Urteil des OLG Köln vom 10.06.1996

OLG Köln (belastung, einkommen, beratung, verschulden, vertrag, mitverschulden, zpo, akten, unterlagen, buchhaltung)

Oberlandesgericht Köln, 18 U 214/95
Datum:
10.06.1996
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
18. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 U 214/95
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 14 O 251/94
Schlagworte:
GESCHÄFTSBESORGUNGSVERTRAG BERATUNG
FINANZIERUNGSKONZEPT PVV
Normen:
BGB § 276
Leitsätze:
Ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag über die Buchhaltung von Baugeld
und die wirtschaftliche Betreuung des Bauvorhabens mit einem
geschäftsunerfahrenen Bauherrn abgeschlossen, so gehört es zu den
vertraglichen Pflichten des Finanzierungsberatungsunternehmens ein
solides, tragfähiges Finanzierungskonzept, das den
Einkommensverhältnissen dere Bauherrn ausreichend Rechnung trägt,
zu entwickeln. Bei Verletzung dieser Pflicht steht dem Bauherrn ein
Anspruch aus Verschulden bei den Vertragsverhandlungen zu.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 02. August 1995
verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 14 O 251/94 - teilweise
abgeändert. Die Vollstreckungsbescheide des Amtsgerichts Hagen vom
22.06.1994 Geschäfts-Nummern 94-2272928-1-4 und 94-2272928-2-2
werden aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die
Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der durch die Versäumung des
Widerspruchs gegen die Mahnbescheide vom 19.05.1994 verursachten
Kosten, die den Beklagten auferlegt werden. Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung ist begründet.
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Der Klägerin steht aus dem von den Beklagten gekündigten
Geschäftsbesorgungsvertrag über die Buchhaltung von Baugeld und die wirtschaftliche
Betreuung des Bauvorhabens der Beklagten kein Anspruch auf Bearbeitungsgebühren
und Ersatz von entgangenem Gewinn gegen die Beklagten zu.
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Dabei kann dahinstehen, ob der Vertrag vom 14.12.1992 ein einheitliches
Rechtsgeschäft mit dem im Verfahren 18 U 213/95 für formnichtig erklärten
Fertighausvertrag darstellt und deshalb nach § 13 a BGB nichtig ist, oder ob der Vertrag
selbst nach § 125 BGB formnichtig ist, weil er der notariellen Beurkundung gemäß § 313
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BGB bedurft hätte, oder ob gar der Vorwurf der Sittenwidrigkeit begründet wäre.
Den Beklagten steht jedenfalls ein Anspruch aus Verschulden bei den
Vertragsverhandlungen gegen die Klägerin zu, der auf Befreiung von den
eingegangenen Verbindlichkeiten gerichtet ist. Dabei trifft die Beklagten auch kein
Mitverschulden, das diesen Anspruch mindern könnte.
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Zu den vertraglichen Pflichten der Klägerin hat es gehört, die Beklagten darüber zu
beraten, ob und in welcher Weise das ihnen von der Firma Z. angediente Bauvorhaben
finanzierbar war. Ein solides, tragfähiges Finanzierungskonzept, wie es hiernach
geschuldet gewesen ist, hat die Klägerin für die Beklagten nicht entwickelt und auch bei
den Einkommensverhältnissen der Beklagten nicht vorschlagen können. Ein solches
Finanzierungskonzept hätte dem Umstand Rechnung getragen, daß Miet- und
Nebeneinkünfte jedenfalls vorübergehend entfallen oder vermindert sein konnten und
letztere nicht ohne weiteres neben den erheblichen Eigenleistungen erwirtschaftet
werden konnten, und daß die als Eigenleistung vorgesehene Errichtung des Kellers aus
zeitlichen Gründen mit fremder, nicht ohne weiteres kostenloser Hilfe zu bewerkstelligen
war. Vor allem hätte ein solches Konzept für den Zeitpunkt vorgesorgt, in dem sich durch
den Wegfall der Abschreibungsmöglichkeiten und die Pflicht zur Rückzahlung des
Aufwendungsdarlehens zusätzliche Belastungen ergaben.
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Alles dies ist bei dem Finanzierungskonzept der Klägerin nicht geschehen. Es ist derart
knapp kalkuliert worden, daß die Beklagten das Bauvorhaben mit dem vorgesehenen
Gesamtaufwand von 523.000,00 DM ohne außerordentliche, nach der Beratung der
Klägerin nicht vorgesehene Anstrengungen keinesfalls hätten durchführen können. Dies
ergibt sich aus den von der Klägerin selbst zu den Akten gereichten Unterlagen. In dem
Antrag auf Gewährung öffentlicher Mittel ist die Belastung mit 20.260,50 DM jährlich
errechnet. Darin sind die Betriebs- und Instandhaltungskosten enthalten, die in dem
Finanzierungsplan der Klägerin vernachlässigt worden sind. Zieht man die von der
Klägerin errechnete Steuerersparnis von 4.712,00 DM ab, verbleibt immer noch eine
Belastung von 19.274,00 DM. Bei einem Einkommen von 51.376,00 DM jährlich
reduzierte sich das verfügbare Einkommen damit auf 32.102,00 DM. Bei einem solchen
Einkommen hat kein Spielraum mehr dafür bestanden, Mittel für die Zeit anzusparen, in
der die degressive Abschreibung entfiel und das Aufwendungsdarlehen zurückzuzahlen
war. Es haben auch keine Mittel für den Fall zur Verfügung gestanden, daß die
Einliegerwohnung nicht die erhofften Mieterträge einbringen würde, z.Bsp. bei
Zahlungsunfähigkeit oder -Unwilligkeit der Mieter, oder daß der für beide Eheleute
eingenommene Nebenverdienst von 500,00 DM pro Monat nicht erzielt werden konnte.
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Auf diese Probleme und Risiken hätten die geschäftsunerfahrenen Beklagten deutlich
hingewiesen werden müssen. Dies ist nicht geschehen. Die Klägerin hat im Gegenteil
bei den Beklagten völlig unrealistische Erwartungen geweckt. So ist die Mitarbeiterin
der Klägerin, die Zeugin W.-K., ausweislich der von ihr zu den Akten gereichten
Unterlagen bei der Finanzierungsberatung vom 25.05.1992 zu einer monatlichen
Belastung von netto 1.192,00 DM gelangt, obschon der Grundstückspreis noch mit
70.000,00 DM veranschlagt war, der doch nach Aussage der Zeugin nur bei 44.000,00
DM liegen durfte, damit das Projekt rechnerisch finanzierbar war. Bei den Beklagten ist
danach von Anfang an der unrichtige Eindruck erweckt worden, das Bauvorhaben sei
für sie auf jeden Fall durchführbar.
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Der Klägerin ist hiernach jedenfalls eine fahrlässige Falschberatung der Beklagten
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anzulasten, die einen Anspruch der Beklagten aus Verschulden bei den
Vertragsverhandlungen begründet. Mangels gegenteiligen Vortrags der insoweit
darlegungspflichtigen Beklagten (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB 55. Aufl. § 282 Rn. 15) ist
davon auszugehen, daß die Beklagten den Geschäftsbesorgungsvertrag bei richtiger
Beratung nicht abgeschlossen hätten. Sie sind deshalb von den Ansprüchen der
Klägerin aus dem Vertrag freizustellen. Ein Mitverschulden ist den Beklagten nicht
anzulasten. Nach den Gesamtumständen und dem persönlichen Eindruck, den der
Senat von den Beklagten gewonnen hat, ist ihnen die Mangelhaftigkeit des
Finanzierungskonzeptes verborgen geblieben, bis sie von dritter Seite darauf
aufmerksam gemacht worden sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 700 Abs. 1, 344 ZPO; der Anspruch
über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Berufungsstreitwert und Beschwer der Klägerin: 10.661,64 DM.
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