Urteil des OLG Köln vom 10.09.1999

OLG Köln: werbung, verkehr, verbraucher, begriff, beweislast, anzeige, hersteller, markt, anpreisung, unterlassen

Oberlandesgericht Köln, 6 U 64/99
Datum:
10.09.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 64/99
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 41 O 195/98
Schlagworte:
exklusive Ledergarnituren
Normen:
UWG § 3
Leitsätze:
1) Das werbliche Angebot "...exklusive und wertvolle Ledergarnituren..."
-auch eines Unternehmens des Wandergewerbes- ist relevant
irreführend, wenn die tatsächlich vorgehaltenen Stücke auch bei
Drittanbietern erworben werden können. 2) Als irreführend gem. § 3
UWG zu untersagen ist ein Preisvergleich "70 und 80 % billiger als auf
der Messe, z.B. komplette Designer-Ledergarnitur ... jetzt schon ab DM
1.800,-" wenn im Falle des Bestreitens der Werbende nicht darlegt und
beweist, welche der beworbenen Möbel auf welcher Messe zu welchem
Preis angeboten worden waren. 3) Zur Frage der Erfüllung der
Prozessförderungspflicht des Berufungsbeklagten durch ergänzenden
Vortrag in der Berufungsinstanz unter Berücksichtigung der zu seinen
Gunsten ergangenen erstinstanzlichen Entscheidung und seines
Vertrauens auf deren Richtigkeit.
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
1.) Auf die Berufung der Klägerin wird das am 12.1.1999 verkündete
Urteil des Landgerichts Aachen - 41 O 195/98 - abgeändert und im
Hauptausspruch wie folgt neu gefaßt: Die Beklagte wird verurteilt, es bei
Meidung eines vom Ge-richt für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000 DM,
ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zur Dauer von 6
Monaten zu unterlassen, in Zeitungsinseraten in einer an den
Letztverbraucher gerichteten Werbung a) mit 40 exclusiven und
wertvollen Ledergarnituren zu werben, wenn in der beworbenen
Verkaufsveranstaltung keine 40 exclusiven und wertvollen
Ledergarnituren angeboten werden, und/oder b) einzelne Modelle "70
und 80 % billiger als auf der Messe" zu bewerben, wenn in der
beworbenen Verkaufsveranstaltung keine Bezugnahme auf
Originalverkaufs- bzw. Messepreise vorgenommen wird, zu a) und b) wie
nachstehend wiedergegeben: 2.) Die Kosten des Rechtsstreits beider
Instanzen hat die Beklagte zu tragen. 3.) Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar. 4.) Die Beschwer der Beklagten wird auf 40.000 DM
festgesetzt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1
Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
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Die Klägerin ist zunächst klagebefugt. Dabei kann dahinstehen, ob sie durch die
wettbewerbswidrige Werbung in ihren schutzwürdigen Rechten beeinträchtigt worden
und daher als unmittelbare Verletzte ohne weiteres prozessführungsbefugt ist. Denn
wenn das - etwa wegen des unterschiedlichen Warenangebotes - nicht der Fall sein
sollte, ergibt sich ihre Klagebefugnis doch als Mitbewerberin aus § 13 Abs.2 Ziff.1 UWG.
Die Beklagte hat nämlich durch die gezielte Werbung für eine Verkaufsveranstaltung in
S., auf der innerhalb weniger Stunden Möbel vertrieben worden sind, ein zumindest
abstraktes Wettbewerbsverhältnis zu der Klägerin begründet, die in Aachen und damit
im Sinne der Bestimmung auf demselben Markt ein Möbelhaus betreibt.
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Die Klage ist auch in vollem Umfange begründet, weil beide angegriffenen Aussagen in
der Werbung der Beklagten irreführend und deswegen gem. § 3 UWG zu untersagen
sind. Soweit der Senat gleichwohl den Urteilstenor geringfügig abweichend von dem
Antragswortlaut formuliert hat, stellt dies lediglich eine sprachliche Präzisierung und
keine inhaltliche Änderung dar. Insbesondere hat die Klägerin ersichtlich von Beginn
des Verfahrens an die Unterlassung lediglich für eine Wiederholung der Werbung
gerade in Zeitungsanzeigen begehrt, wie sie ihr durch das vorliegende Urteil zuerkannt
wird. Die sprachlich verunglückte Formulierung "... im geschäftlichen Verkehr,
insbesondere in Zeitungsanzeigen ..." besagt nicht, daß das Verbot auch für andere
Werbeträger erstrebt worden ist, zumal nicht einmal angedeutet worden ist, in welchem
sonstigen Werbeträger die Werbung geschaltet werden könnte.
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Die mit dem ersten Antrag angegriffene Aussage "40 exclusive und wertvolle
Ledergarnituren" ist deswegen gem. § 3 UWG zu untersagen, weil es sich nicht um
exclusive Ledergarnituren gehandelt hat.
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Entgegen der Auffassung des Landgerichts wird die Aussage "exclusiv" in der Anzeige
entsprechend der Behauptung der Klägerin dahin verstanden, daß es sich um
Möbelstücke handelt, die der Verbraucher nur bei dem betreffenden Vertreiber und nicht
auch bei Dritten beziehen kann. Zumindest gilt dies für einen nicht unerheblichen Teil
der angesprochenen Verkehrskreise, und zwar auch soweit es sich um aufgeklärte und
aufmerksame Verbraucher handelt. Diese wie auch die weiteren noch
anzusprechenden Feststellungen über die von der Werbung der Beklagten
hervorgerufenen Verbrauchervorstellungen vermag der Senat, dessen Mitglieder zu den
angesprochenen Verkehrskreisen zählen, aus eigener Sachkunde zu treffen.
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Es trifft nicht zu, daß der Begriff "exclusiv" in der angegriffenen Werbung lediglich als
unsubstantiierte Anpreisung verstanden wird. Vielmehr wird der Verkehr auch ohne
namentliche Nennung des Herstellers annehmen, daß die als "exclusive ...
Ledergarnituren" angebotenen Möbel nur bei demjenigen bezogen werden können, der
sie unter dem Attribut "exclusiv" anbietet (vgl. zu einem ähnlichen Fall OLG Koblenz
WRP 87,326). Zunächst ist das Wort "exclusiv" in der Anzeige nicht - wie etwa in der
Formulierung "exclusives Wohnen" - auf einen abstrakten Begriff, sondern auf ein
konkretes Möbelstück, nämlich Ledergarnituren, bezogen. Möbel sind auch
Wirtschaftsgüter, von denen der Verkehr weiß, daß sie zu einem nicht geringen Teil nur
bei speziellen Händlern erhältlich sind und damit eben "exclusiv" vertrieben werden. Es
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kommt hinzu, daß die Beklagte in der angegriffenen Werbung - sogar im unmittelbaren
Anschluß an die beanstandete Aussage - auch damit geworben hat, daß die Garnituren
von "namhafte(n) Hersteller(n)" stammten, die für Qualität und Design "garantier(t)en".
Auf diese Weise wird der Verkehr noch zusätzlich veranlaßt, den Begriff "exclusiv" nicht
verwässert, sondern in seinem eigentlichen, oben dargestellten Sinne zu verstehen.
Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß es sich um einen Verkauf im
Wandergewerbe handelte und - allerdings ohnehin nur im Fließtext - ausdrücklich auf
die vorherige Ausstellung der angebotenen Garnituren auf einer Messe hingewiesen
worden ist. Denn der Hersteller von Möbeln kann sich nach der Vorstellung von
Verbrauchern - auch für Ausstellungsstücke - durchaus auch ausschließlich eines
Vertreibers bedienen, der im Wandergewerbe verkauft. Außerdem ist es aus der Sicht
des Publikums auch möglich, daß der Inhaber eines Wandergewerbes zusätzlich auch
von einem festen Geschäftslokal aus, in dem er regional begrenzt die ortsansässigen
Kunden bedient, die Möbel vertreibt (vgl. BGH GRUR 81,279 f - "Nur drei Tage").
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Ausgehend hiervon ist der Antrag zu 1) begründet, weil die angepriesenen
Ledergarnituren - was unstreitig ist - vom Letztverbraucher nicht exclusiv nur bei der
Beklagten, sondern auch bei Dritten bezogen werden können.
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Vor diesem Hintergrund ist der mit dem Antrag zu 1) angegriffene Teil der Werbung
auch deswegen zu beanstanden, weil er zusätzlich die Aussage "wertvolle" enthält.
Diese Formulierung stellt zwar für sich genommen eine bloß wertende Anpreisung dar,
die als solche nicht verifiziert werden kann, durch den engen sprachlichen
Zusammenhang wird der Verkehr das wertvolle in den Möbelstücken aber als durch die
Exclusivität geprägt ansehen, weswegen mangels einer Exclusivität des Vertriebs auch
die Werbung mit "wertvoll" zu unterlassen ist.
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Ebenfalls irreführend und daher gem. § 3 UWG zu untersagen ist die mit dem Antrag zu
2) beanstandete Aussage "einzelne Modelle 70 und 80 % billiger als auf der Messe",
weil auch sie nicht zutrifft.
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Mit der Klägerin ist davon auszugehen, daß entgegen dieser Aussage nicht einzelne der
von der Beklagten vertriebenen Modelle 70 % oder gar 80 % billiger als auf einer
früheren Messe angeboten worden sind. Dieser Vortrag der Klägerin ist gem. § 138
Abs.3 ZPO als zugestanden anzusehen. Denn die Beklagte hat im Prozeß zwar
pauschal die Richtigkeit dieser Angaben behauptet, hierzu aber keine überprüfbaren
Angaben gemacht. Ihr einziges Vorbringen, es handele sich um Möbel, die "auf
Verbrauchermessen" verkauft worden seien, stellt ersichtlich keinen einlassungsfähigen
Vortrag dar. Entgegen der Auffassung der Beklagten oblag es ungeachtet der
grundsätzlichen Darlegungs- und Beweislast der Klägerin auch ihr, zunächst
darzulegen, auf welcher Messe welche Möbel zu welchen Preisen angeboten worden
sein sollen, damit die Klägerin überhaupt in die Lage versetzt wurde, vorzutragen, daß
und warum die Angaben unzutreffend seien. Anderenfalls könnte mit pauschalen und
nicht konkret belegten unzutreffenden Tatsachenbehauptungen ungehindert in
wettbewerbswidriger Weise geworben werden, obwohl gerade diese Art der Werbung
ein hohes Potential an Irreführungsgefahr enthält. Vor diesem Hintergrund ist in der
Rechtsprechung seit langem geklärt, daß bei einer Auseinandersetzung über eine
werbliche Preisgegenüberstellung der Werbende im einzelnen substantiiert darzulegen
und erforderlichenfalls auch zu beweisen hat, daß und wo der von ihm behauptete
höhere Preis ernsthaft verlangt worden ist (vgl. auf der Basis einer Reihe
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vorangegangener Entscheidungen BGH GRUR 75,78 f - "Preisgegenüberstellung I").
Der Rechtsstreit ist auch bezüglich des den Preisvergleich betreffenden Antrages zu 2)
entscheidungsreif. Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht kein Anlaß, ihr noch
Gelegenheit zu geben, ihren unsubstatiierten Vortrag zu ergänzen und nunmehr
vorzutragen, um welche Messe und welche Preise im einzelnen es sich gehandelt
haben soll. Es trifft insbesondere nicht zu, daß die Beklagte bis zu dem im Termin zur
mündlichen Berufungsverhandlung erfolgten rechtlichen Hinweis des Senats auf die
Richtigkeit der Entscheidung des Landgerichts, wonach die Darlegungs- und
Beweislast uneingeschränkt bei der Klägerin liegen soll, vertrauen und angeblichen
Sachvortrag weiter zurückhalten durfte.
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Allerdings ist in der Rechtsprechung verschiedentlich entschieden worden, daß der
Berufungsbeklagte seine Prozeßförderungspflicht nicht verletze, wenn er eine
tatsächlich gebotene Ergänzung seines Vortrages mit Rücksicht auf die erstinstanzliche
Entscheidung zunächst unterlasse (vgl. BGH NJW 81,1378 f; NJW-RR 94,566 f; BVerfG
NJW 92,678 f; vgl. auch Zöller-Gummer, ZPO, 21. Auflage, § 528 RZ 3). Diese
Rechtsprechung gebietet indes im vorliegenden Verfahren nicht, der Beklagten in einem
weiteren Verhandlungstermin noch zusätzlichen Sachvortrag zu ermöglichen.
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Die Klägerin hat ihre Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts zu
dieser Werbeaussage ausführlich und unter zutreffendem Hinweis auf die gefestigte
Rechtsprechung damit begründet, daß das Landgericht die Darlegungs- und Beweislast
unrichtig gesehen habe. Der Senat hat schon Zweifel, ob in dieser Situation überhaupt
noch grundsätzlich von einem schützenswerten Vertrauen der erstinstanzlich
erfolgreichen Beklagten auf die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung
ausgegangen werden kann. Das Berufungsverfahren dient der Überprüfung des
erstinstanzlichen Urteils auf seine Richtigkeit und diese Überprüfung kann ihrer Natur
nach auch dazu führen, daß sich eine Rechtsauffassung des Erstgerichts als unrichtig
erweist. Vor diesem Hintergrund erscheint die Annahme zweifelhaft, der
Berufungsbeklagte könne sich auch bei dezidiertem Vortrag gerade gegen die
betreffende Auffassung des Landgerichts grundsätzlich auf den Standpunkt
zurückziehen, er dürfe bis zu einem Hinweis des Berufungsgerichtes von der Richtigkeit
des - immerhin angefochtenen - landgerichtlichen Urteils ausgehen. Im übrigen ist auch
der Entscheidung des BGH in NJW-RR 94, 566,567 nicht zu entnehmen, daß auch dort
der Berufungskläger bereits gerade die Beanstandungen vorgetragen hatte, die den
weiteren Sachvortrag der Gegenseite erforderlich machten. Ebenso handelt es sich
nicht um die bei Zöller-Gummer a.a.O. angegebene Situation, daß die Partei
gezwungen würde, sich vorsorglich auf nur mögliches gegnerisches Vorbringen
einzulassen. Die Frage kann aber auf sich beruhen. Auch wenn man einen
Vertrauensschutz auch nach dezidierter Rüge des Berufungsführers in Einzelfällen
annehmen will, kann das jedenfalls im vorliegenden Verfahren nicht gelten.
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Das ergibt sich zum einen schon daraus, daß die Auffassung der Klägerin auch für die
anwaltlich vertretene Beklagte ersichtlich richtig sein mußte. Denn die von dem
Landgericht zugrundegelegte Rechtsauffassung führt zur Unmöglichkeit der
Beweisführung und verhindert damit die Durchsetzung auch berechtigter Ansprüche.
Die Angabe "Einzelne Modelle 70 und 80 % billiger als auf der Messe" ist unmöglich zu
widerlegen, solange nicht dargelegt wird, welches Modell, auf welcher Messe zu
welchem Preis verkauft worden ist. Denn die Klägerin kann nicht sämtliche
Messeveranstaltungen kennen und erst Recht nicht im Nachhinein mehr feststellen, zu
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welchem Preis dort einzelne Garnituren verkauft worden sind. Es kommt hinzu, daß die
Rechtslage in den von der Klägerin richtig zitierten Entscheidungen eindeutig so
judiziert und in den Standardkommentaren ebenso eindeutig dargestellt ist (vgl. z.B.
Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20.Aufl., § 3 UWG RZ 120; Köhler/Piper, § 3,
RZ 379).
Außerdem wäre es für die Beklagte auch ein leichtes gewesen, die betreffenden
Angaben, die ihr nach ihrem Vortrag sämtlich bekannt sein mußten, zu machen. Es
oblag ihr lediglich, Ort und Dauer der (Verbraucher-)Messe sowie die dort für einzelne
Ledergarnituren angeblich verlangten Preise anzugeben. Hierdurch unterscheidet sich
der Fall erheblich von demjenigen, der der in NJW 81,1378 f abgedruckten
Entscheidung des BGH zugrundelag. Dort ging es nicht um die schlichte Angabe
angeblicher Verkaufsdaten, sondern um die Notwendigkeit der Vorlage einer
umfassenden Aufstellung der tatsächlichen betrieblichen Aufwendungen für die
Durchführung eines umfangreichen Auftrages. Demgegenüber war es für die Beklagte
des vorliegenden Verfahrens ohne weiteres zumutbar, die ihr leicht zugänglichen
Angaben zu machen. Hierzu war sie auf den dezidierten Vortrag der Klägerin hin zur
Vermeidung prozessualer Nachteile aus den vorstehenden Gründen auch verpflichtet.
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Schließlich stehen die geltendgemachten Ansprüche auf Unterlassung auch der
Klägerin zu. Auch hierzu läßt der Senat die Frage offen, ob die Klägerin unmittelbare
Verletzte und damit ohne weiteres aus § 3 UWG aktivlegitimiert ist. Denn auch als bloße
Mitbewerberin im Sinne des § 13 Abs.2 Ziff.1 UWG steht ihr der Anspruch zu, weil der
Verstoß im Sinne der Vorschrift geeignet ist, den Wettbewerb auf dem betroffenen
(räumlichen) Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Dies bedarf angesichts der
angekündigten radikalen Preisherabsetzung bei gleichzeitiger unberechtigter
Inanspruchnahme von Exclusivität keiner näheren Begründung.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.
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Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festgesetzte Beschwer der Beklagten entspricht dem Wert
ihres Unterliegens im Rechtsstreit.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 40.000 DM.
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