Urteil des OLG Köln vom 28.04.1995

OLG Köln (wiedereinsetzung in den vorigen stand, verschulden, 1995, beschwerde, rechtsmittelfrist, wiedereinsetzung, frist, stand, rechtsmittel, sache)

Oberlandesgericht Köln, 16 WX 50/95
Datum:
28.04.1995
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 WX 50/95
Schlagworte:
RECHTSMITTEL; FRIST; WIEDEREINSETZUNG;
Normen:
FGG § 22 II;
Leitsätze:
(Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) Weist der Rechtsanwalt den
Mandanten rechtzeitig auf eine Rechtsmittelfrist hin und beauftragt ihn
der Mandant dann erst nach Fristlauf mit der Einlegung des
Rechtsmittels, so trifft den Mandanten selbst ein die Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand wegen der Versäumung der Rechtsmittelfrist
ausschließendes Mitverschulden auch dann, wenn der Ablauf der
Rechtsmittelfrist im Büro des Rechtsanwalts unverschuldet (- einmaliger
Fehler einer sonst zuverlässigen, sorgfältig ausgewählten
Büroangestellten -) nicht beachtet worden war.
Tenor:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen
Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren
Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin vom 29. März
1995 gegen den Beschluß der 2. Zivilkammer des Landgerichts Aachen
vom 16. Februar 1995 - 2 T 4/94 WEG - wird auf ihre Kosten als
unzulässig verworfen.
G r ü n d e
1
I.
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Der gemäß §§ 29 Abs. 4, 22 Abs. 2 FGG zulässige Antrag auf Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren
Beschwerde ist nicht begründet, da die Antragsgegnerin nicht glaubhaft gemacht hat,
daß sie unverschuldet an der Fristwahrung verhindert war. Das Verschulden ihrer
Verfahrensbevollmächtigten steht gemäß § 22 Abs. 2 Satz 2 FGG dem Verschulden der
Antragsgegnerin gleich.
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Nach dem Vortrag der Antragsgegnerin ist vielmehr davon auszugehen, daß die
Fristversäumnis auf ihrem eigenen Verschulden oder dem Verschulden ihrer
Verfahrensbevollmächtigten beruht.
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In Wohnungseigentumssachen muß ein Rechtsanwalt die Rechtsmittelfristen mit der
gleichen Sorgfalt wie im Zivilprozeß überwachen. Er darf das Führen des
Fristenkalenders einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig
überwachten Angestellten übertragen. Ist eine Fristversäumung dann allein auf das
Verschulden der Angestellten zurückzuführen, so scheidet ein Verschulden des
Rechtsanwalts aus.
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Grundsätzlich bestehen daher keine Bedenken dagegen, daß die
Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin die Eintragung und Überwachung der
Fristen ihrer Angestellten K., einer ausgebildeten Rechtsanwaltsgehilfin, übertragen
haben, wenn diese - wie von den Verfahrensbevollmächtigten anwaltlich versichert -
geschult und zuverlässig war und regelmäßig kontrolliert wurde. In welcher Weise und
in welchen Zeitabständen die Kontrollen stattfinden, hat die Antragsgegnerin zwar nicht
dargetan. Hierzu bedurfte es jedoch keiner Ergänzung des Vortrags, da aus anderen
Gründen ein Verschulden des die Sache bearbeitenden Rechtsanwalts oder der
Antragsgegnerin selbst anzunehmen ist:
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Der Rechtsanwalt hat den Beschluß des Landgerichts an die Antragsgegnerin
weitergeleitet, die mit Schreiben vom 23. März 1995 darauf reagiert und offensichtlich
die Verfahrensbevollmächtigten mit der Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde
beauftragt hat. Die Verfahrensbevollmächtigten mußten ihre Mandantin aber nicht nur
über den Beschluß des Landgerichts informieren, sondern auch den Zustellzeitpunkt
und den Tag des Fristablaufs für die Einlegung eines weiteren Rechtsmittels mitteilen,
es sei denn, die Mandantin hätte bereits vor der Zustellung eindeutig erklärt, kein
Rechtsmittel einlegen zu wollen (vgl. BGH VersR 1972, 886). Der Hinweis auf den
Fristablauf ist insbesondere auch im Hinblick auf die relativ kurze Rechtsmittelfrist von
zwei Wochen notwendig.
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Falls das Begleitschreiben der Verfahrensbevollmächtigten, mit dem der Beschluß des
Landgerichts um Kenntnisnahme an die Antragsgegnerin weitergeleitet wurde, die
erforderlichen Hinweise enthielt, durfte die Antragsgegnerin ihre
Verfahrensbevollmächtigten nicht erst mit Schreiben vom 23. März 1995 mit der
Einlegung eines weiteren Rechtsmittels beauftragen, sondern hätte dies so rechtzeitig
veranlassen müssen, daß die sofortige weitere Beschwerde spätestens am 17. März
1995 bei Gericht einging. In diesem Fall hat die Antragsgegnerin die Fristversäumnis
zumindest mitverschuldet.
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Wurde hingegen der Beschluß des Landgerichts ohne den notwendigen Hinweis an sie
weitergeleitet, so trifft den die Sache bearbeitenden Rechtsanwalt ein Verschulden, weil
er keine entsprechende Weisung erteilt und/oder jedenfalls das Anschreiben an die
Antragsgegnerin unterzeichnet hat, ohne den fehlenden Hinweis nachzuholen.
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Ein weiteres schuldhaftes Versäumnis liegt darin, daß der Rechtsanwalt, dem die
Handakte zwecks Unterzeichnung des Begleitschreibens an die Antragsgegnerin
vorgelegt worden ist, nicht bemerkt hat, daß in der Handakte ein Bürovermerk über die
von ihm angeordnete Notierung der Rechtsmittelfrist im Fristenkalender nicht
angebracht war. Ansonsten würde er das Fehlen der Eintragung im Fristkalender
aufgedeckt haben. Die Antragsgegnerin hat nicht einmal vorgetragen, daß ihre
Verfahrensbevollmächtigten die Anbringung eines solchen Erledigungsvermerks
angeordnet hatten. Eine Überprüfung des Erledigungsvermerks durch den
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bearbeitenden Rechtsanwalt ist jedenfalls in den Fällen geboten, in denen ihm die
Handakte im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozeßhandlung vorgelegt
wird. Die Vorlage zwecks Unterzeichnung der Benachrichtigung des Mandanten betrifft
zwar keine fristgebundene Prozeßhandlung, ist aber ebenso zu behandeln, da sich
auch hier die Notwendigkeit der Fristenprüfung - insbesondere im Hinblick auf die Kürze
der Rechtsmittelfrist - aufdrängt.
Daß die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin auch die Benachrichtigung
ihrer Mandanten über die Zustellung anfechtbarer Entscheidungen und die dadurch in
Lauf gesetzten Rechtsmittelfristen ihrer Angestellten Kasischke oder einer anderen
Bürokraft überlassen und dieser entsprechende Anweisung erteilt haben, wird weder
vorgetragen noch enthält die eidesstattliche Versicherung der Frau K. vom 27.03.1995
einen entsprechenden Hinweis. Sowohl der Wiedereinsetzungsantrag als auch die
eidesstattliche Versicherung verhalten sich im Gegenteil ausdrücklich nur über die
Führung des Fristenkalenders und die Kontrolle der Fristen durch die Angestellte K..
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Nach alledem kann nicht ausgeschlossen werden, daß weder die Antragsgegnerin noch
ihre Verfahrensbevollmächtigten ein (Mit-)Verschulden an der Nichteinhaltung der
Beschwerdefrist trifft.
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II.
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Die sofortige weitere Beschwerde war daher wegen Versäumung der Frist als
unzulässig zu verwerfen. Im übrigen hätte das Rechtsmittel aus den Gründen der
angefochtenen Entscheidung auch in der Sache keinen Erfolg.
14
III.
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Es entspricht billigem Ermessen, der Antragsgegnerin die gerichtlichen und
außergerichtlichen Kosten des unzulässigen Rechtsmittels aufzuerlegen (§ 47 WEG).
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Dr. Schuschke Becker Schneider
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