Urteil des OLG Köln vom 14.11.2006

OLG Köln: grundsatz der gegenseitigkeit, unterhalt, scheidungsverfahren, fahrtkosten, arbeitsstelle, erwerbseinkommen, trennung, verfügung, verwirkung, eng

Oberlandesgericht Köln, 4 UF 79/06
Datum:
14.11.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 UF 79/06
Vorinstanz:
Amtsgericht Brühl, 35 F 453/04
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 23.03.2006 verkündete Urteil
des Amtsgerichts – Familiengericht – Brühl –35 F 453/04- wird
zurückgewiesen.
Für die erste Instanz verbleibt es bei der amtsgerichtlichen
Kostenentscheidung.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander
aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
1
Die zulässige – insbesondere frist- und formgerecht eingelegte - Berufung des
Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
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Die Klägerin hat gegen den Beklagten gemäß § 1361 BGB einen
Trennungsunterhaltsanspruch in Höhe von 161,00 € monatlich für die Zeit von
November 2004 bis Dezember 2004 und in Höhe von 45,00 € monatlich ab Januar
2005.
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Die Klägerin wehrt sich nicht mehr dagegen, dass ihr Unterhaltsanspruch um ¼
deswegen gekürzt wird, weil sie im einstweiligen Anordnungsverfahren zum Unterhalt
zunächst falsche Angaben zu ihren Nebeneinkünften aus ihrer Kosmetikerinnentätigkeit
gemacht hat. Hieran ist der Senat gebunden.
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Die mit der Berufung vorgebrachten Einwände des Beklagten gegen das
amtsgerichtliche Urteil sind unbegründet.
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1.)
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Das Familiengericht hat die Leistungsfähigkeit des Beklagten zutreffend ermittelt. Für
das Jahr 2004 ist daher von einem
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monatlichen Nettoeinkommen von 1.182,55 €
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und für das Jahr 2005 von einem solchen von 1.237,17 €
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auszugehen.
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Diese Berechnungsgrundlage wird dem Grunde nach nicht angegriffen. Der Beklagte
meint allerdings, dass von dem oben genannten Monatsnettoeinkommen weitere
Abzüge zu machen sind und zwar zum Einen wegen berufsbedingter Fahrtkosten, zum
Anderen wegen Aufwendungen für Berufskleidung und schließlich wegen der an das
Familiengericht für das Scheidungsverfahren zu zahlenden Raten auf die bewilligte
Prozesskostenhilfe. Dies trifft im Ergebnis jedoch nicht zu.
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a.)
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Berufsbedingte Fahrtkosten sind nach Auffassung des Senates nicht
einkommensmindernd zu berücksichtigen, weil sie wegen ihrer Geringfügigkeit zu
vernachlässigen sind. Der Beklagte gesteht selbst zu, dass er grundsätzlich mit dem
Fahrrad zur etwa drei Kilometer entfernten Arbeitsstelle fährt. Dies ist ihm auch
zumutbar. Soweit er geltend macht, im Winter und bei schlechter Witterung führe er mit
dem Pkw, hat er den genauen zeitlichen Umfang dieser Fahrten nicht dargetan. Der
Senat schätzt bei diesen ungenauen Angaben den zeitlichen Umfang der
berufsbedingten Fahrten zur Arbeitsstelle auf 1/3 der Gesamtarbeitstage. Damit
errechnen sich bei einer einfachen Fahrtstrecke von 3 km monatliche Fahrtkosten von
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6 km * 0,3 € * 220 Tage / 12 Monate / 3 = 11,00 €.
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Der Senat meint, dass es dem Beklagten zumutbar ist, diese geringen Kosten als
allgemeine Lebenshaltungskosten allein zu tragen, zumal sie sich auf den
Unterhaltsanspruch nur mit 3,00 € monatlich auswirken würden und der
Unterhaltsanspruch der Klägerin ohnehin schon um ¼ gekürzt worden ist.
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b.)
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Berufsbedingte Aufwendungen für Arbeitskleidung und deren Reinigung sind nicht
ausreichend dargetan. Der Beklagte nennt hier einen Jahresbetrag von 150,00 €, ohne
im Einzelnen aufzuschlüsseln, welche Tätigkeit er als Schlosser ausübt, welcher
Verschleiß an Arbeitskleidung dadurch anfällt und welche zusätzlichen
Reinigungskosten entstehen. Eine ausreichende Schätzgrundlage fehlt dem Senat
daher zu den berufsbedingten Kleidungskosten.
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c.)
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Raten für die bewilligte Prozesskostenhilfe im Scheidungsverfahren zahlt der Beklagte
erst ab Dezember 2005. Grundsätzlich sind solche Prozesskostenhilferatenzahlungen
absetzbar. Allerdings weist das Familiengericht zu Recht darauf hin, dass der Beklagte
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nur deswegen Raten zu zahlen hat, weil er seit Dezember 2004 keinerlei Unterhalt mehr
an die Klägerin entrichtet. Hätte er den geschuldeten Unterhalt weiter gezahlt, wären
solche Ratenzahlungen nicht angefallen. Im Scheidungsverfahren hat der Beklagte
monatliche Prozesskostenhilferaten in Höhe von 15,00 € zu erbringen. Das setzt ein
einsetzbares Einkommen zwischen 16,00 und 50,00 € voraus. Zieht man hiervon den
geschuldeten und ausgeurteilten Trennungsunterhalt von zuletzt 45,00 € ab, verbliebe
ein einzusetzendes Einkommen, welches keine Ratenzahlungsanordnung mehr
rechtfertigen würde.
2.)
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Das vom Amtsgericht zugrunde gelegte Erwerbseinkommen der Klägerin wird mit der
Berufung des Beklagten nicht angegriffen.
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Damit ist von einem Erwerbseinkommen der Klägerin
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für 2004 von 682,28 €
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und für 2005 von 1.098,36 €
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auszugehen.
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3.)
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Damit ergeben sich folgende Differenzeinkommen der
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Parteien:
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Für 2004 von 500,27 €
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und für 2005 von 138,81 €.
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4.)
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Damit ergeben sich unter Berücksichtigung der vom Familiengericht angenommenen
Herabsetzungsquote von einem Viertel die ausgeurteilten Unterhaltsansprüche der
Klägerin wie folgt:
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für 2004 von ¼ x 500,27 € x 3/7 = gerundet 161,00 €
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und ab 2005 von ¼ x 138,81 € x 3/7 = gerundet 45,00 €.
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5.)
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Entgegen der Auffassung des Beklagten entfällt der Unterhaltsanspruch der Klägerin ab
2005 nicht schon deswegen, weil ein sogenannter "Bagatellunterhalt" vorliegt. Die
Regelung des § 1573 Abs. 2 BGB gilt nicht für den Trennungsunterhaltsanspruch
gemäß 1361 BGB (vgl. Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 1. Aufl., § 1371 Rn. 24). Dies
liegt darin begründet, dass nach der Scheidung der Grundsatz der Selbstverantwortung
(§ 1569 BGB) in weit größerem Maße gilt als im Trennungsunterhaltsverfahren. Nach
der Scheidung besteht die (nach)eheliche Solidarität nur noch in gelockertem Umfang,
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während in der Trennungsphase das Scheitern der Ehe noch nicht endgültig feststeht.
Bedeutsam kann allerdings die Frage, ob die geringfügigen Einkommensunterschiede
einen Trennungsunterhaltsanspruch rechtfertigen, für den Fall sein, dass eine
Billigkeitsentscheidung im Falle der Härtefallklausel zu treffen ist. Hierbei sind aber
insbesondere auch die wirtschaftlichen Umstände beider Parteien zu berücksichtigen.
Je enger die wirtschaftlichen Verhältnisse sind, desto niedriger wird der Betrag sein, den
man noch für ausgleichspflichtig halten darf, der also einen entsprechenden
Unterhaltsanspruch rechtfertigt.
Hier sind die ökonomischen Verhältnisse der Parteien entsprechend eng. Beiden
Parteien steht in etwa der angemessene Unterhalt zur Verfügung. Für die Klägerin gilt
dies aber nur, weil ihr unterhaltsrechtlich ein fiktives Einkommen teilweise zugerechnet
wird. Tatsächlich ist somit das reale Einkommen der Klägerin weit niedriger.
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6.)
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Der Unterhaltsanspruch ist auch nicht nach dem neuen Vorbringen des Beklagten im
Berufungsverfahren verwirkt. Das lang andauernde intime Verhältnis der Klägerin,
welches von dieser mit der Berufungserwiderung wohl nicht ernsthaft bestritten werden
soll, rechtfertigt keine weitere Reduzierung bzw. gänzliche Verwirkung ihres
Unterhaltsanspruches. Zwar hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom
25.02.1981 (NJW 1981, 1214, 215) entschieden, dass auch ohne Begründung eines
eheähnlichen Zusammenlebens die Aufnahme eines nachhaltigen, auf längere Dauer
angelegten intimen Verhältnisses mit einem anderen Partner einen Verwirkungsgrund
darstellen kann, auch wenn das Unterhaltsrecht das Schuldprinzip grundsätzlich nicht
mehr kennt. Dieser Verwirkungstatbestand ist aber nur dann erfüllt, wenn das intime
Verhältnis mit einem anderen Partner unter Trennung vom Ehegatten erfolgt ist und
somit eine Abkehr vom Grundsatz der Gegenseitigkeit darstellt, wenn also eine schwer
wiegende Distanzierung von den ehelichen Bindungen vorliegt. Hiervon kann nach dem
Vortrag des Beklagten nicht ausgegangen werden. Vielmehr haben die Parteien
während des hier streitigen Zeitraums die Ehegemeinschaft weiterhin vollzogen. Der
Beklagte bringt keinerlei Tatsachen vor, die aus seiner damaligen Sicht den Bestand
der Ehe in Frage gestellt hätten. Vielmehr hat er den Worten seiner Ehefrau vertraut.
Auch wenn das Verhalten der Klägerin aus moralischer Sicht beanstandenswert ist,
zeigt es andererseits doch auch, dass sie durchaus an der Ehe festhalten wollte.
Schließlich war dieses intime Verhältnis auch nicht Grund der späteren Trennung.
Vielmehr ist der Beklagte aus eigenen Stücken aus der Ehewohnung ausgezogen. Die
Klägerin hat sich auch nie öffentlich mit dem Zeugen S gezeigt. Auch hier kann nicht
davon ausgegangen werden, dass der Beklagte besonders gedemütigt worden wäre.
Von daher ist auch nicht zu entscheiden, ob das frühere "Fremdgehen" der Klägerin
seinen Grund in den damalig angeblich schon gestörten Beziehungen zwischen den
Parteien hatte.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10,
713 ZPO.
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Streitwert:
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1.) Berufung der Klägerin bis zur Rücknahme: 4.170,94 €.
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2.) Berufung des Beklagten (wie bereits festgesetzt, Bl. 332 GA): 817,00 €.
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