Urteil des OLG Köln vom 18.02.2003
OLG Köln: eintritt des versicherungsfalls, wider besseres wissen, verkäuferin, eigentumswohnung, gegenleistung, beratung, versicherungsschutz, verkehrswert, berechtigung, bereicherung
Oberlandesgericht Köln, 9 U 85/02
Datum:
18.02.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
9. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 U 85/02
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 24 0 384/01
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 24. Zivilkammer des
Landgerichts Köln vom 18.04.2002 - 24 O 384/01 - abgeändert und wie
folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die
außergerichtliche Rückabwicklung eines Kaufvertrages vom 01.12.1995
über eine Eigentumswohnung in I - B, E, sowie für die außergerichtliche
Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus Verschulden bei
Vertragsschluss gegenüber der D Gesellschaft für Haus- und
Grundbesitz mbH & Co. KG, M, in Gesamthöhe von 75.159,90 EUR
(entsprechend 147.400,00 DM) Rechtsschutz im Rahmen der ARB 75
und des zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrages
zu erteilen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e :
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I. Der Kläger ist bei der Beklagten rechtsschutzversichert nach ARB 75. Er erwarb als
Ersterwerber im Dezember 1995 in I-B, E, eine 25,20 qm große Eigentumswohnung als
Kapitalanlage in einem Anlageobjekt von 250 Eigentumswohnungen. Die
Gesamtaufwendungen des Klägers betrugen 147.400,00 DM. Der Kläger hielt das
Rechtsgeschäft wegen eines Missverhältnisses von Leistung- und Gegenleistung für
sittenwidrig und beauftragte im Frühjahr 2001 seine Anwälte mit der außergerichtlichen
Geltendmachung von Rückabwicklungs- und Schadensersatzansprüchen gegenüber
der Verkäuferin.
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Einen entsprechenden Schriftsatzentwurf vom 10.07.2001 legte er der Beklagten vor.
Für diese Ansprüche begehrt der Kläger bedingungsgemäßen Deckungsschutz von der
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Beklagten. Diese beruft sich auf den Risikoauschluss des Baurisikos. Das Landgericht
hat die Klage abgewiesen. Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die
tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Mit der
Berufung begehrt der Kläger weiterhin Deckungsschutz für die außergerichtliche
Geltendmachung der Ansprüche. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und
beruft sich auf den Risikoausschluss des Baurisikos und auf Verletzung der
Abstimmungsobliegenheit.
II. Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Klägers ist begründet.
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1. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger für die außergerichtliche Geltendmachung
von Rückabwicklungs- und Schadensersatzansprüchen gegen die Verkäuferin des
Anlageobjekts bedingungsgemäß nach ARB 75 Deckungsschutz in der
Rechtsschutzversicherung zu gewähren.
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a) Nachdem über den Eintritt des Versicherungsfalls kein Streit besteht, war zu
entscheiden, ob der Risikoausschluss des § 4 Abs. 1 k ARB 75 eingreift.
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Dies ist zu verneinen.
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Nach dieser Bedingung bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf die
Wahrnehmung rechtlicher Interessen,
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"die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Planung, Errichtung oder
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genehmigungspflichtigen baulichen Veränderung eines im Eigentum oder
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Besitz des Versicherungsnehmers befindlichen oder von diesem zu erwerbenden
Grundstückes, Gebäudes oder Gebäudeteiles stehen. "
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Sinn und Zweck der Ausschlussklausel "Baurisiko" ist es, die erfahrungsgemäß
besonders kostenträchtigen, im Risiko schwer überschaubaren und kaum kalkulierbaren
rechtlichen Auseinandersetzungen um Baumaßnahmen aller Art, aber auch um die sie
unmittelbar begleitenden Vorgänge, vom Versicherungsschutz auszunehmen, weil nur
für einen verhältnismäßig kleinen Teil der Versicherten ein solches Risiko entstehen
kann (vgl. Senat, r+s 1997,507).
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Nicht alle Risiken, die als Folge eines Bauvorhabens entstehen können, sind indes -
wie die Auslegung der Klausel bei Würdigung aus der Sicht des durchschnittlichen
Versicherungsnehmers ergibt - vom Deckungsschutz ausgeschlossen.
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Eine Finanzplanung wird allerdings dann vom Risikoausschluss erfasst, wenn und
soweit ein "unmittelbarer Zusammenhang" zur Planung oder Errichtung eines
Gebäudes besteht. Es ist ein gewisser zeitlicher Zusammenhang sowie ein innerer
sachlicher Bezug zwischen der Finanzplanung und der Planung und Errichtung eines
Bauwerkes erforderlich ( vgl. BGH, VersR 1986, 132; 1990, 485; OLG Bamberg, VersR
1995, 529; OLG Karlsruhe, ZfS 1984, 15; VersR 1997, 182; OLG Oldenburg, VersR
1998, 1412; OLG Hamm, r+s 2000, 113; Senat, r+s 1997, 507 zu § 3 Abs. 1 d ARB 94,
der "ursächlichen Zusammenhang" verlangt). Geplante rechtliche
Auseinandersetzungen betreffend nicht mit einem Bau zusammenhängende
Gewährleistungsansprüche oder von der Baumaßnahme unabhängige fehlerhafte
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steuerliche Beratung fallen demnach nicht unter das Baurisiko.
Geht es um die Frage, ob der Versicherungsnehmer durch falsche, unseriöse Angaben
zum Objekt im Hinblick auf Vermietungsmöglichkeiten und erzielbaren Mietzins, also
Güte und Rentabilität der Anlage, vom Verkäufer getäuscht worden ist, so sind damit
ebenfalls nicht typischerweise mit der Planung und Errichtung eines Gebäudes
verbundene Umstände angesprochen (vgl. Senat, r+s 1997, 507). So liegt es auch hier.
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Dem Kläger geht es um die (zunächst) außergerichtliche Geltendmachung von
Rückabwicklungsansprüchen aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten
Bereicherung und um die Berechtigung von Schadensersatzforderungen gegen die
Verkäuferin. Im Streit ist die Frage, ob die Eigentumswohnung in sittenwidriger Weise
überteuert war und ob der Verkäuferin Pflichtverletzungen durch falsche Beratung in
verschiedener Hinsicht zur Last fallen. Der Kläger trägt vor, nach seiner Berechnung
habe der Verkehrswert der Wohnung zum Erwerbszeitpunkt 43.063,94 DM betragen.
Bei einer Relation zum tatsächlichen Verkaufspreis von 131.960,00 DM ergebe sich ein
so starkes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, dass Sittenwidrigkeit
vorliege.
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Zudem sei die Aussage der Verkäuferin zur Netto-Mietrendite und zu der
Wirtschaftlichkeitsberechnung objektiv falsch gewesen und wider besseres Wissen
erfolgt. So berechnet der Kläger einen Netto-Mietertrag je Quadratmeter und Monat von
6,85 DM. Demgegenüber habe die Verkäuferin in einem persönlichen
Berechnungsbeispiel für die Erwerbsphase und das erste Vermietungsjahr eine
erzielbare Netto-Mietrendite von 18,00 DM pro Quadratmeter und Monat genannt.
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Diese gesamten Umstände kennzeichnen die rechtliche Auseinandersetzung nicht als
eine ihrem Wesen nach typischerweise mit der Planung und Errichtung eines Gebäudes
innerlich zusammenhängende Streitigkeit.
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Auf die Frage des genauen Fertigstellungsdatums des Objekts kommt es - bei den hier
gegebenen Umständen - nicht entscheidend an. Der bauseitige Fertigstellungszeitpunkt
der einzelnen Wohnungen im Objekt mag - auch von Zufällen abhängig -
unterschiedlich sein. Dieser Zeitpunkt kann aber nicht das wesentliche
Abgrenzungskriterium sein. Maßgebend ist, ob nach dem Gegenstand des Begehrens
des Versicherungsnehmers ein allgemeines Vertragsrisiko, insbesondere
Kapitalanlagerisiko, betroffen ist oder ob eine innere Verbundenheit zum typischen
Baurisiko besteht. An einem solchen Baurisikotyp fehlt es im vorliegenden Sachverhalt.
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b) Eine Verletzung der Abstimmungsobliegenheit nach § 15 Abs. 1 a und d cc) ARB 75
ist nicht erkennbar.
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Es geht vorliegend um die geplante außergerichtliche Geltendmachung von
Ansprüchen des Klägers. Aus diesem Grund ist der Schriftsatzentwurf der
Bevollmächtigten des Klägers vom 10.07.2001 der Beklagten mit der Bitte um
Deckungszusage übersandt worden. Diese Vorgehensweise des Klägers ist nicht zu
beanstanden.
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2. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO n. F. waren
nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine
Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur
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Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Entscheidung des
Senats fügt sich in die im Grundsatz einheitliche Rechtsprechung ein. Divergierende
Entscheidungen anderer Gerichte bei anders gelagerten Sachverhalten führen nicht zu
einer anderen Beurteilung.
Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Soweit der Kläger
seinen Antrag präzisiert hat, liegt lediglich eine Klarstellung und keine Einschränkung
des ursprünglichen Begehrens vor. Von Anfang an ging es um Deckung der
außergerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen.
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Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 2.500,00 EUR
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