Urteil des OLG Köln vom 26.02.2009

OLG Köln: rechnungslegung, bindungswirkung, leistungsklage, nachrichten, nachlass, aufwand, auflage, erstellung, erbengemeinschaft, bezifferung

Oberlandesgericht Köln, 2 W 16/09 - 2 W 17/09
Datum:
26.02.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 W 16/09 - 2 W 17/09
Vorinstanz:
Amtsgericht Köln, 19 O 6/09
Tenor:
1.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 27. Januar 2009 (2 W 16/09)
gegen die Festsetzung des Gebührenstreitwerts in dem
Anerkenntnisurteil des Einzelrichters der 19. Zivilkammer des
Landgerichts Köln, 19 O 6/09, wird als unzulässig verworfen.
2.
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) vom 27. Januar 2009 (2 W
16/09) wird die Festsetzung des Gebührenstreitwerts in dem
Anerkenntnisurteil des Einzelrichters der 19. Zivilkammer des
Landgerichts Köln, 19 O 6/09, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Wert des Klageverfahrens wird auf
5.000,01 €
festgesetzt.
G r ü n d e
1
I.
2
Mit der beim Amtsgericht Köln eingereichten Klage hat der Kläger beantragt, die
Beklagte zu verurteilen, den übrigen Miterben der Erbengemeinschaft nach I-K U,
nämlich dem Kläger, seinem Bruder L U und seiner Schwester C J, geb. U, Auskunft
über ihre Tätigkeit als Testamentsvollstrecker zu erteilen, insbesondere konkret
mitzuteilen, ob und in welcher Höhe, wo und zu welchen Bedingungen eine
Instandhaltungsrücklage aus dem Nachlass angelegt worden ist. Mit Beschluss vom 25.
November 2008 hat das Amtsgericht den Streitwert für das Verfahren auf über 5.000,00
€ festgesetzt und mit Beschluss vom 15. Dezember 2008 den Rechtsstreit an das
Landgericht Köln verwiesen. Durch Anerkenntnisurteil des Einzelrichters des
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Landgerichts Köln vom 24. Februar 2008, 19 O 6/09, ist die Beklagte antragsgemäß
verurteilt worden. Zugleich hat der Einzelrichter den Streitwert für das Klageverfahren
auf 1.000,00 € festgesetzt und hierzu im Wesentlichen ausgeführt, der maßgebliche
Gegenstandswert bemesse sich nach 1 % des Werts der Instandhaltungsrücklage.
Gegen diese Wertfestsetzung haben sowohl der Kläger als auch seine
Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 27. Januar 2009 Beschwerde mit dem Ziel
der Erhöhung des Streitwertes eingelegt. Durch Beschluss vom 13. Februar 2009 hat
das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und dem Senat vorgelegt.
II.
4
1.
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Die ausdrücklich in Namen des Klägers erhobene Beschwerde ist unzulässig, weil sie
ausweislich ihrer mit Schriftsatz vom 27. Januar 2009 gegebenen Begründung auf eine
Erhöhung des Gebührenstreitwerts zielt. Für eine solche Beschwerde fehlt indes dem
Kläger das erforderliche Rechtsschutzinteresse; an einer Erhöhung des Streitwertes hat
er kein berechtigtes Interesse. Vielmehr kann nach einhelliger Auffassung in
Rechtsprechung und Literatur eine Partei nur mit dem Ziel der Herabsetzung des
Streitwerts Beschwerde einlegen (vgl. nur Hartmann, Kostengesetze, 38. Auflage 2008,
§ 68 GKG Rn. 5 m.w.N.).
6
2.
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Die von den Prozessbevollmächtigten des Klägers eingelegte, auf eine Erhöhung des
festgesetzten Gebührenstreitwerts gerichtete Beschwerde ist zulässig; sie hat in der
Sache im Ergebnis Erfolg.
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a)
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Das Landgericht war aus formalen Gründen gehindert, den Streitwert für die Bemessung
der Gebühren auf 1.000,00 € festzusetzen. Grundsätzlich richtet sich der Streitwert einer
Klage nach den mit ihr zur gerichtlichen Entscheidung gestellten Klageanträge, im dem
hier gegebenen Fall einer ausschließlichen Auskunfts- bzw. Rechnungslegungsklage
über die Tätigkeit als Testamentsvollstreckerin nach dem gemäß § 3 ZPO zu
schätzenden Interesse des Klägers. Dieses Interesse orientiert sich in der Regel daran,
in welchem Umfang durch die begehrte Auskunft bzw. die Rechnungslegung die
Begründung und Geltendmachung einer beabsichtigten Leistungsklage erleichtert oder
überhaupt erst ermöglicht. Dabei ist das Interesse unter Berücksichtigung der Umstände
des Einzelfalls mit einem Bruchteil eines möglichen Leistungsanspruchs zu bemessen.
Diese Bewertungsgrundsätze gelten indes dann nicht, wenn das mit einer Klage
verfolgte Interesse nicht darauf gerichtet ist, konkret eine Leistungsklage vorzubereiten,
sondern sich darin erschöpft, eine von dem Beklagten geschuldete Auskunft oder
Rechnungslegung herbeizuführen. In einem solchen Falle ist für die Wertbemessung
des Streitgegenstandes vielmehr auf den Aufwand an Zeit und Sachmitteln abzustellen,
der mit der Erteilung der verlangten Auskunft oder Rechnungslegung verbunden ist
(OLG Düsseldorf, OLGR 1995, 192; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Auflage
2007, Rn. 4467; Zöller/Herget, aaO, § 3 Rn. 16 Stichwort "Rechnungslegung").
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Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Nach der Klagebegründung ist die Beklagte
als Testamentsvollstreckerin über den Nachlass des am 1. Juni 2007 verstorbenen
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Herrn U tätig. Sie hat nach den Angaben des Klägers "die selbstverständlichen
Verpflichtung, den Erben unaufgefordert die erforderlichen Nachrichten über die
Testamentsvollstreckertätigkeiten zukommen zu lassen, nicht erfüllt." Allein aus diesem
Grunde ist die Klage erhoben worden, um – wie es in der Klageschrift heißt – dem
Kläger "Nachrichten und Kenntnisse zu verschaffen, damit er die rechtliche und
tatsächliche Situation des Nachlasses richtig und vollständig beurteilen kann." Damit
dient die Klage nach dem mit der Klageschrift aufgezeigten Interesse nicht der
Vorbereitung einer beabsichtigten Leistungsklage, sondern ausschließlich der Erfüllung
einer nach der Auffassung des Klägers bestehenden Auskunfts- und
Rechnungslegungsverpflichtung.
Dieses Interesse an der Auskunftserteilung bzw. Rechnungslegung ist an dem Aufwand
zu messen, der für ihre Erteilung erforderlich war. Den Zeitaufwand für die Erstellung der
Auskunft bzw. Rechnungslegung sowie für die Mitteilung, wie die
Instandsetzungsrücklage angelegt worden ist, schätzt der Senat mangels gegenteiliger
Angaben auf 1 bis 2 Zeitstunden. Da auch nicht ersichtlich ist, dass mit der Erteilung der
Auskünfte bzw. der Rechnungslegung besondere weitere Kosten verbunden sind, ist
das Interesse des Klägers und damit auch der Streitwert auf bis zu 300,00 € zu
bemessen.
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b)
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Jedoch ist sowohl das Landgericht als auch der Senat gehindert, den Streitwert für das
Klageverfahren entsprechend festsetzen. Denn einer solchen Entscheidung steht die
Bindungswirkung der Wertfestsetzung durch das Amtsgericht entgegen. Das
Amtsgericht Köln hat durch Beschluss vom 25. November 2008 den Streitwert für die
Zuständigkeit sowie für das Verfahren auf über 5.000,00 € festgesetzt und anschließend
den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das Landgericht verwiesen. Diese
Wertfestsetzung ist gem. §§ 62 S. 1, 63 Abs. 2 GKG nunmehr für die Berechnung der
Gebühren maßgeblich und bindend (vgl. allgemein Senat, Rpfleger 1974, 22; Senat,
JurBüro 1975, 1354; OLG Köln [12. Zivilsenat] OLGR 2000, 78; KG, MDR 1959, 136;
OLG Dresden OLGR 2008, 42; OLG Frankfurt, MDR 1964, 246; OLG Koblenz OLGR
2005, 602; OLG Saarbrücken, JurBüro 1965, 643; Schneider, MDR 1992, 218). Der Sinn
dieser Vorschriften besteht darin, widersprechende Streitwertfestsetzungen zu
vermeiden, wenn und soweit die Streitwertfestsetzung für die Zuständigkeit des Gerichts
oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels einerseits und für die Gebührenberechnung
andererseits nach denselben Vorschriften zu erfolgen hat. Dadurch soll vermieden
werden, dass in derselben Angelegenheit Gebühren nach einen höheren oder auch
niedrigeren Wert als dem für die Zuständigkeit bzw. Zulässigkeit des Rechtsmittels für
maßgeblich erachteten Streitwert berechnet werden (OLG Köln [12. Zivilsenat] OLGR
2000, 78).
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Die Bindungswirkung der amtsgerichtlichen Streitwertfestsetzung besteht allerdings nur
in Höhe des Grenzwertes für die Zuständigkeit; eine Bezifferung des verweisenden
Gerichts ist darüber hinaus nicht bindend, weil davon die Zuständigkeit nicht abhängt
(Senat, Rpfleger 1974, 22; JurBüro 1975, 1354; OLG Köln [12. Zivilsenat] OLGR 2000,
78; OLG Celle NJW 1957, 1640; OLG Frankfurt JurBüro 1964, 206; OLG München MDR
1988, 973; Schneider, MDR 1992, 218). Die von dem Amtsgericht vorgenommene
"Festsetzung" des Zuständigkeitsstreitwertes ist von Amts wegen und deshalb von dem
Senat im Beschwerdeverfahren auch ohne entsprechende Rüge zu berücksichtigen.
Die Bindungswirkung für den Gebührenstreit entfällt auch nicht deshalb, weil die
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Festsetzung des Amtsgerichts, wie vorstehend aufgezeigt, fehlerhaft ist.
3.
16
Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf die Regelung des § 68 Abs. 3 GKG nicht
veranlasst. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt gemäß den §§ 66 Abs. 3 Satz
3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG nicht in Betracht.
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