Urteil des OLG Köln vom 27.09.2000

OLG Köln: treu und glauben, anzeige, bürgschaftserklärung, kündigung, willenserklärung, hauptschuld, bürge, gesellschafter, fristablauf, teilklage

Oberlandesgericht Köln, 13 U 98/00
Datum:
27.09.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
13. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 U 98/00
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 12 O 99/99
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn
vom 09.12.1999 - 12 O 99/99 - abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die
Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu
tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 16.000,00 DM
abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe
leistet. Die Sicherheiten können auch durch Bürgschaft einer deutschen
Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden.
T a t b e s t a n d
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Mit der vorliegenden Teilklage über 100.000,00 DM nimmt die Klägerin die Beklagte aus
einer befristeten Ausfallbürgschaft in Anspruch, welche die Beklagte nach dem sog.
DtA-Bürgschaftsprogramm bis zu einem Höchstbetrag von 1,2 Mio. DM für einen der
Firma G.GmbH in I. (im folgenden: Hauptschuldnerin) von der Klägerin gewährten
Betriebsmittelkredit in Höhe von 1,5 Mio DM übernommen hat. In der
Bürgschaftserklärung der Beklagten vom 21.12.1995 heißt es zur Befristung:
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"Die Bürgschaft erlischt mit Rückgabe dieser Erklärung, spätestens aber am
31.12.1996, wenn wir nicht bis zu diesem Tage daraus in Anspruch genommen
worden sind."
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und in dem zum Bestandteil der Bürgschaftserklärung gemachten Begleitschreiben
gleichen Datums:
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"Die Verbürgung des Kontokorrentkredites in Höhe von 1.500.000 DM ist befristet bis
zum 31.12.1996. ..... Wir weisen ausdrücklich darauf hin, daß aus der Stellung dieser
zeitlich befristeten Bürgschaft kein Anspruch auf Verlängerung oder Erhöhung
begründet werden kann. Gleichwohl sind wir bereit, einen Antrag auf Verlängerung
und/oder Erhöhung der Bürgschaft im Sinne eines wirtschaftlich vertretbaren
Fortbestandes der G. GmbH zu prüfen."
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Als weitere Sicherheiten des der Hauptschuldnerin von der Klägerin mit Vertrag vom
22.12.1995 gewährten, bis zum 31.12.1996 befristeten Kontokorrentkredits über 1,5 Mio
DM dienten selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaften der beiden Gesellschafter
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der Hauptschuldnerin sowie die Sicherungsabtretung sämtlicher Forderungen der
Hauptschuldnerin.
Mit Schreiben vom 18.12.1996 verlängerte die Beklagte in Abstimmung mit der Klägerin
die Laufzeit ihrer Bürgschaft bis zum 31.12.1997; dementsprechend verlängerte auch
die Klägerin die Laufzeit ihres Betriebsmittelkredites an die Hauptschuldnerin ebenfalls
bis zum 31.12.1997.
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In der Folgezeit überzog die Hauptschuldnerin, die in zunehmende wirtschaftliche
Schwierigkeiten geraten war, ihre Kreditlinie bei der Klägerin, was am 15.09.1997 zu
einer Anfrage der Klägerin bei der Beklagten führte, ob der Kredit gekündigt werden
solle. Im Antwortschreiben der Beklagten vom 19.09.1997 heißt es hierzu:
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"Ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt Ihr Haus die Kredite fällig stellt, liegt allein im
Ermessen Ihres Hauses. Bitte haben Sie Verständnis, wenn wir hierzu keine
Empfehlung abgeben werden. Bitte halten Sie uns auch weiterhin über die aktuelle
Entwicklung dieses Engagements zeitnah unterrichtet."
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Mit Schreiben vom 16.10.1997 kündigte die Klägerin das Kreditverhältnis mit der
Hauptschuldnerin und stellte den per 16.10.1997 auf 1.585.383,84 DM ermittelten Saldo
zur sofortigen Rückzahlung fällig, wobei sie der Hauptschuldnerin eine
Rückführungsfrist bis zum 21.11.1997 gewährte. Mit Schreiben vom 20.11.1997
informierte die Klägerin die Beklagte unter Beifügung des Kündigungsschreibens über
die hierfür maßgeblichen Gründe. Das Schreiben schließt mit dem Satz: "Über den
Fortgang der Angelegenheit halten wir Sie informiert".
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Mit Schreiben vom 09.03.1998 forderte die Beklagte die Klägerin zur Rückgabe der
Bürgschaftsurkunde auf, weil die Laufzeit der Bürgschaft ohne Inanspruchnahme der
Beklagten verstrichen sei. Die Klägerin lehnte dies mit Schreiben vom 12.03.1998 mit
der Begründung ab, dass ihr Schreiben vom 20.11.1997 "ohne Anstrengung" als eine
Inanspruchnahme der Beklagten dem Grunde nach zu verstehen sei.
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Mit Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 01.04.1998 - 36 N 14/98 - ist der von
den Sozialversicherungsträgern gegen die Hauptschuldnerin gestellte Antrag auf
Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens mangels Masse abgelehnt worden.
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Die Klägerin hat die Rechtsauffassung vertreten, dass es sich bei der befristeten
Höchstbetragsausfallbürgschaft der Beklagten nicht um eine Zeitbürgschaft i.S.d. § 777
BGB handele; jedenfalls erfülle ihr Schreiben vom 20.11.1997 den Umständen nach
unter Berücksichtigung von Treu und Glauben die Anforderungen an eine
Inanspruchnahme der Beklagten. Die Beklagte sei in die Kreditgewährung der Klägerin
an die Hauptschuldnerin dergestalt involviert gewesen, dass es im November 1997 für
sie keinen Zweifel daran gegeben habe, dass sie aus der Bürgschaft in Anspruch
genommen werde.
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Die Klägerin hat im Wege der Teilklage beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 100.000,00 DM nebst 5% Zinsen über
dem jeweiligen Diskontsatz der deutschen Bundesbank (seit dem 01.01.1999 über
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dem Basiszinssatz nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz) seit 17.03.1998 zu
zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Mit Urteil vom 09.12.1999, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, hat das
Landgericht der Klage unter teilweiser Abweisung der Zinsforderung stattgegeben. Zur
Begründung hat die Zivilkammer in der Hauptsache darauf abgestellt, dass die
Inanspruchnahme der Beklagten aus der Zeitbürgschaft für diese spätestens aufgrund
des Schreibens der Klägerin vom 20.11.1997 derart selbstverständlich gewesen sei,
dass es treuwidrig sei, der Klägerin die Versäumung einer rechtzeitigen, auf
Inanspruchnahme der Beklagten gerichteten Willenserklärung entgegenzuhalten.
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Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und
begründeten Berufung. Sie macht im wesentlichen geltend, dass bei einer
Zeitbürgschaft, wie sie hier vorliege, die Information des Bürgen selbst bei einer dadurch
begründeten sicheren Erwartung der Inanspruchnahme nicht eine zumindest
konkludente fristgerechte Willenserklärung des Gläubigers ersetze, dass der Bürge in
Anspruch genommen werde.
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Die Beklagte beantragt,
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unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt
abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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1. die Berufung zurückzuweisen,
2. der Klägerin nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung
abzuwenden, welche auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank oder
öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden kann.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Angriffen der Berufung entgegen.
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Wegen aller Einzelheiten des Vorbringens der Parteien aus beiden Instanzen wird auf
die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung führt zur Abweisung der Klage. Die Bürgschaft der Beklagten ist mit Ablauf
des 31.12.1997 erloschen, weil die Klägerin es versäumt hat, die Beklagte bis zu
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diesem Tage daraus in Anspruch zu nehmen.
I.
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Wird einer Bürgschaft durch Individualvereinbarung eine zeitliche Begrenzung
hinzugefügt, so kann diese die Bedeutung eines Endtermins haben. Es kann damit aber
auch bestimmt sein, dass der Bürge nur für die bis zu dem genannten Zeitpunkt
entstandenen Verbindlichkeiten haften soll, für diese aber unbegrenzt. Welche
Bedeutung der Abrede zukommt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Diese Auslegung
führt - wie auch das Landgericht im Ergebnis richtig erkannt hat - zu der Erkenntnis, dass
es sich bei der Bürgschaftserklärung der Beklagten vom 21.12.1995 um eine echte
Zeitbürgschaft handelt, die in typischer Weise (z.B. BGH WM 1981, 1302; BGHZ 91, 349
= NJW 1984, 2461; BGHZ 99, 288 = NJW 1987, 1760; BGH NJW 1989, 1856) lediglich
insoweit von der gesetzlichen Regelung des § 777 BGB abweicht, als die
Inanspruchnahme des Bürgen bis zum angegebenen Endtermin erklärt werden musste,
um das Erlöschen der Bürgschaftsverpflichtung zu verhindern.
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1. Der Wortlaut der Bürgschaftserklärung der Beklagten vom 21.12.1995 stellte
eindeutig klar, dass die Bürgschaft erlosch, wenn die Beklagte nicht bis zum
31.12.1996 - nach Verlängerung: bis zum 31.12.1997 - aus dieser Bürgschaft in
Anspruch genommen wurde. Eine so formulierte Bürgschaftserklärung, die mit
dem Ausdruck "erlischt" in typischer Weise (vgl. auch BGH NJW 1988, 908) die
zeitliche Begrenzung als Endtermin kennzeichnet, bis zu dem die Bürgschaft
geltend gemacht werden muss, ist - soweit ersichtlich - nach ihrem objektiven
Erklärungswert von der Rechtsprechung noch nie anders ausgelegt worden.
2. Die Tatsache, dass die Hauptschuld in Übereinstimmung mit der zeitlichen
Begrenzung der Bürgschaft der Beklagten befristet war, spricht nicht gegen,
sondern eher für die Annahme einer Zeitbürgschaft. Es ist höchstrichterlich
anerkannt, dass auch dann, wenn die Fälligkeit der Hauptschuld gleichzeitig mit
dem Ende der Bürgschaftszeit eintritt, die fristgerechte Anzeige des Gläubigers, er
nehme den Zeitbürgen in Anspruch, grundsätzlich geeignet ist, ihm die Rechte aus
der Bürgschaft zu erhalten (vgl. BGH NJW 1989, 1856). Denn die Bürgschaft stellt
nur dann eine taugliche Sicherheit für den Gläubiger dar, wenn er die Möglichkeit
hat, bis zum Fristablauf wirksam die Inanspruchnahme des Bürgen zu erklären.
Der Zeitbürge soll zwar seinerseits zum Ablauf der Bürgschaftszeit Gewissheit
haben, ob er frei geworden ist oder haftet. Diese Gewissheit tritt bei einer
rechtzeitigen Anzeige der Inanspruchnahme indessen auch dann ein, wenn die
Hauptforderung mit dem Ende der Bürgschaftszeit fällig wird. Da bei der
Auslegung einer individualvertraglich vereinbarten Bürgschaft darauf abzustellen
ist, wie jeder Vertragspartner den objektiven Wert der Erklärung des anderen Teils
nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste (vgl.
BGH NJW 1997, 2233), ist dieses Auslegungsergebnis im Verhältnis der hier
beteiligten Kreditinstitute um so zwingender. Es hätte daher nicht einmal einer
Kündigung des Kreditverhältnisses mit der Hauptschuldnerin bedurft, um der
Klägerin die Möglichkeit einer Inanspruchnahme der Beklagten zu sichern.
3. Dass es sich hier um eine Höchstbetragsausfallbürgschaft handelt, steht der
Beurteilung als Zeitbürgschaft ebenfalls nicht entgegen. Denn die fristwahrende
Inanspruchnahme der Beklagten bedurfte - wie die Klägerin richtig erkannt hat
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(siehe ihr Schreiben vom 12.03.1998) - nicht der Bezifferung des eingetretenen
Verlustes; vielmehr muss der Zeitbürge auch eine unbezifferte Anzeige gegen sich
gelten lassen (z.B. OLG Karlsruhe, WM 1985, 770).
4. Schließlich kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg einwenden, dass eine
Bürgschaft, die einen Kontokorrentkredit abdeckt, im Zweifel als eine
gegenständlich beschränkte Bürgschaft auszulegen ist (BGH NJW 1988, 908),
noch, dass es sich bei den nach dem DtA-Bürgschaftsprogramm abgesicherten
Krediten um Maßnahmen der Wirtschaftsförderung handelt (KG WM 1995, 439 =
NJW-RR 1995, 1199). Die für jene Entscheidungen maßgeblichen Erwägungen
lassen sich auf den Streitfall nicht übertragen. Abgesehen davon, dass der
eindeutige Wortlaut der Bürgschaftserklärung hier erst gar keine
Auslegungszweifel aufkommen lässt, war die Hauptschuld hier auch ohne
Kündigung spätestens bei Fristablauf fällig, so dass der Klägerin ohne weiteres
eine rechtzeitige Inanspruchnahme der Beklagten möglich war, ohne auf eine
Kündigung des Kreditverhältnisses angewiesen zu sein. Mit der
übereinstimmenden Befristung des der Hauptschuldnerin von der Klägerin als
Kontokorrentkredit gewährten Betriebsmittelkredits und der hierfür von der
Beklagten übernommenen Bürgschaft war auch der Hauptschuldnerin klar, dass
ihre Chance, wirtschaftlich Fuß zu fassen, zeitlich eng begrenzt war und dass eine
Verlängerung des Kredits durch die Klägerin entscheidend von einer
korrespondierenden Verlängerung der Bürgschaft der Beklagten abhing.
II.
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Die Klägerin hat es versäumt, der Beklagten rechtzeitig deren Inanspruchnahme
anzuzeigen. Die Anzeige der Inanspruchnahme ist eine einseitige empfangsbedürftige
Willenserklärung (RGZ 153, 123, 126; BGHZ 99, 288, 291), aus der nach dem Sinn und
Zweck des § 777 BGB der Wille des Gläubigers deutlich hervorgehen muss, dass der
Bürge weiter haften solle, ohne sich auf die zeitliche Beschränkung seiner Haftung
berufen zu können. Dabei kommt es nicht auf die Form und die Verwendung bestimmter
Worte an, so dass es beispielsweise genügen kann, wenn der Gläubiger erklärt, er
müsse darauf bestehen, dass die Bürgschaft weiter bestehe (wie im Falle RGZ 153,
123). Das Schreiben der Klägerin vom 20.11.1997 an die Beklagte erfüllt indessen nicht
die Mindestanforderungen an eine konkludente Anzeige der Inanspruchnahme der
Beklagten.
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1. Aus dem Schreiben vom 20.11.1997 eine derartige Willenserklärung
herauszulesen, scheitert schon aus der Sicht der Klägerin daran, dass sie die
Bürgschaft der Beklagten nicht als Zeitbürgschaft verstanden haben will.
Folgerichtig bestand aus ihrer Sicht auch weder Veranlassung noch Eile, die
Beklagte aus der Ausfallbürgschaft bereits in Anspruch zu nehmen, bevor
feststand, dass Zahlungen der Hauptschuldnerin sowie wesentliche Eingänge aus
der Verwertung der Sicherheiten (einschließlich der Bürgschaften der
Gesellschafter) nicht zu erwarten waren. Dieser Rechtsirrtum der Klägerin war
einerseits fraglos vermeidbar und andererseits für die Beklagte nicht offenbar (was
anderenfalls die Berufung auf die Fristversäumung als treuwidrig erscheinen
lassen könnte).
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1. Auch aus der maßgeblichen Sicht der Beklagten bestand keine Veranlassung, das
Schreiben vom 20.11.1997 bereits als ihre Inanspruchnahme anzusehen. Das
Schreiben stellt sich seinem Wortlaut und Erklärungszusammenhang nach
lediglich als eine Information der Beklagten über die aktuelle Entwicklung des
Kreditengagements dar, wie die Beklagte dies im Schreiben vom 19.09.1997
erbeten hatte (in Übereinstimmung mit der in Ziffer 2.9.2 der Allgemeinen
Bestimmungen des DtA-Bürgschaftsprogramms geregelten Informationspflicht).
Auch in Verbindung mit dem beigefügten Kündigungsschreiben vom 16.10.1997
erschließt sich keine aktuelle Absichtserklärung der Klägerin, die Beklagte aus der
Bürgschaft in Anspruch zu nehmen. In jenem Schreiben an die Hauptschuldnerin
verweist die Klägerin darauf, dass sie die Beklagte von der Kündigung "in
Kenntnis gesetzt" habe, die Gesellschafter der Hauptschuldnerin aus deren
Bürgschaften in Anspruch nehmen sowie die Globalabtretungen offen legen und
die Forderungen einziehen werde. In auffälligem Gegensatz zu dieser von der
Klägerin angezeigten Inanspruchnahme der vorrangigen Sicherheiten wird eine
Inanspruchnahme der Beklagten nicht einmal angekündigt, sondern lediglich
erklärt, man werde die Beklagte über den Fortgang der Angelegenheit informiert
halten. Zu einer Inanspruchnahme der Beklagten blieb der Klägerin auch nach
dem 20.11.1997 noch Zeit genug (bis zum 31.12.1997), so dass auch unter
diesem Gesichtspunkt für die Beklagte keine Veranlassung bestand, jenes
Schreiben bereits als Inanspruchnahme zu verstehen. Die Tatsache, dass die
Beklagte mit einer Inanspruchnahme aus der Bürgschaft rechnen musste,
nachdem sie über die Kündigung des Kreditengagements und die hierfür
maßgeblichen Gründe von der Klägerin informiert worden war - das findet auch in
der routinemäßigen internen Abgabe des Vorgangs an die
Kreditabwicklungsabteilung der Beklagten Ausdruck -, ersetzt nicht die
erforderliche Willenserklärung der Klägerin.
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1. Billigkeitserwägungen, von denen sich die Zivilkammer hat leiten lassen, sind hier
fehl am Platze. Eine Zeitbürgschaft sichert die Hauptschuld nur bis zum Ablauf der
Bürgschaftszeit. Das Gesetz legt jedoch "der einseitigen Erklärung des Gläubigers
die Macht bei, daß die zeitliche Begrenzung der Bürgschaft hinausgeschoben
oder überhaupt beseitigt wird" (RGZ 153, 123, 126). An diese Erklärung werden
nach Form und Inhalt auch - wie bereits erwähnt - keine besonderen
Anforderungen gestellt; sie muss dem Zeitbürgen lediglich deutlich den Willen des
Gläubigers vermitteln, den Bürgen über den Ablauf der Bürgschaftszeit hinaus in
Anspruch zu nehmen. Die Ausdehnung der Haftung eines Bürgen - erst recht
eines Zeitbürgen - unter Billigkeitsgesichtspunkten wird denn auch in der
Rechtsprechung regelmäßig nicht zugelassen. So hat der BGH (WM 1981, 1302,
1303 = NJW 1982, 172, 173) es beispielsweise abgelehnt, aus
Billigkeitsgesichtspunkten die Rückwirkung der gerichtlichen Zustellung zur
Fristwahrung auch anzuwenden, wenn erst am letzten Tag der Frist ein
Mahnbescheidsantrag gestellt wird, obwohl die rechtzeitige Anzeige der
Inanspruchnahme aus der Bürgschaft mit einfachem Brief für den Kläger möglich
gewesen wäre und das Gericht zur Fristwahrung nicht hätte eingeschaltet werden
müssen. Eine solche Anwendung sei "bei Abwägung der hier einander
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gegenüberstehenden Interessen wegen der damit verbundenen Belastung des
Bürgen durch eine Verlängerung seiner strengen Haftung über das an sich
vereinbarte Ende der Haftung hinaus zu verneinen".
Es ist daher auch keine bloße Förmelei, von der Klägerin zu verlangen, innerhalb der
Frist wenigstens sinngemäß die Inanspruchnahme der Beklagten zu erklären, ohne
dass es darauf ankommt, ob diese bereits mit ihrer Inanspruchnahme rechnen musste
oder gerechnet hat. Das gilt um so mehr, als es sich hier auch bei der Gläubigerin um
ein erfahrenes Kreditinstitut handelt, von dem man zumindest aus Gründen der Vorsorge
eine fristgemäße Erklärung der Inanspruchnahme der Beklagten hätte erwarten dürfen.
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III.
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Nach alledem ist die Klage in Abänderung des angefochtenen Urteils in vollem
Umfange abzuweisen. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91
Abs.1, 108, 708 Nr.10, 711 ZPO.
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Streitwert der Berufung und Beschwer der Klägerin durch dieses Urteil: 100.000,00 DM.
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