Urteil des OLG Köln vom 29.01.2004

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Oberlandesgericht Köln, 2 Ws 40/04
Datum:
29.01.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ws 40/04
Tenor:
Der Haftbefehl vom 10.07.2002 - 41 Gs 2806/02 und der
Haftverschonungsbeschluß vom 18.11.2002 - 41 Gs 4624/02 - des
Amtsgerichts Aachen, geändert durch den Haftverschonungsbeschluß
der 7. gr. Strafkammer des Landgerichts Aachen vom 24.11.2003 - 32 Ls
41/03 - werden aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschwerdeführer
darin entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
G r ü n d e :
1
I.
2
Gegen den Angeklagten besteht ein Haftbefehl des Amtsgerichts Aachen vom
10.07.2002 (Az 41 Gs 2806/02), in dem ihm (und 5 weiteren Mitangeklagten, darunter
seine Ehefrau) gewerbsmäßige Zuhälterei sowie gewerbs- und bandenmäßiges
Einschleusen von Ausländern zur Last gelegt werden, Verbrechen und Vergehen gegen
§§ 92 a Abs. 1, 92 b AuslG, 181 a Abs. Nr. 1 u. Nr. 2, Abs. 2, 25 Abs. 2, 52, 53 StGB.
Seine weitere Haftbeschwerde hat der Senat durch Beschluß vom 08.10.02 – 2 Ws
506/02 – zurückgewiesen.
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U.a. im Hinblick auf die danach umfassend erfolgte Einlassung zur Sache, bei der der
Angeklagte die ihm zur Last gelegten Vorwürfe weitgehend einräumte, wurde der
Haftbefehl auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch Beschluß des Amtsgerichts Aachen
vom 18.11.2002 (Az 41 Gs 4624/02 ) unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. Der seit dem
19.07.2002 in Untersuchungshaft gewesene Angeklagte wurde am 18.11.2002 aus der
Haft entlassen und befindet sich seither auf freiem Fuß.
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Die am 17.03.2003 zum Amtsgericht - Schöffengericht – Aachen erhobene Anklage ist
vom Landgericht Aachen unter Eröffnung des Verfahrens vor dem Schöffengericht und
unter Ablehnung der von diesem erstrebten Übernahme durch Beschluß vom
19.09.2003 (Az 62 KLs 1/03) zur Hauptverhandlung zugelassen worden. Zugleich sind
die bestehenden Haftbefehle und Haftverschonungsbeschlüsse aufrechterhalten
worden.
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Auf den auf Aufhebung des Haftbefehls gerichteten Antrag des Angeklagten vom
22.10.2003 lockerte das Amtsgericht – Schöffengericht – Aachen – durch Beschluß vom
24.11.2003 (Az 32 Ls 41/03) die dem Angeklagten auferlegte Meldepflicht auf einen
monatlichen Rhythmus, ordnete im übrigen jedoch die Aufrechterhaltung des
Haftbefehls und des Verschonungsbeschlusses an.
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Weiterhin ist in dieser Entscheidung die Terminierung der Hauptverhandlung für das
Frühjahr 2004 angekündigt worden.
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Die daraufhin erhobene Beschwerde des Angeklagten gegen den Haftbefehl und die
beiden Verschonungsbeschlüsse wies das Landgericht Aachen durch Beschluß vom
17.12.2003 zurück. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde des Angeklagten vom
22.12.2003, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.
8
II.
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Das Rechtsmittel, bei dem es sich um eine gem. § 310 Abs. 1 StPO statthafte, auch im
übrigen zulässige weitere Beschwerde handelt, ist begründet.
10
Zwar ist der Beschwerdeführer der ihm im Haftbefehl und in der Anklage zur Last
gelegten Taten weiterhin dringend verdächtig, wogegen mit dem Rechtsmittel auch
nichts eingewandt wird.
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Der Haftbefehl und die Haftverschonungsbeschlüsse sind jedoch gem. § 120 Abs. 1
Satz 1 StPO aufzuheben, weil die Haftfortdauer unverhältnismäßig ist. Der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der auch bei einem ausgesetzten Haftbefehl zu
beachten ist – vgl. Senat 11.05.01 -2 Ws 147/01-; Meyer-Goßner, StPO, 46.A., § 120 Rn
5 m.w.N. – ist nicht mehr gewahrt, weil das Verfahren nicht mit der in Haftsachen
gebotenen Beschleunigung betrieben wird.
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In dem Umstand, dass 10 Monate nach Anklageerhebung noch kein Termin zur
Hauptverhandlung bestimmt ist und sich das Ende des Verfahrens nicht absehen lässt,
liegt eine ungebührliche Verzögerung des Verfahrens. Zwar mag es für sich genommen
nicht zu beanstanden sein, dass das Schöffengericht die Sache dem Landgericht gem. §
209 Abs. 2 StPO vorgelegt hat. Jedoch hätte die Klärung der Zuständigkeit im Hinblick
darauf, dass die Anklageerhebung erst 8 Monate nach Erlaß des Haftbefehls erfolgt ist,
mit besonderer Beschleunigung betrieben werden müssen. Tatsächlich hat jedoch die
Entscheidung im Eröffnungsverfahren von der Anklageerhebung an gerechnet 6 Monate
in Anspruch genommen und ist in dem seit der Eröffnung des Verfahrens vor dem
Schöffengericht verstrichenen Zeitraum von weiteren 4 Monaten eine dem
Beschleunigungsgebot genügende Förderung des Verfahrens nicht erkennbar.
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Zur Terminierung der Sache ist es - jedenfalls nach dem dem Senat vorgelegten
Sonderheft – selbst auf die Zuschrift der Staatsanwaltschaft vom 14.01.2004 bisher nicht
gekommen, mit der - berechtigterweise – darauf gedrängt worden ist, die inzwischen
mehr als 2 Monate zurückliegende Ankündigung des Schöffengerichts vom 24.11.2003,
die Sache im Frühjahr 2004 zu terminieren, nunmehr umzusetzen.
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Der Tatvorwurf ist zwar nicht unerheblich. Auch die (wegen der Strafgewalt des
Schöffengerichts auf vier Jahre Freiheitsstrafe begrenzte) Straferwartung ist nicht gering.
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Die Verhängung einer nicht mehr bewährungsfähigen Strafe kommt durchaus in
Betracht.
Gleichwohl steht die weitere Aufrechterhaltung des Haftbefehls nach einem Zeitablauf
von nunmehr 18 Monaten zu dieser Rechtsfolgenerwartung außer Verhältnis,
insbesondere aufgrund des Umstandes, dass bisher nicht einmal ein
Hauptverhandlungstermin bestimmt ist.
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Nach allem waren der Haftbefehl sowie die Verschonungsbeschlüsse mit der sich aus
entsprechender Anwendung des § 467 StPO ergebenden Kostenfolge aufzuheben.
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