Urteil des OLG Köln vom 17.09.2007
OLG Köln: vergütung, erstreckung, nummer, unterhalt, vergleich, ausschluss, scheidungsverfahren, datum
Oberlandesgericht Köln, 25 WF 204/07
Datum:
17.09.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
25. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
25 WF 204/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Köln, 322 F 156/06
Tenor:
Die Sache wird an das Amtsgericht – Familiengericht – Köln
zurückgegeben, weil eine Zuständigkeit des Senats nicht gegeben ist.
G r ü n d e :
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1.
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Der Antragsgegnerin ist durch Beschluss vom 09.01.2007 für das Scheidungsverfahren
Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der beschwerdeführenden Rechtsanwältin
bewilligt worden. Durch den angefochtenen Beschluss ist auf ihren Antrag hin die aus
der Staatskasse zu zahlende Vergütung festgesetzt worden. Dabei ist eine
Terminsgebühr aus einem Gegenstandswert von 8.500 Euro (Scheidung und
Versorgungsausgleich) in Ansatz gebracht worden, nicht jedoch – wie beantragt – aus
einem Gegenstandswert von 10.500 Euro. Hintergrund dessen ist, dass im Termin der
mündlichen Verhandlung vom 21.06.2007 die Prozessparteien eine Vereinbarung über
den Ausschluss des Versorgungsausgleichs, den Zugewinn, nachehelichen Unterhalt
sowie sämtliche sonst zwischen den Parteien bestehenden Ansprüche geschlossen
haben. Die bewilligte Prozesskostenhilfe ist durch ausdrücklichen Beschluss auf den
geschlossenen Scheidungsfolgenvergleich erstreckt worden. Die Absetzung des
Mehrbetrages hat das Amtsgericht (Urkundsbeamter der Geschäftsstelle) damit
begründet, dass die Terminsgebühr für die nicht anhängigen Gegenstände von der
Prozesskostenhilfebewilligung nicht umfasst sei; dabei hat sich das Amtsgericht auf
einen Beschluss des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 02.05.2005 - 21
WF 91/05 – bezogen.
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Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Amtsgerichts hat der rechtzeitig
eingelegten Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt.
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2.
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Eine Zuständigkeit des Senats ist nicht gegeben.
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Gem. § 56 Abs. 1 RVG entscheidet über Erinnerungen des Rechtsanwalts gegen die
Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung gem. § 55 RVG das
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Gericht des ersten Rechtszuges, bei dem die Festsetzung erfolgt ist. Hat – wie hier – der
Urkundsbeamte der Geschäftsstelle der Erinnerung nicht abgeholfen, muss er sie mit
einem entsprechenden Vermerk dem zuständigen Richter des Gerichts des ersten
Rechtszuges, hier also dem zuständigen Richter des Amtsgerichts Köln vorlegen, § 573
ZPO. Erst gegen dessen Entscheidung ist unter den Voraussetzungen der §§ 56 Abs. 2
S. 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 bis 8 RVG die Beschwerde gegeben.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
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Ob die Voraussetzungen einer Terminsgebühr gem. Vorb. 3 Abs. 3 VV RVG auch
hinsichtlich der mitverglichenen, nicht anhängigen Sachen vorliegen, wird das
Amtsgericht zu prüfen haben; dies dürfte im Hinblick auf die Variante 3 der Vorb. 3 Abs.
3 VV RVG zu bejahen sein. Sind sie erfüllt, dürfte ein entsprechender
Vergütungsanspruch der Beschwerdeführerin gegenüber der Staatskasse bestehen.
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Gem. §§ 45, 48 RVG bestimmt sich der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse
nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt
beigeordnet oder bestellt worden ist. Dabei ist zu beachten, dass gem. § 624 Abs. 2
ZPO die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Scheidungssache sich auch auf die
Folgesache Versorgungsausgleich erstreckt, soweit sie nicht ausdrücklich
ausgenommen worden ist. Zwar ist von der Erstreckung der Prozesskostenhilfe die
entsprechende Beiordnung zu unterscheiden. Da jedoch für das Verbundverfahren gem.
§ 78 Abs. 2 Nr. 1 ZPO Anwaltszwang besteht, beinhaltet die Erstreckung der
Prozesskostenhilfe auch die entsprechende Beiordnung. Ferner erstreckt sich die
Beiordnung in einer Ehesache gem. § 48 Abs. 3 RVG für die dort genannten
Folgesachen, gleich ob sie anhängig sind oder nicht, grundsätzlich auch auf den
Abschluss eines Vertrages i.S. der Nummer 1000 des VV RVG (Einigungsgebühr).
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§ 48 Abs. 4 RVG stellt hinsichtlich anderer Angelegenheiten, die mit dem
Hauptverfahren nur zusammenhängen, klar, dass der für das Hauptverfahren
beigeordnete Rechtsanwalt nur dann eine Vergütung aus der Staatskasse erhält, wenn
er ausdrücklich auch hierfür beigeordnet worden ist.
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Sind die Voraussetzungen für das Entstehen einer Terminsgebühr nach Vorb. 3 Abs. 3
VV RVG ebenso erfüllt wie die für eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV hinsichtlich
der in § 48 Abs. 3 RVG genannten Folgesachen, so spricht allein schon der
wirtschaftliche Zusammenhang und der bestehende Anwaltszwang dafür, dass die
Beiordnung des Anwalts auch die in diesen Fällen angefallene Terminsgebühr umfasst.
Es widerspräche der Zielsetzung der Prozesskostenhilfe, dass die in diesen Fällen
anfallende Terminsgebühr von der armen Partei selber zu tragen wäre. Darauf müsste
der Rechtsanwalt seine Partei hinweisen und ihr aufzeigen, dass auf sie keine Kosten
entfallen, wenn derartige Ansprüche nicht mitverglichen, sondern in einem gesonderten
Verfahren geltend gemacht werden, für das sie Prozesskostenhilfe unter seiner
Beiordnung auch für die in jenem Verfahren anfallende Terminsgebühr bekommen
könne. Die Folge wird dann sein, dass die arme Partei ein gesondertes Verfahren
betreibt. Eine derartige Verfahrensweise ist nicht nur unwirtschaftlich, sondern für alle
Beteiligten auch mit überflüssiger Arbeit verbunden; gerade das will die Regelung des §
48 Abs. 3 RVG vermeiden (vgl. Schneider AGS 2004, 380).
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Soweit vorliegend durch die geschlossene Vereinbarung auch sonstige
Angelegenheiten mitgeregelt worden sind, trifft die vorgenannte Begründung allerdings
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so nicht zu; dabei ist allerdings offen, wie hoch der diesbezügliche Gegenstandswert ist.
Das Familiengericht hat den Streitwert für den Vergleich ohne Differenzierung auf
insgesamt 2.000 Euro festgesetzt.
Hinsichtlich dieser sonstigen Angelegenheiten kommt eine Vergütung aus der
Staatskasse daher nur dann in Betracht, wenn die Beschwerdeführerin dafür
ausdrücklich beigeordnet worden ist, § 48 Abs. 4 RVG.
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Im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2007 heißt es dazu:
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"Die den Parteien bewilligte Prozesskostenhilfe wird zu den in den jeweiligen
Beschlüssen niedergelegten Bedingungen auf den nunmehr geschlossenen
Scheidungsfolgenvergleich erstreckt."
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Dies beinhaltet angesichts des bestehenden Anwaltszwangs für den
Scheidungsfolgenvergleich konkludent auch eine entsprechende Beiordnung des
Anwalts. Davon ist auch der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zutreffend
ausgegangen, hat er doch die beantragte Einigungsgebühr angesetzt.
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Die Erstattung der Terminsgebühr aus der Staatskasse in derartigen Fällen entspricht im
Ergebnis der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Entscheidung des
Oberlandesgerichts Koblenz OLGReport Koblenz 2006, 895 = RVG 2006, 83 = NJOZ
2006, 3716. Dem steht die vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zitierte
Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln [21. ZS] nicht entgegen. Die Entscheidung
betraf einen Fall, in dem die bewilligte Prozesskostenhilfe gerade nicht auf den
verglichenen Teil erstreckt worden war. Dementsprechend heißt es dort auch in den
Gründen weiter:
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"… Im Rahmen der Prozesskostenhilfe wird es darüber hinaus erforderlich sein,
dass auf einen entsprechenden Antrag der Partei die Prozesskostenhilfe auch auf
die nicht rechtshängigen Ansprüche erstreckt wird".
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