Urteil des OLG Köln vom 07.01.1993
OLG Köln (zpo, abweisung der klage, rechtliches gehör, höhe, verhandlung, erklärung, abstand, ankündigung, aufrechnung, kläger)
Oberlandesgericht Köln, 18 U 117/92
Datum:
07.01.1993
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
18. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 U 117/92
Vorinstanz:
Landgericht Aachen, 43 O 19/92
Schlagworte:
URKUNDENPROZEß STATTHAFTIGKEIT ABSTANDNAHME
VERSPÄTETES VORBRINGEN
Normen:
ZPO §§ 592 FF.; ZPO §§ 296, 539; OLGR 93, 141; VERSR 93, 901;
Leitsätze:
1. Zur Statthaftigkeit einer Klage im Urkundenprozeß ist grundsätzlich
notwendig, daß auch zwischen den Parteien unstreitige,
klagebegründende Tatsachen vom Kläger durch Urkunden belegt
werden können; denn die Vorteile für eine im Urkundenverfahren
klagende Partei dürfen nicht auf solche Fälle erweitert werden, in denen
lediglich der die Klageforderung begründende Sachverhalt unstreitig ist.
Allerdings braucht nicht jede vom Kläger darzulegende Tatsache durch
Urkunden belegbar zu sein; bei Zahlungsklagen aus Kauf-, Werk- oder
Dienstverträgen genügt es jedenfalls, wenn der Vertragsschluß als
solcher und die Lieferung oder sonstige Leistung durch Urkunden belegt
sind. 2. Die Erklärung des Klägers, vom Urkundenprozeß Abstand zu
nehmen, kann, unabhängig von ihrer Ankündigung im Schriftsätze, erst
im Verhandlungstermin wirksam abgegeben werden. Gegenvorbringen,
das wegen fehlender Beweisbarkeit durch Urkunden erst im Nachver-
fahren hätte berücksichtigt werden können, braucht der Beklagte
deswegen erst dann in den Prozeß einzuführen, wenn die
Abstandnahme vom Urkundenprozeß feststeht. Es begründet in keinem
Fall den Vorwurf verspäteten Vorbringens, wenn der Beklagte solche
Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht schon auf die schriftsätzliche
Ankündigung der Abstandnahme vorgetragen hat.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung ihres
weitergehen-den Rechtsmittels wird das am 5. Juni 1992 verkündete
Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen - 43
O 19/92 - teilweise, wie folgt, ab-geändert und neu gefaßt: I. Auf die
Urkundsklage der Klägerin wird die Beklagte verurteilt, an die Klä-gerin
253.255,10 DM nebst 12 % Zinsen aus 158.253,20 DM seit dem 17. Juli
1991 und 12 % Zinsen aus 95.001,90 DM seit dem 14. Februar 1992 zu
zahlen. Der Beklagten werden die Kosten des Urkundsverfahrens in
beiden Rechtszügen auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der
Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 315.000,00 DM
abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung
Sicherheit in derselben Höhe leistet. Die Klägerin kann ihre
Sicherheitsleistung auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer
deutschen Bank, Genossenschaftsbank oder Sparkasse er-bringen.
Soweit der Rechtsstreit im Urkundsverfahren entschieden worden ist,
wird der Beklagten die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren
vorbehalten. II. Soweit die Beklagte im ordentlichen Verfahren zur
Zahlung verurteilt worden ist, wird das angefochtene Urteil in diesem
Umfange zugleich mit dem ihm zugrunde-liegenden Verfahren
aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung auch wegen der anteiligen Kosten des diesbezüglichen
Beru-fungsverfahrens an das Landgericht zurückverwiesen.
T a t b e s t a n d
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Die beklagte Gesellschaft ließ im Gewerbegebiet A. K. in W. in drei Bauabschnitten
(A, B und C) ein Bauvorhaben erstellen, die Klägerin übernahm nach Maßgabe
näherer Vereinbarungen die Bauüberwachung gegen eine an den Nettobaukosten
ausgerichtete prozentuale Vergütung. Die Klägerin hat ihre Leistungen erbracht. Über
den Umfang der Vergü-tung haben die Parteien verhandelt. Auf dieser Grundlage ist
unbestritten, daß der Klägerin nach Abzug einer geringen Akontozahlung noch
zustehen 346.450,10 DM. Die Klägerin hat daraufhin im Wege der "Urkundsklage"
von der Beklagten Zahlung von zunächst 319.032,88 DM (hier und im folgenden:
nebst gestaffelten Bankzinsen) begehrt und die Klage im selben Verfahren auf (Bl. 40
GA) jene 346.450,10 DM erhöht.
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Mit am selben Tage eingegangenen Schriftsatz vom 13. April 1992 (Bl. 70 GA) hat
die Klägerin erklärt, daß sie in Höhe eines Teilbetrages von 93.195,00 DM (nämlich
ihrer Vergütung für den Bau-abschnitt C) vom Urkundsprozeß Abstand nehme und in
das normale Verfahren übergehe.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 346.450,10 DM nebst 12 % Zinsen
aus 158.253,20 DM seit dem 17. Juli 1991, im übrigen seit Rechtshängigkeit zu
zahlen.
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Die Beklagte hingegen hat auf
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Abweisung der Klage
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angetragen.
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Sie ist dem tatsächlichen Klagevorbringen nicht entgegengetreten. Sie hat vielmehr
geltendgemacht, daß gegen die Klageforderung mit erheblichen Scha-
densersatzansprüchen "aufgerechnet" werde, weshalb sie eine längere - dann auch
gewährte - Frist zur Stellungnahme gegen die Klage benötige. In ihr hat sie (Bl. 54
GA) die Unzulässigkeit des Urkundsver-fahrens geltendgemacht und (am Ende, Bl.
59 GA) behauptet, daß sie gegenüber der Klagesumme die Aufrechnung mit weit
höheren Schadensersatzansprü-chen "erklärt hat".
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In der mündlichen Verhandlung (vom 8. Mai 1992, Bl. 94 GA) hat die Klägerin die
angekündigte teil-weise Abstandnahme vom Urkundsprozeß erklärt, was die
Beklagte für unzulässig hält. Alsdann hat die Kammer der Klage durch das
angefochtene Urteil ge-mäß dem Klageantrag teils im Urkunds-, im übrigen in dem
ordentlichen Prozeß stattgegeben.
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Hiergegen wendet sich die Berufung in vollem Um-fange.
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Sie hält die Klage, soweit im Urkundsprozeß verfolgt, nach wie vor für unzulässig. In
diesem besonderen Verfahren müßten nämlich sämtliche zur Anspruchsbegründung
erforderlichen Tatsachen durch vorlegungsfähige Urkunden bewiesen werden. Diese
Voraussetzungen lägen hier nicht vor. - Soweit das Landgericht sie im ordentlichen
Verfahren verur-teilt habe, sei die angefochtene Entscheidung we-gen Verstoßes
gegen das Gebot zur Gewährung recht-lichen Gehörs aufzuheben und der
Rechtsstreit zu-folge dieses Verfahrensfehlers an das Landgericht
zurückzuverweisen.
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Die Beklagte beantragt daher,
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1)
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die Klage insoweit, als die Be-klagte im Rahmen des Urkundsver-fahrens
verurteilt worden ist, an die Klägerin 253.255,10 DM nebst 12 % Zinsen aus
158.253,20 DM seit dem 17. Juli 1991 und 12 % Zinsen aus 95.001,90 DM seit
dem 14. Fe-bruar 1992 zu zahlen, unter Abän-derung des angefochtenen Urteils
abzuweisen;
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2)
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den Rechtsstreit gemäß § 529 ZPO insoweit, als die Beklagte im or-dentlichen
Verfahren verurteilt worden ist, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von
93.195,00 DM nebst 12 % Zinsen seit dem 19. Fe-bruar 1992 zahlen, an das
Landge-richt zurückzuverweisen,
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hilfsweise, unter Abänderung des vorbezeichneten Urteils des Land-gerichts die
Klage insoweit abzu-weisen.
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Die Klägerin beantragt demgegenüber,
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die Berufung zurückzuweisen,
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hilfsweise, ihr nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicher-
heitsleistung, auch duch Bankbürg-schaft, abzuwenden.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Ausführungen zur Begründung der
Berufung ent-gegen.
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Wegen des sonstigen Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt, so
insbesondere auch den wei-tergehenden tatsächlichen Darlegungen im angefoch-
tenen Urteil, verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Berufung ist zulässig. Soweit sie sich gegen die Verurteilung im
Urkundenverfahren (I) wendet, ist sie unbegründet und daher zurückzuweisen. Die
Verurteilung der Beklagten im ordentlichen Verfahren (II) beruht auf einem
schwerwiegenden Verfahrensfehler, so daß das angefochtene Urteil - weil eine
eigene Sachentscheidung des Senats nicht sachdienlich ist (§ 540 ZPO) - nebst dem
ihm zugrundeliegenden Verfahren aufzuheben und der Rechtsstreit in diesem
Umfange an das Landgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch
über die diesbezüglichen Kosten der Berufung, zu-rückzuverweisen ist (§ 539 ZPO).
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I.
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Zu Unrecht wendet sich die Berufung dagegen, daß das Landgericht gemäß der
dahingehenden Erklärung der Klägerin (§ 593 Abs. 1 ZPO) teilweise im Ur-
kundsverfahren entschieden hat. Die Voraussetzun-gen für diese Verfahrensweise
haben nämlich vor-gelegen (§ 592 Satz 1 ZPO), wonach ein Zahlungs-anspruch im
Urkundenprozeß geltendgemacht werden darf, wenn - worauf es vorliegend allein
ankommt - die sämtlichen zur Begründung des Anspruchs "er-forderlichen"
Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden "können". Im Kontext hierzu ist in § 597
Abs. 2 ZPO geregelt, daß der Urkundenprozeß dann unstatthaft ist, wenn ein dem
Kläger "obliegender" Beweis nicht mit den im Urkundenprozeß zulässigen Mitteln
angetreten und vollständig geführt werden kann, also durch Urkunden (§ 592 Abs. 1)
und bei hier nicht vorliegendem Bestreiten der Echt-heit einer Urkunde noch
Parteivernehmung (§ 595 Abs. 2 ZPO).
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Aus jenem Begriffszusammenhang zwischen "erforder-lich" bzw. "obliegend" und
dem Beweis wird (mit dem Reichsgericht übereinstimmend BGH NJW 1974, 1199 -
2000 -; Zöller-Schneider, ZPO 17. Aufla-ge, § 597 Rdnr. 5 und § 592, Rdnr. 10 11;
Baum-bach-Hartmann, ZPO, 51. Auflage, 9597 Rdnr. 4; BGH NJW 1978, 820 =
BGHZ 70, 262) bei nur vereinzelten kritischen Gegenstimmen gefolgert, daß es
förmelnd und daher nicht angebracht wäre, auch dann einen Urkundenbeweis zu
verlangen, wenn die an sich in Urkundsform zu beweisende Tatsache unstreitig ist.
Streng genommen würde das letztendlich allerdings bedeuten, daß dann, wenn die
zur Begründung der Klageforderung erforderlichen Tatsachen sämtlich, wie hier,
unstreitig sind, es überhaupt keiner Ur-kunden bedürfen würde, um im
Urkundenprozeß klagen zu können. Das geht jedoch nicht an. Denn das wäre kein
Prozeß mittels Urkunden mehr und böte so die Möglichkeit, im Urkundenprozeß zu
klagen und dem Prozeßgegner mit Einwendungen, wie etwa der Auf-rechnung,
auszuschließen, die er nicht mit Mitteln des Urkundenverfahrens beweisen kann. So
hat denn auch der BGH in jener schon zitierten Entschei-dung NJW 1974, 1199
(1200 Spalte 2 ganz unten) ausgeführt, daß in einem derartigen Falle der Ur-
kundenprozeß "zweifellos" unstatthaft sein würde. Vielmehr sollte nur die Möglichkeit
eingeräumt werden, Lücken des Urkundenbeweises zu füllen, was allerdings auch
keine klare Abgrenzung darstellt, die gerade im Prozeßrecht von Nöten ist. Jeden-
falls kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an, wobei es mit den beispielhaften
Ausführungen des Bundesgerichtshofs (a.a.O.) in solchen Fällen zumindest genügt,
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wenn bei einer Klage aus einem Kaufvertrag (und ebenso aus Werk- und Dienstver-
trägen) der Vertragsschluß als solcher und die Lieferung (sonstige Leistung) durch
Urkunden be-wiesen wird.
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Im vorliegenden Fall hat die Klägerin Grund und Höhe nebst Fälligkeit der im
Urkundenprozeß einge-klagten Forderung mit schriftlichen Beweisstücken dargetan,
wozu ergänzend auf die Darstellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen
wird. Die Klägerin hat die von der Beklagten selbst stammen-de Abrechnung vom 26.
November 1990, auf der die im Urkundsverfahren weiterverfolgte Klageforderung im
wesentlichen beruht, vorgelegt (Ablichtung Bl. 43 GA, Original im Termin wie Bl. 94
GA - vgl. ganz unten das Protokoll - vorgelegt), ferner das unbeanstandet gebliebene
Bestätigungsschreiben der Klägerin vom 15. Mai 1991 (Bl. 11 GA), das sich (Bl. 94
GA) unbestritten im Original bei der Beklagten befindet. Ebenso ist vorgelegt worden
die Antwort der Beklagten vom 3. Juni 1991 (Bl. 13 GA), in der die baldige Zahlung
der hier interessierenden Beträge angekündigt wird und die-se Beträge gemäß den
Vereinbarungen der Parteien über die der Klägerin zustehende Provision näher
wiedergegeben sind. Hier wird also die Berechti-gung der Ansprüche, soweit sie im
Urkundsverfahren dann weiter verfolgt worden sind, dem Grunde wie auch dem
Betrage nach jedenfalls weitgehend erwähnt, sogar ihre Fälligkeit und alsbaldige
Zah-lung in Aussicht gestellt. Wollte man unter diesen Umständen und angesichts
der Tatsache, daß die Forderungen ohnehin unstreitig sind, nun noch in allen
Einzelheiten Belege zur Anspruchshöhe for-dern, so wäre dies gewiß förmelnd.
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Die von der Berufung herausgestellte Tatsache, daß die Klägerin auch
Zeugenbeweis angeboten hat, ist ohne Belang, weil vorsorglich gemeint und auf das
Nachverfahren abzielend.
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Das Urkundsverfahren ist durch die Erklärung der Klägerin, daß von ihm - was
ebenfalls zulässig ist - teilweise Abstand genommen wird, auch nicht unzulässig
geworden.
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Es ist allerdings nicht unumstritten, ob wegen ei-nes Teils des Anspruchs im
Urkundenprozeß von der Fortführung in dieser Prozeßart Abstand genommen
werden kann. Stein-Jonas (ZPO, 19. Aufl., § 596, Anm. II, 4) halten dies für zulässig,
ebenso Baumbach (ZPO, 51. Aufl., § 596 Rdnr. 1). Es muß sich jedoch um einen
eines Teilurteils fähigen Anspruchsteil (vgl. dazu neuerdings wieder BGH NJW-RR
1991, 495) handeln. Das ist hier der Fall. Eine Prozeßtrennung nach § 145 ZPO mag
hin und wieder zweckmäßig sein, ist aber nur ein mögliches Verfahrensmittel
("kann"). Unzulässig wäre eine (Teil-) Abstandnahme allerdings dann, wenn sich der
Anspruch gegen zwei Beklagte richtet und die Abstandnahme nur einen von ihnen
betreffen soll; darum geht es vorliegend jedoch nicht. Es ist auch sonst nicht
einzusehen, warum eine Abstandnahme erst nach Trennung gemäß § 145 ZPO oder
nach Erlaß eines Teilurteils im Urkundsverfahren zulässig sein soll. Zum Erlaß eines
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Teilurteils kann das Gericht nicht gezwungen werden, vielmehr steht dies in seinem
richterlichen Ermessen. Da, wie ausgeführt, ein Teilurteil über den im Urkunden-
prozeß weiterverfolgten Anspruch möglich wäre, wä-re es ebenfalls eine Förmelei,
nur deswegen nicht im Urkundenprozeß entscheiden zu wollen, obwohl in diesem
Umfange am bislang schon zulässigen Urkun-denverfahren festgehalten wird.
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Gegen die sachliche Berechtigung der Klage - vor-behaltlich des erst im
Nachverfahren überprüfbaren Einwandes, durch Aufrechnung den Anspruch zum Er-
löschen gebracht zu haben -, hat auch die Berufung nichts einzuwenden.
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Die Berufung ist daher zurückzuweisen, soweit sie sich gegen das Zuerkenntnis im
Urkundsprozeß richtet.
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II.
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Die Berufung gegen das von der Klägerin außerhalb des Urkundenprozesses
erstrittene Zuerkenntnis ist indessen begründet.
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Dem Landgericht ist in diesem Umfange ein schwerer Verfahrensfehler (§ 539 ZPO)
unterlaufen und eine eigene Sachentscheidung des Senats nicht ange-bracht.
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Das Urteil ist nämlich unter Verletzung des Grundsatzes ergangen, daß jede
Prozeßpartei - wie hier die Beklagte - Anspruch darauf hat, daß das Gericht ihm
rechtliches Gehör gewährt (Artikel 103 Abs. 1 GG; zum Inhalt dieses
Grundverfahrensrechts vgl. u.a. Bundesverfassungsgericht NJW 1992, 2075 unter 2.).
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Geht ein Kläger ganz oder teilweise vom Urkunds-prozeß zum ordentlichen
Verfahren über, so muß die Abstandnahme in der mündlichen Verhandlung erklärt
werden. Erst dann wird sie wirksam. Dahingehende Erklärungen in den Schriftsätzen
sind nur Ankün-digungen. Der dies ankündigenden Partei steht es frei, ob sie die
angekündigte Abstandnahme auch tatsächlich erklärt. Erst ab dieser Erklärung der
Abstandnahme im Verhandlungstermin, auf den hin das angefochtene Urteil
ergangen ist, war für die Beklagte also klargestellt, daß ihr Einwand einer
Aufrechnung, soweit er nicht durch Urkunden zu be-legen war, nunmehr für den
Prozeß im ordentlichen Verfahren Bedeutung erlangen konnte. Das Gericht hätte der
Beklagten mithin Gelegenheit geben müssen, sich auf diese Prozeßlage
insbesondere dadurch einzurichten, daß sie ihre Aufrechnung durch substantiiertes
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Vorbringen nunmehr entspre-chend ergänzte, was naturgemäß in der mündlichen
Verhandlung in zumutbarer Weise nicht mehr hin-reichend möglich war. Bis dahin
wäre ein solches Vorbringen unerheblich und damit überflüssig gewe-sen, denn es
hätte bedeutet, daß die Beklagte sich allein auf die Möglichkeit einer noch
ungewissen Abstandserklärung schon vorab im einzelnen hätte äußern müssen.
Hinzukommt, daß es sich bei der Ab-standnahme um eine besondere Art der
Klageänderung handelt, und daß keine Prozeßpartei sich im vor-hinein darauf
einrichten muß, daß eine Klage - mag dies auch angekündigt sein - dann tatsächlich
ge-ändert wird.
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So ist es denn entgegen der Auffassung der Klägerin (Bl. 190 GA) unerheblich,
außerdem auch in der Sache unrichtig, daß die Ankündigung der Abstandnahme
bereits und gar eindeutig in der Klagebegründung (unter IV, Seite 7 - 9) ausge-
sprochen worden sei. Von einem solchen Vorgehen steht dort nichts. Vielmehr ist die
Klage eingangs als "Urkundsklage" gekennzeichnet worden und sogar später noch
(Bl. 40 GA) hat die Klägerin wörtlich und in der Sache auch so gemeint vom
"Urkunds-verfahren" gesprochen. Die Ankündigung der teil-weisen Abstandnahme ist
erst im Schriftsatz vom 13. April 1992 (Bl. 70 GA) enthalten.
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III.
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Die Nebenentscheidung über die Kosten, soweit über sie erkannt ist, beruht auf § 97
Abs. 1, dieje-nige über die vorläufige Vollstreckbarkeit des im Urkundenprozeß
bestätigten landgerichtlichen Urteils folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO; soweit der
Rechtsstreit im ordentlichen Verfahren an das Landgericht zurückverwiesen ist, war
der Kammer auch die Entscheidung über die Kosten des Beru-fungsverfahrens
vorzubehalten und von der Anord-nung einer vorläufigen Vollstreckbarkeit abzuse-
hen, weil es insoweit noch nichts zu vollstrecken gibt.
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Streitwert für das Berufungsverfahren:
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I. 253.255,10 DM,
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II. 93.195,00 DM
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346.350,10 DM.
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Beschwer
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a) der Klägerin: 53.195,00 DM; b) der Beklagten: 253.255,10 DM.
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