Urteil des OLG Köln vom 05.03.1999

OLG Köln (verbraucher, uwg, werbung, passagier, bundesrepublik deutschland, kläger, flughafen, preis, angabe, höhe)

Oberlandesgericht Köln, 6 U 61/98
Datum:
05.03.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 61/98
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 31 0 834/97
Schlagworte:
Flugpreiswerbung
Normen:
UWG § 1; PAngVO § 1 Abs. 1 Satz 1
Leitsätze:
Eine Fluggesellschaft, die in Veröffentlichungen und Anzeigen
Endverbrauchern gegenüber für Flugreisen mit bestimmten Flugzielen
mit Flugpreisen wirbt, in die die zusätzlich zu entrichtenden
(erheblichen) Passagen- und Sicherheitsgebühren bzw.
Flughafensteuern je Angebot nicht einbezogen sind, diese vielmehr
lediglich mit separatem "von...bis..."Sternchenhinweis pauschal genannt
werden, verstößt gegen § 1 UWG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1
PAngVO.
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 17.02.1998 verkündete Urteil
der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 0 834/97 - wird zu-
rückgewiesen. Auf die Anschlußberufung des Klägers wird das an-
gefochtene Urteil teilweise geändert und klar-stellend insgesamt wie
folgt neu gefaßt: Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung ei-nes für
jeden Fall der Zuwiderhandlung festzuset-zenden Ordnungsgeldes bis
zu 500.000,00 DM, er-satzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu
6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des
Wettbe-werbs bei der Werbung für Flugreisen, die be-stimmte Reiseziele
betreffen, gegenüber privaten Endverbrauchern wie nachstehend
wiedergegeben Flugpreise zu nennen, ohne die zusätzlich zu ent-
richtenden Passagier- und Sicherheitsgebühren bzw. Flughafensteuern
in den genannten Preis ein-zubeziehen: Die Kosten des Rechtsstreits
trägt die Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten
wird nachgelassen, die Zwangsvoll-streckung durch Sicherheitsleistung
abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Si-cherheit in
gleicher Höhe leistet. Die Höhe der Sicherheitsleistung beträgt
hinsichtlich der Ver-urteilung der Beklagten zur Unterlassung
110.000,00 DM und hinsichtlich ihrer Kostentra-gungspflicht 13.000,00
DM. Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheit auch durch
unbedingte, unbefristete und selbst-schuldnerische Bürgschaft einer
deutschen Groß-bank oder öffentlichen Sparkasse zu erbringen. Die
Beschwer der Beklagten wird auf 110.000,00 DM festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
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Bei dem Kläger handelt es sich um einen gerichtsbekannten eingetragenen Verein im
Sinne des § 13 Abs. 2 Ziffer 3 Satz 1 UWG, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben es
gehört, die gewerblichen Interessen seiner Mitglieder zu fördern und darüber hinaus
unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen. Die Beklagte, die D. AG, bewirbt in
Veröffentlichungen und Zeitungsanzeigen auch gegenüber privaten Endverbrauchern
Flugreisen, die bestimmte Reiseziele betreffen, unter Angabe von Preisen, in die die
zusätzlich zu zahlenden Passagier- und Sicherheitsgebühren bzw. die
Flughafensteuern nicht einbezogen sind. Beispielsweise bewarb die Beklagte im Juni
1997 wie im Urteilstenor bildlich wiedergegeben unter der Überschrift
"SuperSommerSpecials-Tarife" Flugreisen unter anderem nach London, Paris, Brüssel,
Prag, Birmingham und viele weitere europäische und außereuropäische Städte. Der
jeweils angegebene Flugpreis ist mit einem Sternchen versehen. Dieses Sternchen wird
in der Auflistung der Preise und Zielorte mit dem Satz
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"alle Tarife zuzüglich Passagier- und Sicher-heitsgebühren von 20,00 DM bis 92,00
DM"
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beworben.
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Weiterhin schaltete die Beklagte in verschiedenen Zeitschriften im September und
Oktober 1997 Anzeigen der aus dem Urteilstenor ersichtlich Art, mit der sie unter der
Überschrift "Special Offer" Flüge ab/bis B. nach London, Paris, Athen sowie zahlreiche
andere inner- und außereuropäische Städte bewarb. Unter der letzten Zielangabe
"Jakarta" befindet sich die Angabe
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"zzgl. Flughafensteuern und Sicherheitsgebühren von 49,00 DM bis 105,00 DM".
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Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Werbung verstoße gegen die Vorschriften der
Preisangabenverordnung (PAngV) und sei wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG.
Er hat unter Berufung auf die aus dem Jahre 1980 stammende Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (BGH GRUR 1981, 140, 141 -"Flughafengebühr") die Auffassung
vertreten, Passagier- und Sicherheitsgebühren und auch die Flughafensteuer müßten in
den Endpreis eingerechnet sein und dürften nicht gesondert "zugeschlagen" werden,
soweit sich die Werbung auch auf Tarife für Flüge innerhalb der Europäischen
Gemeinschaft, die unstreitig seit dem 01.01.1993 nicht mehr genehmigungspflichtig
seien, beziehe.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, es unter Androhung eines für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM,
ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,
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im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei der Werbung für
Flugreisen, die bestimmte Reiseziele betreffen, gegenüber privaten Endverbrauchern
Flugpreise zu nennen, ohne die zusätzlich zu entrichtenden Passagier- und
Sicherheitsgebühren bzw. Flughafensteuern in den genannten Preis einzubeziehen,
soweit es sich nicht um Preise handelt, die aufgrund von Tarifen und
Gebührenregelungen bemessen werden, die durch Gesetz oder aufgrund eines
Gesetzes festgesetzt oder behördlich genehmigt werden.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat die Auffassung vertreten, ein Verstoß gegen die Preisangabenverordnung und
erst recht ein solcher gegen § 1 UWG liege nicht vor. Die Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (GRUR 1981, 140 - "Flughafengebühr") bedürfe der Überprüfung
und der Korrektur. Sie hat geltend gemacht, die vom Fluggast zu entrichtenden
Passagiergebühren ("Flughafen-steuer") und Sicherheitsgebühren seien - insoweit
unstreitig - von Flughafen zu Flughafen verschieden. Eine Einbeziehung dieser
Gebühren in den Flugpreis sei daher nicht möglich und in der Praxis unüblich. Die
Preisangabenverordnung fordere dies nicht. Bei den betreffenden Gebühren handele es
sich um Fremdkosten, nicht aber um echte Preisbestandteile, die den Vorschriften der
Preisangabenverordnung entsprechend in den Endpreis aufzunehmen seien. Auch der
Verbraucher wisse, daß es sich bei den betreffenden Gebühren um solche Fremdkosten
und nicht um echte Preisbestandteile handele. Jedenfalls sei ihre beanstandete
Preisangabenpraxis nicht wettbewerbswidrig. Einen Wettbewerbsvorsprung erziele sie
damit nicht. Im übrigen seien keine wesentlichen Belange der Verbraucher berührt.
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Das Landgericht hat die Beklagte durch das angefochtene Urteil dem Antrag des
Klägers folgend zur Unterlassung verurteilt und zur Begründung seiner Entscheidung im
wesentlichen ausgeführt, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1
PAngV lägen vor, die zwangsläufig anfallenden Passagier- und Sicherheitsgebühren
seien Gebühren, die anerkanntermaßen zu den notwendigen Bestandteilen des
Flugpreises zählten und deshalb in den anzugebenden Endpreis einzubeziehen seien.
Der vorliegende Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV stelle im Streitfall zugleich
einen Verstoß gegen § 1 UWG dar, weil sich die Beklagte bewußt und planmäßig über
die wertneutrale Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV hinwegsetze. Der hiernach
gegebene Wettbewerbsverstoß beeinträchtige wesentliche Belange der Verbraucher,
weil sich ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs in dem von der
Beklagten selbst als "Tarif-Dschungel" bezeichneten Metier nicht auskenne und
namentlich bei flüchtiger Betrachtungsweise verkenne, daß zu den angekündigten
Ticketpreisen noch Gebühren in nicht unbeachtlicher Höhe hinzukämen.
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Gegen das ihr am 06.03.1998 zugestellte Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts
Köln vom 17.02.1998 - 31 O 834/97 - hat die Beklagte am 06.04.1998 Berufung
eingelegt und diese nach zweifacher Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis
zuletzt am 20.06.1998 mit einem am Montag, den 22.06.1998 bei Gericht
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eingegangenen Schriftsatz begründet. Der Kläger hat sich der Berufung der Beklagten
mit Schriftsatz vom 25.08.1998 (Blatt 151 ff. d.A.) angeschlossen.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und ist weiterhin
der Auffassung, ihre Art der Preisangabe beinhalte keinen Verstoß gegen § 1 Abs. 1
Satz 1 PAngV und stelle erst Recht kein unlauteres Handeln im Sinne des § 1 UWG dar.
Im Anschluß an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1980 (BGH
GRUR 1981, 140 - "Flughafengebühr") habe sich, so behauptet die Beklagte, das
Verbraucherverständnis bezogen auf die Werbung mit Flugpreisen nachhaltig verändert.
Das Passagieraufkommen habe sich in den letzten beiden Jahrzehnten enorm
gesteigert: Unstreitig habe man im Jahre 1987 insgesamt etwa 37,5 Millionen Fluggäste
in der Bundesrepublik Deutschland registriert, im Jahre 1996 seien es bereits 76,5
Millionen gewesen, hiervon entfielen auf den Linienverkehr im Jahre 1987 23,7
Millionen Fluggäste und im Jahre 1996 bereits 67,2 Millionen Fluggäste. Der
angesprochene Verkehr wisse, daß beim Flugantritt jedenfalls ins Ausland zusätzliche
Gebühren erhoben würden, sei es von den Flughäfen, sei es über die
Fluggesellschaften, und sehe ganz überwiegend die reinen Flugpreise und nicht die
Preise, die sich aus der Addition des Flugpreises und diverser Passagier- und
Sicherheitsgebühren zusammensetzten, als Endpreise an. Der von der
Preisangabenverordnung bezweckte Verbraucherschutz könne nur dann erreicht
werden, wenn den Erwartungen, die der Verbraucher an die Angaben in der Werbung
stelle, entsprochen werde. Der Verbraucher gehe aber gerade davon aus, daß die
Angabe des Flugpreises ohne Einberechnung der nach Abflug- und Ankunftsflughafen
divergierenden Flughafen- und Sicherheitsgebühren erfolge. Im übrigen verstoße es
gegen den Grundsatz der Preisklarheit, sollte sie - die Beklagte - gezwungen sein, für
jeden einzelnen Start- und Zielflughafen den konkreten Preis einschließlich der
anfallenden Gebühren anzugeben. Jedenfalls sei ein etwaiger Wettbewerbsverstoß
nicht geeignet, die Wettbewerbslage zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Wegen der
weiteren Einzelheiten des diesbezüglichen Sachvortrags der Beklagten wird der Inhalt
ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 22.06.1998 (Blatt 136 ff. d.A.) und ihres
Schriftsatzes vom 21.09.1998 (Blatt 165 ff. d.A.) in Bezug genommen.
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Die Beklagte beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern, die Klage abzuweisen sowie die
Anschlußberufung des Klägers zurückzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,
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ferner im Wege der Anschlußberufung,
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das angefochtene Urteil teilweise dahin zu ändern, daß der mit "... soweit es sich
nicht um Preise handelt ... genehmigt werden" umschriebene Ausnahmetatbestand
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ersatzlos fortfällt.
Auch der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und verweist
darauf, die Beklagte werbe unstreitig für Linien- und Charterflüge im In- und ins Ausland
auch mit Inklusivpreisen, also solchen, die die Flughafengebühren und sonstigen
Abgaben einschlössen. Unstreitig bewerbe ein erheblicher Teil der Flugreisenanbieter
ihre Flugpreise einschließlich aller Steuern und Gebühren. Auch die Beklagte habe
unstreitig bis April 1996 Inklusivpreise beworben und sei unstreitig erst ab diesem
Zeitpunkt zu einer abweichenden Preisbewerbung übergegangen. Der mit der
Anschlußberufung verfolgte Antrag trage dem Umstand Rechnung, daß die ursprünglich
inhaltlich in den Klageantrag aufgenommene Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 3 PAngV
mit Wirkung vom 01.02.1998 außer Kraft getreten sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den in der
mündlichen Verhandlung vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien
gewechselten Schriftsätze nebst sämtlichen Anlagen ergänzend Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Berufung und die (unselbständige) Anschlußberufung sind in formeller Hinsicht
bedenkenfrei. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet, wobei der Senat das
Unterlassungsbegehren klarstellend lediglich an der konkreten Verletzungsform
orientiert hat. Ein Teilunterliegen des Klägers ist damit nicht verbunden. Seine
Anschlußberufung führt zu der aus dem Urteilstenor ersichtlichen Änderung des
angefochtenen Urteils.
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Zu Recht hat das Landgericht der Unterlassungsklage stattgegeben. Auch der
Begründung der angefochtenen Entscheidung schließt sich der Senat an. Er nimmt sie
in Bezug und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von der erneuten Darstellung
der die Entscheidung tragenden Gründe ab, § 543 Abs. 1 ZPO.
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Die mit der Berufung der Beklagten gegen das angefochtene Urteil vorgebrachten
Einwände greifen nicht durch. Auch nach Auffassung des Senats verstößt die Beklagte
mit ihrer Werbung gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 6 PAngV. Sie
verschafft sich damit einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung vor ihren
gesetzestreuen Mitbewerbern und handelt deshalb den guten Sitten im Wettbewerb (§ 1
UWG) zuwider.
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Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV muß die Beklagte, weil sie für die von ihr angebotenen
Flugleistungen unter Angabe von Preisen gegenüber Letztverbrauchern wirbt, die
Endpreise angeben. Das sind die Preise, die einschließlich der Umsatzsteuer und
sonstiger Preisbestandteile unabhängig von einer Rabattgewährung an sie zu zahlen
sind. Ohne Bedeutung ist dabei, ob Preisbestandteile an den Werbenden oder einen
Dritten fließen. Denn für § 1 Abs. 1 PAngV ist allein maßgebend, wer aus der Sicht der
Letztverbraucher als Anbieter erscheint (BGH NJW 1991, 2706, 2707 - "Nebenkosten" -
). Hält dieser ein einheitliches Leistungsangebot für gegeben, muß der anzugebende
Endpreis dem entsprechen. Dies erfordert der Zweck der Preisangabenverordnung, auf
klare, untereinander vergleichbare Preisangaben hinzuwirken, die es dem Verbraucher
ermöglichen, sich schnell und zuverlässig über das preisgünstigste Angebot zu
informieren (BGH GRUR 1981, 140, 141 - "Flughafengebühr" -). Zu den
Preisbestandteilen, die an die Beklagte zu zahlen sind, gehören in Deutschland
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und/oder vom ausländischen Zielflughafen erhobene Passagiergebühren
(Flughafensteuer). Dabei handelt es sich um Kosten, die bei den von der Beklagten
beworbenen Flügen zwangsläufig anfallen und von ihr dem Fluggast mit dem
Ticketpreis in Rechnung gestellt werden, d.h. um solche Kosten, ohne die eine Buchung
des beworbenen Fluges überhaupt nicht möglich ist. Solche Gebühren zählen nach
richtiger Auffassung zu den notwendigen Bestandteilen des Flugpreises und sind
deshalb in den anzugebenden Endpreis einzubeziehen (BGH GRUR 1981, 140, 141 -
"Flughafengebühr" -; Kammergericht, Urteil vom 17.08.1993 in dem Rechtsstreit 5 U
3620/93, OLGR 1994, 37; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20. Auflage 1998, §
3 UWG Anhang 2. V. Rdnr. 2, Seite 1187). Gleiches gilt für die in Deutschland für jeden
abreisenden Fluggast zu entrichtende Sicherheitsgebühr.
Soweit sich die Beklagte gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit der
durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (Verkehrsbefragung) unter Beweis
gestellten Behauptung wendet, das Verkehrsverständnis habe sich geändert, der
Verbraucher wisse in Anbetracht der enormen Entwicklung des Passagieraufkommen in
den letzten beiden Jahrzehnten nunmehr, daß die Fluggesellschaft bestimmte
Flugpreise vereinnahme und daß er - der Reisewillige - zusätzlich Sicherheits- und
Passagiergebühren etc. zu zahlen habe, deshalb müßten Kosten der in Rede
stehenden Art nicht in den anzugebenden Endpreis einbezogen werden, vermag sich
der Senat dem nicht anzuschließen. Zwar unternehmen heute viel mehr Personen
Flugreisen als vor 20 Jahren. Deshalb sind sicherlich auch mehr Fluggäste mit den
Gepflogenheiten bei der Preisgestaltung vertraut, als das früher einmal der Fall war.
Namentlich dürften viele Flugreisende, zu denen auch die Mitglieder der Senats zählen,
aus eigener Erfahrung oder auch aus der Presseberichterstattung wissen, daß an den
Flughäfen Sicherheitsgebühren etc. erhoben werden. Das besagt aber keineswegs, daß
der Verbraucher nunmehr die Angabe eines Flugpreises ohne Einberechnung der nach
Abflug- und Ankunftsflughafen divergierenden, aber bei jeder Flugreise anfallenden
Flughafen- und Sicherheitsgebühren geradezu erwarte. Im Gegenteil: Auch heute weiß
der Verbraucher, daß er einen Flug nicht buchen kann, ohne mit der Zahlung des
Preises für sein Ticket gleichzeitig die Passagier- und Sicherheitsgebühren zu
entrichten, und zwar an den Anbieter der Flugreise. Ihm ist vielfach auch aus seinen
Pauschalflugreisen bekannt, daß in den Prospekten der zahlreichen Reiseveranstalter
weder die reinen Flugkosten noch Sicherheitsgebühren oder ähnliches gesondert
ausgewiesen werden, vielmehr in den Pauschalpreis des Reiseveranstalters
einbezogen sind. Um so weniger wird der Verbraucher davon ausgehen, bei
Linienflügen sei das anders, hier zahle er einen Preis für den Flug und einen
gesonderten weiteren Preis für Gebühren, den sein Vertragspartner einziehe und die er
dann an einen Dritten weiterleite. Ein weiteres kommt hinzu: Nach wie vor gibt es nach
dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien Anbieter von Flügen, die die
Sicherheitsgebühren etc. stets in ihre Flugpreise einbeziehen und einbezogen haben.
Auch die Beklagte hat bis April 1996 anfallende Gebühren in die von ihr beworbenen
Endpreise einbezogen und ist erst danach zu einer abweichenden, mit der Klage als
unzulässig beanstandeten Preisbewerbung übergegangen. Auch heute bewirbt sie ihre
Flugpreise für Flüge der hier interessierenden Art keineswegs ausnahmslos ohne
Einbeziehung der Flughafen- und Sicherheitsgebühren, sondern variiert dies von Fall zu
Fall. Schon in Anbetracht der Tatsache, daß jedenfalls beachtliche Teile der mit der
Beklagten konkurrierenden Anbieter von Flugreisen die Flughafen- und
Sicherheitsgebühren in die jeweilige Preisangabe einbeziehen, und die Beklagte erst
seit relativ kurzer Zeit und keineswegs durchgängig von dieser Praxis abweicht, kann
von dem behaupteten Wandel der Verkehrsauffassung dahin, der Verbraucher betrachte
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die Sicherheitsgebühren etc. nicht mehr als Teil des Flugpreises, keine Rede sein.
Deshalb kommt es übrigen nicht darauf an, daß selbst ein etwa eingetretener Wandel
der Verkehrsauffassung in dem von der Beklagten behaupteten Sinne sie nicht von ihrer
Pflicht entbinden könnte, anfallende Gebühren in die jeweilige Preisangabe
einzubeziehen. Denn soweit § 1 Abs. 6 Satz 1 PAngV bestimmt, die Preisangaben
müßten der allgemeinen Verkehrsauffassung entsprechen, besagt diese Regelung
nicht, wann die Verpflichtung zur Endpreisangabe entfallen kann, sondern nur, wie sie
zu befolgen ist ((BGH GRUR 1981, 140, 141 - "Flughafengebühr" -; Köhler/Piper, UWG,
§ 1 PAngV Rdnr. 3)
Der hiernach gegebene Verstoß gegen § 1 Abs. 1 der Preisangabenverordnung ist
zugleich aus wettbewerbsrechtlicher Sicht anstößig, mithin unlauter im Sinne des § 1
UWG und deshalb zu unterlassen. Beizupflichten ist der Beklagten nur in ihrer
Aufassung, daß Verstöße gegen die Preisangabenverordnung für sich alleine den
Unlauterkeitsvorwurf des § 1 UWG nicht nach sich ziehen. Denn bei den Vorschriften
der Preisangabenverordnung handelt es sich vielmehr um wertneutrale
Ordnungsvorschriften zum Schutze der Verbraucher, die nicht Ausdruck einer sittlichen
Wertung sind und deren Verletzung deshalb nicht ohne weiteres als wettbewerbswidrig
beurteilt werden kann (vgl. nur: BGH WRP 1979, 460, 461 - "Luxus-Ferienhäuser" -;
BGH GRUR 1981, 140, 142 - "Flug-hafengebühr" -; BGH GRUR 1989, 762, 764 -
"Stundungsangebo- te" -; BGH GRUR 1992, 696, 697 - "Teilzahlungspreis I" -, jeweils
m.w.N.). Die Verletzung wertneutraler Vorschriften rechtfertigt jedoch dann den Vorwurf
wettbewerbswidrigen Verhaltens, wenn sich ein Wettbewerber bewußt und planmäßig
über sie hinwegsetzt, obwohl für ihn erkennbar ist, daß er dadurch einen Vorsprung vor
gesetzestreuen Mitbewerbern erlangen kann (BGH, jeweils a.a.O., sowie
Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 UWG Rdnr. 658 mit zahlreichen weiteren Nachweisen
aus der Rechtsprechung). Ein solches Handeln setzt nicht voraus, daß sich der
Verletzter der Rechtswidrigkeit seines Tuns bewußt ist. Es genügt für einen bewußten
(vorsätzlichen) Verstoß, daß er alle Tatumstände kennt, die den Gesetzesverstoß
ergeben (Baumbach/Hefermehl a.a.O.). So liegt es hier. Die Beklagte weiß, daß ihre
vom Kläger als unlauter beanstandete Werbung auf der Basis der bisherigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 der PAngV verstößt.
Sie weiß auch, daß sich ihre Mitbewerber, jedenfalls ein Teil hiervon, an die
wertneutralen Vorschriften der Preisangabenverordnung halten und deshalb in ihre
Endpreise die Flughafengebühren etc. einbeziehen. Auch nach der Abmahnung des
Klägers vom 14.08.1997 hat die Beklagte an der beanstandeten Werbepraxis
festgehalten und beabsichtigt, das auch in Zukunft zu tun. Damit hat sie sich bewußt und
planmäßig über die Vorschrift des § 1 Abs. 1 PAngV hinweggesetzt. Sie erzielt auf diese
Weise auch einen Wettbewerbsvorsprung vor ihren gesetzestreuen Mitbewerbern, und
zwar schon deshalb, weil das Angebot dieser Wettbewerber wegen der Einbeziehung
der Passagier- und Sicherheitsgebühren bzw. Flughafensteuern in die Preisangabe
weniger lukrativ erscheint als das der Beklagten.
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Letztlich kann nicht in Zweifel gezogen werden, daß die hiernach wettbewerbswidrige
Werbung wesentliche Belange der Verbraucher im Sinne des § 13 Abs. 2 Ziff. 3 Satz 2
UWG beeinträchtigt. Das hat das Landgericht in seinem Urteil zutreffend herausgestellt.
Denn diejenigen, die sich in dem "Tarif-Dschungel" nicht auskennen, werden jedenfalls
bei flüchtiger Betrachtung der Werbeanzeige nicht erkennen, daß zu den angegebenen
Preisen noch Gebühren in von dem Verbraucher nicht zu bestimmender und
keineswegs unbeachtlicher Höhe hinzukommen, die er im Falle der Buchung der Reise
zu zahlen hat. Dadurch wird es dem Verbraucher entscheidend erschwert, den bei der
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Auswahl der Fluglinie allgemein eine wesentliche Rolle spielenden Preisvergleich
anzustellen (zu dem Tatbestandsmerkmal "wesentliche Belange der Verbraucher
berühren" vgl. BGH GRUR 1989, 753, 754 - "Telefonwerbung II" und Köhler/Piper, § 13
UWG Rdnr. 21).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
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Die gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer der Beklagten entspricht dem
Wert ihren Unterliegens im Berufungsverfahren.
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