Urteil des OLG Köln vom 17.02.1994

OLG Köln (rechnung, bericht, zpo, land, unternehmer, risiko, gewinn, betrieb, vorverfahren, folge)

Oberlandesgericht Köln, 7 U 102/87
Datum:
17.02.1994
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
7. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 U 102/87
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 5 O 127/80
Tenor:
Die Berufung gegen das am 31. März 1981 verkündete Urteil der 5.
Zivilkammer des Landgerichts Köln - 5 O 127/80 - wird zurückgewiesen.
Dem beklagten Land werden auch die Kosten des Berufungsverfahrens
auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Berufung ist nicht begründet. In dem angefoch-tenen Urteil ist richtig entschieden,
daß das be-klagte Land nach § 839 BGB, Art. 34 GG verpflich-tet ist, der Klägerin die
Steuerberatungskosten zu ersetzen, die ihr aufgrund der unrichtigen und später
aufgehobenen Veranlagungsbescheide vom 20.12.1976 sowie dem vorausgehenden
Betriebsprü-fungsbericht vom 23.03.1976 entstanden sind.
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Nach Abschluß des finanzgerichtlichen Verfahrens 13 K 296/80 FG Köln ist das
Rechtsschutzinteresse für die Klage zweifelsfrei zu bejahen. Die Klä-gerin hat keine
Möglichkeit, auf eine einfachere Weise die ihr entstandenen Steuerberatungskosten
erstattet zu erhalten. In dem Kostenfestsetzungs-verfahren, das im Anschluß an das
vorgenannte fi-nanzgerichtliche Verfahren stattgefunden hat, sind die
entsprechenden Gebühren nicht berücksichtigt worden, weil es dort allein um die
Rechtmäßigkeit der auf der Grundlage des zweiten Betriebsprü-fungsberichts vom
14.10.1977 ergangenen Steuerbe-scheide von 29.08.1978 ging. Der
Betriebsprüfungs-bericht und die Steuerbescheide aus dem Jahre 1976 waren
bereits zuvor aufgehoben worden. Die auf die gegen sie gerichteten Einsprüche der
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Klägerin er-gangene Aufhebungsverfügung vom 30.11.1977 hat un-streitig keine
Kostenerstattung ausgesprochen: Die Erstattung der Kosten eines Vorverfahrens ist
nach § 139 Abs. 3 FGO nur bei einem nachfolgenden fi-nanzgerichtlichen Verfahren
vorgesehen.
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Die in dem ersten Betriebsprüfungsbericht und den Steuerbescheiden vom
20.12.1976 vertretene recht-liche Auffassung, der Ehemann der Inhaberin der
Klägerin, Dr. N. Q., sei steuerrechtlich allei-niger Unternehmer, beruht auf einer
schuldhaften Amtspflichtverletzung.
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In dem Betriebsprüfungsbericht ist unter 14.a), bb) einleitend ausgeführt worden, daß
es für die Frage, wer steuerrechtlich Unternehmer sei, darauf ankomme, wer
wirtschaftlich das Risiko trage, jahrelang von allen Beteiligten als Unter-nehmer
behandelt werde und bei wem die Erträge tatsächlich verblieben. Anschließend wird
in dem Bericht dargetan, daß Dr. Q. in dem Unternehmen weitgehend das Sagen
habe und von den beteiligten Wirtschaftskreisen als eigentlicher Chef angesehen
werde. Die Frage, bei wem die Gewinne des Unter-nehmens tatsächlich verblieben,
wird lapidar und erkennbar unzureichend mit dem bloßen Hinweis darauf
beantwortet, daß Frau Q. in den Jahren 1973 und 1974 lediglich Beträge von 8.500,--
DM bzw. 8.000,-- DM entnommen habe; demgegenüber bedarf es keiner weiteren
Ausführungen, daß Gewinn eines Un-ternehmens und Entnahme des Gewinns
auseinander zu halten sind und ein nicht entnommener Gewinn das
Unternehmenskapital erhöht, also dem Inhaber des Unternehmens "verbleibt". Auf
die einleitend auf-geworfene dritte Frage, wer wirtschaftlich das Ri-siko des
Unternehmens trage, ist der Betriebsprü-fungsbericht bei den weiteren Überlegungen
über-haupt nicht mehr zurückgekommen. Es ist auch nicht erkennbar, welches
Argument dafür hätte ins Feld geführt werden können, daß Dr. Q. dieses Risiko allein
trage, nachdem das Kapital des Unternehmens allein von Frau Q. zur Verfügung
gestellt worden war. Der dem Betriebsprüfungsbericht und den auf ihn fußenden
Steuerbescheiden anhaftende Fehler bestand kurz gesagt darin, daß unter die selbst
aufgestellten Obersätze zum Teil nicht, zum Teil nur ganz unvollkommen subsumiert
worden war. Das ist den verantwortlichen Beamten als schuldhafte Pflichtverletzung
anzulasten.
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Diese Wertung gilt nicht nur für die Steuerbe-scheide, sondern auch bereits für den
Betrieb-sprüfungsbericht. Unrichtige Prüfungsfeststellun-gen eines Betriebsprüfers
stellen Amtspflichtver-letzungen gegenüber dem Steuerpflichtigen dar (BGH NJW
1975, 972; 1987, 434). Allerdings trägt der Betriebsprüfer vorrangig für die von ihm
getrof-fenen tatsächlichen Feststellungen die Verantwor-tung. An eine von ihm
vertretene Rechtsauffassung ist hingegen das Veranlagungsfinanzamt nicht ge-
bunden; es kann anders würdigen und im Zuge der Auswertung des
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Prüfungsberichtes eine unrichtige Rechtsauffassung richtig stellen, weil über den
Steueranspruch erst bei der Veranlagung entschie-den wird. Die Frage einer Haftung
des Steuerprü-fers aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtver-letzung stellt sich daher
meist in den Fällen, in denen er unzutreffende Besteuerungsgrundlagen festgestellt
hat, die vom Veranlagungsfinanzamt bei der Entscheidung über den Steueranspruch
ausgewertet werden. Indessen beschränken sich die Pflichten des Betriebsprüfers
darauf nicht. Nach § 2 Abs. 3 Betriebsprüfungsordnung ist Zweck der Betriebsprüfung
die richtige Ermittlung und Beur-teilung der steuerlich bedeutsamen Sachverhalte. Ist
der Bericht aber in einer Diktion abgefaßt, die auch in der rechtlichen Beurteilung
schon eine endgültige Festlegung und abschließende Wil-lensbildung erkennen läßt,
so daß der betroffene Steuerpflichtige von einer abweichenden Meinungs-bildung
des Veranlagungsfinanzamtes nicht ausgehen kann, so stellt die - wie im Streitfall -
unver-tretbare rechtliche Bewertung in einem Betrieb-sprüfungsbericht gleichfalls
eine Amtspflichtver-letzung dar.
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Daß die von dem Betriebsprüfer und dem Finan-zamt zunächst eingenommene
Haltung, Dr. Q. sei steuerrechtlich Alleinunternehmer der Firma Q. , nicht vertretbar
war, kann unabhängig von dem Vorstehenden auch der nachfolgenden Reaktion der
Dienstvorgesetzten entnommen werden. Auf die Dienstaufsichtsbeschwerde und den
Einspruch der Klägerin haben die Dienstaufsichtsbehörden die von dem Finanzamt
eingenommene Rechtsposition nicht für verteidigungsfähig gehalten. Das kommt in
den Bescheiden des Finanzministers vom 28.03.1977 und der OFD Köln vom
02.06.1977 deutlich zum Ausdruck. Die ersatzlose Aufhebung der Bescheide mit
Verfü-gung vom 30.11.1977 war die folgerichtige Konse-quenz.
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Der von der Klägerin geltend gemachte Schaden beruht ursächlich auf den
vorgenannten Pflichtver-letzungen. Der erste Betriebsprüfungsbericht hatte die
Bemühungen des Wirtschaftsprüfers und Steuer-beraters Dr. W. Q. zur Folge, die in
seiner ersten Gebührenrechnung vom 01.03.1977 mit 1.276,55 DM in Rechnung
gestellt worden sind. Aufgrund der Steu-erbescheide vom 20.12.1976 wurde Dr. Q.
zwischen dem 01.01. und 31.07.1977 abermals tätig, was er unter dem 15.12.1977
mit 2.110,-- DM in Rechnung stellte.
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Dem kann nicht entgegen gehalten werden, in dem zweiten Betriebsprüfungsbericht
und den darauf fußenden nachfolgenden Steuerbescheiden sei Dr. N. Q. als
Mitunternehmer angesehen worden, was für die Klägerin im steuerrechtlichen
Endergebnis zu keinem Vorteil gegenüber der Annahme einer Allein-
unternehmerschaft Dr. Q.s geführt haben würde. Hätte das Finanzamt diesen
Standpunkt sogleich eingenommen, hätten nämlich sämtliche Bemühungen des
Wirtschaftsprüfers Dr. N. Q. in dem nachfol-genden finanzgerichtlichen Rechtsstreit
als Vor-verfahrenskosten im Sinne des § 139 Abs. 3 FGO erstattet werden können.
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Das ist bei den in Folge des ersten Betriebsprüfungsberichtes entstandenen
zusätzlichen Gebührenaufwendungen nicht der Fall.
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Die Rechnungen Dr. Q.s sind auch in der Höhe nicht zu beanstanden. In seinem
Schreiben an das Landge-richt vom 11.11.1980 hat er überzeugend dargelegt, daß er
mit seinen Liquidationen vom 01.03. und 05.12.1977 diejenigen durch den
Betriebsprüfungs-bericht und die Steuerbescheide veranlaßten Teile seiner Tätigkeit
abgerechnet hat, die den Komplex der Firma Q. im engeren Sinn betroffen haben.
Das genügt für die Überzeugungsbildung des Senats (§ 287 ZPO).
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Es ist auch nicht ersichtlich, daß die von Dr. Q. berechneten Beratungsgebühren
übersetzt gewesen sind. Unstreitig hat die Klägerin die Zahlungen auf die
Honorarnoten erbracht. Die Beklagte trifft daher die Darlegungs- und Beweislast
dafür, daß die Rechnungen für die Klägerin erkennbar über-höht waren und sie daher
an der Entstehung des Schadens ein Mitverschulden (§ 254 BGB) getroffen hat.
Dafür gibt es keinen Anhaltspunkt. Allerdings ist in der zweiten Rechnung vom
15.12.1977 ein Stundensatz von 100,-- DM zugrunde gelegt, während aufgrund einer
Sondervereinbarung die Rechnung vom 01.03.1977 nur 50,-- DM pro Stunde
veranschlagt hatte. Daraus kann jedoch nichts Entscheidendes hergeleitet werden.
Die Beklagte behauptet selbst nicht substantiiert, daß sich 1977 ein derartiger
Stundensatz außerhalb aller Üblichkeiten bewegt habe (die Zeitgebühr beträgt nach
§ 13 Satz 2 der SteuerberatergebührenVO in der heutigen Fassung 25,-- DM bis 70,--
DM je angefangene halbe Stun-de). Zudem betrifft die Rechnung das Einspruchs-
verfahren sowie Aussetzungsanträge hinsichtlich der Steuerbescheide vom
22.12.1976. Es handelte sich also um ein außergerichtliches Vorverfahren mit etwa
demselben Streitwert, wie er dem vom FG Köln im Kostenfestsetzungsbeschluß vom
27.09.1993 abgerechneten Vorverfahren entspricht. Dort sind 2.765,60 DM als
erstattungsfähig festgesetzt wor-den, während sich die Rechnung vom 15.12.1977
über 2.110,-- DM verhält. Hinweise auf eine unverhält-nismäßige Überzahlung Dr.
Q.s durch die Klägerin lassen sich daher auch aus dieser Vergleichsrech-nung nicht
gewinnen.
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Die Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbar-keit des Urteils folgt aus §§ 708 Nr.
10, 713 ZPO.
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Der Streitwert des Berufungsverfahrens und die sich aus diesem Urteil für das
beklagte Land erge-bende Beschwer betragen 3.386,55 DM.
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