Urteil des OLG Köln vom 28.04.2010

OLG Köln (mutwillige prozessführung, gerichtliches verfahren, stellungnahme, zpo, aufrechnung, partei, verhalten, bewilligung, forderung, antragsteller)

Oberlandesgericht Köln, 27 WF 49/10
Datum:
28.04.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
27. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
27 WF 49/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Heinsberg, 31 F 288/09
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 18.03.2010 wird
der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Heinsberg vom
02.03.2010 - 31 F 288/09 - dahin abgeändert, dass ihr zur Verteidigung
gegen den Antrag ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von
Rechtsanwalt I. bewilligt wird.
Es wird darauf hingewiesen, dass eine Überprüfung der
Verfahrenskostenhilfe und Inanspruchnahme der Antragsgegnerin für
die Verfahrenskosten in Betracht kommt, wenn und soweit sie aus der
Teilungsversteigerung einen überschießenden Erlös erhalten sollte.
G r ü n d e
1
Das zulässige Rechtsmittel hat im Ergebnis Erfolg.
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Das Amtsgericht hat die Rechtsverteidigung der Antragsgegnerin für mutwillig gehalten,
weil sie zu dem Verfahrenskostenhilfegesuch des Antragstellers nicht Stellung
genommen hat, wodurch es zur Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für diesen und
damit erst zur Durchführung des gerichtlichen Verfahrens gekommen sei.
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a)
4
Es entspricht einer zumindest weitverbreiteten Auffassung, dass die Prozessführung
einer Partei mutwillig ist, die ihr Verhalten - vorprozessual oder auch im Rahmen des
vorgeschalteten Prozesskostenhilfeverfahrens - nicht auf Prozessvermeidung ausrichtet,
sondern durch Tatenlosigkeit dazu beiträgt, dass der antragstellenden Partei
Prozesskostenhilfe bewilligt wird, um sich dann erst im Prozessverfahren - ebenfalls
unter Gewährung von Prozesskostenhilfe - (erfolgreich) gegen den Kläger zu
verteidigen, deren Verhalten mithin dazu führt, dass die Gerichte bei beiderseitiger
Prozesskostenhilfebewilligung und damit mit beträchtlichen Kosten für die Allgemeinheit
mit einem "letztlich überflüssigen Prozess" befasst werden (vgl. OLG Köln, OLGR 2009,
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452 ff; OLG Brandenburg, FamRZ 2006, 349; FamRZ 2008, 70; OLG Düsseldorf,
FamRZ 1997, 1017; OLG Oldenburg, FamRZ 2002, 1712; Thomas/Putzo/Reichold,
ZPO, 30. Aufl., § 114 Rn. 7; Wax in Münchener Kommentar ZPO, 2. Aufl., § 114, Rn.
2127; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 114, Rn. 36; offen lassend Zöller/Geimer, 28.
Aufl., § 114, Rn. 34 a m.w.N. auch zu abweichenden Ansichten). Eine Partei, die nicht
damit rechnen kann, dass sie bei einem Gewinn des Prozesses ihre Kosten bei dem
prozessarmen Gegner erstattet bekommen wird, würde ihr Interesse daran setzen, ihre
Gegenargumente möglichst frühzeitig geltend zu machen, um dadurch ein gerichtliches
Verfahren und die damit verbundene Kostenbelastung zu vermeiden.
Diese Argumentation wird auch auf die Verfahrenskostenhilfe in Familienverfahren zu
übertragen sein.
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b)
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Im Streitfall haben die Antragsgegnerin und ihr Verfahrensbevollmächtigter, die seit
langem und immer wieder in den unterschiedlichsten Konstellationen mit der Frage der
Nutzungsentschädigung oder Wohnwertanrechnung betreffend das Hausobjekt befasst
gewesen sind, im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren keinerlei Stellungnahme
abgegeben und damit die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Antragsteller
und die Einleitung des gerichtlichen Verfahrens gegen die Antragsgegnerin
herbeigeführt.
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c)
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Gleichwohl sieht der Senat in der hier gewählten Vorgehensweise noch keine
mutwillige Prozessführung. In der Antragserwiderung hat sich die Antragsgegnerin
zunächst gegen die geltend gemachte Nutzungsentgeltforderung selbst gewandt, indem
sie gemeint hatte, dem Verlangen stehe eine rechtskräftige Entscheidung entgegen,
zumindest sei das Verlangen des Antragstellers aber unbillig oder arglistig. Erst im
Rahmen des Beschwerdevorbringens, nachdem sie erkannt hat, dass ihre bisherige
Rechtsverteidigung aus der Sicht des Amtsgerichts erfolglos sein würde, hat sie gegen
die Nutzungsentgeltforderungen mit Gegenforderungen aufgerechnet.
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Insoweit kann aber davon ausgegangen werden, dass ihre Stellungnahme zu dem
Verfahrenskostenhilfegesuch im Ergebnis nicht anders ausgesehen hätte als die
zunächst abgegebene Antragserwiderung mit der Folge, dass es auch unter
Berücksichtigung dieser Stellungnahme zu einer Verfahrenskostenbewilligung für den
Antragsteller gekommen wäre. Dass in der ersten Stellungnahme noch nicht - hilfsweise
- die Aufrechnung mit Gegenansprüchen erklärt worden ist, macht das
"Prozessverhalten" ungeachtet möglicher Nachteile verspäteten Vorbringens im
eigentlichen Verfahren noch nicht mutwillig, zumal die Aufrechnung mit Verlust von
Gegenansprüchen verbunden ist. Kommt es in einem solchen Fall - wenn bereits die
"Klageforderung" streitig ist - nicht zur Prozessdurchführung, bleiben letztlich das
Schicksal von Klageforderung und Gegenforderung ungeklärt. Bei dieser besonderen
Sachlage wäre es aus Sicht des Senats noch nicht als mutwillige "Prozessführung"
anzusehen gewesen, wenn die Antragsgegnerin sich in ihrer Stellungnahme zum
Verfahrenskostenhilfegesuchs wie in der späteren Erwiderung auf den Antrag auf die -
aus ihrer Sicht bereits Erfolg versprechende - Auseinandersetzung mit der
Antragsforderung beschränkt hätte.
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d)
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Dem Verteidigungsvorbringen kann, soweit es auf die Aufrechnung mit
Gegenforderungen gestützt ist, eine Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden. Die
Zahlungen auf die Hausverbindlichkeiten sind belegt; ebenso ist dargetan die offen
stehende Forderung in Höhe von 1.564,69 EUR aus einem Vorprozess. Die Forderung
über 17.000 EUR, wegen deren die Zwangsvollstreckung betrieben wird, wird allerdings
noch näher zu spezifizieren sein. Auch wenn es so sein sollte, dass der Betrag auf der
Grundlage der einstweiligen Anordnung ermittelt worden ist, obwohl für den
Trennungsunterhalt eine anderweitige Regelung wirksam geworden ist (§ 620 f a.F.), ist
davon auszugehen, dass offenstehende Unterhaltsforderungen in nicht unerheblicher
Höhe bestehen. Im Hinblick auf das laufende Teilungsversteigerungsverfahren kann
zudem angenommen werden, dass der Nutzungsentschädigungsanspruch des
Antragstellers ohnehin in absehbarer Zeit ausläuft oder womöglich bereits ausgelaufen
ist. Insgesamt kann daher dem Verteidigungsvorbringen der Antragsgegnerin (so hat es
offenbar auch das Amtsgericht gesehen) bei summarischer Prüfung eine Erfolgsaussicht
nicht abgesprochen werden.
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Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 127 Abs. 4 ZPO entbehrlich.
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