Urteil des OLG Köln vom 18.08.1998

OLG Köln (abweisung der klage, verhandlung, risiko, zpo, versicherungsnehmer, anzeige, höhe, versicherer, geschäftsführer, regress)

Oberlandesgericht Köln, 9 U 27/98
Datum:
18.08.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 27/98
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 12 0 399/96
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18.12.1997 verkündete
Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 12 0 399/96 -
teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, an
die Klägerin 4.676,90 DM nebst 7 % Zinsen seit dem 18.07.1996 zu
zahlen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs.1 ZPO abgesehen).
1
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung hat in der Sache nur teilweise Erfolg.
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Die Beklagte ist nur verpflichtet, die rückständigen Versicherungsprämien für den
Zeitraum vom 22.08.1995 bis zum 17.06.1996 (den Zeitraum danach bis zum
22.11.1996 macht die Klägerin nicht mehr geltend) in der von der Klägerin geforderten
Höhe zu zahlen, was rechnerisch eine Summe von 4.676,90 DM ausmacht; dagegen
besteht kein Anspruch der Klägerin auf Erhebung eines doppelten Beitrags für die
Versicherungsperiode 1993/1994 in Höhe von 5.327,60 DM gemäß § 8 Ziffer II Abs. 3
AHB wegen angeblich unterlassener Anzeige von Änderungen in dem versicherten
Risiko seitens der Beklagten.
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I.
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Nach Vernehmung des Zeugen W. vor dem Landgericht besteht kein Zweifel mehr, daß
zwischen den Parteien ein Vertrag über eine Betriebshaftpflichtversicherung auf der
Grundlage der AHB zustandegekommen ist, sei es entsprechend dem vom
Geschäftsführer der Beklagten unterschriebenen ersten Versicherungsantrag vom
21.11.1991 (unter Anwendung der Bestimmungen des § 5 Abs. 1 bis 3 VVG) oder
gemäß dem zweiten Versicherungsantrag vom gleichen Tage (sofern sich die Beklagte
diesen zurechnen lassen muß). Fraglich ist nur, ob zusätzliche Risiken wirksam
vereinbart worden sind, wie sie in dem zweiten Versicherungsantrag vom 21.11.1991 in
Erweiterung des vom Geschäftsführer der Beklagten unterzeichneten ersten Antrags
aufgeführt sind, nämlich Tätigkeitsschäden mit einer Deckungssumme von 30.000,00
DM, Erstreckung des Geltungsbereichs der Versicherung auf das europäische Ausland
und das sogenannte WHG-Regress-Risiko in bezug auf Gewässerschäden. Davon
hängt ab, welche Ausgangsprämie der Beitragspflicht der Beklagten zugrundezulegen
ist, 318,00 DM pro Monat oder 393,10 DM pro Monat.
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Das Landgericht hat, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist, im
Ergebnis zu Recht angenommen, daß die Deckung zusätzlicher Risiken mit der Folge
einer höheren Versicherungsprämie jedenfalls aufgrund einer konkludenten
Genehmigung der ohne Mitwirkung des Geschäftsführers der Beklagten getroffenen
Vereinbarung über die Einbeziehung dieser Risiken wirksamer Vertragsbestandteil
geworden ist, so daß es auf die Frage, ob sich die Beklagte das Handeln der für sie bei
dem zweiten Versicherungsantrag aufgetretenen Personen nach den Grundsätzen über
die Anscheins- oder Duldungsvollmacht zurechnen lassen muß, letztlich nicht ankommt.
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Wegen der Begründung im einzelnen kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen
im angefochtenen Urteil (dort Seite 5 unten / 6 oben) zur Vermeidung von
Wiederholungen verwiesen werden (§ 543 Abs. 1 ZPO).
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Ergänzend ist hinzuzufügen, daß nicht nur die vorbehaltlose Zahlung der
Versicherungsbeiträge bis August 1995 seitens der Klägerin als schlüssige
Genehmigung des erweiterten Vertrages gedeutet werden konnte, sondern
insbesondere auch die Tatsache, daß die Beklagte auf das Fax - Schreiben des Zeugen
W. vom 25.11.1991, in dem er ausdrücklich auf die Einbeziehung der zusätzlichen
Risiken in die Betriebshaftpflichtversicherung hingewiesen hat, in keiner Weise
ablehnend reagiert hat. In diesem Schreiben heißt es: "... hiermit bestätige ich Ihnen,
daß Sie für Ihren Betrieb eine Haftpflichtversicherung mit folgenden Deckungssummen
abgeschlossen haben: Personenschäden, 2.000.000,00 DM, Sachschäden 500.000,00
DM, Tätigkeitsschäden 30.000,00 DM. Geltungsbereich ist Europa. Außerdem ist das
WHG-Regress-Risiko miteingeschlossen. Der Versicherungsschutz beginnt am
22.11.1991 und endet am 22.11.1992. Der Vertrag verlängert sich stillschweigend um
ein Jahr wenn er nicht spätestens drei Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird. Den
Versicherungsschein hierzu werden wir Ihnen in den nächsten Tagen nachreichen."
(Vergleiche das vom Zeugen W. bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht
überreichte Original des Fax-Schreibens im Hülle Blatt 104 d.A.). Aufgrund dieser
Mitteilungen hätte der Geschäftsführer der Beklagten bei Anwendung pflichtgemäßer
Sorgfalt erkennen können und müssen, daß entgegen dem von ihm unterschriebenen
ersten Versicherungsantrag zusätzliche Risiken in die Haftpflichtversicherung
einbezogen worden waren.
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Unter diesen Umständen ist die Beklagte verpflichtet, auch die höhere Prämie für den
erweiterten Deckungsschutz zu zahlen.
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II.
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Dagegen besteht kein Anspruch der Klägerin auf Entrichtung einer doppelten
Jahresprämie für 1993 / 1994 gemäß § 8 Ziffer II Abs. 3 AHB.
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Nach dieser Vorschrift kann der Versicherer, wenn der Versicherungsnehmer es
unterläßt, die nach § 8 Ziffer II Absatz 1 AHB geforderte Anzeige über etwaige
Änderungen in dem versicherten Risiko zu erstatten, eine doppelte Prämie für den
Zeitraum verlangen, für den die Anzeige erstattet werden mußte. Wie gleichfalls schon
in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist, liegen die Voraussetzungen für
einen solchen Anspruch im Streitfall schon nach dem bis zur letzten mündlichen
Verhandlung unstreitig gewesenen Sachverhalt nicht vor, so daß das entsprechende
Klagevorbringen insoweit schon nicht schlüssig ist (was von Amts wegen zu
berücksichtigen war). Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 2.05.1997 ihr Schreiben vom
27.11.1993 an die Beklagte vorgelegt, mit dem sie unter Beifügung eines Fragebogens
gebeten hat, Änderungen im Versicherungsjahr aufgrund von Risikoerhöhungen oder
Risikoerweiterungen bzw. aufgrund neuer Risiken mitzuteilen (Blatt 40 d.A.). Dieses
Schreiben wurde seitens der Beklagten mit folgendem Vermerk an die Klägerin
zurückgesandt: "Sehr geehrte Damen und Herren, es hat sich nichts verändert. Bitte
übernehmen Sie die Angaben von 1993. Mit freundlichen Grüßen." Damit war die
Beklagte aber - jedenfalls zunächst - ihrer Anzeigepflicht nach § 8 Ziffer II AHB
nachgekommen. Die Ausfüllung des beigefügten Fragebogens wäre bloße Förmelei
gewesen und ist im übrigen auch in der genannten Vorschrift nicht vorgesehen. Dort ist
lediglich bestimmt, daß der Versicherungsnehmer Mitteilung machen muß, ob und
welche Änderungen in dem versicherten Risiko eingetreten sind, und daß er auf
"Erfordern des Versicherers" die Angaben durch die Geschäftsbücher oder sonstige
Belege nachzuweisen hat. Verneint der Versicherungsnehmer bereits das "ob" einer
Änderung, bedarf es naturgemäß von vornherein keiner weiteren Angaben mehr,
insbesondere nicht einer Wiederholung früherer Angaben, die dem Versicherer bereits
vorliegen und auf die der Versicherungsnehmer, wie hier, ausdrücklich Bezug nimmt.
Besteht der Versicherer in einem solchen Fall auf dem Ausfüllen des Fragebogens, muß
er dies dem Versicherungsnehmer deutlich machen. So hätte die Klägerin nach Erhalt
der Antwort auf ihr Schreiben vom 27.11.1993 die Beklagte auffordern müssen, den
Fragebogen dennoch auszufüllen. Daß sie das getan hat, war von ihr bis zum Schluß
der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen worden. Erstmals mit dem nach Schluß
der mündlichen Verhandlung eingereichten, aber nicht nachgelassenen Schriftsatz vom
30.06.1998 behauptet sie nunmehr, die Beklagte sei von ihr nach Eingang der
Rückantwort auf das Schreiben vom 27.11.1993 ein weiteres Mal, jedoch erfolglos, auf
die Notwendigkeit der Angaben über Löhne und Gehälter hingewiesen worden. Jedoch
fehlt es auch jetzt noch an konkreten Einzelheiten dazu, wann und in welcher Form dies
geschehen sein soll; auch werden keinerlei Unterlagen darüber zu den Akten gereicht.
Unter diesen Umständen sieht der Senat keine Veranlassung, wegen des neuen
Vorbringens im Schriftsatz vom 30.06.1998 die mündliche Verhandlung gemäß § 156
ZPO wieder zu eröffnen.
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III.
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Nach alledem hat die Berufung der Beklagten im Hinblick auf die doppelte
Jahresprämie für die Versicherungsperiode 1993/1994 Erfolg, im übrigen war sie
zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Im Hinblick darauf, daß die
Beklagte bezüglich des für erledigt erklärten Teils der Klageforderung in Höhe von
2.457,10 DM die Kosten zu tragen hat (vgl. dazu Seite 7/8 des angefochtenen Urteils),
erschien es angemessen, die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10,
713 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 10.004,00 DM;
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Wert der Beschwer für beide Parteien: unter 60.000,00 DM.
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