeit der Klage, abstellt - die Möglichkeit der
Antragsgegnerin zu 1), auf das Modell "Futuro" auszuweichen, weil dieses damals noch
gar nicht existierte, sondern nach dem Vortag der Antragstellerin selbst erst als Reaktion
auf die im vorliegenden Verfahren erlassene einstweilige Verfügung entwickelt worden
ist.
Der mit der Klageerhebung entstandenen Dringlichkeit steht auch nicht etwa der
Umstand entgegen, daß die Antragstellerin mit Blick auf den Umfang des Klageantrages
zur Wahrung ihrer angeblichen Rechte gehalten war, den Erlaß einer einstweiligen
Verfügung zu beantragen, die spiegelbildlich einen ebenso umfangreichen Antrag
aufwies. Denn das war ohne weiteres möglich und das Risiko von so entstehenden
höheren Kosten hätte auf Grund eben dieser Gestaltung ihres Klageantrages die
Antragsgegnerin zu 1) zu tragen gehabt. Wenn die Antragstellerin etwa die Kostenfolge
des § 93 ZPO nach einem sofortigen Anerkenntnis befürchtete, hätte es ihr
freigestanden, dieses - aufgrund der Klageerhebung ohnehin geringe - Risiko durch
eine (nicht dringlichkeitsschädliche) Abmahnung auszuschließen.
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Der aus den vorstehenden Gründen entstandene Dringlichkeitsverlust erfaßt nicht nur
die Antragsgegnerin zu 1), sondern auch die übrigen vier Antragsgegner. Denn durch ihr
Verhalten gegenüber der Antragsgegnerin zu 1) hat die Antragstellerin gezeigt, daß ihr
die Wahrung ihrer aus dem Vertrieb des Gerüstes "A. RONDO" in der "Wellenform"
angeblich entstehenden Rechte nicht so eilig war, als daß hierfür ein Eilverfahren in
Anspruch genommen werden mußte. Aus diesem Grunde besteht die
Dringlichkeitsvermutung auch gegenüber den anderen Antragsgegnern nicht mehr,
zumal diese sämtlich ebenfalls sogleich hätten in Anspruch genommen werden können.
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Schließlich ist auch nicht etwa bezüglich des im vorliegenden Verfahren gestellten
Unterlassungsantrages, der ausdrücklich die Blaufärbung der Keile und Kennzeichnung
des Gerüstes mit einem blauen Aufkleber zum Gegenstand hat, deswegen die
Dringlichkeit erst nach der Klageerhebung entstanden, weil die Antragsgegnerin zu 1) in
der Parallelsache ihren Klageantrag erst später um diese Einschränkungen ergänzt hat.
Denn die angeblichen Rechte der Antragstellerin werden nicht durch die Blaufärbung
der Keile und den Aufkleber, die sogar allenfalls einen größeren Abstand bewirken,
sondern durch die übrigen streitgegenständlichen Elemente des Gerüstes verletzt, die
die Antragstellerin indes aus den dargelegten Gründen bereits im Zeitpunkt der
Klageerhebung zu einer umgehenden Antragstellung hätten veranlassen müssen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs.1, 97 Abs.1 ZPO.
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Das Urteil ist gemäß § 545 Abs.2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
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Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: (100.000 DM + 150.000 DM =) 250.000
DM.
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