Urteil des OLG Köln vom 23.01.2001

OLG Köln: abschiebungshaft, festnahme, inhaftierung, einreise, vorrang, drittstaat, anhörung, sicherungshaft, auflage, ausländerrecht

Oberlandesgericht Köln, 9 WX 4/01
Datum:
23.01.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 WX 4/01
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 4 T 735/00
Tenor:
Auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen vom 12.01.2001
gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom
21.12.2000 - 4 T 735/00 - wird der angefochtene Beschluss geändert
und wie folgt neu gefasst: Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen
vom 12.12.2000 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom
9.12.2000 - 50 XIV 3945 B - wird der angefochtene Beschluss geändert :
Der Antrag der Antragstellerin vom 9.12.2000 auf Anordnung von
Sicherungshaft wird zurückgewiesen. Die Kosten des Betroffenen, die
zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig
waren, werden der An-tragstellerin auferlegt.
Gründe
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Durch Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 9.12.2000- 50 XIV 3945 B - ist gegen den
Betroffenen Abschiebungshaft für drei Monate mit sofortiger Wirksamkeit angeordnet
worden.
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Die hiergegen vom Betroffenen eingelegte sofortige Beschwerde vom 12.12.2000 hat
das Landgericht Bonn durch Beschluss vom 21.12.2000 - 4 T 735/00- auf Kosten des
Beschwerdeführers zurückgewiesen. Gegen die seinem Verfahrensbevollmächtigten
am 2.01.2001 zugestellte Entscheidung wendet sich der Betroffene mit der sofortigen
weiteren Beschwerde vom 12.1.2001, bei Gericht eingegangen am selben Tage.
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Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen ist gemäß §§ 3, 7 FEVG, 103 Abs. 2
AuslG, 27, 29 FGG zulässig und hat auch in der Sache selbst Erfolg.
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Das Landgericht hat zwar zutreffend ausgeführt, dass der Betroffene, der unwiderlegt am
Tag vor seiner Festnahme vom 8.12.2000 eingereist ist, grundsätzlich nach §§ 42 Abs.
1, Abs. 2 Nr. 1 AuslG aufgrund der illegalen Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist.
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Der Ausreisepflicht steht jedoch hier abweichend von der Auffassung des Landgerichts
ein bereits vor seiner Inhaftnahme geäußertes Gesuch des Betroffenen um Asyl
entgegen. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Anhörung am 9.12.2000 (
Bl. 4,5 d.A. ) hat nämlich der Betroffene erklärt, einen Asylantrag stellen zu wollen.
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Seine Erklärung, " Ich möchte einen Asylantrag stellen, habe dies allerdings noch nicht
getan," ist nicht lediglich als bloße Absichtserklärung zu verstehen, in der Zukunft einen
Asylantrag stellen zu wollen. Die Erklärung des Betroffenen, er " habe dies allerdings
noch nicht getan " ist nach dem Verständnis des Senates bezogen auf die
Vergangenheit zu verstehen, jedoch nicht dahin, auch jetzt werde kein Asylantrag
gestellt. Dies ergibt sich zum einen aus dem bereits bei seiner polizeilichen
Vernehmung geäußerten Wunsch, einen Asylantrag zu stellen sowie den im Rahmen
der richterlichen Anhörung weiteren Angaben des Betroffenen zu seiner eigenen
politischen Verfolgung und der seiner gesamten Familie nach der Ermordung des
Vaters, eines Freiheitskämpfers.
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Diese Äußerungen stellen ein Asylgesuch im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylVfG dar. Wie
der Senat bereits mit Beschluss vom 18.12.2000 - 9 Wx 91/00 - ausgeführt hat, sind
Form und Formulierung des Gesuchs nicht entscheidend. Maßgeblich ist der
erkennbare Wunsch des Betroffenen, vor politischer Verfolgung Zuflucht zu erhalten.
Dies erfordert eine kurze Begründung mit Hinweisen auf die Gefahr politischer
Verfolgung ( Renner, Ausländerrecht, 7. Auflage, § 13 AsylVfG Rn. 5 ), die der
Betroffene hier vor dem Richter gegeben hat.
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Dieses Asylersuchen stand der Anordnung von Abschiebungshaft
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entgegen, weil dieses Asylgesuch im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylVfG mit Äußerung zur
Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylVfG führt.
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Ein förmlicher Asylantrag im Sinne von § 14 Abs. 1 AsylVfG war auch nicht deshalb
erforderlich, weil die Einreise eventuell aus einem sicheren Drittstaat erfolgt ist ( § 55
Abs. 1 Satz 3 AsylVfG ). Ob dem so ist, bedurfte vorliegend keiner weiteren Aufklärung.
Von der Möglichkeit sofortiger Zurückschiebung nach § 19 Abs. 3 AsylVfG hat die
Antragstellerin keinen Gebrauch gemacht. Entgegen ihrer in der Antragsbegründung
vom 9.12.2000 geäußerten Auffassung durfte sie aber nicht anstelle dessen oder der
Weiterleitung an eine Aufnahmeeinrichtung den Asylsuchenden in Abschiebungshaft
nehmen lassen. Der Senat ist hierzu in Übereinstimmung mit dem OLG Frankfurt/Main (
Beschluss vom 15.5.1998- 20 W 183/98- ) der Ansicht, dass zwar der Gesetzgeber
durch die in § 19 Abs. 4 AsylVfG aufgenommene Bestimmung, wonach im Fall
unerlaubter Einreise aus einem sicheren Drittstaat die Vorschriften über Festnahme und
Inhaftierung unberührt bleiben, einen Vorrang von Festnahme und Inhaftierung vor der
Möglichkeit der Weiterleitung an eine Aufnahmeeinrichtung eingeführt hat ( vgl. OLG
Frankfurt, a.a.O. ). Dieser besteht jedoch nicht im Verfahren zur Sicherung der Ausreise
ausreisungspflichtiger Ausländer im Wege der Vorbereitungs- oder Abschiebungshaft.
Dies ergibt sich aus der Einführung der Vorschrift des § 14 Abs. 4 AsylVfG zum
1.11.1997, deren Einführung es bei einem Vorrang von Festnahme und Inhaftierung
auch im Verfahren der Vorbereitungs- und Sicherungshaft nicht bedurft hätte( vgl. OLG
Frankfurt, a.a.O.).
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Hat der Betroffene demnach vor Inhaftnahme einen Asylantrag gestellt und liegen die
Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 AsylVfG damit nicht vor, durfte die Anordnung von
Abschiebungshaft nicht erfolgen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG in Verb. mit § 16 FEVG.
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Streitwert : 8000 DM
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